VI ZR 239/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VI ZR 239/23 URTEIL Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein in dem Rechtsstreit Verkündet am: 16. Juli 2024 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BGB § 251 Abs. 1 a) Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
b) Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abgezogen wird.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2024 - VI ZR 239/23 - LG Coburg AG Coburg ECLI:DE:BGH:2024:160724UVIZR239.23.0 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin Müller, die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer sowie die Richterin Dr. Linder für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Coburg vom 7. Juli 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem ihr Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.
Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Sie beauftragte einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung. Dieser ermittelte einen merkantilen Minderwert in Höhe von 2.000 €. Die Beklagte erstattete insoweit lediglich einen Betrag in Höhe von 1.681 € mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Mit der Klage hat die Klägerin die Differenz in Höhe von 319 € nebst Zinsen geltend gemacht.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Die Berufung der Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe: I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der merkantile Minderwert ein Vermögensschaden im Sinne von § 251 Abs. 1 BGB sei, der zusätzlich zum Herstellungsaufwand und unabhängig davon auszugleichen sei, ob der Geschädigte vorhabe, sein Fahrzeug zu veräußern. Hiervon sei kein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen. Aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB könne der Umkehrschluss gezogen werden, dass beim Wertersatz nach § 251 BGB die Umsatzsteuer auch dann in dem zu erstattenden Betrag enthalten sei, wenn diese bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten konkret nicht anfalle. Bei der Wertminderung handle es sich um eine steuerneutrale Position, weil es keinen Leistungsaustausch als Voraussetzung für den Anfall der Umsatzsteuer gebe. Sinn und Zweck der Entschädigung des merkantilen Minderwerts, der lediglich einen fiktiven Wert darstelle und dessen Realisierung völlig ungewiss sei, sprächen gegen einen Abzug des Umsatzsteueranteils. Es werde mit der Entschädigung des merkantilen Minderwerts akzeptiert, dass der Geschädigte diese auch dann erhalte, wenn er das Fahrzeug nicht verkaufe. Dann könne es auf seine Vorsteuerabzugsberechtigung nicht ankommen. Im Übrigen träfe die Prämisse, ein zum Vorsteuerabzug Berechtigter würde das Fahrzeug ohne die hierzulande geltende Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verkaufen, nur auf einen Teil der Fälle zu. Es sei weder bekannt, ob der Vorsteuerabzugsberechtigte das Fahrzeug verkaufen werde, noch wann und wo er dies tun werde und welches Steuerrecht dann und dort gelten werde.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist von dem merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abzuziehen.
1. Auf der Grundlage der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 Satz 1 PflVG auf Schadensersatz wegen der unfallbedingten Beschädigung ihres Pkw zusteht. Bei erheblicher Beschädigung umfasst der Anspruch gemäß § 251 Abs. 1 BGB auch den Ersatz des merkantilen Minderwerts, weil insoweit eine Herstellung gemäß § 249 BGB nicht möglich ist (st. Senatsrechtsprechung seit Urteil vom 29. April 1958 - VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181, 186, juris Rn. 11).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht (Senatsurteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 159, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 25; jeweils mwN). Grund ist, dass auch bei instandgesetzten Unfallfahrzeugen verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht. Damit erzielen Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. Senatsurteile vom
23. November 2004 aaO; vom 3. Oktober 1961 - VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396, 397 f., juris Rn. 4 f.; vom 30. Mai 1961 - VI ZR 139/60, VersR 1961, 707, 708).
b) Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs ist unabhängig davon zu ersetzen, welche Dispositionen der Geschädigte über das Fahrzeug trifft (Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 72/65, NJW 1967, 552 f., juris Rn. 13). Insbesondere kommt es für die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht darauf an, ob der Geschädigte das Fahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem geringeren Verkaufspreis manifestiert (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 aaO). Denn wenn sich der Geschädigte entschließt, sein Fahrzeug weiter zu gebrauchen, so begnügt er sich mit der Benutzung eines Fahrzeugs, dessen Wert nach der allgemeinen Verkehrsauffassung geringer ist als der eines unfallfrei gefahrenen Fahrzeugs (Senatsurteil vom 3. Oktober 1961 - VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396, 398, juris Rn. 5). Der nach der sog. Differenzhypothese gebotene Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, ergibt, dass er infolge des Unfalls einen geringeren Vermögenswert in Händen hat als zuvor (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1958 - VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181, 183 f., juris Rn. 8). Unerheblich für die Erstattungspflicht ist auch, dass die Wertminderung bei weiterem Gebrauch des Fahrzeugs im Laufe der Zeit geringer wird (Senatsurteil vom 3. Oktober 1961 aaO 397 f., juris Rn. 4). Der Schädiger hat den Minderwert des Fahrzeugs zu ersetzen, wie er sich im Zeitpunkt der Inbetriebnahme nach der Reparatur ergibt (Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 72/65, NJW 1967, 552, 553, juris Rn. 13).
2. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs - hier der Höhe des merkantilen Minderwerts - ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29. September 2020 - VI ZR 271/19, NJW 2020, 3591 Rn. 7 mwN). Solche Fehler liegen im Streitfall vor, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem im Gutachten als merkantile Wertminderung angeführten Betrag handle es sich um einen "Brutto-Betrag", nicht frei von Rechtsfehlern ist.
a) Der Ersatz des merkantilen Minderwerts unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, weil es sich bei dieser nach dem Gesetz (§ 251 Abs. 1 BGB) zu zahlenden Entschädigung (ebenso wie bei nach § 249 BGB zu zahlendem Schadensersatz) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt, es also am erforderlichen Austausch gegenseitiger Leistungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 260/10, DAR 2011, 517 Rn. 10 ff.; Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: Oktober 2023, § 1 Rn. 36, 101; jeweils mwN). Es ist deshalb zumindest missverständlich, beim merkantilen Minderwert von einem Brutto- oder Nettominderwert zu sprechen.
b) Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs (aa). Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen (bb).
aa) Auch wenn die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts, wie unter 1. b) ausgeführt, nicht voraussetzt, dass der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem geringeren Verkaufspreis manifestiert, ist der Berechnung der Höhe dieses Ersatzanspruchs doch gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Die argumentative Herleitung des Anspruchs, dass Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht (Senatsurteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 159, juris Rn. 16 mwN; s.o. unter 1. a), schlägt sich bei der Berechnung des merkantilen Minderwerts dahingehend nieder, dass gemäß § 287 ZPO geschätzt wird, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne die Beschädigung wäre. Die Minderung des Verkaufspreises ist Ausdruck der Bewertung des eingetretenen unmittelbaren Sachschadens durch den Markt (vgl. Vuia, NJW 2012, 3057).
bb) Bei der Schätzung, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne die Beschädigung wäre, ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Nettoverkaufspreise abzustellen. Denn unabhängig davon, ob der Geschädigte Unternehmer ist oder nicht, könnte sich die Umsatzsteuer, würde sie überhaupt anfallen, auf die Höhe des merkantilen Minderwerts nicht auswirken. Handelte es sich bei dem gedachten Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, so erhielte der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer. Diese stellte sich für ihn aber lediglich als durchlaufender Posten dar, da er sie an das Finanzamt abführen müsste. Unterläge der Verkauf dagegen nicht der Umsatzsteuer, etwa weil der Geschädigte kein Unternehmer ist (Verkauf "von privat"), dürfte Umsatzsteuer dem Käufer schon gar nicht in Rechnung gestellt werden.
c) Wurde entgegen dem soeben genannten Grundsatz der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abgezogen wird (ebenso die wohl herrschende Meinung jedenfalls im Fall eines geschädigten Unternehmers, z.B. LG Dortmund, SVR 2023, 266, 267; LG Essen, BeckRS 2021, 24578 Rn. 56; AG Düsseldorf, VersR 2020, 179; AG Remscheid, BeckRS 2017, 144236 Rn. 29 ff.; AG Wipperfürth, BeckRS 2020, 26424 Rn. 3 ff.; Balke, SVR 2023, 294, 295 f.; Freyberger, NZV 2000, 290 f.; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 07.03.2024, Rn. 174; Grüneberg in Grüneberg, BGB, 83. Aufl. § 251 Rn. 14; Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 3 Rn. 119; Lutz, NJW-Spezial 2023, 265 f.; Nugel, jurisPR-VerkR 19/2022 Anm. 1 sub D). Anderenfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine solche ist von dem Wertinteresse, das Gegenstand des Entschädigungsanspruchs aus § 251 BGB ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 377 f., juris Rn. 9) und auf Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08, NJW 2010, 1357, Rn. 29), nicht erfasst.
aa) Das verdeutlicht folgendes Rechenbeispiel (vgl. Freyberger, NZV 2000, 290 ff.; Lutz, NJW-Spezial 2023, 265): Angenommen, der merkantile Minderwert wurde ausgehend von einem Bruttoverkaufspreis von 15.000 €, den das Fahrzeug ohne den Unfall gehabt hätte, auf 2.000 € geschätzt, dann bedeutet dies, dass der Geschädigte für das unfallbedingt beschädigte und reparierte Fahrzeug nur noch einen Verkaufspreis von 13.000 € brutto erzielen würde.
Dem umsatzsteuerpflichtigen Geschädigten (Unternehmer) wären von dem Bruttoverkaufspreis für das unbeschädigte Fahrzeug (15.000 €) nach Abzug der von ihm abzuführenden Umsatzsteuer (19 %) 12.605,04 € verblieben. Nach dem Unfall würden ihm von brutto 13.000 € nach Abzug der Umsatzsteuer netto 10.924,37 € verbleiben. Könnte der Geschädigte nun die ermittelte Wertminderung von 2.000 € in voller Höhe beanspruchen, hätte er insgesamt (10.924,37 €
+ 2.000 € =) 12.924,37 € in seinem Vermögen. Ohne den Unfall hätte er bei einem Verkauf des Fahrzeugs aber wie dargestellt nur 12.605,04 € erlangt. Er hätte also, würde ihm der ermittelte Minderwert in vollem Umfang zugesprochen, mit dem Unfall 319,33 € mehr zur Verfügung als ohne den Unfall. Das ist genau der Betrag, der dem (gedachten) "Umsatzsteueranteil" des ermittelten Minderwerts von 2.000 € entspricht. In diesem Umfang steht ihm eine Entschädigung nicht zu, weil diese über sein Wertinteresse hinausgehen und so zu einer Überkompensation führen würde.
Derselbe Bereicherungsbetrag ergibt sich bei rechtlicher Betrachtung, wenn bei einem Geschädigten, der nicht Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist und der deshalb beim Verkauf seines Fahrzeugs (Verkauf "von privat") Umsatzsteuer schon gar nicht in Rechnung stellen dürfte, dennoch die Schätzung des merkantilen Minderwerts ausgehend von Bruttopreisen erfolgt. In dem oben genannten Rechenbeispiel könnte der Geschädigte rechtlich gesehen beim Verkauf des unbeschädigten Fahrzeugs nicht den Bruttopreis von 15.000 €, sondern nur den Nettopreis von 12.605,04 € verlangen. Der Verkaufspreis für das beschädigte und reparierte Fahrzeug betrüge nicht brutto 13.000 €, sondern netto 10.924,37 €. Die Differenz, die den merkantilen Minderwert abbilden soll, beliefe sich dann aber nicht auf 2.000 €, sondern auf 1.680,67 €, wäre also um 319,33 € geringer.
Eine andere - nicht rechtliche, sondern tatsächliche - Frage ist es allerdings, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbesondere, ob diese Preise, obwohl netto, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.
bb) Die Gegenmeinung (AG München, DAR 2022, 700 ff.; AG Nürnberg, BeckRS 2022, 38070 Rn. 14; Vuia, NJW 2012, 3057, 3060; wohl auch Jaeger,
NZV 2017, 297, 301), die einen Abzug von dem ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzten merkantilen Minderwert für nicht gerechtfertigt hält, überzeugt nicht.
(1) Gegen den Abzug eines dem "Umsatzsteueranteil" entsprechenden Betrags vom Minderwert wird insbesondere angeführt, dass eine dem § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Regelung im Rahmen des § 251 BGB fehle und dies ausweislich BT-Drucks. 14/7752 S. 13 f. vom Gesetzgeber so gewollt sei (AG München, DAR 2022, 700, 701). Damit wird der Regelungsinhalt des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB verkannt. Nach dieser Norm schließt der zur Herstellung einer beschädigten Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies setzt denklogisch voraus, dass der Geschädigte für die Wiederherstellung Umsatzsteuer zahlen muss und das seinen Schaden erhöht, wie dies etwa bei der Reparatur oder der Wiederbeschaffung einer beschädigten Sache der Fall sein kann. Bei einem (gedachten) Verkauf der beschädigten Sache, der Grundlage für die Berechnung des merkantilen Minderwerts ist, kommt das hingegen nicht in Betracht. Dort wird die Umsatzsteuer, falls sie überhaupt anfällt (nicht beim Verkauf von "privat"), vom Geschädigten vereinnahmt und anschließend abgeführt, stellt sich also nur als durchlaufender Posten dar. Die Frage, ob sich die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Entschädigung gemäß § 251 BGB übertragen lässt oder nicht, stellt sich daher für den Ersatz des merkantilen Minderwerts von vornherein nicht.
(2) Auch der hier von der Revision und teilweise in der Rechtsprechung (AG München, DAR 2022, 700, 701 f.) erhobene Einwand, der Geschädigte erhalte Ersatz des merkantilen Minderwerts auch dann, wenn er das Fahrzeug nicht verkaufe, dann komme es aber auch auf seine Vorsteuerabzugsberechtigung nicht an, greift nicht durch. Wie oben unter b) aa) ausgeführt, ist für die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts zwar unerheblich, ob und wann der Geschädigte das Unfallfahrzeug tatsächlich verkauft, für die Berechnung der Höhe dieses Ersatzanspruchs ist aber gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Im Übrigen macht es nach den Ausführungen oben tatsächlich keinen Unterschied, ob der gedachte Verkauf der Umsatzsteuer unterliegt oder nicht, da in beiden Fällen der Minderwert rechtlich ausgehend vom Nettoverkaufspreis zu ermitteln ist.
(3) Gegen den Abzug eines dem "Umsatzsteueranteil" entsprechenden Betrags vom ermittelten Minderwert spricht auch nicht das Argument, es bestehe Unsicherheit, ob und in welcher Höhe der umsatzsteuerpflichtige Geschädigte bei einem Verkauf des Fahrzeugs Umsatzsteuer wirklich abführen müsste, insbesondere bei einem Verkauf ins Ausland (so aber AG München, DAR 2022, 700, 702). Der Ermittlung des merkantilen Minderwerts liegen typisierende Erwägungen zugrunde wie die hypothetische Annahme eines Verkaufs im Inland. Bei Annahme eines Verkaufs des Fahrzeugs ins Ausland (welches?) ließe sich der typischerweise zu erwartende Verkaufspreis (mit oder ohne Umsatzsteuer) kaum bestimmen.
d) Nach alledem kommt es vorliegend darauf an, ob der merkantile Minderwert ausgehend vom Netto- oder vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde. Nur in letzterem Fall, der der übliche sein mag (AG Düsseldorf, VersR 2020, 179; AG Remscheid BeckRS 2017, 144236 Rn. 32; Freyberger, NZV 2000, 290, 292; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 07.03.2024, Rn. 174; Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Auflage, Kap. 3 Rn. 119), ist ein Abzug in Höhe des dem "Um- satzsteueranteil" entsprechenden Betrags gerechtfertigt. Die hierzu bislang getroffenen Feststellungen lassen eine diesbezügliche Beurteilung nicht zu, weshalb die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Seiters Allgayer Müller Linder Klein Vorinstanzen: AG Coburg, Entscheidung vom 21.02.2023 - 18 C 5194/22 LG Coburg, Entscheidung vom 07.07.2023 - 33 S 26/23 -