4 StR 579/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 579/24 BESCHLUSS vom 26. März 2025 in der Strafsache gegen
1. 2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:260325B4STR579.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag und nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie nach Anhörung der Beschwerdeführer am 26. März 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 19. September 2024, soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten E.
und die Revision des Angeklagten P.
werden verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten P.
die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Gründe:
1 Das Landgericht hat den Angeklagten E.
wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und besonders schwerer räuberischer Erpressung, Betruges,
Bedrohung in zwei Fällen, Körperverletzung, versuchter Körperverletzung sowie Diebstahls in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach dem Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Strafe angeordnet. Den Angeklagten P.
hat das Landgericht wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in sieben Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten E.
hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es – wie die Revision des Angeklagten P.
– unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Unterbringung des Angeklagten E.
in der Entziehungsanstalt hat keinen Bestand. Die Maßregelanordnung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung am Maßstab des seit dem 1. Oktober 2023 geltenden § 64 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203) nicht stand.
3 a) Ob der Angeklagte E.
nach den Feststellungen einen Hang im Sinne von § 64 Satz 1 StGB aufgrund einer Cannabinoidabhängigkeit aufweist,
kann dahinstehen. Denn jedenfalls belegen die Urteilsgründe einen symptomatischen Zusammenhang dergestalt, dass die Anlasstaten „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, nicht. Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat(en) ist nur dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt (vgl. BTDrucks. 20/5913, S. 69 f.; s. dazu BGH, Beschluss vom 6. Februar 2025 – 1 StR 5/25 Rn. 4; Beschluss vom 2. November 2023 – 6 StR 316/23 Rn. 8; Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23 Rn. 3; Urteil vom 18. Oktober 2023 – 1 StR 214/23 Rn. 11 ff. mwN).
Hiervon ist auch die Strafkammer ausgegangen, hat jedoch eine Mitursächlichkeit in diesem Sinne nicht tragfähig begründet. Im Rahmen ihrer Prüfung nach § 32 JGG hat sie die gemeinsame Wurzel aller abgeurteilten Straftaten in der „problematischen dissozial geprägten Persönlichkeit“ des Angeklagten gesehen. Schon deshalb versteht es sich nicht von selbst, dass die Diebstahlstaten (Fälle 7 bis 17 der Urteilsgründe), die „auch der Beschaffung von Betäubungsmitteln dienten“, überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückgehen. Zumindest ohne nähere – und hier fehlende – Erörterung ist zudem nicht nachvollziehbar, dass sich im Fall 5 der Urteilsgründe eine hangbedingte Enthemmung
(nach dem Konsum eines Joints und zusätzlich von Alkohol) in dem körperlichen Übergriff auf seine Mutter symptomatisch geäußert hat. Insoweit kommt hinzu,
dass das Landgericht von einem emotionalen Ausnahmezustand des Angeklagten am Tattag nach dem Verweis aus der gemeinsamen Wohnung ausgegangen ist. Im schließlich herangezogenen Fall 18 der Urteilsgründe, dem ein Cannabisund Amphetaminkonsum vorausging, hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass das Raub-/Erpressungsdelikt zum Nachteil des Stiefbruders des Angeklagten darauf zielte, dem Opfer für einen seinerseits verübten Diebstahl eine Lektion zu erteilen. Bei dem Angeklagten P.
hat das Landgericht den symptomatischen Zusammenhang hier auch verneint.
b) Darüber hinaus ist die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte belegt. Denn die Ausführungen des Landgerichts lassen die erforderliche Gesamtabwägung (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 47 ff., 69 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2025 – 1 StR 5/25 Rn. 6; Beschluss vom 16. November 2023 – 6 StR 452/23 Rn. 5 f.) vermissen, die namentlich Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbereitschaft des Angeklagten in den Blick zu nehmen hat und bei der es damit in erster Linie um in der Person und Persönlichkeit des Täters liegende Umstände geht. Mit der festgestellten Persönlichkeitsfehlentwicklung und den antisozialen Persönlichkeitsanteilen des Angeklagten E.
hat sich die Strafkammer jedoch im Rahmen ihrer Prüfung der Erfolgsaussichten nicht auseinandergesetzt.
c) Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs und des Ausspruchs über den Vorwegvollzug. Um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die jeweils zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrügen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Scheuß Sturm Marks Maatsch Vorinstanz: Landgericht Landau in der Pfalz, 19.09.2024 ‒ 2 KLs 7352 Js 3062/24 jug