3 Ni 20/15
BUNDESPATENTGERICHT Ni 20/15 (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
7. Februar 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05
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betreffend das ergänzende Schutzzertifikat 12 2005 000 053.1 hat der 3. Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2017 durch den Richter Kätker als Vorsitzenden, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer, Dipl.-Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagten sind eingetragene Inhaberinnen des ergänzenden Schutzzertifikats 12 2005 000 053.1 für „Erlotinib und pharmazeutisch annehmbare Salze davon in allen unter das Grundpatent fallenden Formen“, mit einer Laufzeit bis zum 21. März 2020 (Streitzertifikat).
Das Streitzertifikat ist auf der Grundlage des inzwischen erloschenen, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 817 775 (Grundpatent) erteilt worden. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Grundpatent nimmt die Priorität aus der US-Patentanmeldung 413300 vom 30. März 1995 in Anspruch und wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 695 22 717 geführt. In der deutschen Übersetzung trägt es die Bezeichnung: „Chinazolinderivate“. Es umfasst 28 Patentansprüche. Wegen des Wortlauts der Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Nichtigkeitsklage richtet sich gegen das Streitzertifikat. Sie wird auf den Nichtigkeitsgrund nach Art. 15 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel gestützt. Die Klägerin macht die Nichtigkeit des Streitzertifikats nach dieser Vorschrift geltend, weil Nichtigkeitsgründe vorlägen, die die Nichtigerklärung oder Beschränkung des inzwischen erloschenen Grundpatents gerechtfertigt hätten, jedenfalls in dem Umfang, dass das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatent erfasst werde.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:
NIK3 NIK3a NIK3a´ NiK3b NIK3b´ NIK4 NIK5 Versuchsbericht der Green Pharma S.A.S. „Evaluation of Activities of 2 Compounds on Epidermal Growth Factor Receptor Kinase“, vom 10.03.2014 ratiopharm Certificate of Analysis Erlotinib Hydrochlorid vom 9. September 2013 NIK3a, aktualisiert vom 13.10.2016 TEVA Certificate of Analysis Methylaniline analog of Erlotinib (RN5953) v. 03.09.2013 NIK3b, aktualisiert vom 14.11.2016 EP 0 566 226 A1 A.J. Barker et al.: „Structure Activity Relationships of 4Anilinoquinazolines as Inhibitors of EGFR-Tyrosine Kinase Activity”, Official Journal of the European Society for Medical NIK6 NIK7 NIK8 NIK9 NIK10 NIK11 NIK12 NIK13 NIK14 Oncology, 8th NCI-EORTC Symposium on New Drugs in Cancer Therapy, March 15-18, 1994, Amsterdam, NL, Abstract-No. 120 R.J. Fessenden, J.S. Fessenden: „Basic Chemistry for the Health Sciences”, 1984, Allyn and Bacon Inc., Kapitel 15, S. 253 bis 274 D. Bartholomew et al.: “A Novel Class of Benzamide Fungicides”, in: Synthesis and Chemistry for Agrochemicals III, ACS Symposium Series 504, American Chemical Society 1992, Chapter 40, S. 443 bis 456 EP 0 520 722 A1 H.J. Roth, H. Fenner: Pharmazeutische Chemie III-Arzneistoffe, 2., überarb. Aufl., Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 1994, Kapitel 45.2: Sexual-Hormone und Derivate, S. 560 bis 569 und 573 bis 574 The Merck Index, 11. Aufl. 1989, Nr. 225 Alfaprostol, Nr. 1845 Carfinate, Nr. 3683 Ethchlorvynol, Nr. 4514 Haloprogin, Nr. 4616 Hexapropymate, Nr. 5732 Meparfynol Carbamate, Nr. 5904 Methohexital Sodium, Nr. 6908 Oxybutynin Chloride, Nr. 6988 Pargyline, Nr. 6993 Parsalmide, Nr. 7348 Phthalofyne, Nr. 7411 Pinazepam, Nr. 9086 Terbinafine; The Merck Index, 12. Aufl. 1996, Nr. 1190 Beraprost, Nr. 4940 Iloprost, Nr. 8569 Selegiline. H. Auterhoff, J. Knabe: Lehrbuch der pharmazeutischen Chemie, 6. Aufl., Wiss. Verlagsgesellschaft Stuttgart 1971, S. 120 bis 122 Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl. Thieme Stuttgart 1995 Bd. 1, S. 105 bis 106, Eintrag „Alkine“ K.E. Schulte, G. Rücker: „Synthetische und natürliche AcetylenVerbindungen als Arzneistoffe“, in: Fortschr. Arzneimittelforsch.14 (1970) 387 bis 563 Seydel und Schaper: Chemische Struktur und biologische Aktivität von Wirkstoffen, Verlag Chemie Weinheim 1979, auszugsweise S. 68, 266 bis 268 NIK15 NIK16 NIK17 NIK18 NIK19 NIK20 NIK21 NIK22 NIK23 R. Franke: Optimierungsmethoden in der Wirkstoff-Forschung Quantitative Struktur-Wirkungs-Analyse, Akademie-Verlag Berlin 1980, Kap. 6, auszugsw. S. 141 bis 144 R. Silverman: Medizinische Chemie, VCH Weinheim 1995, Kapitel 2.2, auszugsweise S. 39 bis 42 Craig-Diagramm analog zu NIK16 mit Zahlenwerten aus der NIK14. David W. Fry et al., Science 265 (1994) 1093 bis 1095 A. Verloop et al., Drug Design, Bd. III, Chapter 4, Hrsg. Ariens 1976, S. 165 bis 207 Gutachten Prof. Achiel Haemers vom 8. November 2016, Reaction Biology Corp. Report vom 8. November 2016 „HotSpot Kinase profiling”, TEVA Certificates of Analysis, Verbindungen RN6567, RN6568, RN6569, RN6571 E.G. Barbacci et al., Cancer Res. 63 (2003) 4450 - 4459
(ohne Nr.) Tabellarische Zusammenstellung der IC50-Werte verschiedener Verbindungen.
Die Klägerin ist der Auffassung, es lägen Gründe vor, die die Nichtigerklärung des Grundpatents jedenfalls in dem Umfang gerechtfertigt hätten, dass das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatent erfasst werde. Dazu macht die Klägerin geltend, dass der Gegenstand des Grundpatents nicht patentfähig sei, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (Art. 138 I a), 56 EPÜ), und dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Art. 138 I b), 83 EPÜ).
Es fehle an einer zureichenden Offenbarung, jedenfalls der Patentansprüche 22 bis 28 des Grundpatents. Der Fachmann sei nicht in der Lage, ohne unzumutbaren Aufwand die therapeutische Wirksamkeit nach den Patentansprüchen 22 bis 28 unter Verwendung der Informationen, die ihm zum Prioritätszeitpunkt des Grundpatents vorlagen, zu verifizieren. Die Patentschrift stelle keine experimentellen Daten bereit, sondern behaupte nur, dass die aktiven Verbindungen der Erfindung potente Inhibitoren der onkogenen u. proto-onkogenen Proteintyrosinkinasen seien. Zudem verweise es auf „in vitro“- und „in vivo“-Verfahren, mit denen die hemmende Wirkung der Verbindung ermittelt werden könne. Das Ergebnis des von der Klägerin in Auftrag gegebenen Versuchsberichts NIK3 zeige jedoch, dass die im Grundpatent beschriebenen Verfahren nicht geeignet seien, die notwendigen Ergebnisse zu liefern. Der Rezeptor habe unter den Bedingungen nicht aufgereinigt und somit die Phosphorylierungsreaktion nicht gemessen werden können. Ein Nachweis der Brauchbarkeit der beschriebenen Verbindungen für therapeutische Zwecke sei damit nicht erbracht, so dass es an einer ausführbaren Offenbarung fehle. Nachdem der Senat in seinem vorterminlichen Hinweis vom 8. September 2016 Zweifel an der Aussagekraft der im Versuchsbericht NIK3 festgestellten Daten geäußert habe und die IC50-Werte für Erlotinib zwischen den in der NIK3 und in den von der Beklagten eingereichten Unterlagen HE10 und HE4 stark voneinander abwichen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. November 2016 (2. Schriftsatz vom gleichen Tag) den Versuchsbericht NIK21 eingereicht. In diesem Versuchsbericht sind die für verschiedene 6,7-Di-(2-Methoxyethoxy)-4-3´-substituierte Anilinochinazoline gemessenen IC50-Werte tabellarisch wiedergegeben.
Außerdem beruhten die Gegenstände des Grundpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit, wobei angesichts der Offenbarungsmängel hinsichtlich der Wirkungsdaten im Grundpatent auch der Offenbarungsgehalt des Standes der Technik, insbesondere die Wirksamkeit darin offenbarter Verbindungen, mit gleichen Maßstäben zu würdigen sei. Die Aufgabe des Streitpatents sei bestenfalls die Bereitstellung alternativer Strukturen zu den bekannten Tyrosinkinase-Inhibitoren des Standes der Technik.
Für die Lösung dieser Aufgabe biete sich die Druckschrift NIK4 als Ausgangspunkt an, die die Klägerin zusammen mit den Druckschriften NIK5 und NIK8 als Teil einer sachlich zusammenhängenden Gruppe betreffend Anilino-Chinazoline als Leitstruktur ansieht. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass beim Übergang von Substitutionsmustern der (älteren) NIK8 zu solchen der (jüngeren) NIK4 ein Trend zu einer Wirkungsverstärkung zu beobachten sei. Der Fachmann habe daher Veranlassung, den Verbindungen gemäß der NIK4 Beachtung zu schenken und zu überlegen, ob ihm eine oder mehrere davon als besonders geeignet für die Lösung offenbart würden.
In der NIK4, in der Verbindungen mit besserer Wirksamkeit als in der NIK8 oder NIK5 beschrieben seien, werde (in Patentanspruch 9 und in der Beschreibung) die Verbindung gemäß dem Beispiel 51 besonders herausgehoben. Die Druckschrift offenbare Chinazolin-Derivate mit Tyrosinkinase-hemmenden Eigenschaften, deren Grundstruktur den Verbindungen des Grundpatents entspreche. Einziger Unterschied der Verbindung nach Beispiel 51 zu dem zertifikatsgeschützten Wirkstoff Erlotinib sei der Unterschied im Substituenten an der Metaposition des Phenylrings, wo die NIK4 (Bsp. 51) einen Methyl-, das Grundpatent hingegen einen Ethinyl-Substituenten aufweise.
Auch aus der NIK8, deren offenbarte Verbindungen große Schwankungsbreiten in den Aktivitätswerten zeigten und in der die 3´-Methylanilino-Chinazolin-Verbindung mit demselben Substituenten in der 3´-Position wie in NIK4, Bsp. 51, die geringste Aktivität aufweise, entnehme der Fachmann einen Hinweis darauf, dass der Austausch des Methylsubstituenten zu Verbesserungen führen dürfte. Zudem zeige die NIK8 weiter, dass die relativ kleinen und unpolaren Halogen-Substituenten Chlor und Brom gegenüber Methyl deutlich bessere Aktivitätswerte erbrächten, was den Schluss rechtfertige, dass andere Chlor- und Brom-ähnliche Substituenten ebenso zu besseren Aktivitätswerten führen dürften.
Als Ausgangspunkt komme auch die NIK18 in Betracht, wobei es naheliegend sei, dass der Fachmann die Verbindung von NIK4, Bsp. 51 mit der nach NIK18 fusioniere, um die Verbindung auch mit der Struktur nach NIK18 auszuprobieren und so zu einer brauchbaren Verbindung zu kommen. Da eine solche Verbindung mit einem Brom-Substituenten an 3´-Position aber bereits patentgeschützt sei, stelle dies für den Fachmann eine Motivation dar, nach Möglichkeiten zu suchen, dem Patentschutz auszuweichen. Dabei werde er bemerken, dass in der NIK4 bereits zahlreiche Chinazolin-Derivate offenbart seien, nicht aber Verbindungen mit Substituenten am Anilino-Ring.
Aus der NIK5 entnehme der Fachmann den Hinweis, dass die wirksamsten EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren kleine und relativ unpolare Substituenten in der Meta-Position des Anilino-Rings besäßen. Hierbei hätten die Autoren der NIK5 eine Abstraktion vorgenommen, die sich auch auf andere als die in dieser Druckschrift besprochenen Verbindungen übertragen ließen.
Aufgrund seines Fachwissens, dokumentiert in NIK6 und NIK7, wisse der Fachmann, dass Alkine, insbesondere Ethinyl kleine und relativ unpolare Substituenten darstellten. Dementsprechend sei nur noch eine routinemäßige Auswahl aus den bekannten Substituenten erforderlich gewesen, um zum Gegenstand des Grundpatents zu gelangen. Hierbei habe der Fachmann auf sein Fachwissen zu Struktur-Wirkungsbeziehungen zurückgreifen und Parameter-basierte Modelle zur Trendvorhersage anwenden können, mit denen er einen Trend konstruieren könne und dann die entsprechenden Substituenten auffinde. Dabei zeige sich, dass eine weitgehende Übereinstimmung der entsprechenden Deskriptoren für die Ethinylgruppe mit allen relevanten Parametern der Halogene bestehe, so dass der Fachmann, ohne erfinderisch tätig sein zu müssen, zum Gegenstand des Grundpatents gelangt wäre.
Die Beklagten treten dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
HE1 Packungsbeilage für das Medikament Tarceva®, Stand: Dezember 2013 HE2 V.C. Muir, S. Dhillon: „Erlotinib – As Maintenance Monotherapy in Non-Small-Cell Lung Cancer”, Biodrugs 25(3) (2011) 139 - 146 HE3 HE4 HE5 HE6 HE7 HE8 HE9 HE10 HE11 HE12 HE13 G. N. Gill, W. Weber: „Purification of Functionally Active Epidermal Growth Factor Receptor Protein Using a Competitive Antagonist Monoclonal Antibody and Competitive Elution with Epidermal Growth Factor”, Meth. Enzymol. 146 (1987) 82 - 88 Datentabelle: „Examples listed in claim 10 of EP817775B1” T. R.Burke, Jr.: „Protein-tyrosine kinase inhibitors”, Drugs of the Future 17(2) (1992) 119 - 131 M.B. Smith, J. March: „March’s Advanced Organic Chemistry: Reactions, Mechanisms and Structure, 6th Ed., Wiley-Interscience John Wiley & Sons 2007, S. 16 - 23 I.N.H. White: “Suicidal Destruction of Cytochrome P-450 by Ethynyl Substituted Compounds”, Pharmaceutical Research 1984, 141 -148 P.R. Ortiz de Montellano, M.A. Correia: „Suicidal Destruction of Cytochrome P-450 During Oxidative Drug Metabolism”, Ann. Rev. Pharmacol. Toxicol. 23 (1983) 481 - 503 P.R. Ortiz de Montellano, K.L. Kunze: „Self-catalyzed Inactivation of Hepatic Cytochrome P-450 by Ethynyl Substrates”, J. Biol. Chem. 255(12) (1980) 5578 - 5585 Hyun Seung Ban et al.: „Allene as an Alternative Functional Group for Drug Design: Effect of C-C Multiple Bonds Conjugated with Quinazolines on the Inhibition of EGFR Tyrosine Kinase”, ChemMedChem 3 (2008) 1094 - 1103 C.M. Rocha-Lima, L. EVRAZ, „Erlotinib (Tarceva) for the Treatment of Non-Small-Cell Lung Cancer und Pancreatic Cancer, P&T 34(10) (2009) 554 - 564 J.D. Moyer et al.: „Induction of Apoptosis and Cell Cycle Arrest by CP-358,774, an Inhibitior of Epidermal Growth Factor Receptor Tyrosine Kinase”, Cancer Res. 57 (1997) 4838 - 4848 V.A. Pollack et al.: „Inhibition of Epidermal Growth Factor Receptor-Associated Tyrosine Phosphorylation in Human Carcinomas with CP-358,774: Dynamics of Receptor Inhibition In Situ and Antitumor Effects in Athymic Mice”, JPET 291(2) (1999)
- 748 HE14 EP 0 602 851 A1 HE15 EP 0 635 498 A1 HE16 HE17 EP 0 635 507 A1 E. Marley et al.: „Toxic Effects And Side-Effects Methylpentynol”, British Medical Journal (1956) 1467 - 1470 Of HE18 Gutachten Prof. Dr. Mutschler v. 7. Juli 2016 Anlage 1 Wissenschaftlicher Lebenslauf Anlage 2 Curriculum Vitae Anlage 3 A. Gazit et al.: „Tyrphostins I: Synthesis and Biological Activity of Protein Tyrosine Kinase Inhibitors, J.Med.Chem.
(1989) 2344 - 2352 Anlage 4 W.H.J. Ward et al.: „Epidermal Growth Factor Receptor Tyrosine Kinase” Biochem. Pharmacol. 48(4) (1994)
- 666 Anlage 5 D.W. Fry et al.: „A Specific Inhibitor of the Epidermal Growth Factor Receptor Tyrosine Kinase”, Science 265 (1994)
- 1095 Anlage 6 Nogrady: Medicinal Chemistry, 1985, S 3 - 55
(Physicochemical Principles of Drug Action),
Anlage 7 Silverman: Medizinische Chemie, VCH, 1994, Kapitel 2.2.3 „Struktur-Wirkungs-Beziehungen”, S. 15 - 53 Anlage 8 Steinhilber et al.: Medizinische Chemie, Deutscher Apotheker Verlag, 2. Aufl., 2010, S 8 - 12, 14 - 20 Anlage 9 March, Advanced Organic Chemistry, 4. Aufl., 1992, S. 178,
- 270 Anlage 10 Auterhoff et al.: Lehrbuch der Pharmazeutischen Chemie,
WVG Stuttgart, 12. Aufl., 1991, S. 35 - 42 Anlage11 Ioannides, CRC Press, 1996, S. 34 u. 61 Anlage12 Jie Ling et al.: „Metabolism and Excretion of Erlotinib”, Drug Metabolism And Disposition 34(3) (2006) 420 - 426 Anlage 13 Komives/Ortiz de Montellano: „Mechanism of Oxidation of πbonds by cytochrome P-450”, J. Biol. Chem. 262(20) (1987)
- 9802 Anlage 14 Brown et al., Organic Chemistry, 7th ed., 2013, S. 308 Anlage 15 Böhm et al., Wirkstoffdesign, 1. Aufl. 1996, S 372 - 374 Anlage 16 Teehan et al.: „Acute Ethchlorvynol (Placidyl®) Intoxication”,
Ann Intern Med 72(6) (1970) 875 - 882 Anlage 17 Gustafsson et al.: „Hexapropymate Self-Poisoning Causes Severe and Long-Lasting Clinical Symptoms”, Med. Toxicol.
Adverse Drug Exp. 4(4) (1989) 295 - 301 Anlage 18 E. Marley et al.: „Toxic Effects And Side-Effects of Methylpentynol”, British Medical Journal (1956) 1467 - 1470 (ohne Nr.) Weber et al.: „Immunoaffinity Purification of the Epidermal Growth Factor Receptor”, J. Biol. Chem. (1984)
- 14636 (ohne Nr.) Yeaton et al.: „Calcium-mediated Degradation of Epidermal HE19 Growth Factor Receptor in Dislodged A431 Cells and Membrane Preparations”, J. Biol. Chem. (1983) 9254 - 9261 Versuchsbericht der TGA Sciences, Inc., „Determining the Activity of Purified EGFR Kinase, Development Report”, v.
7. November 2016 HE20 Laborbericht Stern/Tanaka v. 7. November 2016 (urspr.
eingereicht als HE18)
HE21 Versuchsbericht der TGA Sciences, Inc., Inhibtion of the EGFR Kinas Enzyme, R&D Sample Analysis v. 16. Dezember 2016 Nach Auffassung der Beklagten ist das Patent ausführbar offenbart. Die im Auftrag der Klägerin durchgeführte Nacharbeitung gemäß der NIK3 weiche in entscheidenden Punkten von der im Grundpatent angegebenen Methode ab. Die Nacharbeitbarkeit habe sich auch in den Versuchen bestätigt, zu denen die Beklagten die Versuchsberichte HE20 (urspr. eingereicht als HE18) und HE19 vorgelegt haben. Auch die Diskrepanzen zur später von der Klägerin vorgelegten weiteren Nachar- beitung NIK21 zeigten die Unzuverlässigkeit der experimentellen Daten. Die Ergebnisse seien daher irrelevant.
Der Gegenstand des Streitpatents sei auch patentfähig, insbesondere beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Bereits die Wahl der NIK4 als Ausgangspunkt sei angesichts der im Stand der Technik bekannten Vielzahl von Strukturen mit TyrosinKinase-inhibitorischen Eigenschaften rückschauend, zumal deren Verbindungsstruktur keine wesentlichen Entsprechungen zu der von Erlotinib aufweise. Dies gelte insbesondere für die Verbindung gemäß Beispiel 51 der NIK4, die nicht die Hauptrichtung der Strukturvariation von NIK4 wiedergebe und zu der auch keine Aktivitätsdaten angegeben seien.
Eine von den Beklagten in Auftrag gegebene Untersuchung (HE21) der Wirksamkeit der Verbindung nach NIK4, Bsp. 51, im Vergleich zu der Wirksamkeit von Erlotinib und der 3´-Chlorverbindung der NIK5 zeige, dass Erlotinib eine bessere invitro-Wirkung habe als die Verbindungen nach NIK4 und NIK5.
Aus der NIK5 erhalte der Fachmann keine Anregung für Modifikationen, die über den Offenbarungsgehalt der NIK4 hinausgingen, denn die NIK5 fasse lediglich Ergebnisse zu einer nichtidentifizierten Gruppe nichtpolarer Substituenten zusammen und nenne als Beispiel nur Chlor. Zudem betreffe sie keine Verbindungen mit Substituenten in 6,7-Position.
Eine Kombination der NIK4 mit NIK5 sei wegen ihrer unterschiedlichen Substituenten-Positionen nicht möglich.
Auch die NIK18 gebe keine Anregung. Soweit der Brom-Substituent gemäß NIK18 in 3´-Position zu einem besonders niedrigen IC50-Wert führe, lege dies allenfalls die Verwendung von Brom- oder Halogen-Substituenten in dieser Position nahe, nicht aber, die Verbindung der NIK4, Bsp. 51, erfindungsgemäß zu modifizieren.
Ebenso führe auch die NIK18 als Ausgangspunkt nicht zum Gegenstand des Grundpatents.
Betrachte man die Lehren der NIK4 und NIK8 zusammen, so ließen sich die besten Ergebnisse erwarten, wenn 6,7-Dimethoxy- und 3´-Brom-Substituenten verwendet würden.
Schließlich stellten die auf Parametern basierenden Erwägungen der Klägerin eine künstliche und ungeeignete Herangehensweise dar. Die Auswahl der Parameter durch die Klägerin sei willkürlich, da sie nicht mit bekannten Eigenschaften der Verbindung korrelierten und auch nicht gezeigt sei, dass sie für die Wirkung der infrage stehenden Verbindung relevant seien.
Im Übrigen zähle Ethinyl nicht zu den üblicherweise in pharmazeutischen Verbindungen verwendeten Gruppen.
Die von der Klägerin zum Beleg des Fachwissens herangezogenen Lehrbücher beträfen auch keine Alkinyl-, insb. Ethinyl-Substituenten in Wirkstoffen für die Onkologie.
Entscheidungsgründe Die auf den Nichtigkeitsgrund des Art. 15 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel gestützte Klage ist zulässig. In der Sache erweist sie sich jedoch nicht als begründet. Nach dem Erlöschen des Grundpatents liegen keine Gründe vor, die seine Nichtigerklärung oder Beschränkung gerechtfertigt hätten, jedenfalls nicht in einem Umfang, dass das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatent erfasst wird.
I.
1. Das angegriffene Schutzzertifikat betrifft gemäß dem nach Beschwerde geänderten Erteilungsbeschluss „Erlotinib und pharmazeutisch annehmbare Salze davon in allen unter das Grundpatent fallenden Formen“.
In den zugrundeliegenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen in der Europäischen Gemeinschaft wird als Erzeugnis Tarceva-Erlotinib identifiziert und Erlotinib in Form des Erlotinib-Hydrochlorids als Wirkstoff bzw. wirksamer Bestandteil bezeichnet.
Erlotinib-Hydrochlorid (Handelsname: Tarceva)
Die im Erteilungsbeschluss bezeichnete Laufzeit des Schutzzertifikats beginnt am 7. Juni 2015 und endet am 21. März 2020.
2. Die Erfindung des im angegriffenen Schutzzertifikat benannten Grundpatents EP 0 817 775 B1, das aus der in Form der WO 96/30347 A1 offengelegten internationalen Anmeldung PCT/IB95/00436 vom 6. Juni 1995 hervorgegangen ist, betrifft Chinazolin-Derivate, die in 4-Stellung des Chinazolins einen ein- oder mehrfach substituierten Phenylamin-Rest aufweisen und die zur Behandlung von hyperproliferativen Erkrankungen wie beispielsweise Krebs brauchbar sind (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 2 0001).
Zahlreiche Onkogene codieren Proteine, die unter anderem als Tyrosinkinasen fungieren, in Krebszellen überexprimiert sind und über die Phosphorylierung spezifischer Tyrosinreste in zellulären Proteinen die Zellproliferation bis hin zur Transformation normaler Zellen in Krebszellen beeinflussen. Chemische Verbindungen mit der Eigenschaft zur gegebenenfalls selektiven Hemmung der Tyrosinkinasen sind deshalb in der Lage, das Wachstum bestimmter Krebszellen zu verlangsamen.
Die Erfindung geht aus von bereits bekannten Chinazolin-Derivaten, deren Eignung zur Behandlung von Krebserkrankungen auf ihrer Hemmwirkung der Tyrosinkinase-Aktivität des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR-TK) beruht (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 2 0003 bis 0006, insbes. dort zitierte NIK4, NIK8, HE14, HE15, HE16). Die TK-inhibierende Wirkung dieser Chinazolin-Derivate kann mittels bereits bekannter in-vitro und/oder in-vivo Testmethoden bestimmt werden (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 12 Z. 19 bis 22; S. 12 Z. 41 bis 58).
Im zellfreien in-vitro Test wird die Hemmung der TK-katalysierten Phosphorylierung eines geeigneten Peptidsubstrats an einem oder mehreren Tyrosinrest(en) mit radioaktiv markiertem Adenosintriphosphat (gamma-32P-ATP oder gamma-33PATP) gemessen. Im vorveröffentlichten Stand der Technik werden strukturell unterschiedliche Tyrosin-haltige Peptide als Substrate eingesetzt: Lys3-Gastrin; poly GluTyr (4:1); Arg-Arg-Leu-Ile-Glu-Asp-Ala-Glu-Tyr-Ala-Ala-Arg-Gly; Angiotensin II; Teilpeptid der Phospholipase C-γ1 Lys-His-Lys-Lys-Leu-Ala-Glu-Gly-Ser-Ala-TyrGlu-Glu-Val (vgl. NIK3 S. 3; NIK4 S. 20 Z. 35/36; NIK8 S. 6 Z. 38/39; HE3 S. 85 Abs. 2; NIK18 S 1094 Fig. 2 Legende; J. Biol. Chem. 267 (1992) 20638 – zitiert in EP 0 817 775 B1 S. 12 Z. 20/21).
3. Davon ausgehend liegt dem Grundpatent die Aufgabe zugrunde, neue verbesserte Arzneistoffe gleicher Wirkungsrichtung bereitzustellen, die in der Lage sind, die EGFR-Tyrosinkinase zu inhibieren und dadurch die Möglichkeit zur Behandlung diverser hyperproliferativer Erkrankungen, insbesondere die Möglichkeit zur Behandlung von Krebserkrankungen eröffnen.
a) Gelöst wird diese Aufgabe durch ein- oder mehrfach substituierte 4-Phenylamin-chinazoline der Formel I gemäß den Patentansprüchen 1 bis 12 und 19,
pharmazeutische Zusammensetzungen gemäß Patentanspruch 22 enthaltend Verbindungen der Formel I und durch die Verwendung dieser Verbindungen (zur Herstellung von Arzneimitteln) zur Behandlung hyperproliferativer Erkrankungen, insbesondere verschiedener Krebserkrankungen gemäß den Patentansprüchen 23 bis 28 des Grundpatents in der nachfolgenden maßgeblichen englischsprachigen Fassung:
- 18 -
- 20 -
- 22 - b) Sämtlichen Verbindungen gemäß Patentanspruch 1 des Grundpatents ist ein Azido- oder ein gegebenenfalls substituierter Ethinyl-Rest am Phenylring des Phenylamin-Substituenten in 4-Stellung des Chinazolins gemeinsam. Die Patentansprüche 10 bis 12 sind – abgesehen von einzelnen wenigen Azidophenylamino-Derivaten – auf besonders bevorzugte, gegebenenfalls subsituierte Ethinylphenylamin-Derivate gerichtet (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 4 0012 i. V. m. Beisp: 2 bis 20, 23 bis 105), wobei 6,7-(2-Methoxy-ethoxy) substituierte Chinazoline als ein stofflicher Schwerpunkt der Erfindung des Grundpatents herausgestellt sind (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 6 [0014] i. V. m. S. 29 Prepns 1 bis 3 sowie Anspr. 20 und 21). Patentanspruch 19 hat die gemäß Ausführungsbeipiel 20 hergestellte Einzelverbindung 6,7-Bis-(2-methoxyethoxy)-chinazolin-4-yl-(3-ethinylphenyl)-amin (INNName: Erlotinib) in Form ihres pharmazeutisch annehmbaren Hydrochlorid-Salzes zum Gegenstand. 4. Als Fachmann ist ein Team anzusetzen, das einen Chemiker der Fachrichtung organische Chemie, einen Pharmakologen und einen in der Forschung täti- gen Mediziner umfasst, die jeweils promoviert haben und mit der Herstellung und Entwicklung von Wirkstoffen gegen Krebs befasst und vertraut sind.
II.
Dem Gegenstand der Patentansprüche des Grundpatents kann die Ausführbarkeit und die Patentfähigkeit nicht abgesprochen werden, jedenfalls nicht in der Ausgestaltung des in dem angegriffenen Schutzzertifikat identifizierten Wirkstoffs Erlotinib-Hydrochlorid.
Der Gegenstand des Grundpatents ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann die betreffende Lehre im beanspruchten Umfang sowohl in stofflicher Hinsicht als auch zum Beleg der geltend gemachten physiologischen Wirkung ausführen kann (Art. 83 EPÜ).
Der Gegenstand des Grundpatents weist gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik die erforderliche Neuheit auf (Art. 54 EPÜ). Er beruht zumindest in der Ausgestaltung des 6,7-Bis-(2-methoxyethoxy)-chinazolin-4-yl-(3-ethinylphenyl)amins (Erlotinib) und seiner pharmazeutisch annehmbaren Salze, insbesondere in Form des Erlotinib-Hydrochlorids gemäß Patentanspruch 19 sowie der darauf rückbezogenen Patentansprüche 22 bis 28 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ), so dass das angegriffene Schutzzertifikat Bestand hat.
1. Der Gegenstand des Grundpatents kann ohne weiteres nachgearbeitet werden, so dass die Erfindung des Grundpatents ausführbar offenbart ist. Dies gilt nicht nur für die Chinazolin-Derivate der Formel I und dabei vor allem für 6,7-Bis(2-methoxyethoxy)-chinazolin-4-yl-(3-ethinylphenyl)-amin-hydrochlorid (ErlotinibHydrochlorid) als Erzeugnis bzw. Wirkstoff des streitgegenständlichen Schutzzertifikats, sondern auch für deren Verwendung zur Hemmung der EGFR-TK und zur Behandlung hyperproliferativer Erkrankungen, insbesondere zur Behandlung von Krebserkrankungen.
a) Die Herstellbarkeit der unter die Markush-Formel des Patentanspruchs 1 fallenden Chinazolin-Derivate ist anhand zahlreicher konkreter Ausführungsbeispiele und anhand allgemeiner Verfahrenswege und Arbeitsmethoden in der Beschreibung erläutert (vgl. WO 96/30347 A1 z. B. Anspr. 13 i. V. m. S. 6 Z. 30 bis S. 9 Z. 3, S. 10 bis S. 19 Z. 3 sowie S. 50 bis 51 Prepns 1 und 2; EP 0 817 775 B1 S. 4 0013 bis S. 11 0050, insbes. S. 6 0014, S. 11 0049), so dass diese Verbindungen im beanspruchten Umfang ohne weiteres zugänglich sind.
Aus der Markush-Formel des Patentanspruchs 1 sind sowohl bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als auch in dem daraus hervorgegangenen Grundpatent zahlreiche Einzelverbindungen expressis verbis beschrieben und damit individuell hervorgehoben, darunter 6,7-Bis-(2-methoxyethoxy)-chinazolin4-yl-(3-ethinylphenyl)-amin (Erlotinib) und dessen Hydrochlorid (vgl. WO 96/30347 A1 und EP 0 817 775 B1, jeweils Beisp. 1 bis 105). Die Herstellbarkeit der Base Erlotinib, ihres Hydrochloridsalzes gemäß Patentanspruch 19 und weiterer pharmazeutisch annehmbarer Salze steht aufgrund der experimentellen Anleitung in dem Ausführungsbeispiel 20 sowie in der Beschreibung außer Frage (vgl. WO 91/30347 A1 S. 21 Beisp. 20 i. V. m. S. 18 Z. 20 bis S. 19 Z. 3 und S. 50 bis 51 Prepns 1 und 2; EP 0 817 775 B1 S 17/18 Beisp. 20 i. V. m. S. 11 0049). Entsprechendes gilt für die Herstellbarkeit von pharmazeutischen Zusammensetzungen gemäß Patentanspruch 22, die diese Wirkstoffe enthalten (vgl. WO 96/30347 A1 S. 21 Z. 26 bis S. 23 Z. 6; EP 0 817 775 B1 S. 13 0058 bis 0064).
Für die Verbindungen des beanspruchten Stoffkollektivs gemäß Patentanspruch 1 ist die Hemmung der EGFR-Tyrosinkinase beschrieben und diese inhibitorische Wirkung – unter Bezugnahme auf Referenzliteratur – mittels im in-vitro Test erhaltener IC50-Werte im Bereich von 0,1 nM bis 30 M belegt (vgl. WO 96/30347 A1 S. 19 Z. 13 bis S. 21 Z. 25, insbes. S. 20 Z. 28 bis 32; EP 0 817 775 B1 S. 12, insbes. Z. 37 bis 40). Die Einzelverbindungen des anspruchsgemäßen Stoffkollektivs unterscheiden sich bedingt durch ihre individuelle Feinstruktur trotz einer gemeinsamen, gegenüber dem Stand der Technik weiterentwickelten Leitstruktur zwangsläufig mehr oder weniger in ihrer in-vitro Hemmwirkung, in ihrem in-vivo Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil sowie in ihrer Pharmakokinetik und Pharmakodynamik.
Einer lückenlosen Ausführbarkeit über die beanspruchte Breite eines Stoffund/oder eines Verwendungsanspruchs im Sinne eines lückenlosen Wirkungsnachweises anhand von in-vitro Daten bedarf es ohnehin nicht. Vielmehr genügt ein zum Ziel führender Weg (vgl. BGH GRUR 2001, 813 - Taxol; BGH GRUR 2013, 1210 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; BGH X ZR 88/13 v. 10. November 2015).
Durch den Rückbezug der anwendungsbezogenen Patentansprüche 22 bis 24 auf den Stoffanspruch 19 bzw. den Stoffanspruch 12 liegen Erlotinib und dessen Hydrochlorid, basierend auf der Hemmung der EGFR-TK, als Mittel zur Behandlung von hyperproliferativen Erkrankungen und von Krebserkrankungen im Fokus der Lehre des Grundpatents, so dass auch diesbezüglich die Ausführbarkeit der Lehre des Grundpatents insbesondere betreffend das Erzeugnis bzw. den Wirkstoff des angegriffenen Schutzzertifikats außer Frage steht.
b) Dass Erlotinib-Hydrochlorid als Einzelverbindung nicht bereits in den ursprünglichen Unterlagen Gegenstand eines gesonderten Patentanspruchs gewesen ist, sondern Patentanspruch 19 erst im Verlauf des Prüfungsverfahrens als Bestandteil der zur Erteilung des Grundpatents vorgesehenen Anspruchsfassung formuliert wurde, vermag weder die ursprüngliche Offenbarung von Erlotinib und seines Hydrochlorids als Wirkstoff zur Hemmung der EGFR-Tyrosinkinase noch den Patentanspruch 19 als solchen, insbesondere nicht dessen Zulässigkeit, in Frage zu stellen. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sind Erlotinib und sein pharmakologisch zu verabreichendes Hydrochloridsalz nicht nur in individualisierter Form, sondern auch bereits als eine bevorzugte Ausführungsform erkennbar beschrieben (vgl. WO 96/30347 A1 S. 31 Beisp. 20 i. V. m. Anspr. 12 S. 58 Z. 2 sowie S. 50 bis 51 die Zwischenverbindungen der Prepns 1 und 2).
c) Für die Ausführbarkeit der Stofferfindung des Grundpatents sind konkrete invitro und/oder in-vivo Zahlenwerte einer physiologischen Wirkung einzelner der beanspruchten Chinazolin-Derivate am Anmelde- bzw. Prioritätstag nicht erforderlich. Denn die Stofferfindung ist mit der Bereitstellung eines Stoffes mit neuer chemischer Konstitution fertig (BGH GRUR 1972, 541 - Imidazoline).
Physiologische Daten können im Rahmen der ursprünglichen stofflichen und wirkungsgemäßen Offenbarung regelmäßig nachgebracht werden, beispielsweise im Prüfungsverfahren nach Aufforderung im Prüfungsbescheid. Über in-vitro und/oder in-vivo Versuche an Zellkulturen hinausgehende Daten am lebenden Tier oder am Menschen sind zur Offenbarung der Ausführbarkeit der Lehre des vorliegenden Grundpatents ohnehin nicht zu fordern.
Davon zu unterscheiden sind die über das Patenterteilungs-, Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren des Grundpatents hinausgehenden, für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittel(wirkstoffs) in der Europäischen Gemeinschaft notwendigen Daten der präklinischen und klinischen Prüfphasen, die wiederum Voraussetzung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel auf Basis eines in Kraft befindlichen Grundpatents sind. Die zur Zulassung des Erzeugnisses bzw. Wirkstoffs Erlotinib-Hydrochlorid und damit zur Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats erforderlichen Ergebnisse der Behandlung am Tier und am Menschen lagen – von der Klägerin unbestritten – jedenfalls zum Zeitpunkt der Anmeldung des angegriffenen Schutzzertifikats in Form der Genehmigung EU/1/05/311/001-003 vom 19. September 2005 vor (EGV Nr. 469/2009 v. 6. Mai 2009, Art. 3b).
d) Deshalb greift auch das Vorbringen der Klägerin nicht, das Grundpatent liefere mangels konkreter experimenteller in-vitro und in-vivo Daten sowie wegen fehlender Ergebnisse präklinischer und/oder klinischer Studien keinen Beleg für die therapeutische Wirksamkeit der beanspruchten Chinazolin-Derivate, insbesondere auch nicht für Erlotinib-Hydrochlorid, so dass die Lehre der Patentansprüche 22 bis 28 nicht ausführbar sei. Denn durch Patentanspruch 19 als einzi- gem auf eine Einzelverbindung gemäß der Markush-Formel gerichteten Stoffanspruch wird Erlotinib-Hydrochlorid als besonders bevorzugte Ausführungsform bzw. Zielverbindung der Erfindung des Grundpatents hervorgehoben und durch die darauf unmittelbar bezogenen Patentansprüche 22 bis 24 in Verbindung mit den darauf wiederum mittelbar Bezug nehmenden Patentansprüchen 25 bis 28 die Entwicklung zur Marktreife als Zielsetzung erkennbar. Eine derartige Selektion des Erlotinib-Hydrochlorids als potentielles Entwicklungsprodukt ist nur in Kenntnis besonders günstiger in-vitro und in-vivo Daten möglich, die zwar in den Erstunterlagen und im Grundpatent nicht angegeben sind und – wie vorstehend ausgeführt – ursprünglich auch nicht offenbart sein müssen. Diese in-vitro und in-vivo Daten waren jedoch am Prioritäts- bzw. Anmeldetag auf Basis der bereits bekannten und in den Erstunterlagen zitierten Testmethoden ohne weiteres messbar und sind deswegen jedenfalls für das Erlotinib-Hydrochlorid als mitoffenbart anzusehen (vgl. WO 96/30347 A1 S. 19 Z. 13 bis S. 21 Z. 25; EP 0 817 775 B1 S. 12 Z. 19 bis 22, 41 bis 58).
Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung T 609/02 der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts bezieht, ist diese Entscheidung für den vorliegenden Fall der Stofferfindung des Grundpatents nicht einschlägig und damit auch nicht maßgeblich. Denn das der Entscheidung T 609/02 zugrunde liegende Patent EP 0 552 202 B1 und dessen Patentansprüche betreffen – anders als das Grundpatent des hier angegriffenen Schutzzertifikats – lediglich ein (Arbeits)Verfahren bzw. eine Methode zur Identifizierung von Steroidhormonen und deren Analoga sowie deren Anwendung in pharmazeutischen Zusammensetzungen zur Behandlung anormaler Zellen und daraus resultierender Erkrankungen, ohne dabei auch nur einen einzigen Wirkstoff oder ein stofflich konkret bezeichnetes Kollektiv von Wirkstoffen bereitzustellen. Die Entscheidung T 609/2 befasst sich demnach mit der Frage der Patentfähigkeit eines sogenannten Durchgriffsanspruchs (Reach-Through Claim) bzw. der Durchführung eines Forschungsauftrags an sich (vgl. EPA T 1063/06 vom 3. Februar 2009), und nicht mit der Frage der Patentfähigkeit einer (Wirk)Stofferfindung des vorliegenden Streitfalls.
Selbst wenn am Anmeldetag des Grundpatents nicht bekannt war, ob und gegebenenfalls welche der über die synthetisierten Einzelverbindungen der Ausführungsbeispiele 1 bis 105, insbesondere über die in den Unteransprüchen expressis verbis hervorgehobenen Wirkstoffe hinausgehenden Verbindungen aus dem Markush-Kollektiv des Patentanspruchs 1 tatsächlich eine zumindest brauchbare in-vitro Aktivität aufweisen, steht dies der Ausführbarkeit der Erfindung und damit einer Patentierung der neuen Chinazolin-Derivate im beanspruchten Umfang nicht entgegen. Die Erfindung des Grundpatents betrifft nicht die Verwendung neuer Chinazolinderivate zur Behandlung von Krebserkrankungen ohne Offenbarung einer konkreten Wirkfunktion, sondern die spezifische und selektive Inhibierung der EGFR-Tyrosinkinase als Zielmolekül, die mittels der bereits in den Anmeldeunterlagen offenbarten Arbeitsweisen auch ohne weiteres zu messen ist.
Eine Beschränkung der Patentansprüche auf Ausführungsformen, hier Einzelverbindungen, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen expressis verbis beschrieben sind, ist nicht erforderlich. Es kann zulässig sein, im Patentanspruch verallgemeinernd eine Gruppe von Stoffen aufzuführen, auch wenn nicht sämtliche zu dieser Gruppe gehörenden Stoffe in überlegener Weise geeignet sind, sofern der Fachmann die Eignung der einzelnen Stoffe unschwer durch Versuche feststellen kann. Dies gilt sogar dann, wenn – wie vorliegend nicht der Fall – unter einen so gefassten Patentanspruch auch Substanzen fallen, die es derzeit noch nicht gibt oder die bislang noch nicht aufgefunden wurden. Für eine deutliche und vollständige Offenbarung ist nicht einmal erforderlich, dass die Beschreibung Hinweise darauf enthält, wie sämtliche denkbaren Ausführungsformen der Erfindung, in vorliegenden Fall die unter die funktionelle Definition der Patentansprüche 24 bis 28 (i. V. m. Beschr. S. 12 0051 bis 0057) fallenden Chinazolinderivate des Patentanspruchs 1, zu erhalten sind (vgl. EPA T 609/02; BGH GRUR 2013, 1210 Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
e) Auch dem weitergehenden Vorbringen der Klägerin zur mangelnden Ausführbarkeit unter Bezugnahme auf den Versuchsbericht NIK3, wonach die im Grundpatent offenbarten Verfahren und Arbeitsweisen nicht zur Aufreinigung des huma- nen EGF-Rezeptors geeignet seien und deshalb die zu hemmende Phosphorylierungsreaktion nicht habe gemessen werden können, kann nicht beigetreten werden. Denn die in dem Grundpatent zitierten Originalarbeiten zur Durchführung der in-vitro und in-vivo Experimente (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 12 0055 bis 0057), vor allem das Affinitätsverfahren zur Herstellung des solubilisierten humanen EGF-Rezeptors aus A431 Zellen (vgl. die in EP 0 817 775 B1 S. 12 Z. 22 bis 23 zitierte HE3), geben keinen Anlass, an der Herstellbarkeit des EGF-Rezeptors und an der Bestimmbarkeit der TK-inhibierenden Wirkung der beanspruchten Chinazolin-Derivate, damit auch des Erlotinib-Hydrochlorids, am Anmeldetag des Gundpatents zu zweifeln.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der seitens der Klägerin eingereichte Versuchsbericht NIK3 – wie darin im Übrigen auch zugestanden – von den Arbeitsweisen zur Reinigung eines EGFR-Proteins mit funktionsfähiger Tyrosinkinase der im Grundpatent zitierten HE3 abgewichen ist und damit jedenfalls insoweit die Lehre des Grundpatents (vgl. EP 0 817 775 B1 S. 12 0055 bis 0056) verlassen hat, was auch zu einer niedrigeren Konzentration des gereinigten EGFRezeptorproteins und damit zu nicht vergleichbaren Bedingungen geführt hat (vgl. NIK3 S. 15 le. Abs. bis S. 16 etwa Mitte, S. 19 Abs. 5).
2. Die im Übrigen nicht angegriffene Neuheit der Gegenstände der zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche 1 und 13 sowie 22 bis 24 des Grundpatents ist anzuerkennen, da aus keiner der vorgebrachten zeitrangälteren Druckschriften Chinazolin-Derivate der Formel I und sie enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen und/oder deren Verwendung zur Behandlung hyperproliferativer Erkrankungen einschließlich Krebserkrankungen hervorgehen. Dies gilt auch für das Erzeugnis bzw. den Wirkstoff Erlotinib und für dessen pharmakologisch annehmbare Salze des angegriffenen Schutzzertifikats.
3. Die Verbindungen gemäß Formel I des Patentanspruchs 1 des Grundpatents, insbesondere das in dem angegriffenen Schutzzertifikat als Erzeugnis bzw.
Wirkstoff identifizierte Erlotinib-Hydrochlorid des Patentanspruchs 19, beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Unter Berücksichtigung der Aufgabe (vgl. Absatz I.3) ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zunächst zu untersuchen, ob der Fachmann ausgehend von den vorbeschriebenen Chinazolin-Derivaten mit TK-inhibitorischer Wirkung (vgl. NIK4, NIK5, NIK8, NIK18, HE14, HE15, HE16) unter Berücksichtigung seines Fachwissens, zu dem auch die seitens der Klägerin vorgebrachten Arbeiten zur Beziehung zwischen Struktur und Wirkung bei Arzneimittelwirkstoffen (vgl. NIK6, NIK7, NIK9 bis NIK16, NIK19 und NIK20) zählen, ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 und/oder des Patentanspruchs 19 des Grundpatents gelangen konnte.
Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob mit der Bereitstellung der neuen Chinazolinderivate gleicher Wirkungsrichtung auch eine verbesserte Wirkung bzw. eine therapeutische Verbesserung gegenüber den strukturell nächstkommenden Verbindungen des Standes der Technik erzielt wird, was als Anzeichen bzw. Nachweis für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten ist.
a) Die zeitrangälteste der vorgebrachten Druckschriften NIK8 (vgl. a. a. O. S. 16/17 Anspr. 1 und 3) betrifft pharmazeutische Zusammensetzungen enthaltend bereits bekannte oder neue Chinazolin-Derivate mit inhibitorischer Wirkung auf die EGFR-Tyrosinkinase der allgemeinen Formel in der
,
(o. g. Übersetzung übernommen aus dem deutschsprachigen Anspruch 1 der B1Schrift) Gemäß NIK8 wurden auf ihre Hemmwirkung exemplarisch (Chinazolin-4-yl)-(3methylphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,18 M, (Chinazolin-4-yl)-(3-chlorphenyl)amin mit einem IC50 von 0,04 M, (Chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,02 M und (7-Chlorchinazolin-4-yl)-(3-chlorphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,02 M jeweils im in-vitro Test mit teilweise gereinigter solubilisierter EGFR-TK getestet (vgl. NIK8 S. 7 Z. 4 bis 13 i. V. m. S. 6 Z. 17 bis 54). Die NIK5 untersucht eine Stoffauswahl der nachfolgenden Formel, die unter das Stoffkollektiv der NIK8 fällt, hinsichtlich möglicher Struktur-Wirkung-Beziehungen (SAR) der Hemmung der EGFR-Tyrosinkinase und einer darauf beruhenden Antikrebswirkung.
Dabei wird der Substituent R mit Ausnahme R = m-Cl weder hinsichtlich seiner Position am Phenylring noch hinsichtlich seiner stofflichen Beschaffenheit expres- sis verbis benannt. Als Ergebnis wird ausgeführt, dass die wirksamsten Verbindungen die EGFR-TK kompetitiv zu ATP und nicht-kompetitiv zum Peptid- bzw. Proteinsubstrat inhibieren, in der Meta-Position des 4-Anilinrestes kleine, relativ unpolare Substituenten aufweisen und ihre IC50-Werte bei etwa 20 nM liegen. Aus diesem Kollektiv wird lediglich für die konkrete Einzelverbindung R = m-Cl bei humanen KB nasopharyngealen Krebszellen ein Hemmwert von 4 M im in-vitro Test angegeben, wobei die übrigen Verbindungen im Bereich von 1 bis 10 M liegen. Der Unterschied zwischen den Hemmwerten isolierter EGFR-TK und dem zellgebundenen Enzym wird auf eine gegenüber einer Konzentration von 20 M im Test mit dem freien solubilisierten Enzym mit 2 mM höhere lokale intrazelluläre Konzentration des ATP zurückgeführt. Zur Bedeutung gegebenenfalls weiterer zusätzlicher Substituenten am Phenyl- und/oder Chinazolinring erhält der Fachmann aus der NIK5 keinerlei Information.
Auch die gegenüber der NIK8 später angemeldete NIK4 (vgl. a. a. O. S. 58/59 Anspr. 1) betrifft Chinazolin-Derivate der allgemeinen Formel in der
,
(o. g. Übersetzung übernommen aus dem deutschsprachigen Anspruch der B1Schrift) Gemäß NIK4 wurden auf ihre Hemmwirkung exemplarisch (6,7-Dimethoxychinazolin-4-yl)-(3-methylphenyl)-amin mit einem IC50 von 5 nM, (6,7-Dimethoxy- chinazolin-4-yl)-(3-trifluormethylphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,01 M, (6-Aminochinazolin-4-yl)-(3-methylphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,055 M, (6-Acetamidochinazolin-4-yl)-(3-methylphenyl)-amin mit einem IC50 von 0,01 M 7-(2-Hydroxyethoxy)-6-methoxy-chinazolin-4-yl-(3-methylphenyl)-amin mit einem IC50 von 5 nM jeweils im in-vitro Test mit teilweise gereinigter solubilisierter EGFR-TK getestet (vgl. NIK4 S. 21 Z. 17 bis 30 i. V. m. S. 20 Z. 14 bis 51).
Die NIK18 beschreibt das in dem Stoffkollektiv der NIK4 bereits als Einzelverbindung identifizierte (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amin (vgl. NIK4 S 24 Beispiel 2, Verbindung Nr. 2), ein Entwicklungsprodukt der Parke-Davis Pharmaceutical Research mit dem Code PD 153035 als besonders potenten in-vitro Hemmstoff. Für dieses Chinazolin-Derivat wird im in-vitro Test mit einem entsprechend der HE3 isolierten EGFR ein IC50-Wert von 29 +/- 5,1 pM ermittelt (vgl. NIK18 S. 1093 re. Sp. le. Abs. i. V. m. S. 1094 Fig. 2 nebst Legende).
Neben den in NIK4, NIK5, NIK8 und NIK18 beschriebenen Chinazolin-Derivaten mit TK-inhibitorischer Wirkung waren dem Fachmann vor dem Prioritätstag des Grundpatents noch zahlreiche andere strukturell weiterentwickelte Chinazolin-Derivate gleicher Wirkungsrichtung bekannt, darunter auch die Chinazolin-Derivate aus den bereits im Grundpatent zitierten Druckschriften HE14 mit einem 9- oder 10-Atome aufweisenden Heterobicyclus als Rest Q, HE15 mit ähnlichen, teilweise mit NIK4 überlappenden Substituenten R1, R2, R3 und deshalb zahlreichen identischen Verbindungen zu NIK4 und HE16 worin R1 und R2 zusammen einen am Benzolring des Chinazolins ankondensierten 5- oder 6-Heterocyclus bilden.
b) Die Chinazolin-Derivate des Grundpatents lassen sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem vorveröffentlichten, vorstehend unter 3.a) abgehandelten Stand der Technik herleiten, auch nicht unter Berücksichtigung seines Wissens zu Struktur-Wirkungs-Beziehungen von Arzneimittelwirkstoffen im allgemeinen und von EGFR-Tyrosinkinasen im speziellen. Sowohl bei gesonderter als auch bei zusammenschauender Betrachtung der Chinazolin-Derivate der NIK4, NIK5, NIK8 und NIK18 sowie HE14 bis HE16 hat die Bereitstellung der Verbindungen gemäß Patentanspruch 1 des Grundpatents nicht nahegelegen, erst recht nicht die Bereitstellung des Erlotinib-Hydrochlorids des Patentanspruchs 19, dem in dem angegriffenen Schutzzertifikat identifizierten Wirkstoff.
b.1) Weder in der Markush-Formel I der NIK4 noch in der Markush-Formel I der NIK8 ist am Phenylring des Phenylamin-Rests ein Azido- oder ein gegebenenfalls substituierter Ethinylrest beschrieben, dementsprechend auch nicht in der allgemeinen Formel 1 der NIK5 und in der lediglich eine Einzelverbindung aus NIK4 betreffenden NIK18. Mangels Vorkommen dieser Substituenten in den weiteren zum Prioritätstag des Grundpatents bekannten Chinazolin-Derivaten (vgl. insbesondere die im Grundpatent zitierten HE14, HE15, HE16) konnte der Fachmann aus dem gattungsgemäßen, weil hinsichtlich stofflicher Beschaffenheit und Wirkungsrichtung nächstkommenden Stand der Technik keinerlei Anregung erhalten, die ihn hätte zum Gegenstand des Grundpatents hinführen können. Deswegen bestand für ihn auch kein Anlass, eine derartige Derivatisierung bereits bekannter Chinazolin-Derivate vorzunehmen (vgl. BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger).
Soweit sich die Klägerin auf den allgemeinen Hinweis auf kleine, relativ unpolare Substituenten am Phenylamin-Rest in der NIK5 stützt, vermag auch dieser Passus der NIK5 dem Fachmann keine Anregung zu geben, aus dem zur Verfügung ste- henden Kollektiv kleiner, relativ unpolarer Substituenten seines Synthesebaukastens gerade den Azido- und/oder den ggf. substituierten Ethinylrest auszuwählen.
b.2) Auch eine zusammenschauende und vergleichende Bewertung der in-vitro Wirkung der Strukturvarianten derjenigen Einzelverbindungen, die in den Druckschriften NIK4, NIK5, NIK8, NIK18 und HE14 bis HE16 anhand von in-vitro IC50Hemmwerten hervorgehoben sind, lässt den Fachmann nicht zu Azido- und/oder Ethinylderivaten gelangen.
b.2.1) Aus dem Kollektiv der durch in-vitro Hemmwerte gekennzeichneten Chinazoline der NIK4 (vgl. a. a. O. S. 21 Z. 23 bis 30) ragen (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3-methylphenyl)-amin und 7-(2-Hydroxyethoxy)-6-methoxy-chinazolin-4-yl)-(3-methylphenyl)-amin mit IC50 von jeweils 5 nM im zellfreien in-vitro Test und 50 bzw. 140 nM im Test an Krebszellkulturen hervor, während für ChinazolinDerivate mit dem 3-Trifluormethylrest und dem 6-Amino- bzw. 6-Acetamido-Rest höhere Hemmwerte beschrieben sind. Aus dem Kollektiv der NIK8 (vgl. a. a. O. S. 7 Z. 9 bis 13) sind ergänzend dazu (Chinazolin-4-yl)-(3-chlorphenyl)-amin mit 40 nM, (Chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amin mit 20 nM und (7-Chlor-chinazolin4-yl)-(3-chlorphenyl)-amin mit 20 nM, jeweils im zellfreien in-vitro Test, hervorgehoben, wobei sich unter Einbeziehung der Ausführungen in NIK5 in der Gesamtschau ein Methyl-, Chlor- oder Bromsubstituent in 3-Stellung des PhenylaminRests sowie ein Methoxy-, 2-Hydroxyethoxy oder ein Chlorsubstituent am Carbocyclus des Chinazolins als bevorzugt ergeben. Eine Anregung hin zu einem Ethinyl- oder Azido-Substituenten in 3-Stellung des Phenylamin-Rests in Kombination mit zwei 2-Methoxy-ethoxy-Substituenten am Carbocyclus des Chinazolins erhält der Fachmann daraus nicht, auch nicht unter Berücksichtigung des in NIK18 auf seine Hemmwirkung hin untersuchten (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3bromphenyl)-amins des Beispiels 2 Verbindung Nr. 2 der NIK4.
Bei einer zusammenschauenden vergleichenden Struktur-Wirkungs-Analyse vorveröffentlichter gattungsgemäßer Chinazolin-Derivate dürfen allerdings diejenigen Einzelverbindungen nicht unberücksichtigt bleiben, die in den im Grundpatent als Stand der Technik zitierten HE14 bis HE16 anhand von in-vitro Daten hervorgehoben sind. Die Daten der HE14 bis HE16 geben dem Fachmann durchaus Anlass, in 4-Stellung des Chinazolingerüsts unter Beachtung der in-vitro Hemmwerte eher einen 5-Indolylamino-Rest vorzusehen (vgl. HE14 S. 15 Z. 40 bis 45: IC50 = 1 nM). Der Verzicht auf einen oder gar beide Alkoxysubstituenten am Carbocyclus unter Beibehaltung des 3-Methylphenylamin-Rests oder die Disubstitution des Phenylaminrests (vgl. HE15 S. 11 Z. 1 bis 5: IC50 = 10 nM, 70 nM und 75 nM) führen dagegen ebenso wie die strukturelle Weiterentwicklung des Chinazolingerüsts hin zum tricyclischen Imidazochinazolingerüst unter Beibehaltung des 3-Methylphenylamin-Rests (vgl. HE16 S. 10 Z. 11 bis 14: IC50 = 16 nM und 35 nM) eher zu einer Abschwächung der in-vitro Hemmwirkung.
Demnach lässt sich für den Fachmann eine Kombination aus zwei 2-Methoxyethoxy-Substituenten in 6- und 7-Position und aus einem 3-Ethinyl- oder 3Azidophenylamin-Substituenten in 4-Position des Chinazolingerüsts auch nicht in nahe liegender Weise aus einer eingehenden Analyse der Strukturdaten und invitro Hemmwerte des gattungsgemäßen Standes der Technik ableiten.
b.2.2) Das Vorbringen der Klägerin, aus Gründen einer einfachen „Symmetriebetrachtung“ habe der Fachmann die strukturell dem Erlotinib nächstkommende 3Methylphenylamin-Verbindung des Beispiels 51 der NIK4, obwohl in der NIK4 selbst nicht durch in-vitro Daten gekennzeichnet, lediglich in nahe liegender Weise mit der im in-vitro Test herausragenden 3-Bromphenylamin-Verbindung der NIK18 strukturell fusionieren müssen, um zu einem brauchbaren Wirkstoff zu gelangen, führt jedenfalls nicht zu den 3-Azido- und/oder 3-Ethinylphenylamin-Chinazolinen des Grundpatents, insbesondere nicht zu Erlotinib und seinen pharmazeutisch annehmbaren Salzen.
(elektronische Fotokopie aus dem Klageschriftsatz vom 26. Juni 2015 VII.31.) Der Strukturvergleich der in NIK4 und NIK8 hervorgehobenen und durch in-vitro Hemmwerte zwischen 5 nM und 180 nM gekennzeichneten Chinazolinderivate lässt den Fachmann weder eine Tendenz für den 3-Methyl- oder 3-Bromsubstituenten gegenüber dem 3-Trifluormethyl- oder 3-Chlorsubstituenten noch eine vorteilhafte Kombination mit jeweils einem 2-Methoxyethoxy-Substituenten in 6und 7-Position des Chinazolingerüsts erkennen. Auch unter Berücksichtigung der NIK5, wonach kleine, relativ unpolare Substituenten am Phenylamin-Rest günstig sind, geben ihm diese Druckschriften nicht den Anlass, sich von den dort in 3-Position realisierten Substituenten abzuwenden, und lassen ihn deshalb nicht zwangsläufig zu Erlotinib gelangen. Dass die durch NIK18 hervorgehobene Verbindung (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4yl)-(3-bromphenyl)-amin den Patentschutz der NIK4 genießt und deswegen für den Fachmann, wie die Klägerin vorbringt, die Motivation bestanden habe, sich dem Patentschutz durch eine strukturelle Weiterentwicklung dieser Verbindung zu entziehen, gibt dem Fachmann nicht zwangsläufig Anlass und Anregung zum Ersatz der beiden Methoxysubstituenten in 6- und 7-Stellung durch zwei 2-Methoxyethoxy-Substituenten und zum Einbau eines gegebenenfalls substituierten Ethinyl- oder eines Azido-Substituenten in 3-Position des Phenylamin-Rests. Die NIK5, die aus der gleichen Autorengruppe stammt und zeitlich nach der NIK4 und NIK8 und somit in deren Kenntnis veröffentlicht wurde, trifft nicht nur mit dem kleinen, relativ polaren Rest am Phenylamin, sondern auch mit dem Verzicht auf die Substitution der Wasserstoffatome in 6- und 7-Position des Chinazolingerüsts bereits eine stoffliche Auswahl gegenüber NIK4 und NIK8, allerdings gerade nicht hin zum Gegenstand des Grundpatents. Vielmehr ist der Verzicht in NIK5 auf Substituenten in 6- und 7-Position im Hinblick auf die Zusammenschau der NIK4 und NIK8 nicht ohne weiteres plausibel und die Maßgabe hinsichtlich Größe und Polarität des Substituenten in 3-Position des Phenylamin-Rests lediglich als vage Anregung zu bewerten.
Die Druckschriften NIK4, NIK5 und NIK8 lassen deshalb den Fachmann unter Berücksichtigung der dort angegebenen in-vitro Hemmwerte und daraus ableitbaren Beziehungen zwischen Struktur und Wirkung nicht zu einem Ethinyl-Substituenten in 3-Position des Phenylamin-Rests und jeweils einem 2-Methoxyethoxy-Substituenten in 6- und 7-Position des Chinazolins und damit nicht zu Erlotinib und seinen pharmazeutisch annehmbaren Salzen gelangen, auch nicht unter Einbeziehung der Lehre der NIK18.
Die weiteren Überlegungen der Klägerin, wonach sich der Fachmann sowohl an der Verbindung des Beispiels 51 von NIK4 als auch an der Verbindung des Beispiels 2 Nr. 2 von NIK4, letzteres hervorgehoben durch die herausragenden invitro Testwerte der NIK18, orientieren werde und die Strukturen dieser beiden Verbindungen als Ausgangspunkte gewählt habe, bedienen sich der Kenntnis der strukturellen Weiterentwicklung des Grundpatents und beruhen deshalb auf einer unzulässigen ex-post Betrachtung. Die Klägerin lässt in ihren Überlegungen andere Varianten als Basis für eine strukturelle Weiterentwicklung außer Acht, die sich anhand vorveröffentlichter in-vitro Hemmwerte durchaus auch als erfolgversprechend darstellen, beispielsweise Chinazolinderivate mit Amino-, Methoxy- und/oder 2-Hydroxyethoxy-Substituenten in 6- und/oder 7-Stellung (vgl. NIK4 S. 21 Z. 17 bis 30), mit einem 5-Indolyl-Rest in 4-Stellung (vgl. HE14 S. 15 Z. 40 bis 45) oder mit einem ankondensierten Imidazolring (vgl. HE16 S. 10 Z. 11 bis 14).
Die Verbindung des Beispiels 51 aus NIK4 wird entsprechend dem Vortrag der Klägerin zwar als eine von drei Einzelverbindungen mit dem Attribut „a further specific preferred compound“ bezeichnet, wobei die beiden anderen Verbindungen in 6-Stellung einen Dimethylamino- oder einen Benzamido-Substituenten und damit von den zwei 2-Methoxyethoxy-Substituenten grundsätzlich verschiedenen Substituenten aufweisen (vgl. NIK4 S. 18 Z. 15 bis 18 i. V. m. Anspr. 9). Jedoch sind in der Beschreibung der NIK4 auch andere, jeweils unterschiedliche Substituentenmuster mit dem Attribut „specific preferred“ versehen (vgl. NIK4 S. 16 Z. 46 bis 51, S. 17 Z. 17 bis 24, Z. 53 bis 59), so dass sich hieraus für den Fachmann keine Richtung für eine strukturelle Weiterentwicklung erkennen lässt, insbesondere nicht auf Basis der Verbindung des Beispiels 51 der NIK4. Die Gesamtschau der NIK4 lässt den Fachmann gerade nicht vermuten, dass die Einzelverbindung des Beispiels 2 Nr. 2, wie aus den Daten der NIK18 ersichtlich, den weitaus besten in-vitro Hemmwert des in NIK4 offenbarten Stoffkollektivs aufweisen könnte, zumal diese Verbindung, sieht man von dem Ausführungsbeispiel 2 Nr. 2 ab, weder in den Ansprüchen expressis verbis benannt, noch in der Beschreibung mit dem Attribut „specific preferred“ bezeichnet ist.
Wenngleich auf dem Gebiet der biologischen Wirkstoffe, hier Arzneimittelwirkstoffe, schon bei kleinsten strukturellen Änderungen stets mit einer Wirkungssteigerung oder Wirkungsverminderung gerechnet werden muss, gab es für den Fachmann in den hier maßgeblichen vorveröffentlichten Druckschriften keinerlei Anhaltspunkte, in welcher Richtung er strukturelle Veränderungen vornehmen könnte, um zu Chinazolin-Derivaten mit gegebenenfalls überraschend vorteilhaften Eigenschaften zu gelangen.
b.3) Ein Azido-Rest und/oder ein gegebenenfalls substituierter Ethinyl-Rest als erfolgversprechende Substituenten an dem in 4-Stellung des Chinazolin-Gerüsts sitzenden Phenylamin lassen sich für den Fachmann darüber hinaus auch nicht aus seinem Fachwissen betreffend die Beziehung zwischen Struktur und Wirkung bei anderen biologisch aktiven Wirkstoffen, insbesondere auch nicht bei Arzneimittelwirkstoffen herleiten (vgl. z. B. NIK6, NIK7, NIK9 bis NIK16, NIK19 und NIK20).
b.3.1) Die in den Druckschriften NIK6, NIK7, NIK9 bis NIK16, NIK19 und NIK20 abgehandelten Wirkstoffe betreffen, soweit sie einen gegebenenfalls substituierten Ethinylrest aufweisen, nicht das Indikationsgebiet hyperproliferativer Erkrankungen, insbesondere nicht Krebserkrankungen.
Die seitens der Klägerin anhand des Merck-Index NIK10 beispielhaft zitierten Wirkstoffe mit einem gegebenenfalls substituierten Ethinylrest werden zu anderen arzneilichen Anwendungen eingesetzt: Alfaprostol (Prostaglandin-Analogon, Reproduktionsmedizin), Ethchlorvynol (hypnotisch, sedierend), Haloprogin und Terbinafin (Antimykotika, Humanfungizide), Hexapropymat, Meparfynol und Methohexital (jeweils hypnotisch und sedierend), Oxybutynin (Parasympatholytikum, Bettnässen), Pargylin (ZNS-aktiv, MAO-Hemmer), Parsalmid (NSAI, Muskelrelaxans, anxiolytisch), Phthalofyn (Anthelmintikum), Pinazepam (ZNS-aktiv, sedierend, anxiolytisch, Muskelrelaxans), Beraprost und Iloprost (ProstacyclinAnaloga, Thrombozytenaggregationshemmer, Vasodilatoren), Selegilin (ZNS-aktiv, MAO-Hemmer, Antiparkinson). Dies gilt auch für die allgemeinen Ausführungen in den Lehrbüchern, Monographien und Übersichtsartikeln NIK6, NIK7, NIK9, NIK11 bis NIK13 sowie die darin abgehandelten spezifischen Wirkstoffe mit einem gegebenenfalls substituierten Ethinylrest. Eine Anregung zur Derivatisierung von EGFR-TK hemmenden und deshalb antihyperproliferativ wirkenden Chinazolinen durch Einbau eines Ethinylsubstituenten konnte der Fachmann daraus jedenfalls nicht bekommen.
Arzneimittelwirkstoffe mit einem Azido-Substituenten sind in diesen Druckschriften weder beschrieben noch nahegelegt. Sie sind im Hinblick auf den Gegenstand des angegriffenen Schutzzertifikats allerdings ohnehin nicht relevant.
b.3.2) Dem Vorbringen der Klägerin, der Fachmann habe unter Einsatz der am Prioritätstag des Grundpatents üblichen Optimierungsmethoden der Wirkstoffforschung (vgl. insbes. NIK14, NIK15, NIK19 i. V. m. NIK16 und NIK20) einen gegebenenfalls substituierten Ethinyl- und/oder einen Azido-Rest in gattungsgemäß wirkenden Chinazolinen in Erwägung gezogen und konnte deshalb ohne erfinderisches Zutun zu EGFR-TK hemmenden, antihyperproliferativen Verbindungen des Patentanspruchs 1, insbesondere zu Erlotinib-Hydrochlorid gemäß Patentanspruch 19 des Grundpatents gelangen, kann sich der Senat nicht anschließen.
Es ist zwar durchaus möglich, mittels quantitativer Daten zu Beziehungen zwischen Struktur und Wirkung (QSAR) auf Basis von Charton- und/oder SterimolParametern verschiedene Substituenten nach ihrer Polarität, Hydrophilie, Hydrophobie und/oder Größe bzw. van-der-Waals Radien einzuordnen, in Craig-Diagrammen darzustellen und zu versuchen, aus diesen Parametern unterschiedliche Eigenschaften und Trends hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit biologischen Systemen abzuleiten. Verlässliche Vorhersagen der Struktur eines Wirkstoffs oder eines Kollektivs von Wirkstoffen, die sich zur selektiven und spezifischen Hemmung eines bestimmten biologischen Rezeptors eignen, sind damit jedoch nicht möglich. Denn zum einen beruhen Spezifität und Selektivität eines Wirkstoffs nicht nur auf dem Vorhandensein eines Substituenten, sondern auf dem Zusammenspiel sämtlicher Strukturteile des Gesamtmoleküls. Zum Anderen fehlte am Prioritätstag des Grundpatents die Kenntnis der Raumstruktur des für den vorliegenden Streitfall maßgeblichen EGF-Rezeptors, insbesondere der relevanten Substratbindungsstelle(n) der für die Tyrosinkinase-Aktivität verantwortlichen intrazellulären, zytoplasmatischen Domäne des sich transmembran erstreckenden EGF-Rezeptorproteinmoleküls. Ohne Kenntnis dieser Raumstruktur bedurfte es deshalb erfinderischen Zutuns, um zur Struktur der Verbindungen gemäß Patentanspruch 1 des Grundpatents zu gelangen. Dies gilt erst recht für die Vorhersage der Struktur des Erlotinib-Hydrochlorids und damit des vorteilhaften Zusammenwirkens eines Ethinylsubstituenten in 3-Stellung des Phenylamin-Rests sowie jeweils eines 2Methoxyethoxy-Substituenten in 6- und 7-Stellung des Chinazolingerüsts und da- mit für die Kombination von Substituenten an insgesamt drei Positionen – selbst bei hohem computergestütztem Aufwand unter Einsatz vieler Rechencluster.
Soweit die Klägerin sich auf Deskriptoren bzw. Parametersätze der in NIK21 neben Erlotinib und seinem 3-Methylanalogon des Beispiels 51 der NIK4 weiter untersuchten entsprechenden 3-Brom-, 3-Chlor-, 3-Methylthio- und 3-ChlormethylAnaloga bezieht (vgl. Schrifts. d. Kl. v 8. Dezember 2016, Abschnitt II.), geht daraus zwar hervor, dass die Substituenten – ausgenommen Methyl – im rechten oberen Quadranten des Craig-Diagramms liegen und – ausgenommen Methyl – durch Deskriptoren und m mit jeweils positivem Vorzeichen gekennzeichnet sind. Ob die für die Chinazolinderivate mit diesen Substituenten gemessenen IC50Werte im Bereich von 0,24 nM bis etwa 2,2 nM (vgl. die experimentellen Daten der NIK21) eine Bewertung zum Naheliegen oder Nichtnaheliegen solcher Substituenten für die Gesamtstruktur eines Tyrosinkinase-Inhibitors ermöglichen, kann dahinstehen. Jedenfalls beruht allein schon die seitens der Klägerin vorgenommene Auswahl dieser fünf Testverbindungen durch Festlegen eines 2-Methoxyethoxy-Substituenten jeweils in 6- und 7-Position des Chinazolins sowie eines Methyl-, Brom-, Chlor-, Methylthio- oder 3-Chlormethyl-Substituenten in 3-Position des Phenylamin-Rests auf einer ex-post Betrachtung des gattungsgemäßen Standes der Technik und einer retrospektiven Auswahl bestimmter, dem EthinylRest ähnelnder Substituenten in Kenntnis der Struktur eines erfolgreich in den Markt eingeführten Arzneimittelwirkstoffs.
Selbst in dem klägerseitigen Gutachten NIK20 wird der vorliegende Sachverhalt mit der Einschränkung bewertet, dass Parametersätze und Deskriptoren, wie sie aus der NIK14 zu entnehmen sind, keine Korrelation zwischen Struktur und Wechselwirkung mit einem biologischen Rezeptor herstellen können, vgl. NIK20, Rn. 64. Dieser Einschränkung in der NIK20 ist umso mehr Bedeutung beizumessen, als die Struktur des hier maßgeblichen EGF-Rezeptors zum Zeitpunkt der Erfindung des Grundpatents – wie seitens der Klägerin auch zugestanden – noch nicht bekannt war. Hinzu kommt, dass die Parametersätze und m in NIK14, auf denen die Argumentation der Klägerin aufbaut, an Benzoesäureestern und damit nicht an gattungsgemäßen Chinazolinderivaten ermittelt wurden, und das Kongenäritätsprinzip, auf dem der Vergleich anhand der Sterimol- und/oder CharterParametersätze und -Deskriptoren beruht, nicht bei 3D-biologischen Wechselwirkungen gilt.
b.3.3) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für eine erfolgversprechende, zielgerichtete Suche nach geeigneten strukturell abgewandelten neuen Wirkstoffen die Kenntnis der Raumstruktur des biologischen Zielmoleküls, hier der EGFRTyrosinkinase, unabdingbar ist, speziell die Kenntnis der Bindungsstelle des TKInhibitors am EGF-Rezeptorprotein. Weder am Prioritätstag noch am Anmeldetag des Grundpatents lagen ausreichende Forschungsergebnisse zur Raumstruktur des EGFR und der Inhibitor-Bindungsstelle der EGFR-Tyrosinkinase vor, mit deren Hilfe der Fachmann auf Basis von an sich verfügbarer Rechenkapazität eine computergestützte Optimierung bereits bekannter Chinazolin-Derivate hätte durchführen können. Dass zum Zeitrang des Grundpatents die Struktur des EGFRezeptors und damit auch die Struktur der Inhibitor-Bindungsstelle(n) der EGFRTyrosinkinase nicht bekannt waren, hat auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt.
Der Fachmann war in Ermangelung dieser Strukturdaten des EGF-Rezeptors nicht in der Lage, die Azido- und Ethinylderivate des Grundpatents als geeignete strukturelle Weiterentwicklungen aufzufinden bzw. zu erkennen. Dies gilt insbesondere für das im angegriffenen Schutzzertifikat als Wirkstoff identifizierte Erlotinib-Hydrochlorid, für dessen besondere Eignung als Inhibitor der Tyrosinkinase nicht nur der Ethinylrest in 3-Stellung des Phenylamin-Substituenten sondern auch die individuelle Beschaffenheit der übrigen Reste am Chinazolingerüst im Zusammenwirken in der Struktur des Gesamtmoleküls entscheidend sind.
Darüber hinaus hat die weiterentwickelte Leitstruktur der allgemeinen Formel I gemäß Patentanspruch 1 des Grundpatents, in der R4 einen gegebenenfalls substituierten Ethinyl- oder einen Azidosubstituenten bedeutet, mangels strukturellem Vorbild in dem wirkungsgemäßen und konstitutionsähnlichen Stand der Technik
(vgl. NIK4, NIK5, NIK8, NIK18) nicht nahegelegen. Die nicht Tyrosinkinasehemmer betreffenden Druckschriften NIK6, NIK7, NIK9 bis NIK16 und NIK19 sowie die Ausführungen in NIK17 und NIK20 führen zu keiner anderen Bewertung.
c) Zumindest Erlotinib-Hydrochlorid als das im angegriffenen Schutzzertifikat identifizierte Erzeugnis weist gegenüber dem Tyrosinkinasehemmer betreffenden Stand der Technik auch die als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit zu wertenden überraschend vorteilhaften Eigenschaften als Arzneimittelwirkstoff zur Therapie bestimmter Krebserkrankungen auf. Dem steht nicht entgegen, dass der IC50-Wert des Erlotinib gegenüber dem in NIK18 für (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3bromphenyl)-amin veröffentlichten IC50-Wert, gemessen jeweils unter in-vitro Testbedingungen am isolierten EGF-Rezeptor, deutlich ungünstiger ist.
c.1) Nach dem Wegfall des technischen Fortschritts als Patentierungserfordernis ist die erfinderische Tätigkeit üblicherweise anhand eines überraschenden Effekts bzw. einer überraschenden Wirkung gegenüber konstitutionsähnlichen Verbindungen gleicher Wirkungsrichtung glaubhaft zu machen (vgl. z. B. BGH GRUR 2000, 296 - Schmierfettzusammensetzung; EPA T 181/82 „Spiroverbindungen/CIBAGEIGY“), wobei die Anforderungen dann nicht zu hoch anzusetzen sind, wenn – wie auf vorliegendem Indikationsgebiet zum Prioritätstag des Grundpatents – ein besonderer Bedarf an neuen Wirkstoffen zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen besteht (vgl. BGH 1970, 408 - Anthradipyrazol; zitiert in BGH GRUR 1972, 541 - Imidazoline). Ob und in welchem Umfang eine verbesserte Wirkung, die in den ursprünglichen Unterlagen zwar hinsichtlich der Anwendungsrichtung bzw. medizinischer Indikation ausreichend offenbart, jedoch noch nicht durch zahlenmäßig bestimmt gehaltene Versuchsergebnisse belegt sein muss, gegenüber dem konstitutionsähnlichen Stand der Technik als Nachweis bzw. Anzeichen einer erfinderischen Tätigkeit erforderlich ist, bleibt dem Einzelfall vorbehalten.
c.2) Im vorliegenden Fall, in dem lediglich für ein (einziges) Chinazolinderivat des Standes der Technik – (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amin mit dem Entwicklungscode PD 153035 der NIK18 – ein in-vitro IC50-Wert von etwa 0,03 nM beschrieben ist, der deutlich günstiger als der ursprünglich offenbarte Bereich des Grundpatents zwischen 0,1 nM und 30 µM ist, kann dem Erlotinib-Hydrochlorid des angegriffenen Schutzzertifikats, das einen in-vitro IC50-Wert zwischen etwa 1 nM und 4 nM (vgl. z. B. HE12, HE10 Table 2 Eintrag Tarceva, HE4) aufweist, die erfinderische Tätigkeit nicht abgesprochen werden. Denn ein lediglich in-vitro unter ganz speziellen Testbedingungen ermittelter IC50-Wert sagt noch nichts aus über die therapeutische Brauchbarkeit oder Überlegenheit und ermöglicht erst recht keine abschließende Feststellung eines therapeutischen Vorteils, der dem zugelassenen Wirkstoff Erlotinib-Hydrochlorid jedenfalls gegenüber dem nicht zugelassenen PD 153035 der NIK18 nicht abzusprechen ist.
Bei der Bewertung von Daten aus unterschiedlichen Druckschriften kommt erschwerend hinzu, dass die Versuchsbedingungen unterschiedlich sein können, was einen mehr oder minder großen Einfluss auf den jeweiligen Messwert haben kann. So wurden in der NIK4 und NIK8, in der NIK18 sowie im Grundpatent jeweils andere zu phosphorylierende Peptidsubstrate eingesetzt (vgl. hierzu vorstehend unter I.2 Abs. 3), was sich auf die ermittelten IC50-Werte unmittelbar auswirken dürfte und einen Vergleich lediglich unter diesem Vorbehalt zulässt.
c.3) Soweit sich die Klägerin im Klageschriftsatz (vgl. dort die NIK3) auf einen für Erlotinib ermittelten IC50-Hemmwert von lediglich etwa 77 nM im Vergleich zu einem demgegenüber um etwa den Faktor 10 günstigeren IC50-Hemmwert von etwa 7 nM für das Chinazolin-Derivat des Beispiels 51 der NIK4 bezieht, hat sie diesen Vortrag im Hinblick auf die gutachtlich zu wertenden IC50-Hemmwerte zwischen etwa 1 nM und etwa 4 nM für Erlotinib in der Fachliteratur (vgl. HE10 Table 2 Eintrag Tarceva, HE12, z. B. Abstract oder S. 4839, Fig. 1A), in dem Versuchsbericht der Beklagten HE4 sowie in den eigenen späteren Versuchsberichten NIK21 und NIK22 nicht weiter aufrechterhalten.
Gerade die seitens der Klägerin eingeführte nachveröffentlichte und gegebenenfalls zur gutachtlichen Bewertung heranzuziehende NIK23 verdeutlicht, dass die Bereitstellung des Erlotinib und seiner pharmazeutisch annehmbaren Salze auch gegenüber anderen nachfolgenden Chinazolinderivaten mit einer hohen Spezifität und damit Selektivität für EGFR-Tyrosinkinase verbunden ist (vgl. NIK23, insbes. S. 4457 li. Sp vorle. Abs. bis re. Sp. Abs. 1 i. V. m. S. 4451 Fig. 1).
Selbst wenn das (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amin aus NIK4 Beispiel 2 Nr. 2 gemäß NIK18 einen gegenüber Erlotinib erheblich günstigeren invitro IC50-Wert aufweist, bestand im Hinblick auf die geforderte Spezifität und Selektivität weiterhin ein Bedürfnis nach Inhibitoren der EGFR-Tyrosinkinase zur Behandlung von Krebserkrankungen. Kennzeichnend für dieses Bedürfnis ist auch, dass Erlotinib erfolgreich zur Marktreife entwickelt wurde, während die Entwicklung des (6,7-Dimethoxy-chinazolin-4-yl)-(3-bromphenyl)-amins als Wirkstoff gegen Krebs nicht fortgeführt wurde.
c.4) Soweit sich die Klägerin in ihrem Vorbringen des Naheliegens und einer fehlenden verbesserten Wirkung der Chinazolinderivate des Grundpatents auf die Entscheidung BGH-Repaglinid (GRUR 2015, 356) bezieht, liegen dieser Entscheidung lediglich ein Verwendungsanspruch mit einer dazu noch besonders eingeschränkten Dosis-Wirkung-Beziehung und im Übrigen auch eine andere Fallkonstellation zugrunde. Dort waren in der maßgeblichen Entgegenhaltung die Wirksamkeit sowohl des Racemats mit dem Enantiomeren Repaglinid als auch des Enantiomeren Repaglinid selbst vorbeschrieben, so dass der Fachmann keine andere Wahl hatte, als das vorbeschriebene Enantiomere Repaglinid weiteren präklinischen und klinischen Untersuchungen bis hin zur Entwicklung zur Marktreife zu unterziehen. Demgegenüber sind die Chinazolinderivate des vorliegenden Grundpatents, insbesondere auch das durch Patentanspruch 19 hervorgehobene Erlotinib-Hydrochlorid, durch den Stand der Technik weder vorbeschrieben noch nahegelegt. Unabhängig von der Frage einer verbesserten Wirkung, die zumindest für das Erzeugnis bzw. den Wirkstoff des vorliegend angegriffenen Schutzzertifikats in therapeutischer Hinsicht aufgrund der Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel zweifelsfrei gegeben ist, liegt die erfinderische Leistung im beanspruchten Umfang des vorliegenden Grundpatents allein schon in dem neuen Stoffkollektiv der Chinazolinderivate des Patentanspruchs 1. Dieses neue Stoffkollektiv bietet anhand der (nachbringbaren) in-vitro Hemmwerte zahlreicher konkret offenbarter Einzelverbindungen, einschließlich und insbesondere des hervorgehobenen Erlotinib-Hydrochlorids, Ausgangspunkte für die präklinische und klinische Entwicklung und bereichert damit den Stand der Technik allein schon durch die Bereitstellung grundsätzlich brauchbarer Wirkstoffkandidaten.
c.5) Anders als in dem Fall des Repaglinids stellt der vorliegende Streitgegenstand sowohl im Umfang des Patentanspruchs 1 des Grundpatents als auch und erst recht betreffend den Wirkstoff bzw. das Erzeugnis des angegriffenen Schutzzertifikats nicht eine stoffliche Auswahl aus einem im Stand der Technik bereits beschriebenen Stoffkollektiv dar. Während für die neue stoffliche Auswahl aus dem Stand der Technik – ungeachtet der Frage einer patentrechtlichen Abhängigkeit – strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines überraschend vorteilhaften Effekts und damit an die erfinderische Tätigkeit zu stellen sind, bedarf es bei einem, wie vorliegend, „prima facie“ nicht nahe liegendem Erfindungs- bzw. Patentgegenstand nicht einmal der Durchführung von Vergleichsversuchen und damit nicht der Darlegung von erzielten Verbesserungen (vgl. EPA T 390/88 „Photographic Film/ KONISHIROKU’“). Vielmehr genügt seit BGH GRUR 1970, 408 - Anthradiyprazol, dass mit dem Erfindungsgegenstand tatsächlich eine Verbesserung im Sinne eines therapeutischen Fortschritts erzielt bzw. ein bisher unerfülltes Bedürfnis der Öffentlichkeit, patentrechtlich betrachtet am Prioritäts- bzw. am Anmeldetag, erfüllt wird und die damit verbundene Verbesserung nicht am Prioritäts- bzw. Anmeldetag belegt sein muss, sondern Belege nachgebracht werden können (BGH GRUR 1972, 541 - Imidazoline; vgl. auch vorstehend unter Punkt II.1.c zur Offenbarung bzw. Ausführbarkeit einer Stofferfindung). Dies ist auch hier der Fall. Am Prioritäts- bzw. Anmeldetag des Grundpatents gab es keine Marktzulassung für einen Inhibitor der EGFR-Tyrosinkinase zur Krebsbehandlung, weder ein Chinazolinderivat noch einen Inhibitor anderer Grundstruktur. Die verbesserte Behandlung von Krebserkrankungen mit Erlotinib-Hydrochlorid und der dadurch erzielte therapeutische Fortschritt ist spätestens mit den Ergebnissen der für die Marktzulassung erforderlichen klinischen Prüfung evident und stellt zweifelsohne ein Beweisanzeichen für erfinderische Tätigkeit dar.
4. Da auch die übrigen Bedingungen und Voraussetzungen für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 erfüllt sind, hat das angegriffene Schutzzertifikat Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
Kätker Martens Dr. Egerer Dr. Wismeth Dr. Freudenreich Pr