• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

IX ZB 67/12

BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 67/12 BESCHLUSS vom 19. September 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja ZPO §§ 233 D, 522 Abs. 1 Reicht eine mittellose Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag ein und fügt diesem einen nicht unterzeichneten Entwurf einer Rechtsmittel- und einer Rechtsmittelbegründungsschrift ihres Prozessbevollmächtigten bei, kann ihre Mittellosigkeit gleichwohl kausal für die versäumte Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist geworden sein.

BGH, Beschluss vom 19. September 2013 - IX ZB 67/12 - OLG Jena LG Gera Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring am 19. September 2013 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 5. Juni 2012 aufgehoben.

Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 155.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beklagte hat beim Oberlandesgericht innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Gera gestellt, soweit dort zu seinem Nachteil entschieden worden ist. Dem Antrag hat er nicht unterschriebene Entwürfe der Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift angefügt. Nachdem das Oberlandesgericht die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, hat der Beklagte innerhalb der zweiwöchigen Frist Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, die Berufung eingelegt und zudem begründet. Das Berufungsgericht hat seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, §§ 238, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen zulässig (§§ 574 ff ZPO). Sie ist auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Berufung sei nicht rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils eingelegt und nicht innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist begründet worden. Sie sei deswegen als unzulässig zu verwerfen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Versäumung der Berufungsund der Berufungsbegründungsfrist nicht auf dem wirtschaftlichen Unvermögen des Beklagten beruhe und daher nicht ohne Verschulden eingetreten sei. Die Mittellosigkeit des Beklagten sei nicht kausal für die Fristversäumung geworden. Das zeige sich daran, dass seine Anwälte bereit gewesen seien, noch vor Ablauf der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist eine wenn auch als Entwurf bezeichnete Berufung und Berufungsbegründung einzureichen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist versäumt sind (§§ 517, 520 ZPO). Das erstinstanzliche Urteil ist dem Beklagten am 20. Juli 2011 zugestellt worden, seine Berufung ist jedoch erst am 27. Dezember 2011 und seine Berufungsbegründung am 28. Dezember 2011 beim Oberlandesgericht eingegangen.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Beklagten jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist versagt. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO) unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Prozesshandlungen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gestellt worden. Es ist auch begründet, weil der Beklagte glaubhaft gemacht hat (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO), schuldlos an der Wahrung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein.

Die Mittellosigkeit einer Partei stellt einen Entschuldigungsgrund im Sinne von § 233 ZPO dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist dann der Fall, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels zu beauftragen (BGH, Beschluss vom 29. März 2012 - IV ZB 16/11, VersR 2013, 518 Rn. 15 mwN). Wenn ein Rechtsanwalt jedoch trotz der Mittellosigkeit seines Mandanten bereit ist, für diesen innerhalb der laufenden Fristen das Rechtsmittel einzulegen und zu begründen, ist dessen Mittellosigkeit für eine Fristversäumung nicht ursächlich geworden.

aa) Einen solchen Fall hat der Bundesgerichtshof - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - angenommen, wenn der Prozessbevollmächtigte nach Berufungseinlegung und Stellung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor der Entscheidung über diesen Antrag die vollständige - wenn auch als vorläufige bezeichnete - Berufungsbegründung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gefertigt und bei Gericht eingereicht hat. Denn dann habe er tatsächlich seine vergütungspflichtige Leistung in vollem Umfang bereits erbracht (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - VI ZB 16/07, NJW 2008, 2855 Rn. 4 ff.).

bb) Hier haben jedoch, wie das Berufungsgericht verkannt hat, die Prozessbevollmächtigten des Beklagten innerhalb der laufenden Fristen weder eine Berufung noch eine Berufungsbegründung eingereicht. Vielmehr haben sie im Schriftsatz vom 17. August 2011 lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt und begründet. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu dem vom Bundesgerichtshof im Jahr 2008 entschiedenen Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2010 - VIII ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 21). Mit der Stellung und Begründung des Prozesskostenhilfeantrags erbringt der Prozessbevollmächtigte eines Berufungsklägers die im zweiten Rechtszug anfallenden, vergütungspflichtigen Leistungen noch nicht und bringt gerade nicht seine Bereitschaft zum Ausdruck, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe einlegen und begründen zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2010, aaO).

An dieser Wertung ändert sich - anders als das Berufungsgericht es meint - nicht deswegen etwas, weil der Beklagte den Prozesskostenhilfeantrag nicht schlicht begründet hat, indem er diesem den Entwurf der Berufung und der Berufungsbegründung beigefügt hat.

Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei für sie gleichzeitig Berufung einlegt, Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und diesem Antrag zur Begründung den Entwurf einer Berufungsbegründung beifügt, kann von einer Wahrnehmung der einen Rechtsanwalt in der Berufungsinstanz treffenden Aufgaben keine Rede sein, wenn er sich mit Blick auf das Prozesskostenhilfegesuch ausdrücklich darauf beschränkt, dem Gericht einen nicht unterzeichneten Schriftsatzentwurf zur Erläuterung des allein ordnungsgemäß gestellten Antrages auf Prozesskostenhilfe zur Verfügung zu stellen. Damit kann der Rechtsanwalt zeigen, dass er bis zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nicht mehr bereit ist, anderweitige Prozesshandlungen zur Förderung des Berufungsverfahrens vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 29. März 2012 - IV ZB 16/11, VersR 2013, 518 Rn. 15). Das gilt umso mehr, wenn das Rechtsmittel weder eingelegt noch begründet, sondern nur ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gestellt wird. Durch dieses Verhalten wird objektiv belegt, dass der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers seine Tätigkeit im Rechtsmittelzug allein auf die Geltendmachung von Prozesskostenhilfe beschränken will (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2012, aaO Rn. 23; vom 28. November 2012 - XII ZB 235/09, NJW 2013, 697 Rn. 18).

Die Mittellosigkeit des Berufungsklägers ist daher kausal für die versäumte Berufungs- und Berufungseinlegungsfrist geworden.

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist deshalb aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Soweit das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat, ist die Sache zur Endentscheidung reif, weil die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dem Beklagten ist auf seinen Antrag gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

Kayser Grupp Gehrlein Möhring Vorinstanzen:

LG Gera, Entscheidung vom 05.07.2011 - 3 O 395/10 OLG Jena, Entscheidung vom 05.06.2012 - 1 U 647/11 - Pape

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in IX ZB 67/12

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
2 233 ZPO
2 234 ZPO
2 236 ZPO
2 574 ZPO
2 577 ZPO
1 238 ZPO
1 517 ZPO
1 520 ZPO
1 522 ZPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
2 233 ZPO
2 234 ZPO
2 236 ZPO
1 238 ZPO
1 517 ZPO
1 520 ZPO
1 522 ZPO
2 574 ZPO
2 577 ZPO

Original von IX ZB 67/12

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von IX ZB 67/12

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum