19 W (pat) 3/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 3/19 Verkündet am 26. Juni 2019
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 199 40 852 …
ECLI:DE:BPatG:2019:260619B19Wpat3.19.0
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hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 1.22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. März 2015 aufgehoben und das Patent 199 40 852 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag vom 18. Mai 2011,
Beschreibung, Seiten 1 bis 8, vom 26. März 2009,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 9, vom 27. August 1999.
2. Die weitergehende Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 27. August 1999 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität JP 10-241880 vom 27. August 1998 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 19. Juni 2009 das Patent 199 40 852 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Gurtdurchführungsteil“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 19. November 2009 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 10. Februar 2010, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) am selben Tag, Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent im Umfang der Ansprüche 2, 3 und 4 jeweils mit Rückbezug auf den Anspruch 2 zu widerrufen. Die Einsprechende macht geltend, die Gegenstände dieser Ansprüche seien nicht neu bzw. beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 PatG). Sie verweist auf zahlreiche Schriften:
E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E8, E9 DE 31 44 527 A1 DE 78 14 486 U1 GB 2 023 406 A DE 33 18 849 A1 DE 33 06 095 A1 DE 42 00 385 A1 DE 32 41 352 A1 BEITZ, Wolfgang; GROTE, Karl-Heinrich (Hrsg.): Taschenbuch für den Maschinenbau/Dubbel. 19. Auflage, 1997, ISBN 3-540-62467-8. Seiten E58, E59 und E88.
Die Pateninhaberin widerspricht und verteidigt den angegriffenen Teil des Patents in beschränkten Fassungen.
Mit am Ende der Anhörung vom 11. März 2015 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 1.22 des DPMA das Patent mit Ansprüchen 1 bis 4 vom 7. Juli 2010 beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 4. August 2015, eingegangen im DPMA am 5. August 2015.
Am 24. April 2018 ist das Streitpatent auf die J… K.K., T… in J…, umgeschrieben worden.
Die Einsprechende, die der Übernahme der Verfahrensstellung der früheren Patentinhaberin T… Corporation, T… in J…, durch die J… K.K., T… in J…, zugestimmt hat, beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. März 2015 insoweit aufzuheben, als das Patent 199 40 852 im Umfang der Patentansprüche 2 sowie 3 und 4, soweit diese auf Patentanspruch 2 zurückbezogen sind, vom 7. Juli 2010 beschränkt aufrechterhalten wurde.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag vom 18. Mai 2011,
weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 bis 3 gemäß 2. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2019,
zu den Hilfsanträgen jeweils Beschreibung, Seiten 1 bis 8, vom 26. März 2009, Figuren, 1 bis 9, vom 27. August 1999.
Die von der Einsprechenden angegriffenen, nach Hauptantrag der Patentinhaberin geltenden nebengeordneten Ansprüche 2 und 4 vom 7. Juli 2010, mit denen die Patentabteilung das Patent beschränkt aufrechterhalten hat, lauten:
2. Gurtdurchführungsteil, welches eine Durchgangsöffnung (8b) für ein Gurtband hat, wobei das Gurtdurchführungsteil aus einer Metallplatte hergestellt ist, welche die Durchgangsöffnung (8b) aufweist, wobei ein Teil der Metallplatte unterhalb der Durchgangsöffnung (8b) mit einem gekrümmt verlaufenden Teil (8c) ausgebildet ist, welcher einen C-artigen Querschnitt besitzt, und wobei ein Material niedriger Reibung auf der Oberfläche des gekrümmt verlaufenden Teils (8c) angeordnet ist, auf welchem das Gurtband gleitet, dadurch gekennzeichnet , dass das Material niedriger Reibung aus einer oder mehreren der folgenden Schichten besteht: Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), Keramikbeschichtung(en), wie Molybdändisulfidbeschichtung(en), Wolframdisulfidbeschichtung(en), Bornitritbeschichtung(en) und/oder Fluoridgraphitbeschichtung(en).
4. Sitzgurteinrichtung mit einem Gurtdurchführungsteil nach einem der vorhergehenden Ansprüche.
In der Fassung nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 lauten die nebengeordneten Ansprüche 2 und 4:
2. Gurtdurchführungsteil, welches eine Durchgangsöffnung (8b) für ein Gurtband hat,
wobei das Gurtdurchführungsteil aus einer Metallplatte hergestellt ist, welche die Durchgangsöffnung (8b) aufweist, wobei ein Teil der Metallplatte unterhalb der Durchgangsöffnung (8b) mit einem gekrümmt verlaufenden Teil (8c) ausgebildet ist, welcher einen C-artigen Querschnitt besitzt, und wobei ein Material niedriger Reibung auf der Oberfläche des gekrümmt verlaufenden Teils (8c) angeordnet ist, auf welchem das Gurtband gleitet, dadurch gekennzeichnet , dass das Material niedriger Reibung aus einer oder mehreren der folgenden Schichten besteht: Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en).
4. Sitzgurteinrichtung mit einem Gurtdurchführungsteil nach einem der vorhergehenden Ansprüche.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der Ansprüche nach dem 2. Hilfsantrag vom 26. Juni 2019, wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat nur insoweit Erfolg, als sie zu einer weiteren Beschränkung des Patents führt.
Nachdem die von der Patentabteilung beschlossene Aufrechterhaltung von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie die Rückbezüge hierauf in den Ansprüchen 2 und 3 mit der Beschwerde nicht angegriffen sind, ist das Patent im Beschwerdeverfahren nur im Umfang des nebengeordneten Anspruchs 2 sowie der Ansprüche 3 und 4, soweit diese auf den Anspruch 2 rückbezogen sind, zu überprüfen.
Gleichwohl ist das Streitpatent in der von der Patentabteilung 1.22 beschränkt aufrechterhaltenen Fassung insgesamt nicht bestandsfähig, da der Gegenstand des Anspruchs 2 vom 7. Juli 2010 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG) und über das Patent infolge der Bindung an den von der Patentinhaberin insoweit gestellten Antrag auf beschränkte Aufrechterhaltung des Patents mit den Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß Hauptantrag vom 7. Juli 2010 nur einheitlich entschieden werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1988, X ZB 12/86, GRUR 1989, 103 – Verschlußvorrichtung für Gießpfannen).
Die Beschwerde der Einsprechenden war jedoch zurückzuweisen, soweit das Patent im Umfang der Fassung nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 beschränkt aufrechtzuerhalten war, denn in dieser zulässigen Fassung gilt der Gegenstand der Patentansprüche 2 bis 4 des Patents gegenüber dem im Verfahren genannten Stand der Technik als neu (§ 3 PatG) und auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 4 PatG).
2. Der Einspruch, mit dem das Patent im Umfang des nebengeordneten Anspruchs 2 sowie der Ansprüche 3 und 4, soweit diese auf den Anspruch 2 rückbezogen sind, angegriffen wurde, ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist der Einspruch fristgerecht eingegangen sowie ausreichend substantiiert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2003, X ZB 4/02, GRUR 2003, 695 – Automatisches Fahrzeuggetriebe).
3. Das Streitpatent betrifft ein Gurtdurchführungsteil, etwa eine Umlenkungsarmatur für eine Sitzgurteinrichtung (Absatz 0001 des Streitpatents).
In der Beschreibung des Streitpatents (Beschreibung vom 26. März 2009, Seite 1 Absatz 5 bis Seite 2 Absatz 2) ist sinngemäß ausgeführt, dass zum Schutz von Insassen in Fahrzeugen, wie Kraftfahrzeugen und Flugzeugen, Sitzgurteinrichtungen verwendet werden. Zum Beispiel werde bei einer Sitzgurteinrichtung für einen Vordersitz in einem Kraftfahrzeug das Gurtband mittels einer Aus- bzw. Umlenkungsarmatur angehakt, welche an der sogenannten B-Säule des Fahrzeugs angeordnet sei. Die Aus- bzw. Umlenkungsarmatur werde normalerweise durch Einsatzformung ausgebildet, so dass sie einen Metallkörper als einen Metalleinsatz und ein aus Kunstharz (normalerweise Polyamid) hergestelltes Formteil umfasse. Die Aus- bzw. Umlenkungsarmatur sei mit einer Gurtdurchgangsöffnung versehen.
Problematisch bei dieser Art von Aus- bzw. Umlenkungsarmatur sei es, dass die Oberflächen, auf denen das Gurtband gleitet, aus dem vorerwähnten Kunstharz hergestellt seien, wodurch sich ein großer Reibungswiderstand gegen das Gleiten des Gurtbands ergebe. Aufgabe der Erfindung sei es daher, ein Gurtdurchführungsteil zur Verfügung zu stellen, welches ein glattes, sanftes und stoßfreies Gleiten des Gurtbands ermögliche.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der nebengeordnete Anspruch 2 vom 7. Juli 2010, mit dem das Patent von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhalten wurde und mit dem die Patentinhaberin das Patent nach Hauptantrag verteidigt, ein Gurtführungsteil mit folgenden Merkmalen vor:
2. Gurtdurchführungsteil, a welches eine Durchgangsöffnung (8b) für ein Gurtband hat, b wobei das Gurtdurchführungsteil aus einer Metallplatte hergestellt ist, welche die Durchgangsöffnung (8b) aufweist, b1 wobei ein Teil der Metallplatte unterhalb der Durchgangsöffnung (8b) mit einem gekrümmt verlaufenden Teil (8c) ausgebildet ist, welcher einen C-artigen Querschnitt besitzt, und b2 wobei ein Material niedriger Reibung auf der Oberfläche des gekrümmt verlaufenden Teils (8c) angeordnet ist, auf welchem das Gurtband gleitet, dadurch gekennzeichnet, dass b3 das Material niedriger Reibung aus einer oder mehreren der folgenden Schichten besteht:
b31 Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), b32 Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), b33 Keramikbeschichtung(en), wie Molybdändisulfidbeschichtung(en), Wolframdisulfidbeschichtung(en), Bornitritbeschichtung(en) und/oder Fluoridgraphitbeschichtung(en).
Die vorgeschlagene Lösung verbessere die Effizienz des Gleitens des Gurtes signifikant, so dass dadurch Störungen des Wickelns des Gurtbands in eine Gurteinziehvorrichtung vermindert und ein gutes Ausziehen des Gurtbands sowie ein gutes Wickelverhalten der Gurteinzieh- bzw. -ausziehvorrichtung erreicht würden (Beschreibung vom 26. März 2009, Seite 7 Absatz 3).
4. Der Senat legt seiner Entscheidung als Fachmann einen Ingenieur des Maschinenbaus oder der Werkstofftechnik (FH) bzw. einen Absolventen eines vergleichbaren Bachelor-Studienganges mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Sicherheitsgurtsystemen insbesondere von Beschlagteilen für Sicherheitsgurtsysteme, zu Grunde.
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden hat dieser Fachmann zur Lösung der angegebenen Aufgabe regelmäßig keine Veranlassung, Rat bei einem Beschichtungsexperten zu suchen, denn die Aufgabe der Erfindung liegt nicht darin, ein neues Beschichtungsverfahren zu entwickeln oder ein bestehendes Verfahren fertigungstechnisch zu verbessern, sondern vielmehr darin, anstelle etwa des bekannten Kunstharzes ein Material für das Gurtdurchführungsteil mit für den Einsatzzweck besser geeigneten Eigenschaften zu finden, etwa ein Beschichtungsmaterial, das ein glattes, sanftes und stoßfreies Gleiten des Gurtbands ermöglicht.
5. Einige Angaben in den Ansprüchen bedürfen der näheren Betrachtung.
a) Das Gurtdurchführungsteil (Anspruch 2, Merkmal 2) kann beispielsweise angeordnet sein an einer Aus- oder Umlenkungsarmatur einer Sitzgurteinrichtung zur Befestigung an einem Pfeiler, einem sogenannten B-Pfeiler (auch B-Säule genannt) eines Fahrzeugs (Beschreibung vom 26. März 2009, Seite 4, Absatz 2) oder an einer Schlosszunge zur Einführung in ein Gurtschloss der Sitzgurteinrichtung (Beschreibung vom 26. März 2009, Seite 7, Absätze 2 und 4).
b) Als Beispiele für Keramikbeschichtung(en) nennt das Streitpatent Molybdändisulfidbeschichtung(en), Wolframdisulfidbeschichtung(en), Bornitritbeschichtung(en) und/oder Fluoridgraphitbeschichtung(en) (Anspruch 2, Merkmal b33). Es kann daher dahinstehen, dass keramische Werkstoffe für den Fachmann üblicherweise anorganisch, nicht-metallisch und polykristallin sind.
c) Eine Beschichtung aus Festkörperschmiermittel (Anspruch 3) versteht der Fachmann als Beschichtung mit einem Werkstoff aus den folgenden Stoffgruppen (vgl. BEITZ, Wolfgang; GROTE, Karl-Heinrich (Hrsg.): Taschenbuch für den Maschinenbau/Dubbel (= E8, E9), Seite E88, rechte Spalte):
- Verbindungen mit Schichtgitterstruktur. Dazu gehören: Graphit, Molybdändisulfid, Dichalcogenide, Metallhalogenide, Graphitfluorid, hexagonales Bornitrid.
- oxidische und fluoridische Verbindungen der Übergangs- und Erdalkalimetalle. Dazu gehören: Bleioxid, Molybdänoxid, Wolframoxid, Zinkoxid, Cadmiumoxid, Kupferoxid, Titandioxid u. a., Calciumfluorid, Bariumfluorid, Strontiumfluorid, Lilthiumfluorid, Natriumfluorid.
- weiche Metalle, wie Blei, Indium, Silber u. a. - Polymere, insbesondere Polytetrafluorethylen (PTFE).
6. Der Gegenstand des Anspruchs 2 vom 7. Juli 2010 (Hauptantrag), mit dem das Patent beschränkt aufrechterhalten wurde, gilt ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik nach der Schrift DE 31 44 527 A1 (= E1) zwar als neu (§ 3 PatG), aber nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 4 PatG). Der Schrift E1, dort insbesondere den Figuren 1 und 2,
Figuren 1 und 2 aus der Schrift D1 entnimmt der Fachmann – ausgedrückt in Worten des Anspruchs 2 – ein Gurtdurchführungsteil, a welches eine Durchgangsöffnung 4 für ein Gurtband 1 hat,
(Anspruch 1: Vorrichtung zur Führung oder Umlenkung eines Bandes, insbesondere für einen Sicherheitsgurt in einem Kraftfahrzeug, bestehend aus einem Blechträger (2) mit … einer … länglichen Ausnehmung (4) zur Aufnahme des Bandes (1)) b wobei das Gurtdurchführungsteil aus einer Metallplatte (Blechträger 2) hergestellt ist, welche die Durchgangsöffnung 4 aufweist, (siehe vorstehend genannte Fundstelle)
b1 wobei ein Teil der Metallplatte 2 unterhalb der Durchgangsöffnung 4 mit einem gekrümmt verlaufenden Teil (Umlenkfläche 9) ausgebildet ist, (Anspruch 1: wobei die Ausnehmung (4) durch Ausstanzen und/oder Umbördeln mindestens einer mit gekrümmter Oberfläche (10) versehenen Umlenkfläche (9) gebildet ist) welcher einen C-artigen Querschnitt besitzt, und (Figur 2 zeigt eine Umlenkfläche 9 mit C-artigen Querschnitt.)
b2 wobei ein Material niedriger Reibung auf der Oberfläche 10 des gekrümmt verlaufenden Teils 9 angeordnet ist, auf welchem das Gurtband 1 gleitet, (Anspruch 1: … auf der gekrümmten Oberfläche (10, 13) ein Körper (11, 20) aus Gleitmaterial befestigt ist.; Seite 4, Zeilen 21 bis 24: Aufgabe der Erfindung ist daher die Verbesserung einer Führungs- oder Umlenkvorrichtung …, die … geringe Reibbeiwerte bietet) wobei,
b3 das Material niedriger Reibung aus einer Schicht besteht. (Seite 5, Zeilen 5 und 6: … Körper aus Gleitmaterial, der auch schichtförmig ausgebildet sein kann; Seite 9, Zeilen 9 bis 11: Darüber ist die Schicht 11 aus Gleitmaterial aufgespritzt)
Die Schrift E1 offenbart nicht die in den Merkmalen b31 bis b33 genannten Werkstoffschichten. Der Gegenstand des Anspruchs 2 gilt daher gegenüber dem Stand der Technik nach der Schrift E1 als neu.
Der Gegenstand des Anspruchs 2 gilt auch gegenüber dem Stand der Technik nach den übrigen im Verfahren genannten Schriften als neu. Gegenteiliges hat die Einsprechende auch nicht geltend gemacht.
Er beruht aus den folgenden Gründen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von Umlenkbeschlägen, die zur Vermeidung von Korrosion, zur Verringerung der Reibung und zum besseren Aussehen verchromt oder mit Kunststoff umspritzt sind (Seite 4, Zeilen 1 bis 10), liegt der Schrift E1 die Aufgabe zu Grunde, die μ-Werte (= Reibungskoeffizienten) der Führungsvorrichtungen bzw. Durchlaufbeschläge möglichst noch kleiner einzustellen, als dies bislang in der Technik gelingt, also noch geringere Reibbeiwerte zu erreichen (Seite 4, Zeilen 13 bis 24).
Als Lösung schlägt die Schrift E1 vor, dass auf der gekrümmten Oberfläche, über welche der Gurt geführt bzw. umgelenkt wird, ein Körper aus Gleitmaterial befestigt ist, zweckmäßigerweise aus Polytetrafluoräthylen (PTFE) oder Polyäthylen, wobei die Art des Stoffes für das Gleitmaterial sich nach dem Material des Gurtbandes richten wird, ob dieses z. B. ein Polyesterband oder ein Polyamidband ist (Seite 4, Zeilen 27 bis 37).
Der Fachmann, der ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift E1 für eine konkret vorliegende Sitzgurteinrichtung mit einem bestimmten Material des Gurtbandes die Art des Stoffes für das Gleitmaterial festlegen soll, hat Veranlassung, fachübliche Gleitmaterialien in Betracht zu ziehen, insbesondere die in dem Fachbuch E8, E9 (Seite E88, rechte Spalte, Abschnitt 5.6.3) genannten Festschmierstoffe, wie Molybdändisulfidbeschichtung(en), Bornitritbeschichtung(en) oder Fluoridgraphitbeschichtung(en) (Merkmal b33).
Festschmierstoffe werden gemäß dem Fachbuch E8, E9 zwar zur Schmierung unter extremen Bedingungen wie z. B. bei sehr hohen oder sehr tiefen Temperaturen, in aggressiven Medien, im Vakuum u. a. benötigt und Graphit mag im Vakuum als Festschmierstoff nicht geeignet sein, hingegen Molybdändisulfid im Vakuum besonders niedrige Reibungszahlen aufweisen, während es in feuchter Luft höhere Reibungszahlen hat und vor allem bei höheren Temperaturen zersetzt wird (Seite E88, rechte Spalte, Abschnitt 5.6.3).
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin halten diese im Fachbuch E8, E9 beispielhaft genannten Druck- und Temperaturbedingungen den Fachmann jedoch nicht davon ab, die dort angegebenen Festschmierstoffe auch für ein Gurtdurchführungsteil unter den in einem Fahrzeug herrschenden Bedingungen in Betracht zu ziehen. Denn der Fachmann schließt einen Festschmierstoff für ein Gurtdurchführungsteil nicht schon deswegen aus, weil dieser Festschmierstoff im Vakuum niedrigere Reibungszahlen als unter Normalatmosphäre hat oder weil sich dieser bei einer höheren Temperatur zersetzt, die im normalen Betrieb des Gurtdurchführungsteils nicht erreicht wird.
Vielmehr entnimmt der Fachmann dem Bild 9 auf Seite E88 des Fachbuchs E8, E9, dass Molybdändisulfid unter Normalatmosphäre (Gasdruck 103 mbar) eine mit Graphit vergleichbare niedrige Reibungszahl von etwa 0,2 aufweist. Der Fachmann kann einschlägigen Fachbüchern auch entnehmen, dass Molybdändisulfid erst oberhalb von 315 C zersetzt wird. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin zieht der Fachmann daher ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift E1, die im Fachbuch E8, E9, Abschnitt 5.6.3 genannten Festschmierstoffe, wie Molybdändisulfid, in Betracht. Damit aber gelangt er in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 2 in der Fassung vom 7. Juli 2010.
7. In der Fassung nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 kann das Streitpatent hingegen erfolgreich verteidigt werden, denn die Gegenstände der zulässigen Ansprüche 2 bis 4 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 gelten gegenüber dem Stand der Technik als neu und als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§§ 3 und 4 PatG).
7.1 Der Anspruch 2 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 unterscheidet sich vom Anspruch 2 vom 7. Juli 2010, mit dem das Patent beschränkt aufrechterhaltenen wurde, dadurch, dass das die Alternativen aus Merkmal b33 gestrichen sind und das Material niedriger Reibung somit aus einer oder mehreren der folgenden Schichten bestehen soll:
b31 Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), b32 Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en).
Die Ansprüche 3 und 4 vom 18. Mai 2011 sind mit den Ansprüchen 3 und 4 vom 7. Juli 2010 identisch.
7.2 Die Ansprüche 2 bis 4 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 sind zulässig.
Die Ansprüche 2 bis 4 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Die einzelnen Merkmale dieser Ansprüche gehen in zulässiger Weise auf folgende Stellen der Anmeldeunterlagen zurück:
Anspruch 2, Merkmale a, b, b1: ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, vorletzter Absatz Es ist zulässig, dass die ursprungsoffenbarten Anweisungen, wonach das Gurtdurchführungsteil ein Schraubendurchgangsloch 8a hat und das gekrümmt verlaufende Teil (8c) durch Pressbearbeitung hergestellt wird, nicht in den Anspruch 2 aufgenommen wurde. Denn dem Fachmann ist klar, dass ein Gurtdurchführungsteil durch verschiedene Mittel an der B-Säule des Fahrzeugs befestigt werden kann und Krümmungen nicht nur durch Pressbe- arbeitung sondern auch durch andere Verfahren erzeugt werden können.
Anspruch 2, Merkmal b2: ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz i. V. m. Seite 2, erster Absatz Dem Fachmann ist ohne Weiteres klar, dass die auf der Oberfläche des gekrümmten oder bogenförmig verlaufenden Teils ausgebildete ein- oder mehrschichtige Plattierung und/oder Galvanisierung und/oder eine ein- oder mehrschichtige Auftragsschicht, die eine ausgezeichnete Festkörperschmierfähigkeit hat (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz) eine Beschichtung mit einem Material niedriger Reibung auf der Oberfläche des gekrümmten oder bogenförmig verlaufenden Teils darstellen soll, auf welchem das Gurtband gleitet (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, erster Absatz).
Anspruch 2, Merkmale b3, b31, b32: ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz i. V. m. Seite 4, letzter Absatz Auf Seite 6, letzter Absatz wird auf eine ein- oder mehrschichtige Auftragsschicht, insbesondere von einer oder mehreren der weiter oben angegebenen Arten verwiesen, also beispielweise auf die in Seite 4, letzter Absatz genannten Schichten.
Anspruch 3: ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, vierter Absatz und Seite 4, letzter Absatz Eine Beschichtung mit einer ausgezeichneten Festkörperschmierfähigkeit versteht der Fachmann als Festkörperschmiermittel.
Anspruch 4: ursprüngliche Beschreibung, Seite 7, erster Absatz.
In der Fassung nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 ist der Schutzbereich des Patents nicht erweitert (§ 22 Absatz 1 2. Alternative PatG), da die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 4 in zulässiger Weise auf die erteilte Fassung zurückgehen.
7.3 Der Gegenstand des Anspruchs 2 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 gilt als neu (§ 3 PatG) und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Keine der der im Verfahren genannten Schriften enthält Anregungen oder Hinweise, das Halbmetall Bor in Form einer Plattierung oder Galvanisierung zur Verbesserung der Gleiteigenschaften einer Metalloberfläche zu verwenden. Es ist daher keine Veranlassung des Fachmanns erkennbar, die zweite im Kennzeichen des Anspruchs 2 vom 18. Mai 2011 beanspruchte Alternative in Betracht zu ziehen, wonach b3 das Material niedriger Reibung aus einer oder mehreren der folgenden Schichten besteht:
b32 Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en).
Ausgehend von dem Stand der Technik nach der Schrift E1 hat der Fachmann auch keine Veranlassung, die erste im Kennzeichen des Anspruchs 2 vom 18. Mai 2011 beanspruchte Alternative in Betracht zu ziehen, wonach b3 das Material niedriger Reibung aus einer oder mehreren der folgenden Schichten besteht:
b31 Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en),
Es trifft zwar zu, dass in dem Fachbuch E8, E9 Überzüge auf Metallen zur Verbesserung der Gleiteigenschaften vorgeschlagen werden, etwa metallische Überzüge,
die durch Plattieren oder Galvanisierung aufgebracht werden (Seite E58, linke Spalte, Abschnitt 3.2.9), wobei auf galvanischem Wege Teile verzinnt, verkupfert, verzinkt, verkadmet, vernickelt oder verchromt werden (Seite E58, rechte Spalte, erster Absatz).
Damit wird im Fachbuch E8, E8 eine Galvanisierung mit dem Metall Nickel jedoch in eine Reihe mit der mit Chrom gestellt, also in eine Reihe mit einer bekannten Beschichtung von Führungsvorrichtungen bzw. Durchlaufbeschlägen, deren μWerte (= Reibungskoeffizienten) nach der Lehre aus der Schrift E1 möglichst noch kleiner eingestellt sollen, als dies bislang in der Technik gelingt (Seite 4, Zeilen 1 bis 15). Ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift E1 konnte der Fachmann daher nicht erwarten, dass mit Nickelplattierung(en) und/oder Nickelgalvanisierung(en) die dort formulierte Aufgabe gelöst werden kann.
Auch die übrigen Verfahren genannten Schriften enthalten hierzu keine Anregungen oder Hinweise.
7.4 Die Ansprüche 3 und 4 sowie die übrigen Unterlagen in der Fassung nach dem Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 erfüllen ebenso die an sie zu stellenden Anforderungen.
Der Anspruch 3 nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011, der auf die Ansprüche 1 und 2 rückbezogen ist, betrifft eine besondere Ausführungsart der Erfindung nach Anspruch 1, denn der Anspruch 3 gibt für das im Anspruch 1 geforderte Material niedriger Reibung auf der Oberfläche des gekrümmten Teils (6a) des Metallteils (6) eine Beschichtung aus Festkörperschmiermittel und/oder aus Metallplattierung und/oder -galvanisierung vor. Es kann daher dahinstehen, dass der Anspruch 3 keine besondere Ausführungsart der Erfindung nach dem nebengeordneten Anspruch 2 darstellt, denn die im Anspruch 3 geforderte Beschichtung aus Festkörperschmiermittel und/oder aus Metallplattierung und/oder –galvanisie- rung ist im Bezugsanspruch 2 bereits auf Nickelplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en), Borplattierung(en) und/oder -galvanisierung(en) beschränkt.
8. Das Patent war daher im Umfang der Fassung nach Hilfsantrag vom 18. Mai 2011 beschränkt aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt Ko