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9 W (pat) 9/17

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/17 Verkündet am 31. Juli 2019

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2013 218 024.1 …

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Hubert sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier und Dipl.-Ing. Körtge ECLI:DE:BPatG:2019:310719B9Wpat9.17.0 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 29. März 2017 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag vom 6. März 2017,

- Beschreibungsseiten 1 bis 17 gemäß Hauptantrag vom 6. März 2017,

- Figuren 1, 2a) bis g), 3 und 4 vom Anmeldetag.

Gründe I.

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 10. September 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen, dort mit dem Aktenzeichen 10 2013 218 024.1 geführten Patentanmeldung mit der Bezeichnung

„Luftfeder und Tauchkolben für Luftfeder“.

Mit dem am 29. März 2017 elektronisch signierten Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 G des Deutschen Patent- und Markenamts – von dem Vertreter der Anmelderin am 3. April 2017 laut Empfangsbekenntnis empfangen – wurde der Hauptantrag wegen mangelnder Patentfähigkeit zurückgewiesen und eine Erteilung des Patents unter Zugrundelegung der von der Anmelderin mit Schriftsatz vom 6. März 2017 vorgelegten Unterlagen für einen Hilfsantrag beschlossen.

Laut Beschlussbegründung liege kein gewährbares Patentbegehren hinsichtlich Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vor, weil die Luftfeder der Druckschrift E3 (DE 197 33 281 A1) sämtliche Merkmale mit Ausnahme des nach Auffassung der Prüfungsstelle offenbar zur Lösung nicht zwingend erforderlichen und damit als rein konstruktiv anzusehenden Merkmals, wonach mindestens eine Belüftungsöffnung in einem Bereich des Mantelkörpers des Tauchkolbens angeordnet ist, aufweise. Dieses Merkmal sei dem zuständigen Fachmann darüber hinaus aus der E5 (US 2 916 298 A) geläufig. Die gleiche Argumentation gelte auch für den nebengeordneten Patentanspruch 10, da der mit ihm beanspruchte Tauchkolben auch keine weiteren Merkmale aufweise, als dass in einem Stirnbereich des Tauchkolbens ein Ventil vorgesehen sei, welches aber aus der E3 bekannt sei.

In Prüfungsverfahren vor dem deutschen Patent- und Markenamt sind als weitere Druckschriften noch die E1: DE 10 2010 040 980 A1, E2: US 3 876 193 A und E4: DE 10 2011 114 379 A1 genannt.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 2. Mai 2017 beim Deutschen Patent- und Markenamt, eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt und diese begründet.

Sie verteidigt die Patentanmeldung im Umfang der mit Schriftsatz vom 6. März 2017 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag (eingegangen am 8. März 2017), wobei sie der Auffassung ist, dass sowohl die im Patentanspruch 1 beanspruchte Luftfeder als auch die Tauchfeder gemäß Patentanspruch 10 gegenüber dem Stand der Technik neu seien und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin stellte den Antrag den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2017 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: - Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag vom

6. März 2017, - Beschreibungsseiten 1 bis 17 gemäß Hauptantrag vom

6. März 2017, - Figuren 1, 2a) bis g), 3 und 4 vom Anmeldetag.

Die geltenden Patentansprüche 1 und 10 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut (Änderungen sind gegenüber dem ursprünglichen eingereichten Patentansprüchen 1 und 10 durch Hervorhebungen kenntlich gemacht):

1. Luftfeder (10) für ein Fahrzeug, insbesondere ein Nutzfahrzeug, aufweisend einen Luftbalg (20) mit einem mit Druckluft befüllbaren Balginnenraum (23) und einen Tauchkolben (40), welcher mit dem Luftbalg (20) gekoppelt ist und einen Mantelkörper (46) aufweist, welcher eine Abrollfläche für den Luftbalg (20) bildet, wobei der Tauchkolben (40) als Hohlkörper ausgeführt ist und einen Kolbeninnenraum (43) aufweist, wobei ein Ventil (70) zum Belüften des Balginnenraums (23) vorgesehen ist, durch welches der Balginnenraum (23) mit dem Kolbeninnenraum (43) verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet,

dass wobei der Tauchkolben (40) mindestens eine Belüftungsöffnung (80) aufweist, welche in dem Mantelkörper (46) des Tauchkolbens (40) angeordnet ist und über welche der Kolbeninnenraum (43) mit der Umgebung verbindbar ist.

10. Tauchkolben (40) für eine Luftfeder (10), insbesondere für eine Luftfeder nach einem der Ansprüche 1 – 9, aufweisend einen Mantelkörper (46), welcher eine Abrollfläche für einen Luftbalg (20) bildet, wobei der Tauchkolben (40) als Hohlkörper ausgeführt ist und einen Kolbeninnenraum (43) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass wobei in einem Stirnbereich (64) des Tauchkolbens (40) ein Ventil (70) vorgesehen ist, wobei mindestens eine Belüftungsöffnung (80) vorgesehen ist, welche in dem Mantelkörper (46) des Tauchkolbens (40) angeordnet ist und den Kolbeninnenraum (43) mit der Umgebung verbindet.

An Patentanspruch 1 schließen sich rückbezogen die Patentansprüche 2 bis 9 gemäß Hauptantrag vom 6. März 2017 an.

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Unteransprüche, der geänderten Beschreibung sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Aufrechterhaltung gemäß Hauptantrag führt, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik am Anmeldetag der Patentanmeldung eine hinreichende Anregung für die nicht unzulässig erweiterten Gegenstände der Patentansprüche 1 und 10 gemäß Hauptantrag zu entnehmen waren oder diese gar vollständig vorbekannt waren.

1. Gegenstand der Patentanmeldung Die vorliegende Erfindung betrifft eine Luftfeder sowie einen Tauchkolben für eine Luftfeder.

Luftfedern fänden beispielsweise bei Nutzfahrzeugen Anwendung, um einen Fahreugrahmen federnd gegenüber einem Achselement des Fahrzeugs zu lagern. Bei bekannten Luftfederungen sei das Achselement des Fahrzeugs über einen Längslenker schwenkbar am Fahrzeugrahmen angelenkt und über die Luftfeder am Fahrzeugrahmen abgestützt. Eine Luftfeder umfasse üblicherweise einen Luftbalg sowie einen mit dem Luftbalg gekoppelten Tauchkolben. Der Luftbalg sei üblicherweise mit dem Fahrzeugrahmen und der Tauchkolben mit dem Achselement verbunden. Zur Bereitstellung einer federnden Lagerung des Fahrzeugrahmens gegenüber dem Achselement sei der Tauchkolben relativ zu dem Luftbalg bewegbar. Der Luftbalg sei hierzu an einem oberen Anbindungsbereich des Tauchkolbens befestigt und könne bei einer Einfederungsbewegung über eine Mantelfläche des Tauchkolbens abrollen. Der Tauchkolben sei üblicherweise als Hohlkörper ausgebildet.

Insbesondere bei Nutzfahrzeugen ergebe sich die Problematik, dass bei einem Anheben des Fahrzeugs, beispielsweise bei einer Verladung per Kran, die Achse des Fahrzeugs vom Boden abgehoben werde und das Gewicht der Achse an der Luftfeder hänge. Um die Luftfeder hierbei zu entlasten, sei es beispielsweise bekannt, Fangseile vorzusehen, welche das Gewicht der Achse aufnähmen. Gleichwohl werde der Luftbalg der Luftfeder jedoch bei einem Anheben des Fahrzeugs gestreckt, wodurch der Druck im Luftbalg absinke. Insbesondere bei einem Anheben ausgehend von einem entlüfteten Zustand des Luftbalgs, oder wenn durch das Anheben eine Entlüftung durch ein Niveauregelventil erfolge, könne in dem Luftbalg beim Anheben des Fahrzeugs ein Unterdruck entstehen. Dies könne zu einem Einfallen des Luftbalgs und in der Folge bei einem erneuten Aufsetzen des Fahrzeugs auf den Boden zu einem ungleichmäßigen Abrollen über den Tauchkolben führen, wodurch der Luftbalg beschädigt werden könne. Um dies zu vermeiden, sei es bekannt, ein Belüftungsventil vorzusehen, über welches Luft in den Luftbalg einströmen könne, so dass ein Unterdruck in dem Luftbalg verhindert werde. Das Belüftungsventil könne beispielsweise im Anbindungsbereich des Tauchkolbens angeordnet sein, so dass die Luft über den Innenraum des Tauchkolbens in den Luftbalg einströmen könne.

Eine Luftfeder mit einem Belüftungsventil für den Luftbalg sei beispielsweise aus der E1 bekannt (vgl. Seite 1, Absatz 1 bis Seite 2, Absatz 3 der ursprünglich eingereichten Unterlagen bzw. Abs. [0001] – [0004] der inhaltsgleichen Offenlegungsschrift, im folgenden OS genannt).

Der Erfindung liegt gemäß Seite2, Absatz 3 der ursprünglich eingereichten Unterlagen (Abs. [0005] der OS) die Aufgabe zugrunde, eine Luftfeder und einen Tauchkolben für eine Luftfeder bereitzustellen, welche eine besonders hohe Betriebssicherheit aufweisen und insbesondere eine zuverlässige Belüftung des Luftbalgs bei einem Anheben des Fahrzeugs gewährleisten.

Die Aufgabe werde erfindungsgemäß durch eine Luftfeder mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie einen Tauchkolben mit den Merkmalen des Anspruchs 10 gelöst.

Durch die anmeldungsgemäße Luftfeder und den anmeldungsgemäßen Tauchkolben würden gemäß Abs. [0010] und [0053] der OS eine gezielte und besonders zuverlässige Belüftung erreicht, um, insbesondere beim Anheben eines Fahrzeugs, die Bildung eines Unterdrucks im Inneren des Luftbalgs zu verhindern. Die im Fahrbetrieb geschlossenen Belüftungsöffnungen verhinderten darüber hinaus eine Verschmutzung des Innenraums des Tauchkolbens und damit auch des Ventils. Im ausgefederten Zustand seien die Belüftungsöffnungen für eine Luftzufuhr zum Belüftungsventil jedoch frei.

2. Fachmann Als den mit der Lösung dieser Aufgabe beauftragten Durchschnittsfachmann dürfte zum Verständnis des Streitgegenstandes und zur Bewertung des Standes der Technik einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehreren Jahren Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Luftfedern für Kraftfahrzeuge zugrunde liegen.

3. Auslegung Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnung heranzuziehen hat (BGH GRUR 2007, 859 – Informationsübermittlungsverfahren). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht. Darüber hinaus darf allein aus Ausführungsbeispielen nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden (BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).

Zur Erleichterung von Bezugnahmen sind die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nachstehend in Form der von der Anmelderin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.1 Luftfeder (10) für ein Fahrzeug, aufweisend 1.2 einen Luftbalg (20) mit einem mit Druckluft befüllbaren Balginnenraum (23) und 1.3 einen Tauchkolben (40), welcher mit dem Luftbalg (20) gekoppelt ist und einen Mantelkörper (46) aufweist, welcher eine Abrollfläche für den Luftbalg (20) bildet, 1.4 wobei der Tauchkolben (40) als Hohlkörper ausgeführt ist und einen Kolbeninnenraum (43) aufweist, 1.5 wobei ein Ventil (70) zum Belüften des Balginnenraums (23) vorgesehen ist, durch welches der Balginnenraum (23) mit dem Kolbeninnenraum (43) verbindbar ist, 1.6 wobei der Tauchkolben (40) mindestens eine Belüftungsöffnung (80) aufweist, welche in dem Mantelkörper (46) des Tauchkolbens (40) angeordnet ist und über welche der Kolbeninnenraum (43) mit der Umgebung verbindbar ist.

Anspruch 10 definiert (ebenfalls in der von der Anmelderin übernommenen Merkmalsgliederung) einen:

10.1 Tauchkolben (40) für eine Luftfeder (10), aufweisend 10.2 einen Mantelkörper (46), welcher eine Abrollfläche für einen Luftbalg (20) bildet,

- 10 10.3 wobei der Tauchkolben (40) als Hohlkörper ausgeführt ist und einen Kolbeninnenraum (43) aufweist, 10.4 wobei in einem Stirnbereich (64) des Tauchkolbens (40) ein Ventil (70) vorgesehen ist, 10.5 wobei mindestens eine Belüftungsöffnung (80) vorgesehen ist,

welche in dem Mantelkörper (46) des Tauchkolbens (40) angeordnet ist und den Kolbeninnenraum (43) mit der Umgebung verbindet. Der vorstehend definierte Fachmann entnimmt dem geltenden Patentanspruch 1 daher eine Luftfeder (Merkmal 1.1), die für eine Anwendung in einem Fahrzeug, u. a. in einem Nutzfahrzeug (vgl. Abs. [0002] der OS) hergerichtet ist.

Abb. 1: Fig. 1 der OS Die Luftfeder weist gemäß ihrer Merkmale 1.2 und 1.4, siehe auch Fig. 1 der OS (vgl. Abb. 1) einen im Ausführungsbeispiel beispielhaft gezeigten, verformbaren beziehungsweise flexiblen, vorzugsweise im Wesentlichen zylinderförmigen Balgkörper umfassenden (vgl. zusätzlich Abs. [0033] der OS) Luftbalg 20 oder Rollbalg mit einem mit Druckluft befüllbaren Balginnenraum 23 und einen als Hohlkolben ausgeführten Tauchkolben 40 mit einem Kolbeninnenraum 43 auf. In Abhängigkeit der Beladung des Fahrzeugs kann von einem Kompressor bereitgestellte Druckluft beispielsweise über einen Druckluftanschanschluss am Luftbalg dem Balginnenraum zu- oder abgeführt werden, um das Füllvolumen und somit die Niveaulage des Fahrzeugs konstant zu halten.

Gemäß Merkmal 1.3 sind die beiden Bauteile, die üblicherweise mit dem Fahrzeugaufbau verbundene Luftfeder und der mit einem Achselement des Fahrzeugs verbundene Tauchkolben, gekoppelt. In einer bevorzugten Ausführung besitzt der Luftbalg an seinem unteren Ende einen wulstförmigen Befestigungsabschnitt, welcher mittels einer Befestigungseinrichtung an einem oberen Ende des Tauchkolbens befestigt ist. Letzterer weist einen im Ausführungsbeispiel den Hohlraum bildenden Mantelkörper 46 auf, dessen äußere Mantelfläche eine Abrollfläche für den Luftbalg im Fahrbetrieb des Fahrzeugs bildet.

Über die die Luftfeder weiter definierenden Merkmale 1.5 und 1.6 (Ventil 70 und mindestens eine Belüftungsöffnung 80) kann eine Belüftung des Balginnenraums ermöglicht werden in dem Sinne, dass eine fluidische Verbindung zwischen Balginnenraum und Umgebung hergestellt werden kann. Dazu weist zum einen der Tauchkolben die mindestens eine Belüftungsöffnung auf, welche in dem die Abrollfläche für den Luftbalg bildende Mantelkörper des Tauchkolbens angeordnet ist und über welche der Kolbeninnenraum mit der Umgebung verbindbar ist (Merkmal 1.6). Die OS führt in Abs. [0012] dazu aus, dass im Fahrbetrieb oder in einem damit einhergehenden Betriebszustand der Luftfeder abhängig von der Höhe der Belastung und vom Federungszustand ein größerer oder ein kleinerer Teil der die mindestens eine Belüftungsöffnung aufweisende Mantelfläche von dem Luftbalg abgedeckt ist. Ein vollständiges Verschließen der mindestens einen Belüftungsöffnung durch den Luftbalg bei jedwedem denkbaren Lastfall ist demnach nicht beansprucht. Die Abdeckung muss nur insoweit erfolgen, als das mindestens eine Belüftungsloch – und somit auch das Ventil – weitgehend vor Verschmutzungen oder Vereisung geschützt ist. In einem entlasteten Zustand, der ein Strecken des Rollbalgs bewirkt (vgl. in Abb. 1 auf der linken Seite die strichpunktierte Darstellung des Rollbalgs), wie bei einem Anheben des Fahrzeugs, bei dem das Gewicht der Achse an der Luftfeder hängt, gibt der Luftbalg die Belüftungsöffnungen in der gezeigten Ausführung sogar vollständig frei. Weitere nicht in der Mantelfläche des Tauchkolben angeordnete, die Umgebung mit dem Tauchkolbeninnenraum verbindende Öffnungen schließt die Anmeldung explizit nicht aus. Abs. [0020] der OS führt dazu aus: „Der untere Stirnbereich des Tauchkolbens, also ein dem Luftbalg gegenüberliegendes unteres Ende des Tauchkolbens, kann geöffnet sein bzw. eine Öffnung aufweisen.“ Alternativ kann diese Öffnung aber auch geschlossen sein. Dies führe zu einer erhöhten Stabilität des Tauchkolbens und ermögliche nach den Ausführungen in Abs. [0021] der OS eine stabile Anordnung des Tauchkolbens an dem entsprechenden Fahrwerkoder Fahrzeugteil, insbesondere an der Achse des zu federnden Fahrzeugs. Zum anderen ist gemäß Merkmal 1.5 das Ventil 70 zum Belüften des Balginnenraums vorgesehen, durch welches der Balginnenraum mit dem Kolbenraum verbindbar ist, wobei letzterer je nach Betriebszustand der Luftfeder mit der Umgebung fluidisch verbunden ist. Das vorzugsweise als Rückschlagventil ausgebildete Ventil befindet sich bevorzugt an einer Stirnfläche des Tauchkolbens, die an den Innenraum des Luftbalgs angrenzt, und wird durch einen Überdruck im Luftbalg in eine Schließstellung und durch einen Unterdruck im Luftbalg in eine Öffnungsstellung gebracht (vgl. Abs. [0010] und [0011] der OS).

Der zuständige Fachmann entnimmt dem geltenden Patentanspruch 10 ein Bauteil einer Luftfeder, nämlich den Tauchkolben, der durch Merkmal 10.4 dahingehend konkretisiert ist, dass das Ventil, wenn der Tauchkolben mit einem Luftbalg zur Bildung einer Luftfeder verbunden ist, zum Belüften des Luftbalgs in einem Stirnbereich des Tauchkolbens vorgesehen ist, wie im Ausführungsbeispiel beschrieben und im Anspruch 1 den Gestaltungsmöglichkeiten des Fachmanns überlassen.

Zu den übrigen Merkmalen wird zur Vermeidung von Wiederholungen lediglich auf die vorstehenden, den Tauchkolben betreffenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 verwiesen.

4. Zulässigkeit Die Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag sind zulässig. Deren jeweiliger Gegenstand ist in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.

Sowohl in Patentanspruch 1 wie auch in Patentanspruch 10 sind fakultative Angaben entfernt, was zu einer zulässigen Konkretisierung der Ansprüche führt sowie einige wenige, substantiell keine Änderung bewirkenden Bezugszeichen hinzugefügt worden.

Der Patentanspruch 10 in der geltenden Fassung schränkt sich des Weiteren gegenüber dem in der ursprünglich eingereichten Fassung mit dem Merkmal 10.4 ein, das dem dritten Absatz der Beschreibungsseite 11 in der ursprünglich eingereichten Fassung bzw. Abs. [0037] der OS entnommen ist („…ist im Stirnbereich 64 des Tauchkolbens 40 … ein Ventil 70 vorgesehen…“) und im Einklang mit Figur 1 (vgl. Abb. 1) steht.

5. Patentfähigkeit Die offensichtlich gewerblich anwendbaren Luftfeder und Tauchkolben nach den geltenden Patentansprüchen 1 und 10 erfüllen die gesetzlichen Patentierungsvo- raussetzungen. Diese Gegenstände sind neu i. S. des § 3 PatG und beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit i. S. des § 4 PatG. Dies gilt ebenso für die Weiterbildungen nach den auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 9.

Als dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nächstkommender Stand der Technik ist die in der Druckschrift E3 offenbarte Luftfeder für ein Fahrzeug anzusehen. Diese Luftfeder weist einen Luftbalg 1 mit einem mit Druckluft befüllbaren Balginnenraum und einen Tauchkolben 6, 8 auf, welcher mit dem Luftbalg 1 gekoppelt ist. Der Tauchkolben weist einen Mantelkörper auf, der eine Abrollfläche für den Luftbalg 1 bildet. Der Tauchkolben 6, 8 ist als Hohlkörper ausgeführt und weist einen Kolbeninnenraum auf. Ein Ventil 16 zum Belüften des Balginnenraums ist vorgesehen, durch welches der Balginnenraum mit dem Kolbeninnenraum verbindbar ist. Der Tauchkolben 6, 8 weist mindestens eine Belüftungsöffnung 8a auf, über welche der Kolbeninnenraum mit der Umgebung verbindbar ist (vgl. Abb. 2 i. V. m. Sp. 1, Abs. 1 der E3). Die Merkmale 1.1 bis 1.5 und Teilmerkmale von Merkmal 1.6 sind somit bekannt Das Entstehen eines Unterdrucks im Luftfederbalg kann daher zuverlässig beim Anheben des Fahrzeugs verhindert werden (vgl. Sp 3, 2ter Abs.).

Abb. 2: Fig. 2 der Druckschrift E3 Das verbliebene Teilmerkmal aus Merkmal 1.6, in dem die Anordnung der mindestens einen Belüftungsöffnung in dem Mantelkörper des Tauchkolbens bestimmt ist, lässt sich der Druckschrift E3 nicht entnehmen, denn die einzige Belüftungsöffnung 8a ist im Tauchkolbenboden 8 angeordnet. Die Luftfeder nach Patentanspruch 1 ist demnach neu gegenüber derjenigen in der Druckschrift E3 offenbarten. Eine Veranlassung oder Anregung dahingehend, die mindestens eine Belüftungsöffnung 8a der Luftfeder nach der Druckschrift E3 in den Mantelkörper 6 verlegen zu wollen, gibt diese Schrift selbst nicht; es handelt sich auch nicht um eine einfache, in das Belieben des Fachmanns gestellte konstruktive Abwandlung. Denn nach Überzeugung des Senats ist eine Verlegung der Bohrung 8a in den Mantelbereich nicht alternativlos, insbesondere auch nicht für den Fall einer vollflächigen Abstützung des Tauchkolbens bzw. des Tauchkolbenbodens auf dem Achselement des Fahrzeugs. Der Fachmann würde in diesem Fall eher (eine) zusätzliche seitliche Bohrung(en) in dem massiv ausgebildeten Tauchkolbenboden zur (Wieder-) Herstellung einer fluidischen Verbindung von der Umgebung zur Belüftungsöffnung 8a und somit zum Innenraum des Tauchkolbens bei einem durch das Achselement des Fahrzeugs in Axialrichtung abgedeckten und somit versperrten Zugang zur Belüftungsöffnung 8a vorsehen als in dem dünn ausgeführten Mantelbereich, allein schon aufgrund von Stabilitätserwägungen.

Eine weitgehende Vermeidung einer Verschmutzung oder Vereisung der mindestens einen Belüftungsöffnung und somit auch des Ventils thematisiert die Druckschrift E3 an keiner Stelle. Es sind auch keine weiteren Vorkehrungen ersichtlich, die einen Schutz bzw. eine Abdeckung der unabhängig von der Relativposition des Tauchkolbens zum Luftbalg in jedem Lastfall im Fahrbetrieb geöffneten Belüftungsöffnung 8a vorsähen, die den Fachmann dazu anregen könnten, die mindestens eine Belüftungsöffnung in den Abrollbereich des Rollbalgs zu verlagern.

Die weiter im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigen sämtlich nicht das Merkmal 1.6, wobei der Tauchkolben mindestens eine Belüftungsöffnung im Sinne vorgestellter Auslegung aufweist, welche in dem Mantelkörper des Tauchkolbens angeordnet ist und über welche der Kolbeninnenraum mit der Umgebung verbindbar ist.

Entweder zeigen sie gar keine Öffnungen im Mantelbereich (Druckschrift E1) oder ihnen sind grundsätzlich andere Funktionen zugewiesen.

Druckschrift E2 zeigt ein in einer Öffnung in einem Mantelbereich eines Tauchkolbens einer Luftfeder angeordnetes Auslass-Ventil Zudem lässt sich ihr auch nicht Merkmal 1.5 entnehmen. Denn Balg und Tauchkolben bilden einen gemeinsamen Innenraum.

Der Druckschrift E4 lässt sich ein in einer Öffnung in einem Mantelbereich des Tauchkolbens angeordneter Druckluftanschluss entnehmen.

Druckschrift E5 offenbart zwar als einzige im Verfahren befindliche Entgegenhaltung eine Luftfeder mit einem Rollbalg 18, der auf einem Tauchkolben 20 mit in seinem Mantelkörper angeordneten mindestens einen Öffnung 23 abrollt (vgl. Abb. 3). Jedoch dient diese nicht zur Unterdruckvermeidung im Rollbalg in einem Nichtfahrbetrieb, sondern vielmehr einer Druckanpassung im Rollbalg im Fahrbetrieb (vgl. beispielhaft Sp. 3. Z. 29 – 36: „If too much air pressure is introduced into the tank container [16], or if the rebound of the piston arm [19] is severe, the relative lowering of the dome portion 20 will expose its exhaust holes 23 from under the overlying bottom 18, as shown in Fig. 3. When this occurs the excessive air pressure inside the tank compartment [16] will be relieved and the dome portion [20] will resume its normal position with its passageway 23 closed as shown in Fig. 2.”). Ein Ventil i. S. des Merkmals 1.5, durch welches der Balginnenraum mit dem Kolbeninnenraum verbindbar ist, lässt sich der Druckschrift ebenfalls nicht entnehmen. Die einzige Verbindung, die zwischen diesen Räumen vorgesehen ist, ist die flexible Rohrleitung 22, der aber keine Ventileigenschaften unterstellt werden können.

Abb. 3: Fig. 3 der Druckschrift E5 Aus alledem folgt, dass der insgesamt in Betracht gezogene Stand der Technik – in welcher Zusammenschau auch immer – dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht hat nahelegen können. Die Luftfeder des Patentanspruchs 1 ist daher patentfähig. Gleiches gilt auch für den Gegenstand nach Anspruch 10, denn die beiden Merkmale 10.4 und 10.5 zusammen sind keiner der Druckschriften im Sinne der vorstehenden Auslegung zu entnehmen (siehe hierzu die Ausführungen zum Gegenstand nach Patentanspruch 1). Der Tauchkolben nach Patentanspruch 10 ist demnach neu gegenüber denjenigen in den Druckschriften E1 bis E5 offenbarten.

Bei den in den Druckschriften E1, E3 oder E4 offenbarten Tauchkolben Öffnungen gemäß Merkmal 10.5 oder bei denjenigen der Druckschrift E2 oder E5 ein Ventil im Sinne des Merkmals 10.4 vorzusehen, ist vor der Gesamtoffenbarung der Anmeldung nach Überzeugung des Senates nur rückschauend möglich, da Anregungen oder Hinweise dies tatsächlich zu tun in diesem betrachteten Stand der Technik nicht vorliegen.

Daraus folgt, dass der vorliegende Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 10 nicht hat nahelegen können.

Der Tauchkolben des Patentanspruchs 10 ist daher patentfähig.

Nachdem auch die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 sowie die übrigen Unterlagen die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllen, war der Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent mit den eingangs genannten Unterlagen zu erteilen.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt wird, nämlich dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Hubert Paetzold Dr. Geier Körtge Pr

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