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5 StR 205/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 205/25 BESCHLUSS vom 9. Oktober 2025 in der Strafsache gegen

1.

2.

wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:091025B5STR205.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. November 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3 Die Angeklagten kamen auf Initiative des Angeklagten G.

, der den Tatplan entwickelt hatte, mit dem gesondert Verfolgten K. überein, den Nebenkläger in seiner Wohnung zu überfallen. Dort wollten sie ihn unter Anwendung von Drohungen und nötigenfalls mit Gewalt zur Herausgabe seines Laptops mit Passwort zwingen, um damit auf dessen Bitcoin-Vermögen zuzugreifen. Der Angriff sollte möglichst schnell und lautlos erfolgen, um das Entdeckungsrisiko gering zu halten und ein Eingreifen von Nachbarn zu verhindern. Nachdem die drei zunächst unbemerkt in den Wohnkomplex eingedrungen waren, verbarg sich der Angeklagte G.

an einer unbekannten Stelle im Gebäude, weil er mit dem Nebenkläger persönlich bekannt war und von diesem nicht erkannt werden wollte. Der verabredungsgemäß mit einer Machete ausgestattete Angeklagte B. überraschte zusammen mit dem gesondert verfolgten K. den Nebenkläger beim Betreten seiner Wohnung. Während der gesondert verfolgte K. die ebenfalls anwesende Freundin des Nebenklägers an der Wand fixierte und durch Drohungen „ruhig“ hielt, schlug der Angeklagte B.

auf den Nebenkläger ein, der sich – für den Angeklagten B.

unerwartet – heftig wehrte und laut um Hilfe schrie. Daraufhin zog der Angeklagte B.

seine Machete und hielt sie dem Nebenkläger unter Forderung des Laptops mit Passwort vor den Hals. Als er Stichbewegungen in Richtung des Nebenklägers andeutete, versuchte dieser in Todesangst, dem Angeklagten B.

die Machete zu entwinden, wobei er von den Angeklagten billigend in Kauf genommene tiefe Schnittverletzungen an den Händen erlitt, die sofort stark bluteten. Er rief: „Du hast mir den Finger abgeschnitten, du Wichser!“

4 In dieser Situation wurde dem Angeklagten B.

plötzlich bewusst,

dass die Tat sich völlig anders als vom Angeklagten G.

prognostiziert entwickelt hatte: Statt aus Angst vor Verletzungen die Forderungen der Angreifer sofort zu erfüllen, hatte der Nebenkläger laut um Hilfe geschrien und erheblichen Widerstand geleistet. Der unerwartete Kampf hatte Zeit gekostet und Lärm verursacht, weshalb das Einschreiten Dritter in Kürze zu erwarten war. Zudem war der Nebenkläger trotz stark blutender Verletzungen weder ausgeschaltet noch kooperationsbereit und würde Laptop und Passwort allenfalls herausgeben,

wenn er – der Angeklagte B.

– noch stärker auf ihn einwirken würde. Bei einer Suche nach dem im Obergeschoss der Wohnung vermuteten Laptop, wäre der gesondert verfolgte und unbewaffnete K. nicht in der Lage, die beiden Geschädigten allein in Schach zu halten. Daher wollte der Angeklagte B.

nur noch weg und floh. Daraufhin verließ auch der gesondert verfolgte K.

fluchtartig die Wohnung. Beide gelangten über die Tiefgarageneinfahrt nach draußen. Auf unbekannte Weise verließ auch der Angeklagte G.

den Gebäudekomplex. Anschließend trafen sich die drei in der Nähe des Gebäudes, wo der Angeklagte G.

von den anderen die Machete, Mundschutz, Basecaps und Handschuhe übernahm, bevor sie sich trennten.

Das Landgericht hat für beide Angeklagte den strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung verneint. Bei dem Angeklagten B.

hat die Strafkammer den Abbruch der Tatausführung als unfreiwillig eingeordnet. Für den Angeklagten G.

kam nach den Ausführungen des Landgerichts ein strafbefreiender Rücktritt schon deshalb nicht in Betracht, weil er nicht dazu beigetragen habe, die Tat nicht zu vollenden, sondern bis zur Aufgabe der Tat durch den Angeklagten B.

im Rahmen des für ihn vorgesehenen Tatbeitrages gehandelt habe.

2. Die Verurteilung der beiden Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt der Angeklagten von dem versuchten Erpressungsdelikt nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.

7 a) Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte B.

habe die Tatausführung unfreiwillig abgebrochen, wird von den Feststellungen nicht getragen, da diese widersprüchlich sind.

aa) Maßgeblich für die Frage der Freiwilligkeit ist in allen Fällen die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sogenannter Rücktrittshorizont; st. Rspr; vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2025 – 5 StR 744/24 Rn. 9 mwN). Bei einer Mehrzahl von Motiven kommt es darauf an, welches das bestimmende ist (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06 Rn. 11, NStZ 2007, 399, 400). Den Urteilsfeststellungen muss sich das entsprechende Vorstellungsbild, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, entnehmen lassen.

bb) Gemessen daran, hält das Urteil der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat einerseits angenommen, der Angeklagte B.

habe die Tathandlung deshalb unfreiwillig abgebrochen, weil er sich hierzu unter dem äußeren Zwang der ihm ungünstigen Entwicklung durch von ihm nicht zu beeinflussende Umstände gezwungen sah. Insoweit hat die Strafkammer das Vorliegen eines Motivbündels aus Überraschung und Entsetzen über den Geschehensablauf festgestellt, bei dem maßgeblich gewesen sei, dass der Angeklagte B.

in Kenntnis der grundsätzlich fortbestehenden Möglichkeit der weiteren Tatausführung erkannt habe, dass die Herbeiführung des Erfolges durch die in dieser Weise unerwartete Gegenwehr des Nebenklägers wesentlich erschwert worden und durch Zeitverlust und Lärm das Aufdeckungsrisiko erheblich gestiegen sei. Dabei habe sich der Angeklagte B.

jedoch nicht in einem durch eine psychologische Ausnahmesituation mit physiologischen Folgen bedingten Schockzustand befunden, weil er zu jedem Zeitpunkt Herr seiner Entscheidungen geblieben sei. Andererseits habe ein freiwilliger Rücktritt sich nicht aus seiner Erschütterung über die vom Nebenkläger erlittenen Verletzungen ergeben, weil diese nicht das bestimmende Motiv für das Absehen von der weiteren Tatausführung gewesen sei.

Diese Feststellungen stehen aber in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Ausführungen der Strafkammer in der Strafzumessung, wonach der Angeklagte B.

wegen des aufgrund der Verletzungen im Rahmen seiner Gegenwehr beim Nebenkläger ausgetretenen Blutes in einen „schockartigen Zustand“ versetzt worden sei und „allein deshalb“ von der weiteren Tatausführung abgesehen habe.

Deshalb bleibt offen, welches Motiv für den Abbruch der Tathandlung durch den Angeklagten B.

die Strafkammer als das bestimmende zu Grunde legen wollte. Wäre das maßgebliche Motiv des Angeklagten – so wie zunächst vom Landgericht angenommen –, dass er sich zur Aufgabe der weiteren Ausführung unter dem äußeren Zwang der ihm ungünstigen Entwicklung gezwungen sah, hätte es die Freiwilligkeit zutreffend verneint. Denn bei Erschwernissen, die das Tatrisiko unvertretbar erhöhen, liegt eine unfreiwillige Aufgabe der Tatvollendung nahe (BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92, NStZ 1992, 536 und vom 23. August 2023 – StB 51/23 Rn. 18 mwN). Soweit es im Gegensatz dazu aber im Rahmen der Strafzumessung betont hat, dass der Angeklagte durch das Blut des Nebenklägers in einen „schockartigen Zustand“ geraten sei und „allein deshalb“ von der weiteren Tatausführung abgesehen habe, könnte dies für eine freiwillige Aufgabe der Tat sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1967 – 5 StR 38/67, BGHSt 21, 216, 217; Beschluss vom 14. Februar 2023 – 4 StR 442/22, NStZ 2023, 599, 600 Rn. 9). Sollte die Strafkammer mit der Formulierung „schockartiger Zustand“ gemeint haben, dass der Angeklagte tatsächlich infolge eines Schocks nicht mehr Herr seiner Entscheidungen gewesen wäre, würde dies zwar eine Freiwilligkeit ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1967 aaO), dies hat das Landgericht aber gerade ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage ist eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht möglich.

b) Ferner hat das Landgericht seiner Rücktrittsprüfung für die zusammen mit dem gesondert verfolgten K. gemeinschaftlich im Sinne des § 24 Abs. 2 StGB handelnden Angeklagten B.

und G.

einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt.

aa) Die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB, der als persönlicher Strafaufhebungsgrund für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2022 – 4 StR 223/21 Rn. 21 mwN), verlangt die bewusste Verhinderung der Tatvollendung. Dabei muss das die Tatvollendung verhindernde Verhalten nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun liegen (BGH, Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 22; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 18). Bei der Tatbeteiligung mehrerer kann es vielmehr genügen, wenn alle Beteiligten im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies könnten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2024 – 5 StR 23/24; vom 18. Oktober 2023 – 6 StR 464/23; vom 24. Januar 2023 – 6 StR 488/22; vom 29. August 2017 – 4 StR 116/17 jeweils mwN). Maßgeblich ist auch in diesen Fällen das Vorstellungsbild des Täters im Zeitpunkt unmittelbar nach Abschluss der letzten tatbestandlichen Ausführungshandlung, der sogenannte Rücktrittshorizont (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 24).

bb) Das Landgericht hat nicht bedacht, dass von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB auch Fälle erfasst sind, in denen die Tatbeteiligten einvernehmlich zurücktreten. Denn es hat ausgeführt, dass es bei der hier vorliegenden Beteiligung mehrerer für die Bejahung eines strafbefreienden Rücktritts nicht genüge, dass der Betreffende seine weitere Tatbeteiligung aufgibt. Vielmehr setze die Norm voraus, dass die Vollendung der Tat tatsächlich verhindert wird. Infolgedessen hat die Strafkammer keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Angeklagten B. und G.

nach ihrem jeweiligen Rücktrittshorizont davon ausgingen, mit den jeweils anderen Tatbeteiligten Einvernehmen über eine gemeinsame Aufgabe der weiteren Tatausführung erzielt zu haben.

Ob ein einvernehmliches Zurücktreten im ausgeführten Sinne vorliegt oder ausgeschlossen ist, könnte auch davon abhängen, wo sich der Angeklagte G. während der Einwirkungen der anderen auf den Nebenkläger und dessen Freundin innerhalb des Gebäudekomplexes befunden hat und ob es zwischen den Tatbeteiligten eine – und falls ja welche – rücktrittsrelevante Kommunikation gegeben hat. Entsprechende Feststellungen fehlen; sie waren aber hier deshalb geboten, weil es nach den Einlassungen der Tatbeteiligten nicht ausgeschlossen ist, dass zwischen ihnen eine – wie auch immer geartete – Kommunikation stattgefunden hat. Der Angeklagte B.

hat angegeben, dass der Angeklagte G.

im Treppenhaus ein Stockwerk höher warten und klopfen sollte, falls es während der Tat zu laut würde. Der Angeklagte G.

hat sich dahingehend eingelassen, dass er in ein anderes Treppenhaus geflüchtet und um das Gebäude herumgelaufen sei, nachdem er von ein oder zwei Etagen oberhalb der Wohnungstür des Nebenklägers Rufe und einen lauten Knall gehört habe. Auf dem Weg sei er dem gesondert verfolgten K. begegnet und dann geflohen.

3. Der Rechtsfehler erfasst sowohl die subjektiven Feststellungen als auch diejenigen zum äußeren Tatgeschehen und zieht deshalb die Aufhebung der Entscheidung insgesamt nach sich (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben, weil das versuchte Erpressungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde.

4. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls Gelegenheit haben, bei der neuen Verhandlung und Entscheidung die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts geäußerten Bedenken zum Strafausspruch in den Blick zu nehmen.

Cirener RiBGH Gericke ist erkrankt und kann nicht unterschreiben.

Cirener Köhler Resch Werner Vorinstanz: Landgericht Leipzig, 05.11.2024 - 6 KLs 851 Js 9782/24

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