V ZR 112/20
BUNDESGERICHTSHOF V ZR 112/20 BESCHLUSS vom 23. Juni 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:230621BVZR112.20.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juni 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin vom 3. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die nach § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO sind nicht erfüllt.
1. Zwar hat die Beschwerdeführerin, wie sie zutreffend geltend macht, mit ihrem Schreiben vom 19. Oktober 2020 insgesamt sieben Absageerklärungen von bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten und auch einen Beleg über die Zahlung des Kostenvorschusses an ihren vormaligen Prozessbevollmächtigen übersandt. Dies verhilft ihrer Rüge jedoch nicht zum Erfolg.
a) Im Falle der Mandatsniederlegung durch einen zunächst zu der Vertretung bereiten Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof setzt die Beiordnung eines Notanwalts unter anderem auch die Glaubhaftmachung voraus, dass die Niederlegung des Mandats nicht auf einem Verschulden der Partei beruht (vgl. Senat,
Beschluss vom 8. Juli 2020 - V ZR 178/19, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - VIII ZR 300/18, FamRZ 2020, 1390 Rn. 5 mwN).
Die Beiordnung eines Notanwalts kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Mandatsniederlegung allein auf Differenzen über den Inhalt der zu verfassenden Begründung des Rechtsmittels (hier: der Nichtzulassungsbeschwerde) oder über die Frage einer mangels Erfolgsaussichten angezeigten Rücknahme des Rechtsmittels zurückzuführen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Juli 2020 - V ZR 178/19, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 12. September 2019 - I ZR 28/19, FamRZ 2020, 118 Rn. 6; Beschluss vom 6. Februar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 10 mwN; Beschluss vom 1. Juni 2016 - VII ZR 263/15, juris Rn. 5 mwN). Zu den Gründen der Mandatsniederlegung fehlt es jedoch bis heute an jeglichem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 Satz 1 ZPO war und ist ihr diesbezüglich nicht zu gewähren. Etwaiges weiteres Vorbringen könnte eine andere Entscheidung nicht mehr rechtfertigen. Spätestens seit dem Zugang des Beschlusses des Senats vom 11. November 2020 musste der Beschwerdeführerin bewusst sein, dass ihr Vorbringen zu den Hintergründen der Mandatsniederlegung nicht ausreichend ist und es insoweit nicht nur darauf ankommt, ob sie den angeforderten Kostenvorschuss gezahlt hat. Trotzdem hat sie die erforderlichen Darlegungen weder mit ihrer Anhörungsrüge vom 3. Dezember 2020 noch mit ihrer weiteren Eingabe vom 6. Dezember 2020 nachgeholt.
2. Unabhängig davon ist der Beschwerdeführerin ein Notanwalt nach § 78b ZPO nicht beizuordnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtlos ist. Aussichtslosigkeit liegt vor, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - III ZR 85/19, juris Rn. 5 mwN). Dies ist hier der Fall, weil die mit der Revision geltend zu machende Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt und die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO deshalb bereits unzulässig ist.
a) Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei ist grundsätzlich zwischen dem - vorliegend noch nach § 49a GKG aF festzusetzenden - Streitwert für die Bemessung der Gerichts- und Anwaltsgebühren und der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer zu differenzieren. Die Rechtsmittelbeschwer richtet sich allein nach dem eigenen (einfachen) Interesse der Beschwerdeführerin, nicht hingegen - wie sie in ihrem Schreiben vom 27. September 2020 meint - nach dem Gesamtinteresse aller Miteigentümer (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 2. Juli 2020 - V ZR 2/20, NJW-RR 2020, 1399 Rn. 4 mwN).
b) Ihre Beschwer ist nach diesen Maßstäben in Bezug auf den von ihr angefochtenen Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 30. November 2018 („Videoüberwachung“) mit nicht mehr als 4.000 € zu bewerten. Das Interesse an der Unterlassung einer Videoüberwachung wird üblicherweise mit Beträgen zwischen 1.000 € und 5.000 € bemessen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. September 2020 - V ZR 296/19, juris Rn. 10 mwN). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigt hier mangels besonderer Umstände nur die Ansetzung eines mittleren Werts im Bereich von 3.000 €. Auf ein (zusätzliches) rein wirtschaftliches Interesse, nicht anteilig mit den Kosten der Überwachungsanlage belastet zu werden, hat sich die Beschwerdeführerin schon nicht berufen und auch zur Höhe der veranschlagten Installationskosten nichts vorgetragen. Selbst wenn man insoweit einen pauschalen - bereits hoch geschätzten - Aufschlag von 1.000 € berücksichtigte, ergäbe sich eine Beschwer von nur 4.000 €.
c) Soweit die Beschwerdeführerin den Rechtsstreit in Bezug auf die Anfechtung des zu TOP 6 gefassten Beschlusses („Attikableche“) für in der Hauptsache erledigt erklärt hat und die Beklagten dem nicht zugestimmt haben, bestimmt sich ihre Rechtsmittelbeschwer nach dem Interesse an einer ihr günstigeren Kostenentscheidung. Bei einer einseitigen Teilerledigungserklärung beläuft sich dieses Kosteninteresse auf die Mehrkosten, die im Vergleich zu den Kosten entstanden sind, die angefallen wären, wenn der Rechtstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil geführt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2020 - III ZR 106/19, juris Rn. 7, 12 f.; Beschluss vom 18. September 2018 - VI ZB 26/17, NJW-RR 2019, 189 Rn. 7 mwN). Mehrkosten sind in Höhe von rund 6.500 € entstanden. Ein Sonderfall, in dem ausnahmsweise das Sachinteresse zu berücksichtigen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - II ZR 149/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 29. Juni 2017 - III ZR 540/16, juris Rn. 8 mwN), liegt nicht vor.
Stresemann Göbel Schmidt-Räntsch Brückner Haberkamp Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.12.2019 - 33 C 3513/18 (28) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.05.2020 - 2-9 S 2/20 -