IV ZR 173/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IV ZR 173/23 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:070525UIVZR173.23.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt, Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Bommel im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 17. März 2025 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock - 4. Zivilsenat - vom 18. Juli 2023 aufgehoben.
Soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zu der Versicherungsnummer Kopien der Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein der Jahre 2013, 2015, 2016 und 2017 herauszugeben, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird das Urteil dahingehend abgeändert, dass die weitergehende Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin - Zivilkammer 2 - vom 24. März 2022 zurückgewiesen wird.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 7.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung. Der bei der Beklagten versicherte Kläger unterhielt dort zuletzt die Tarife B , A und T . Die Beklagte nahm in diesem Versicherungsverhältnis Prämienanpassungen vor.
Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger im Wege der Stufenklage die Herausgabe von Kopien der Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein der Jahre 2013, 2015, 2016 und 2017 verlangt. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass die nach Erteilung der Auskunft noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämie unwirksam seien und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet sowie der monatlich fällige Gesamtbetrag auf einen noch zu beziffernden Betrag zu reduzieren sei, außerdem die Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrages nebst Zinsen sowie die Herausgabe gezogener Nutzungen in noch zu beziffernder Höhe und deren Verzinsung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß zur Herausgabe von Kopien der Versicherungsscheine verurteilt. Im Übrigen hat es die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2024, 185 veröffentlicht ist, ist der Ansicht, dass der Kläger sein Begehren im Wege einer Stufenklage verfolgen kann. Er benötige im Ansatz (jedenfalls) die Informationen über die Höhe der Beitragsanpassungen in einzelnen Tarifen, um auf diese Weise seine Zahlungsanträge (nur noch) beziffern zu können. Der Auskunftsanspruch diene nicht ausschließlich dazu, eine Beurteilung des Bestehens von Leistungsansprüchen überhaupt erst zu ermöglichen. Der Anspruch auf Kopien des Versicherungsscheins und seiner Nachträge ergebe sich (jedenfalls) aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DSGVO. Im Übrigen sei die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
1. Im Ergebnis geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon aus, dass die Auskunftsklage zulässig ist.
a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch das Rechtsschutzbegehren des Klägers als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO für zulässig gehalten. Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die im Rahmen der Stufenklage verfolgte Auskunft ist lediglich ein Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (Senatsurteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 24 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rückzahlung der auf eine unwirksame Beitragserhöhung gezahlten Prämienanteile gehört die Tatsache, dass der Beitrag in einem versicherten Tarif zu einem bestimmten Zeitpunkt erhöht wurde. Diese Informationen will der Kläger erst durch die vorliegende Auskunftsklage auf Herausgabe der Nachträge zum Versicherungsschein erlangen, die daher nicht nur der näheren Bestimmung eines bestehenden Anspruchs dient. Der Kläger ist aufgrund des Wissens seiner Prozessbevollmächtigten aus anderen Verfahren davon ausgegangen, dass in den zuletzt versicherten Tarifen B und A "unter anderem" zu im Einzelnen aufgeführten Terminen Prämienänderungen erfolgt seien. Diese Behauptung ist für die betroffenen Jahre seit 2012 schon hinsichtlich früher versicherter Tarife offenkundig nicht vollständig, sondern der Kläger will sich durch die Auskunft erst die Kenntnis von allen Beitragserhöhungen verschaffen. Es verhilft der Stufenklage nicht zur Zulässigkeit, dass der Kläger daneben auch die Bezifferung eines möglicherweise bestehenden Anspruchs verfolgt.
b) Es kommt jedoch eine Umdeutung der zunächst erhobenen Stufenklage in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung in Betracht, die ein - zumindest für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes - berechtigtes Interesse des Klägers voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 26 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Senat kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen selbst beurteilen, ob die Klage in dieser Weise umzudeuten ist; weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Nach seinem Vorbringen benötigt der Kläger die Auskunft zur Bezifferung eines Rückzahlungsanspruchs. Auf dieser Grundlage ist die Auskunftsklage zulässig.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Sache hinsichtlich der Feststellungs- und Leistungsanträge an das Landgericht zurückverwiesen. Der noch nicht auf bestimmte Beitragsanpassungen konkretisierte Feststellungsantrag und die unbezifferten Anträge auf Zahlung und Herausgabe von Nutzungen sind unzulässig, da es insoweit an einem bestimmten Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehlt und diese Anträge auch nicht im Wege der Stufenklage zulässig sind.
3. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, dass dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht.
Ein Anspruch auf Abschriften der zum Zwecke der Beitragsanpassung übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein folgt nicht aus Art. 15 Abs. 1, 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. 2016 L 119, S. 1). Wie der Senat mit Urteil vom 27. September 2023 (IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 46 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, handelt es sich bei den Nachträgen zum Versicherungsschein in ihrer Gesamtheit nicht um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers.
4. Die Entscheidung über den Auskunftsantrag erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ein Auskunftsanspruch ergibt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Vorschriften.
a) Wie der Senat mit Urteil vom 27. September 2023 (IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 42) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kann er insbesondere nicht auf § 3 Abs. 3 VVG gestützt werden. Der Senat hat außerdem mit Urteil vom 21. Februar 2024 (IV ZR 311/22, r+s 2024, 314 Rn. 18) entschieden und im Einzelnen begründet, dass sich ein Anspruch auf Übersendung früherer Nachträge zum Versicherungsschein auch nicht aus § 7 Abs. 4 VVG ergibt.
b) Ob dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zustehen könnte, kann auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Nach § 242 BGB trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 30). Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. September 2023 (aaO Rn. 31) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt ein solcher Anspruch grundsätzlich in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer in der privaten Krankenversicherung Auskunft über vergangene Beitragserhöhungen verlangt. Der Auskunftsanspruch setzt jedoch Feststellungen dazu voraus, dass der Kläger nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt - was die Beklagte hier bestritten hat - und warum es zum Verlust kam. Erst die Darlegung der Gründe des Verlustes durch den Versicherungsnehmer ermöglicht die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 aaO Rn. 40 m.w.N.). Die allgemeine Annahme, dass ein Versicherungsnehmer Schreiben des Versicherers nicht für aufbewahrungswürdig halten muss, reicht insoweit nicht aus (Senatsurteil vom 21. Februar 2024 - IV ZR 311/22, r+s 2024, 314 Rn. 14).
III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe von Kopien der Versicherungsscheine aufgehoben worden ist. Der Senat kann nicht in der Sache entscheiden, da das Berufungsgericht zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB zunächst die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Das Berufungsgericht hatte nach seiner Rechtsansicht bisher keinen Anlass, den Kläger auf die Notwendigkeit eines Beweisangebots zum Verlust der Unterlagen und weiteren Vortrags zu den Umständen des Verlustes hinzuweisen; dies wird es unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats nachzuholen haben.
Prof. Dr. Karczewski Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller Dr. Bußmann RiBGH Dr. Bommel ist wegen Urlaubs und anschließenden Ruhestands verhindert zu signieren.
Prof. Dr. Karczewski Vorinstanzen: LG Schwerin, Entscheidung vom 24.03.2022 - 2 O 178/22 OLG Rostock, Entscheidung vom 18.07.2023 - 4 U 46/22 - IV ZR 173/23 Verkündet am: 7. Mai 2025 Heinekamp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle