19 W (pat) 9/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/17 Verkündet am 8. Mai 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11
-2…
betreffend das Patent 10 2006 020 372 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 28. April 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist das Patent 10 2006 020 372 mit der Bezeichnung
„Schiebetüranlage“
erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 24. Dezember 2009 erfolgt.
Gegen das Patent haben die Einsprechende I mit Schriftsatz vom 23. März 2010 und die Einsprechende II mit Schriftsatz vom 24. März 2010, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt jeweils am gleichen Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechenden haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 PatG) und unzulässig erweitert, da er über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Zum Stand der Technik haben die Einsprechenden unter anderem auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
D1 DE 199 49 453 A1 D7 DE 199 49 744 A1 D11 Richtlinie über automatische Schiebetüren in Rettungswegen
(AutSchR) und Richtlinie über elektrische Verriegelungssysteme von Türen in Rettungswegen (EItVTR), jeweils Fassung Dezember 1997. In: Mitteilungen DIBt, 5/1998, S. 120-125.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten und hat beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Patentabteilung 1.23 – hat das Patent auf die Einsprüche der Einsprechenden I und II durch Beschluss vom 6. Juli 2011 mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerde der Patentinhaberin vom 26. September 2011, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag, die sie mit Schriftsatz vom 21. März 2012 begründet hat, richtet sich gegen den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents mit folgenden Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 19 überreicht in der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2017, Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.
Die Einsprechenden I und II beantragen übereinstimmend,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der Patentanspruch 1 vom 8. Mai 2017 lautet:
Schiebetüranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der mittels einer durch eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung antreibbar ist, indem die Steuerungseinrichtung mindestens einen Eingang für mindestens eine Ansteuerspannung aufweist und die Ansteuerspannung über mindestens einen Ansteuerspannungsstromkreis auf den Eingang aufschaltbar ist, und wobei die Schiebetüranlage in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar ist, indem die Antriebseinrichtung so ausgebildet ist, dass der Schiebeflügel beim Vorliegen eines Notfallsignals zur Freigabe eines Fluchtwegs geöffnet wird, und wobei die Schiebetüranlage in zumindest einem Betriebszustand durch eine Verriegelungseinrichtung verriegelbar ist, und wobei eine Freischalteinrichtung zur Entriegelung der Verriegelungseinrichtung vorhanden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Freischalteinrichtung (8) außerdem zur Öffnung des Schiebeflügels (2) ausgebildet ist, indem in dem Ansteuerspannungsstromkreis (SKA, SKA4, SKA5) mindestens ein durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbarer Schaltkontakt (S1, S2, S11, S12) angeordnet ist, dass die Verriegelungseinrichtung (VE) in einem Verriegelungsstromkreis (SKV) angeordnet ist, an welchem eine Versorgungsspannung (U2, U3) anliegt, wobei der Verriegelungsstromkreis (SKV) durch die Freischalteinrichtung (8) unterbrechbar ist, dass in dem Verriegelungsstromkreis (SKV) mindestens ein als Öffner ausgebildeter Schaltkontakt (S3, S9, S10) angeordnet ist, dass der Schaltkontakt (S3, S9, S10) durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbar ist, dass die Steuerungseinrichtung (SE) so ausgebildet ist, dass das Auf- bzw. Abschalten einer Ansteuerspannung (U1, U4, U5) an mindestens einem der Eingänge (E1, E4, E5) eine Öffnung des Schiebeflügels (2) durch die Antriebseinrichtung (5) bewirkt und dass der Schaltkontakt (S3, S9, S10) des Verriegelungsstromkreises (VSK) sowie der Schaltkontakt (S1, S2, S11, S12) des Ansteuerspannungsstromkreises (SKA4, SKA5) gemeinsam durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbar sind.
Zum Wortlaut der sonstigen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Patentabteilung hat das Patent im Ergebnis zu Recht widerrufen.
2. Die Erfindung bezieht sich auf eine Schiebetüranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der mittels einer durch eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung antreibbar ist, indem die Steuerungseinrichtung mindestens einen Eingang für mindestens eine Ansteuerspannung aufweist und diese über mindestens einen Ansteuerspannungsstromkreis auf den Eingang aufschaltbar ist, wobei die Schiebetüranlage in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar ist, indem die Antriebseinrichtung so ausgebildet ist, dass der Schiebeflügel beim Vorliegen eines Notfallsignals zur Freigabe eines Fluchtwegs geöffnet wird, die Schiebetüranlage durch eine Verriegelungseinrichtung verriegelbar ist, und eine Freischalteinrichtung zur Entriegelung der Verriegelungseinrichtung vorhanden ist (Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1).
Davon ausgehend sei es Aufgabe der Erfindung, eine Schiebetüranlage zu schaffen, welche sowohl den Anforderungen von Flucht- und Rettungswegen gerecht wird als auch einen Schutz gegen unberechtigten Durchgang gewährleistet (Absatz 0005).
Als Lösung schlägt der Patentanspruch 1 in der Fassung vom 8. Mai 2017 eine Schiebetüranlage vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1.1
1.1.1 Schiebetüranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der mittels einer durch eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung antreibbar ist,
indem die Steuerungseinrichtung mindestens einen Eingang für mindestens eine Ansteuerspannung aufweist und
1.1.2 1.2 1.2.1 1.3 1.4 1.5 1.5.1
11
13 14 die Ansteuerspannung über mindestens einen Ansteuerspannungsstromkreis auf den Eingang aufschaltbar ist, und wobei die Schiebetüranlage in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar ist, indem die Antriebseinrichtung so ausgebildet ist, dass der Schiebeflügel beim Vorliegen eines Notfallsignals zur Freigabe eines Fluchtwegs geöffnet wird, und wobei die Schiebetüranlage in zumindest einem Betriebszustand durch eine Verriegelungseinrichtung verriegelbar ist, und wobei eine Freischalteinrichtung zur Entriegelung der Verriegelungseinrichtung vorhanden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Freischalteinrichtung (8) außerdem zur Öffnung des Schiebeflügels (2) ausgebildet ist, indem in dem Ansteuerspannungsstromkreis (SKA, SKA4, SKA5) mindestens ein durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbarer Schaltkontakt (S1, S2, S11, S12) angeordnet ist, dass die Verriegelungseinrichtung (VE) in einem Verriegelungsstromkreis (SKV) angeordnet ist, an welchem eine Versorgungsspannung (U2, U3) anliegt, wobei der Verriegelungsstromkreis (SKV) durch die Freischalteinrichtung (8) unterbrechbar ist, dass in dem Verriegelungsstromkreis (SKV) mindestens ein als Öffner ausgebildeter Schaltkontakt (S3, S9, S10) angeordnet ist, dass der Schaltkontakt (S3, S9, S10) durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbar ist, dass die Steuerungseinrichtung (SE) so ausgebildet ist, dass das Auf- bzw. Abschalten einer Ansteuerspannung (U1, U4, U5) an mindestens einem der Eingänge (E1, E4, E5) eine Öffnung des Schiebeflügels (2) durch die Antriebseinrichtung (5) bewirkt und 15 dass der Schaltkontakt (S3, S9, S10) des Verriegelungsstromkreises (VSK [sic!]) sowie der Schaltkontakt (S1, S2, S11, S12) des Ansteuerspannungsstromkreises (SKA4, SKA5) gemeinsam durch die Freischalteinrichtung (8) betätigbar sind.
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Dipl.-Ingenieur (FH) der Elektrotechnik mit mehrjähriger Tätigkeit auf dem Gebiet der Türöffnungssysteme zu Grunde.
4. Die Verwendung des Begriffs der „Freischalteinrichtung“ im verteidigten Anspruch 1 bedarf der Erläuterung.
Im fachüblichen Sprachgebrauch dient eine „Freischalteinrichtung“ nur der Entriegelung einer Tür, nicht der Öffnung eines Türflügels oder anderen Aufgaben (siehe hierzu beispielsweise in Druckschrift D11 insbesondere die Absätze 2.6 bis 3.1.5 auf Seite 123).
Da die konkrete Realisierung der Freischalteinrichtung im Streitpatent durch körperliche Merkmale in den beiden Ausführungsbeispielen (Figuren 2 und 3 mit der zugehörigen Beschreibung) nicht beschränkend wirkt, kann eine für die Beurteilung der Patentfähigkeit taugliche Definition der Freischalteinrichtung lediglich durch ihren funktionellen Merkmale bzw. die Angabe ihrer Wirkung auf andere Komponenten der Schiebetüranlage im verteidigten Anspruch 1 entnommen werden. Im Einzelnen wird dort beschrieben, dass die Freischalteinrichtung geeignet sein soll zur
Entriegelung der Verriegelungseinrichtung (Merkmal 1.4), Öffnung des Schiebeflügels (Merkmal 1.5),
- Betätigung des Schaltkontakts des Ansteuerspannungsstromkreises (Merkmal 1.5.1),
- Unterbrechung des Verriegelungsstromkreises (Merkmal 11), - Betätigung des Schaltkontakts/Öffners des Verriegelungsstromkreises (Merkmal 12) und - gemeinsamen Betätigung der Schaltkontakte des Verriegelungsstromkreises sowie des Ansteuerspannungsstromkreises (Merkmal 15).
Diese Eigenschaften lassen sich so zusammenfassen, dass der Fachmann unter einer Freischalteinrichtung gemäß Anspruch 1 eine aus mehreren, zumindest funktionell zusammenwirkenden, elektrischen und/oder elektronischen Schaltungskomponenten bestehende Schaltungseinheit versteht, die auf elektrischem Wege durch das gemeinsame Betätigen von mindestens zwei Schaltkontakten sowohl die Entriegelung einer Verriegelungseinrichtung als auch das Öffnen eines Schiebeflügels bewirken kann. Dabei ist einer von beiden als Öffner ausgebildet.
5. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Fachmann alle Merkmale, die über die ursprüngliche Fassung hinaus im Patentanspruch 1 genannt sind, den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend entnimmt (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG), da jedenfalls wegen mangelnder Patentfähigkeit seines Gegenstandes eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents nicht in Betracht kommt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1 Abs. 1 PatG und § 4 PatG). Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 kann zwar als neu gelten, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.1 Den Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine Fortentwicklung und Verbesserung von Schiebetüranlagen in Flucht- und Rettungswegen bildet zur Überzeugung des Senats die Druckschrift DE 199 49 453 A1 (Druckschrift D1).
5.2 Die Druckschrift D1 offenbart eine Schiebetüranlage mit zwei Schiebeflügeln (Figuren 1 und 2 und Spalte 5, Zeilen 21 bis 24: „Die … automatische Türoder Fensteranlage weist einen Schiebetürantrieb 2 und zwei Schiebeflügel 1 auf, …“; Merkmal 1).
Die Schiebeflügel sind mittels einer Antriebseinrichtung antreibbar, die durch eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuert wird (Spalte 2, Zeilen 15 bis 19: „… eine Steuerungsvorrichtung vorzugsweise mit Mikroprozessor zum Steuern des Antriebsmotors …“; Merkmal 1.1).
Die Steuerungseinrichtung weist offensichtlich mindestens einen Eingang für mindestens eine Ansteuerspannung auf, da diese an eine Bus-Einrichtung angeschlossen ist und als Bus-Master über diesen Bus von verschiedenen Funktionseinrichtungen Ansteuersignale empfängt (Spalte 6, Zeilen 23 bis 29: „An der Buseinrichtung 4 ist die Antriebsvorrichtung 31 sowie weitere elektrische Funktionseinrichtungen angeordnet. … Die Antriebsvorrichtung 31 weist neben dem Antriebsmotor eine intelligente elektrische Steuerungsvorrichtung mit Mikroprozessor auf, welche als Bus-Master ausgebildet ist“ und beispielsweise Spalte 7, Zeilen 6 bis 9: „… eine Sensorvorrichtung 32 an der Buseinrichtung 4 angeordnet.“). Da es sich bei der Steuerungseinrichtung, der Bus-Einrichtung und allen anderen Funktionseinrichtungen um elektrische bzw. elektronische Komponenten handelt, wird das Ansteuersignal offensichtlich von einem Ansteuerstrom transportiert, der nur innerhalb eines Stromkreises, des Ansteuerspannungsstromkreises, fließen kann. Damit die Steuerungseinrichtung angesteuert werden kann, muss dieser Ansteuerspannungsstromkreis auch elektrisch mit mindestens einem ihrer Eingänge verbunden bzw. in Worten des Streitpatents „auf den Eingang aufschaltbar“ sein (siehe hierzu insbesondere Figur 4 mit der zugehörigen Beschreibung; Merkmale 1.1.1 und 1.1.2).
Die Schiebetüranlage ist in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar (Spalte 4, Zeilen 18 bis 22: „… Funktion der automatischen Tür- oder Fensteranlage, … bei Flucht- und Rettungswegtüren … sichergestellt werden.“; Merkmal 1.2).
Die Antriebseinrichtung ist so ausgebildet, dass die Schiebeflügel beim Vorliegen eines Notfallsignals (Spalte 4, Zeile 30: „Notentriegelungstaster“) zur Freigabe eines Fluchtwegs geöffnet werden (Spalte 4, Zeilen 18 bis 22: „Damit kann die Funktion der automatischen Tür- oder Fensteranlage, insbesondere eine Notöffnung bei Flucht- und Rettungswegtüren, auch bei Ausfall der Steuerungsund/oder Regelungsvorrichtung sichergestellt werden.“ und Spalte 6, Zeilen 37 bis 42: „Ebenso wird ein Ausfall oder des [sic!] Entfernen einer elektrischen Funktionseinrichtung von der elektrischen Steuerungsvorrichtung automatisch erkannt und … eine entsprechende vorwählbare Aktion, z. B. Notöffnung eingeleitet“; Merkmal 1.2.1).
Die Schiebetüranlage ist – zumindest im Betriebszustand der unverriegelten Schiebetüren – durch eine Verriegelungseinrichtung verriegelbar (Spalte 4, Zeile 62 bis 64: „Eine elektrische Funktionseinrichtung ist als Riegelvorrichtung zur Verriegelung des Flügels ausgebildet und weist ein elektromechanisches Riegelelement auf.“ und Spalte 6, Zeile 61 bis Spalte 7, Zeile 2: „Ferner ist in Fig. 2 eine Riegelvorrichtung 33 an der Buseinrichtung 4 angeordnet. Die Riegelvorrichtung 33 weist ein elektromechanisches Riegelelement zum Verriegeln der Schiebeflügel 1 auf. …. Die Riegelvorrichtung ist so ausgebildet, dass sie auf die Befehle Verriegeln und Entriegeln reagiert indem das Riegelelement verriegelt bzw. entriegelt wird ...“; Merkmal 1.3).
Zur Entriegelung der Verriegelungseinrichtung dient eine der Funktionseinrichtungen, beispielsweise ein Ansteuertaster, insbesondere ein Notentriegelungstaster, der an die Bus-Einrichtung und damit an die elektronische Steuerungseinrichtung/Bus-Master angeschlossen ist (Spalte 4, Zeilen 27 bis 31: „Über eine … elektrische Funktionseinrichtung … wie z. B. Schlüsseltaster und/oder Notentrie- gelungstaster und/oder Ansteuertaster an die Buseinrichtung angeschlossen werden.“ und Spalte 4, Zeilen 62 bis 64: „Eine elektrische Funktionseinrichtung ist als Riegelvorrichtung zur Verriegelung des Flügels ausgebildet und weist ein elektromechanisches Riegelelement auf.“; Teil des Merkmals 1.4).
Zur Öffnung des Schiebeflügels werden ebenfalls an die Bus-Einrichtung und damit an die elektronische Steuerungseinrichtung/Bus-Master, die Teil der Antriebsvorrichtung des Schiebeflügels ist (Spalte 6, Zeilen 27 bis 29: „Die Antriebsvorrichtung 31 weist neben dem Antriebsmotor eine intelligente elektrische Steuerungsvorrichtung mit Mikroprozessor auf, welche als Bus-Master ausgebildet ist.“), angeschlossene Funktionseinrichtungen eingesetzt (Spalte 4, Zeilen 13 bis 22: „Eine elektrische Funktionseinrichtung kann als redundante Sicherheitsvorrichtung ausgebildet sein. ... Damit kann die Funktion der automatischen Tür- oder Fensteranlage, insbesondere eine Notöffnung bei Flucht- und Rettungswegtüren, … sichergestellt werden.“ oder Spalte 6, Zeilen 37 bis 42: „Ebenso wird ein Ausfall oder des [sic!] Entfernen einer elektrischen Funktionseinrichtung von der elektrischen Steuerungsvorrichtung automatisch erkannt und … eine entsprechende vorwählbare Aktion, z. B. Notöffnung eingeleitet.“; Teil des Merkmals 1.5).
Der Ansteuerspannungsstromkreis, der im Wesentlichen durch die Bus-Einrichtung, und damit mit der als Bus-Master ausgebildeten Steuerungseinrichtung gebildet und durch die angeschlossenen Funktionseinrichtungen jeweils geschlossenen wird (siehe hierzu auch die Ausführungen zu den Merkmalen 1.1.1 und 1.1.2), enthält, wie der Fachmann automatisch mitliest, mehrere Schaltkontakte – die Steuerung des Antriebs, d. h. die zeitweise Versorgung des elektrischen Antriebsmotors mit elektrischem Strom setzt mindestens einen Schaltkontakt voraus – welche durch die verschiedenen Funktionseinrichtungen betätigbar sind (Spalte 4, Zeilen 27 bis 31: „Über eine als intelligentes Klemmenfeld ausgebildete elektrische Funktionseinrichtung können herkömmlich verdrahtete Komponenten wie z. B. Schlüsseltaster und/oder Notentriegelungstaster und/oder Ansteuertaster an die Buseinrichtung angeschlossen werden.“, Spalte 7, Zeilen 6 bis 14: „Sensorvorrich- tung 32 … einen oder mehrere Sensor(en) wie z. B. Bewegungsmelder, Lichtschranke, Lichttaster…“ und Spalte 6, Zeilen 12 bis 16: „… Anschluss von herkömmlichen elektrischen Komponenten wie z. B. Schalter, Taster“; Teil des Merkmals 1.5.1).
Die Tatsache, dass die Verriegelungseinrichtung in einem Verriegelungsstromkreis angeordnet ist, ergibt sich bei der Schiebetüranlage der Druckschrift D1 bereits daraus, dass es sich um eine elektromechanische Verriegelungseinrichtung handelt (Spalte 6, Zeilen 62 bis 64: „Ferner ist in Fig. 2 eine Riegelvorrichtung 33 an der Buseinrichtung 4 angeordnet. Die Riegelvorrichtung 33 weist ein elektromechanisches Riegelelement zum Verriegeln der Schiebeflügel 1 auf.“). Dass am Verriegelungsstromkreis eine Versorgungsspannung anliegen muss, ergibt sich zwangsläufig. Ebenso ergibt es sich zwingend, dass die entsprechende Funktionseinrichtung den Verriegelungsstromkreis unterbrechen können muss, um die Verriegelung aufzuheben, da die Verriegelung im stromlosen Zustand entriegelt, wie es für den Fachmann selbstverständlich ist und beispielsweise durch die Vorschriften in der Druckschrift D11 (Seiten 122 und 123, Abschnitt 2.1: „… nach dem Ruhestromprinzip“ und Seite 123, Abschnitte 2.6 bis 3.1.5) vorgegeben wird (Merkmal 11). Zur Unterbrechung des Verriegelungsstromkreises muss ein Schaltkontakt geöffnet werden, was üblicherweise mittels eines sog. Ausschalters oder Öffners realisiert wird und für den Fachmann die einfachste Lösung darstellt (Merkmale 12 und 13).
Da die Steuerungseinrichtung als Bus-Master ausgebildet und Teil der Antriebseinrichtung für die Öffnung der Schiebeflügel ist, empfängt sie über entsprechende Eingänge das Auf- oder Abschalten von Ansteuerspannungen von verschiedenen Funktionseinrichtungen, welche die Öffnung der Schiebeflügel bewirken (Druckschrift D1, Spalte 6, Zeilen 23 bis 29: „An der Buseinrichtung 4 ist die Antriebsvorrichtung 31 sowie weitere elektrische Funktionseinrichtungen angeordnet. … Die Antriebsvorrichtung 31 weist neben dem Antriebsmotor eine intelligente elektri- sche Steuerungsvorrichtung mit Mikroprozessor auf, welche als Bus-Master ausgebildet ist“; Merkmal 14).
Es liegt im Zuge der allgemeinen technischen Entwicklung, ausgehend von einer solchen bekannten Schiebetüranlage möglichst den technischen Aufwand zu verringern, die Bedienung zu vereinfachen und vor allem die Sicherheit beim Einsatz in Flucht- und Rettungswegen zu erhöhen.
Der Fachmann erhält dazu aus der Druckschrift D1 zusätzlich noch zwei Hinweise:
Obwohl die beiden Reaktionen – Entriegeln der Verriegelungseinrichtung und Öffnen des Schiebeflügels – bei der Schiebetüranlage der Druckschrift D1 separat durch je eine Funktionseinrichtung ausgelöst werden, lehrt die Druckschrift D1 bereits, durch die Steuerungsvorrichtung eine Doppelfunktion ausführen zu lassen, welche diese beiden Reaktionen umsetzt (Spalte 6, Zeilen 27 bis 29: „Die Antriebsvorrichtung 31 weist neben dem Antriebsmotor eine intelligente elektrische Steuerungsvorrichtung mit Mikroprozessor auf, welche als Bus-Master ausgebildet ist.“ und Spalte 6, Zeile 66 und 67: „Die Steuerungsvorrichtung der Antriebsvorrichtung ist zum Steuern der Riegelvorrichtung 33 ausgebildet.“).
Außerdem bekommt der zuständige Fachmann aus der Druckschrift D1 auch noch die Anregung, mehrere der Funktionseinrichtungen zusammenzufassen. Dazu ist eine externe Bedieneinrichtung vorgesehen, die mit der Buseinrichtung verbunden ist und Eingabeeinrichtungen für die Funktionseinrichtungen aufweist (Spalte 5, Zeile 62 bis Spalte 6, Zeile 7: „Die Bedienvorrichtung 36 weist Eingabe- und Anzeigeelemente … auf, und ist zum Einstellen … von elektrischen Funktionseinrichtungen … ausgebildet.“ und Spalte 6, Zeilen 8 bis 16: „Das intelligente Klemmenfeld wird einerseits an die Buseinrichtung 4 angeschlossen und weist andererseits mehrere elektrische Eingänge und Ausgänge zum Anschluss von herkömmlichen elektrischen Komponenten wie z. B. Schalter, Taster … auf“). Diese Zusammenfassung auf den oben beschriebenen Notentriegelungstaster und die Funktionseinrichtung, die zur Notöffnung der Schiebeflügels dient, ebenfalls anzuwenden, erfordert nicht, dass der Fachmann erfinderisch tätig wird.
Nachdem der Fachmann diese Hinweise zur Kenntnis genommen hat, wird er dieses aus der Druckschrift D1 bekannte Konzept möglicherweise bereits ohne Anregungen aus anderen Dokumenten dahingehend verbessern, die Funktionseinrichtungen zur Notentriegelung und Notöffnung nicht nur in einer Schalteinheit mit mehreren Betätigungseinheiten zusammenzufassen, sondern sie so zu einer einzigen Schaltungskomponente zu integrieren, dass die beiden Funktionen, Notentriegelung und Notöffnung, durch eine einzelne Betätigung bewirkt werden können.
5.3 Auf eine solche Maßnahme wird er aber jedenfalls durch die Druckschrift D7 gelenkt, die sich ebenfalls mit den Fragen befasst, wie eine Türanlage in einem Fluchtweg in Notfällen einfach und sicher geöffnet werden kann (Spalte 3, Zeilen 26 bis 36: „Durch den sich im Notfall selbsttätig öffnenden Fluchtweg werden die Fluchtmöglichkeiten den gefährdeten Personen deutlich aufgezeigt. Dadurch wird gegenüber manuell zu öffnender Fluchtwege die Gefahr einer Panik erheblich reduziert und den flüchtenden Personen die Orientierung erleichtert.“) und außerdem einen unberechtigten Durchgang verhindert (Spalte 3, Zeilen 13 und 14: „… eine Berechtigtenschaltvorrichtung z. B. einen Schlüsselschalter und/oder Codetastatur“).
Bei der Türanlage gemäß der Druckschrift D7 wird durch die Steuerungseinrichtung im Normalbetrieb, aber vor allem beim Vorliegen eines Notfallsignals durch die Betätigung nur eines Schalters sowohl die Entriegelung einer Verriegelungseinrichtung (Spalte 4, Zeile 46 bis 50: „Der Türöffner 37 wirkt in Schließstellung zum Verriegeln des Drehflügels ... Zum Verriegeln und Entriegeln steuert die Steuervorrichtung 5 den Türöffner 37 an.“ und Spalte 5, Zeilen 58 bis 62: „Dabei ist vorgesehen, dass die Haltevorrichtung mit .. dem Türöffner 37 vorzugsweise Ruhestromtüröffner zum Blockieren und Freigeben des Türflügels in Schließlage des Türflügels zusammenwirkt.“; Merkmal 1.4) als auch die Öffnung der Tür aus- gelöst (Spalte 5, Zeilen 41 bis 52: „Die Notöffnung der Türe erfolgt durch den Brandmelder 56, der im Brandfall ein Signal zum Lösen der Haltevorrichtung generiert, worauf der Türflügel unter Wirkung des Energiespeichers selbsttätig öffnet. Das Signal zum Lösen der Haltevorrichtung kann auch von einer an die Auslösevorrichtung anschließbaren Sicherheitseinrichtung wie z. B. … Rettungs-WegSicherungs-Einrichtung generiert werden. Dadurch kann der Rettungsweg im Brandfall und/oder Notfall von zentraler Stelle geöffnet werden. Bei Stromausfall ist die Haltevorrichtung so ausgebildet, dass sie die Türe automatisch löst.“; Merkmal 1.5).
Der Einwand der Patentinhaberin, der Fachmann würde durch die Lehre der Druckschrift D7 nicht zur erfindungsgemäßen Doppelwirkung geführt, da bei dieser auf die eine Aktion, Betätigung des Nottasters, auch nur eine Reaktion erfolge, nämlich die Entriegelung der Verriegelungsvorrichtung und keine zweite Reaktion ausgelöst würde, weil die Öffnung der Tür mittels eines mechanischen Energiespeicher einen völlig anders gearteten Antrieb darstelle, der nach der Entriegelung automatisch und ohne ein weiteres Signal erfolge, konnte zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts führen.
Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Tür nach Druckschrift D7 um eine Drehflügel- und nicht um eine Schiebetür handelt und außerdem die Türöffnung nicht elektrisch, sondern mechanisch mittels eines Energiespeichers erfolgt. Gleichwohl liefert die Druckschrift D7 den druckschriftlichen Beleg dafür, dass es vor dem Anmeldetag des Streitpatents für den Fachmann bereits üblich war, die Entriegelung und die Öffnung einer Tür durch eine einzige Aktion auszulösen. Die technische Umsetzung der Einzelheiten, insbesondere des Antriebs der Tür – mechanisch, pneumatisch oder elektrisch – stellt für den zuständigen Fachmann eine rein handwerkliche Aufgabe dar.
Es liegt somit im Rahmen des fachmännischen Handelns, diese technische Lösung gemäß der Druckschrift D7, mit nur einer Aktion die beiden Reaktionen Ent- riegelung und Türöffnung auszulösen, aufzugreifen und die aus der Druckschrift D1 bekannte Vorrichtung entsprechend zu modifizieren (fehlende Reste der Merkmale 1.4, 1.5 und 1.5.1).
Damit ergibt sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
5.4 Die auf den unabhängigen Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche teilen dessen Schicksal, zumal sie keine Besonderheiten nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren Anspruchsfassung hätten werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat Derartiges nicht geltend gemacht.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG). Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Matter Dr. Haupt Ko