AnwZ (Brfg) 19/20
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 19/20 BESCHLUSS vom 9. November 2020 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2020:091120BANWZ.BRFG.19.20.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, den Richter Prof. Dr. Paul, die Richterin Grüneberg sowie den Rechtsanwalt Dr. Wolf und die Rechtsanwältin Merk am 9. November 2020 beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das ihr am 11. April 2020 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die 1961 geborene Klägerin ist seit 1992 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 5. April 2019 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2019 wies die Beklagte den seitens der Klägerin erhobenen Widerspruch zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag der Klägerin ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3 mwN; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3; vom 20. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5).
b) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 17. Oktober hat sich die Klägerin in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt war über ihr Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts M.
vom 1. Juli das Insolvenzverfahren wegen offener Verbindlichkeiten in Höhe eines - unstreitigen - Gesamtbetrages von über 100.000 Euro eröffnet worden. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO wird deshalb ein Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Die Vermutung ist nicht dadurch widerlegt, dass der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin freigegeben hat (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, juris Rn. 4; vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 41/17, juris Rn. 10; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, NZI 2018, 422 Rn. 11; vom 5. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 50/18, juris Rn. 10).
c) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 15 f. mwN). Soweit die Klägerin, die ihre Tätigkeit nach wie vor als Einzelanwältin ausübt, vorgebracht hat, lediglich als Verfahrensbeistand tätig zu sein und ansonsten telefonische Rechtsberatungen zu erteilen, rechtfertigt dieser Umstand keine andere Beurteilung. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 17 und vom 28. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 72/18, juris Rn. 7). Nichts Anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Freigabe der selbständigen Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin durch den Insolvenzverwalter (BGH, Beschlüsse vom 17. September 2015 - AnwZ (Brfg) 29/15, juris Rn. 6; vom 20. November 2017, aaO Rn. 13; vom 21. Februar 2018, aaO Rn. 13; st. Rspr.).
2. Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin weder behauptet noch vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Grupp Paul Grüneberg Wolf Merk Vorinstanzen: AGH Stuttgart, Entscheidung vom 11.04.2020 - AGH 25/19 II -