AK 33/20
BUNDESGERICHTSHOF AK 33/20 BESCHLUSS vom 3. Dezember 2020 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung ECLI:DE:BGH:2020:031220BAK33.20.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 3. Dezember 2020 beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
I.
Der Beschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 (2 BGs 187/20) am 15. April 2020 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich mitgliedschaftlich an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (im Folgenden: IS) beteiligt, indem er zusammen mit sechs anderen Beschuldigten ebenfalls tadschikischer Herkunft in Deutschland eine Zelle gegründet habe, um im Namen des IS im Inland und/oder Ausland den bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige" aufzunehmen und in Deutschland oder Tadschikistan Anschläge, auch unter Einsatz von Schusswaffen und Sprengstoff, zu begehen.
Der Generalbundesanwalt hat am 15. Oktober 2020 die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung im besonderen Haftprüfungsverfahren nach § 121 StPO mit dem Antrag vorgelegt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 vorgeworfenen Straftat dringend verdächtig.
a) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
bb) Der aus Tadschikistan stammende, zur Tatzeit in Deutschland lebende Beschuldigte schloss sich im Januar 2019 mit ebenfalls den Ideen des IS nahestehenden Landsleuten, unter anderem dem gesondert verfolgten B. sowie den Mitbeschuldigten, zusammen, um im Sinne der Terrororganisation aktiv zu werden. Jedenfalls seit dem 14. Januar 2019 stand B. mit einem - inzwischen identifizierten - Mitglied des IS im syrischen Kampfgebiet in Verbindung, mit dem er bereits am 15. Januar 2020 über den Messenger-Dienst "Telegram" erörterte, ob die Gruppe den Kampf des IS eher mit dem Transfer finanzieller Mittel oder mit Anschlägen in Deutschland oder Tadschikistan unterstützen solle, was beides von Seiten des IS begrüßt wurde. In der Folge wurden gruppenintern mögliche Aktivitäten für den IS diskutiert. Diese Überlegungen der Beteiligten wurden durch Instruktionen des syrischen Gesprächspartners des gesondert Verfolgten begleitet, der unter anderem den Rat erteilte, die Gruppe solle sich einen Anführer suchen, sich dessen Befehlsgewalt unterwerfen und somit in die Befehlsstrukturen des IS einordnen. Auch wenn in den Erörterungen der Beteiligten das Vorhaben, zur Umsetzung der Ziele des IS in Deutschland "Jihad" zu machen, gegenüber der finanziellen Unterstützung der Kämpfer in Syrien zunehmend größeren Raum einnahmen, gaben diese die Pläne, die Organisation in Syrien auch finanziell zu unterstützen, nicht auf. Der Ansprechpartner des gesondert Verfolgten in Syrien drängte ebenfalls weiterhin auf eine Überweisung von Finanzmitteln für den IS.
Während die Mitbeschuldigten zur Vorbereitung noch nicht näher konkretisierter Anschläge in Deutschland u.a. Rezepturen zur Herstellung von Sprengstoffen aus handelsüblichen und frei zugänglichen Materialien über einen "Telegram"-Bot herunterluden, Informationen über die Teilnahme an Kursen im Drachen- und Gleitschirmfliegen zur Erreichung möglicher sicherheitskontrollierter Anschlagsziele zusammentrugen und solche auskundschafteten, bemühte sich der Beschuldigte im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten B. um die Sammlung und den Transfer der von dessen Gesprächspartner in Syrien angeforderten Gelder. So übermittelte der Beschuldigte in Absprache mit dem gesondert Verfolgten am 4./5. Februar 2019 einen Geldbetrag in Höhe von 550 €, mit dessen Beschaffung er zuvor befasst gewesen war, an einen in der Türkei ansässigen Mittelsmann, der diesen an den IS in Syrien weiterleiten sollte. Um der Vereinigung noch größere Finanzmittel verschaffen zu können, hatte B. zudem einen Auftrag zur Tötung eines sich in Albanien aufhaltenden Geschäftsmannes gegen Bezahlung von 40.000 US-Dollar angenommen. An diesem Tötungsdelikt sollte der Beschuldigte mitwirken. Beide reisten deshalb Mitte Februar 2019 nach Albanien, wo die geplante Tat allerdings kurz vor ihrer Ausführung scheiterte, da sich die Identität der ins Visier genommenen Person nicht sicher feststellen ließ.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) hinsichtlich der Tatvorwürfe beruht auf Folgendem:
aa) Betreffend die ausländische terroristische Vereinigung IS folgt er aus mehreren Gutachten des Sachverständigen S.
sowie Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.
bb) Der gesondert verfolgte B. hat in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. und 20. Dezember 2019 eingeräumt, mit weiteren in Deutschland lebenden Landsleuten, die er teilweise identifiziert hat, eine von der Ideologie des IS getragene Gruppe gebildet zu haben, die sich beim Messenger-Dienst "Telegram" und später auch in einer Chatgruppe des Messenger-Dienstes "Zello" über finanzielle Hilfen für den bewaffneten Kampf und die eigene Teilnahme am Jihad austauschte sowie durch einen sich in Afghanistan aufhaltenden Chatteilnehmer unterrichten ließ. Dass die Mitglieder dieser Gruppe sich in die Vereinigung IS eingliederten, um in Deutschland finanzielle Mittel zu generieren und Anschläge zu verüben, ergibt sich aus einer Gesamtschau des auf den Mobiltelefonen der Beteiligten, insbesondere auf dem des gesondert verfolgten B. , gesichteten Chatverkehrs bei den Messenger-Diensten "Telegram" und "Zello" sowie der übrigen polizeilichen Ermittlungen, die die Identifizierung der Chatpartner in Syrien und Afghanistan zum Gegenstand haben und die Einbindung der Zelle in die Strukturen und Planungen des IS zu belegen geeignet sind.
cc) Auch wenn der gesondert Verfolgte in seiner Vernehmung den Beschuldigten nicht als Mitglied der Gruppe genannt hat und dessen Teilnahme am "Zello"-Chatverkehr nicht belegt ist, ist dieser doch dringend verdächtig, sich an den Aktivitäten der Gruppe durch die Beschaffung von Finanzmitteln für den IS beteiligt und sich zusammen mit den anderen Zellenmitgliedern in die terroristische Vereinigung eingegliedert zu haben. Insoweit ergeben sich die Bemühungen des B. um die Organisation der Sammlung und Versendung von Geldern aus dessen Mitte Januar 2019 beginnenden Chat-Verkehr mit seinem syrischen Kontaktmann sowie einem von diesem genannten Mittelsmann in der Türkei. Dass der Beschuldigte dabei eine wichtige Funktion übernahm, belegt unter anderem die Auswertung des Mobiltelefons des B. , der zum einen gegenüber seinen Gesprächspartnern von Fortschritten bei der Beschaffung von Geldmitteln berichtete und zum anderen im Zeitpunkt des genannten Geldtransfers mit dem Beschuldigten in regem telefonischen Kontakt stand. Aus dem auf dem Mobiltelefon des gesondert Verfolgten sichergestellten Chatverkehr folgt zudem, dass dieser in Begleitung des Beschuldigten nach Albanien reiste, um mit ihm zur Beschaffung von Finanzmitteln für den IS einen Auftragsmord zu begehen. Auf dieser Reise wurde der Beschuldigte an der Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Mazedonien in Begleitung des B. angetroffen. Der Beschuldigte war mithin - zeitgleich mit Bemühungen anderer Gruppenmitglieder um die Vorbereitung möglicher Anschläge - mit der Sammlung und dem Transfer finanzieller Mittel für den IS befasst. Er erfüllte somit eine der Aufgaben, die die Gruppe - im Zusammenwirken mit dem Kontaktmann des B. in Syrien - zur Unterstützung der Tätigkeit des IS übernommen hatte. Dies und der rege Kontakt mit dem gesondert Verfolgten, der in der Zelle eine zentrale Rolle einnahm, begründen den dringenden Verdacht, dass auch der Beschuldigte sich als Mitglied der Gruppe betätigte und somit in die terroristische Vereinigung eingliederte.
c) Danach hat sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht.
aa) Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn dieser die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch wenn die Mitgliedschaft in einer Vereinigung auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB nicht erfordert, dass sich der Täter in das "Verbandsleben" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung dennoch eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Erforderlich ist, dass er eine organisationsbezogene Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Vereinigung von innen und nicht nur von außen her entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207).
Das Erfordernis einer Eingliederung in die Organisation führt auch dazu, dass die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung bedarf, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem die Vereinigungsstrukturen bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).
bb) Gemessen daran ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung des Beschuldigten am IS gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass er mit seinen Bemühungen, Geld für die ISKämpfer - sogar durch die Begehung eines Auftragsmordes - zu beschaffen und weiterzuleiten, zusammen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe diese Organisation nicht nur von außen unterstützen wollte, sondern sich auch in sie einordnete. Der Beschuldigte war Mitglied der von dem gesondert verfolgten B. zusammengeführten Gruppierung und folgte mit seinen Aktivitäten den durch diesen vermittelten Vorgaben des als IS-Mitglied identifizierten Ansprechpartners in Syrien. Diesem hatte B. angeboten, dass die "kleine Gemeinschaft" in Deutschland Aktionen - auch die Besorgung finanzieller Mittel - für die Terrororganisation erbringen wolle. Indem sich in der Folge die gesamte Zelle, an der sich der Beschuldigte beteiligte, den Ratschlägen und der Befehlsgewalt jedenfalls eines IS-Mitgliedes unterstellte, um im Sinne dieser Organisation tätig zu werden, gliederte er sich - wie ihre anderen Mitglieder - in die Strukturen der Vereinigung ein. Die Begleitung der Zellenaktivitäten durch dieses hochrangige ISMitglied spricht zudem gegen einen nur einseitigen Anschluss an den IS.
Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Beschuldigten nicht entgegen, dass die Ermittlungen bisher seinen förmlichen Beitritt zu der Organisation nicht ergeben haben. Ebenso wenig spricht gegen eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der ausländischen terroristischen Organisation IS, dass der Beschuldigte selbst sich nie im Kampfgebiet des IS aufhielt. Die Kontaktperson des gesondert verfolgten B. hatte auf entsprechende Anfrage den Rat erteilt, den Jihad "in der Gegend, in der Ihr Euch befindet", zu machen. Mithin lag die den Beschuldigten vom IS zugewiesene Rolle gerade darin, in Deutschland Aktivitäten für die Vereinigung zu entfalten.
d) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt unbeschadet der Vorschrift des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB (zum Strafanwendungsrecht im Einzelnen s. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.) schon daraus, dass der Beschuldigte die Tat in Deutschland beging.
e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat" (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.
2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und darüber hinaus der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Er ist tadschikischer Staatsangehöriger und verfügt über zahlreiche Beziehungen ins Ausland. Zwar lebte er mit seiner aus Tschetschenien stammenden Ehefrau und der gemeinsamen Tochter unter einer festen Wohnanschrift. Doch ist er beruflich nicht eingebunden. Über das Bestehen sozialer Kontakte in Deutschland ist nichts bekannt. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Beschuldigte sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren - gegebenenfalls zusammen mit seiner Familie - durch Flucht entziehen wird. Danach liegen - erst recht - Umstände vor, die die Gefahr begründen, dass ohne Inhaftierung des Beschuldigten zumindest die alsbaldige Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des § 112 Abs. 3 StPO vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Anlässlich der Festnahme des Beschuldigten und der Mitbeschuldigten ist eine Vielzahl von Datenträgern aufgefunden worden. Die darauf gesichteten Daten haben - zum Teil aufwendig - gespiegelt und ausgewertet werden müssen. Dies ist zusätzlich dadurch erschwert worden, dass die Konversationen durchweg in tadschikischer oder russischer Sprache geführt wurden und der Übersetzung bedurft haben. An dieser Untersuchung, die sich zunächst auf die den Beschuldigten zuzuordnenden Asservate bezog, haben sich neben den ursprünglich befassten Dienststellen in Nordrhein-Westfalen auch Beamte des Bundeskriminalamtes beteiligt. Hinsichtlich der den Beschuldigten betreffenden Datenträger ist die Auswertung, die den Verdacht gegen den Beschuldigten hat festigen können, zwischenzeitlich abgeschlossen. Die gleichzeitig eingeleiteten Finanzermittlungen sind noch nicht vollständig beendet. Im Laufe der Ermittlungen sind zudem über 50 Personen aus dem Umfeld der Beschuldigten als Zeugen vernommen worden. Schließlich sind mehrere Rechtshilfeersuchen veranlasst worden, die bislang nicht erledigt sind. Mit diesen Ermittlungen hat der Verdacht gegen den Beschuldigten, gegen den bei seiner Verhaftung lediglich Erkenntnisse aus dem gegen den gesondert verfolgten B. geführten Verfahren vorgelegen haben, erhärtet und konkretisiert werden können. Anders als hinsichtlich des gesondert verfolgten B. haben die zum Zeitpunkt seiner Verhaftung vorliegenden Ermittlungsergebnisse noch nicht einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten begründet, der eine alsbaldige Anklageerhebung gerechtfertigt hätte.
Der Generalbundesanwalt hat mitgeteilt, dass die Fertigung der Anklageschrift nach der zeitnah anstehenden Beendigung der Auswertung aller die Beschuldigten betreffenden Datenträger sowie dem Abschluss der Finanzermittlungen geplant ist. Mit der Erhebung der öffentlichen Klage ist somit spätestens im Januar des kommenden Jahres zu rechnen.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Spaniol Berg