5 StR 475/21
BUNDESGERICHTSHOF StR 475/21 BESCHLUSS vom 11. Mai 2022 in der Strafsache gegen wegen Vollrauschs ECLI:DE:BGH:2022:110522B5STR475.21.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2022 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. August 2021 a) im Adhäsionsausspruch hinsichtlich der Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die aus der Tat vom 23. Juli 2019 erwachsenen immateriellen Schäden, soweit sie nach dem 25. September 2020 entstanden sind, zu ersetzen, aufgehoben; b) in Ziffer 4 des Urteilstenors dahingehend neu gefasst, dass im Übrigen von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen wird.
2. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des vorsätzlichen Vollrauschs schuldig ist.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen sowie die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vollrauschs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die gegen das Urteil mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Allein der Ausspruch über die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die aus der genannten Straftat resultierenden, nach dem 25. September 2020 entstandenen immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Träger der Sozialversicherung übergehen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes werden von dem Schmerzensgeldanspruch alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 5 StR 267/21 mwN). Die Urteilsgründe enthalten insoweit keine Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit (künftiger) immaterieller Schäden, die nicht bereits von dem ausgeurteilten Schmerzensgeld umfasst sind. Der Feststellungsausspruch im Adhäsionsverfahren hat daher insoweit zu entfallen, da es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt (BGH, Beschluss vom 1. September 2020 – 5 StR 222/20). Im Hinblick hierauf und auf weitere vom Adhäsionskläger erhobene Ansprüche, die das Landgericht „zurückgewiesen“ hat, war Ziffer 4 des Urteilstenors insgesamt dahingehend neu zu fassen, dass von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen wird (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).
2. Soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, hat seine Entscheidung im Ergebnis Bestand. Zwar hat es, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, der Prüfung des Hangs im Sinne des § 64 StGB einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2020 – 6 StR 28/20; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271). Hierauf beruht das Urteil indes nicht. Angesichts der vom sachverständig beratenen Landgericht getroffenen Feststellungen besteht beim Angeklagten eine Intelligenzminderung; er sei als nicht ausbildungsfähig zu betrachten und emotional instabil, wobei weitere Defizite infolge seiner dissozialen Verhaltensund Lebensweise hinzukommen. Auf dieser Grundlage kann der Senat ausschließen, dass der Angeklagte in dem erforderlichen Maße therapeutisch erreichbar ist und eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt dazu beitragen kann, dass er zumindest innerhalb eines erheblichen Zeitraums nicht (mehr) rückfällig wird (BGH, Beschluss vom 14. August 2019 – 4 StR 147/19, NStZ-RR 2020, 38).
Der auf das Unterbleiben einer Anordnung nach § 64 StGB beschränkte Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hindert den Senat nicht an einer Verfahrensweise nach § 349 Abs. 2 StPO. Dieser Antrag wirkt zulasten und nicht zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2012 – 3 StR 128/12; vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08; vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103).
3. Aus Klarstellungsgründen hat der Senat den Schuldspruch ergänzt. Bei einer Verurteilung wegen Vollrauschs (§ 323a StGB) ist im Urteilstenor anzugeben, ob wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Vollrauschs verurteilt wird (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2019 – 2 StR 172/19 Rn. 26).
4. Angesichts des lediglich geringfügigen Erfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten zu belasten, § 473 Abs. 4 StPO.
Cirener Gericke Mosbacher Resch Werner Vorinstanz: Landgericht Berlin, 17.08.2021 - (526 KLs) 282 Js 401/20 (8/20)