V ZB 11/21
BUNDESGERICHTSHOF V ZB 11/21 BESCHLUSS vom 7. April 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:070422BVZB11.21.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Dr. Brückner, die Richter Dr. Göbel und Dr. Malik und die Richterin Laube beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen - 1. Zivilkammer - vom 21. Januar 2021 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Entfernung einer Kamera, die sich auf dem hinteren Teil seines Grundstücks befindet, als unzulässig abgewiesen, weil ein nach dem Hessischen Schlichtungsgesetz (HSchlichtG) erforderliches Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Den Streitwert hat es auf 500 € festgesetzt. Die Berufung der Kläger ist durch das Landgericht als unzulässig verworfen worden. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, selbst wenn die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer erreicht sein sollte. Die Berufungsbegründung genüge nämlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Annahme des Amtsgerichts, es liege ein Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 a) HSchlichtG vor, werde nicht angegriffen. Die Kläger wendeten sich gegen die Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts und nähmen im Übrigen auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze Bezug. Dies könne die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen nicht ersetzen.
III.
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Klägern den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert und deren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip) nicht verletzt. Seine Beurteilung, die Berufungsbegründung der Kläger entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die insoweit weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Es reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus, lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz und dort eingereichte Schriftsätze zu verweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2020 - VI ZB 92/19, VersR 2021, 860 Rn. 7; Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 62/18, NJW 2020, 2119 Rn. 11 jeweils mwN; Beschluss vom 27. Januar 2015 - VI ZB 40/14, NJW-RR 2015, 511 Rn. 7, 11: bloße Bezugnahme auf Ausführungen in der Klageschrift).
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Kläger nicht gerecht.
a) Soweit sie sich hierin gegen die Auffassung des Amtsgerichts wenden, der Streitwert betrage nur 500 €, zielt dies auf die Darlegung der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Mindestbeschwer. Für die Abweisung der Klage durch das Amtsgericht als unzulässig ist dieser Umstand unerheblich. Hierauf wird die Rechtsbeschwerde auch nicht gestützt.
b) Dass sich die Kläger zur weiteren Begründung der Berufung auf die erstinstanzlichen Schriftsätze bezogen haben, ist - wie ausgeführt und von dem Berufungsgericht zutreffend gesehen - unzureichend. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Berufungsführer erstinstanzliche Schriftsätze nur in Bezug nimmt oder diese als Anlage der Berufungsbegründung beifügt, worauf die Rechtbeschwerde als hier zu beachtende vermeintliche Besonderheit verweist. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts bzw. des Berufungsbeklagten, sich aus erstinstanzlichen Schriftsätzen mögliche Einwendungen gegen die angegriffene Entscheidung herauszusuchen. Der Streitfall wirft entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keinen sonstigen Klärungsbedarf auf, insbesondere ergibt sich aus den von der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidungen nichts, was die angefochtene Entscheidung in Frage stellen könnte. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Stresemann Malik Brückner Laube Göbel Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 26.10.2020 - 49 C 43/20 LG Gießen, Entscheidung vom 21.01.2021 - 1 S 178/20 -