Paragraphen in X ZR 88/22
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1 | 83 | PatG |
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 88/22 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 23. Juli 2024 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein ja nein Stereofotogrammetrie EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14 Merkmale eines Patentanspruchs sind entsprechend der Funktion auszulegen, die ihnen im Kontext der Erfindung zukommt.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2024 - X ZR 88/22 - Bundespatentgericht ECLI:DE:BGH:2024:230724UXZR88.22.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. von Pückler für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. Mai 2022 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 3 156 843 (Streitpatents), das am 11. Oktober 2016 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 14. Oktober 2015 angemeldet wurde und die dreidimensionale Rekonstruktion von Kopf und Körper betrifft.
Patentanspruch 1, auf den zwölf weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
Dispositif pour la prise de vue en stéréophotogrammétrie de parties du corps, comprenant un appareil de prise de vue (1) et une optique double (2) munie de deux sous-optiques (2b, 2c) permettant d’obtenir deux prises de vue simultanées selon chacune un angle différent, caractérisé en ce qu’il comprend un système de mesure de distance (34) configuré pour signaler l’utilisateur que la distance entre le dispositif et une partie du corps à reproduire correspond à une distance cible de prise de vue définie parmi au moins deux distances prédéfinies distinctes correspondant chacune à un format (A4, A3) de reproduction d’image différent.
Patentanspruch 14, auf den vier weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt sinngemäß ein Verfahren, bei dem eine solche Vorrichtung eingesetzt wird.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in zuletzt drei geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen und drei zusätzlichen Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
I. Das Streitpatent betrifft die Aufnahme von Teilen der Körperoberfläche im Wege der Stereofotogrammetrie.
1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, in der plastischen Chirurgie sei es notwendig, die Oberfläche eines Objekts (sujet) in drei Dimensionen zu rekonstruieren (Abs. 2).
Je nach Größe der relevanten Oberfläche des Körpers bestünden unterschiedliche Anforderungen an die Größe des Aufnahmefeldes (Abs. 3). So könne bei Aufnahmen des Gesichts das Aufnahmeformat in etwa der A4-Größe entsprechen, bei Aufnahmen des Rumpfs in etwa der A3-Größe. In der Praxis seien für die Rekonstruktion anatomischer Oberflächen zwei separate Geräte erforderlich, weil es aufgrund der hohen Präzisionsanforderungen nicht möglich sei, bewegliche Teile in den Optiken zu haben, und die Geräte deshalb eine feste Fokussierungsebene hätten (Abs. 5). Der Fachmann, der für beide Anwendungen ein einziges tragbares System einsetzen wolle, verwende ein für den Körper optimiertes System, was bei der Rekonstruktion von Gesichtsoberflächen jedoch zu einem Genauigkeitsverlust führe (Abs. 11).
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, mit einer einzigen Vorrichtung unterschiedlich große Teile des Körpers jeweils mit guter Auflösung aufnehmen zu können.
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1.0 Dispositif pour la prise de vue Vorrichtung zur Aufnahme von Teien stéréophotogrammétrie de len des Körpers in Stereofotogramparties du corps, comprenant metrie, umfassend
1.1 un appareil de prise de vue (1) ein Aufnahmegerät (1),
1.2 une optique double (2)
eine Doppeloptik (2),
1.3 un système de mesure de dis- ein Entfernungsmesssystem (34). tance (34).
1.2.1 L’optique double (2) est munie Die Doppeloptik (2) ist mit zwei de deux sous-optiques (2b, 2c) Teiloptiken (2b, 2c) ausgestattet,
1.2.1.1 permettant d’obtenir deux prises de vue simultanées selon chacune un angle différent.
die es ermöglichen, zwei zeitgleiche Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln zu erhalten.
1.3.1 Le système de mesure de distance (34) est configuré pour signaler l’utilisateur que la distance entre le dispositif et une partie du corps à reproduire correspond à une distance cible de prise de vue Das Entfernungsmesssystem (34) ist ausgebildet, dem Benutzer zu signalisieren, dass die Entfernung zwischen der Vorrichtung und einem Teil des Körpers, der reproduziert werden soll, einer definierten Aufnahme-Zielentfernung entspricht,
1.3.2 définie parmi au moins deux aus mindestens zwei vordefinierten distances prédéfinies distinctes unterschiedlichen Entfernungen,
1.3.3 correspondant chacune à un format (A4, A3) de reproduction d’image différent.
die jede einem verschiedenen Bildreproduktionsformat (A4, A3) entsprechen.
4. Patentanspruch 14 schützt ein Verfahren, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
14.0 Procédé comprenant l’utilisa- Verfahren, das die Verwendung eition d’un dispositif selon l’une ner Vorrichtung nach den Ansprüquelconque des revendications chen 1 bis 13 umfasst, umfassend 1 à 13, comprenant les étapes die folgenden Schritte: suivantes:
14.1 une sélection (100) d'une dis- ein Auswählen (100) der Zielentfertance cible nung
14.4 parmi au moins deux distances prédéfinies de prise de vue, correspondant chacune à un format (A4, A3) de reproduction d’image différent,
aus mindestens zwei vordefinierten Aufnahmeentfernungen, die verschiedenen Bildreproduktionsformaten (A4, A3) entsprechen,
14.2 un placement relatif (200) de l’appareil de prise de vues et d’un sujet à la distance cible au moyen du système de mesure (34),
ein relatives Platzieren (200) des Aufnahmegerätes und eines Objekts in der Zielentfernung mittels eines Messsystems (34),
14.5 qui signale que la distance entre le dispositif et une partie du corps à reproduire correspond à ladite distance cible,
das signalisiert, dass die Entfernung zwischen der Vorrichtung und einem Teil des Körpers, der reproduziert werden soll, der Zielentfernung entspricht,
14.3 puis une réalisation (300) d’une ou plusieurs prises de vue à la distance cible.
anschließend ein Ausführen (300) von einer oder mehreren Aufnahmen in der Zielentfernung.
5. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.
a) Wie das Patentgericht zutreffend und insoweit nicht angegriffen angenommen hat, ist als Körper im Sinne von Merkmal 1.0 der menschliche Körper zu verstehen.
Dies ergibt sich aus der Verwendung des bestimmten Artikels in Patentanspruch 1 und den auf diesen Begriff bezogenen Ausführungen in der Beschreibung, die sich durchweg auf Aufnahmen des menschlichen Körpers (zum Beispiel Gesäß, Hände, Brust) beziehen. Auch in den Figuren sind nur Teile des menschlichen Körpers als Aufnahmeobjekte dargestellt.
b) Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die Eignung einer Vorrichtung zur Stereofotogrammetrie im Sinne von Merkmal 1.0 nicht zwingend ein optisches System mit festen Teilen erfordert.
aa) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat und auch die Berufungserwiderung nicht in Zweifel zieht, erfordert die Eignung für Stereofotogrammetrie im Sinne von Merkmal 1.0 allerdings eine Kalibrierung des Aufnahmegeräts, d. h. hinreichend genaue Kenntnisse über die geometrischen Gegebenheiten der Optik.
Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Streitpatents, die den Begriff Stereofotogrammetrie dahin definiert, dass Bilder eines Objekts aus mindestens zwei verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen werden, und zwar mit einem kalibrierten Aufnahmegerät, d. h. einem Gerät, dessen Geometrie der Optik genau bekannt ist (Abs. 4).
bb) Weder hieraus noch aus der zusätzlichen Vorgabe in Merkmal 1.0, wonach die Vorrichtung für Stereofotogrammetrie an Teilen des menschlichen Körpers geeignet sein muss, ergibt sich jedoch eine Festlegung auf optische Systeme ohne bewegliche Teile.
(1) Patentanspruch 1 sieht ein solches Erfordernis nicht ausdrücklich vor.
(2) Die Beschreibung des Streitpatents führt wie bereits erwähnt aus, wegen der erforderlichen geometrischen Präzision sei es in der Praxis nicht möglich, bewegliche Teile in der Optik zu haben (Abs. 5).
Diese Angabe bezieht sich jedoch auf die im Stand der Technik übliche Vorgehensweise bei der Rekonstruktion anatomischer Oberflächen. Patentanspruch 1 gibt als Einsatzzweck demgegenüber nur die Aufnahme von Teilen des Körpers vor.
(3) An anderer Stelle der Beschreibung wird ausgeführt, die Genauigkeit der für die Stereofotogrammetrie erforderlichen Kalibrierung der optischen Systeme sei im Allgemeinen so hoch, dass die Teile des optischen Systems notwendigerweise fest seien (Abs. 23).
Diese Ausführungen nehmen auf die oben wiedergegebenen Angaben Bezug, befassen sich also ebenfalls mit der in Patentanspruch 1 nicht zwingend vorgesehenen Rekonstruktion anatomischer Oberflächen. Darüber hinaus lässt die Wendung "im Allgemeinen" erkennen, dass selbst für diesen Einsatzzweck eine abweichende Ausgestaltung nicht ausgeschlossen ist.
c) Vor diesem Hintergrund ergeben sich, wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, aus dem in Merkmal 1.0 definierten Einsatzzweck auch keine exakten Anforderungen an die Präzision der Vorrichtung oder der Kalibrierung.
aa) Aus den bereits erwähnten Ausführungen zum Einsatz von optischen Systemen ohne bewegliche Teile ergeben sich auch unter diesem Aspekt keine zwingenden Festlegungen, weil der dafür angegebene Einsatzzweck - die Rekonstruktion anatomischer Oberflächen - in Patentanspruch 1 nicht zwingend vorgegeben ist.
bb) Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus den Veröffentlichungen von Campana et al. (3D Imaging, in: Fimiani et al., Technology in Practical Dermatology, 2020, S. 251-256, MHP1) und Skvara et al. (Quantification of skin lesions with a 3D stereovision camera system: validation and clinical applications, Skin Research and Technology 2013; 19:e182–e190, MHP4) keine weitergehenden Festlegungen.
Beide Veröffentlichungen befassen sich mit der optischen Erfassung von Hautverletzungen. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, eine "Auto-Kalibrierung" genüge, wenn nur Stereovision von Interesse sei. Eine "absolute" Kalibrierung sei hingegen erforderlich, um nützliche geometrische Messungen durchführen zu können (MHP1 S. 252 links unten, MHP4 e183 links oben).
Diese Ausführungen lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, dass der Begriff "Stereofotogrammetrie" generell mit einer "absoluten" Kalibrierung verknüpft ist. Ähnlich wie in der Beschreibung des Streitpatents, die eine hohe Präzision für die dreidimensionale Rekonstruktion als erforderlich bezeichnet, steht in MHP1 und MHP4 mit der Vermessung von Hautverletzungen ein bestimmter Einsatzzweck im Vordergrund, der in Patentanspruch 1 nicht zwingend vorgegeben ist.
d) Anforderungen an die Kalibrierung ergeben sich jedoch aus der Merkmalsgruppe 1.3.
Wie die Berufung zu Recht geltend macht, ist es zur Verwirklichung der in diesen Merkmalen definierten Vorgabe nicht ausreichend, wenn eine Kamera stufenlos an beliebig viele Aufnahmeentfernungen angepasst werden kann.
aa) Vordefiniert im Sinne von Merkmal 1.3.2 ist eine Entfernung, wenn sie nicht durch einen vorgefundenen Abstand zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt bestimmt wird, sondern aufgrund bestimmter Eigenschaften der Kamera.
Die Merkmalsgruppe 1.3 definiert ihrem Wortlaut nach zwar nur Eigenschaften des Entfernungsmesssystems. Diese Merkmale sind aber entsprechend der Funktion auszulegen, die ihnen im Kontext der Erfindung zukommt.
Die Funktion des Entfernungsmessers besteht nach der Lehre des Streitpatents darin, dem Benutzer die Möglichkeit zu geben, die Entfernung zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt auf bestimmte vordefinierte Werte einzustellen.
Wenn der vorgefundene Abstand nicht mit dem vordefinierten Wert übereinstimmt, erfolgt die Angleichung nicht durch Fokussieren der Kamera, sondern durch Verändern des Abstands zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt.
Diese Funktionsweise hat zwar keinen ausdrücklichen Niederschlag in den Merkmalen 1.0 bis 1.2 gefunden. Sie liegt aber der Anforderung "definiert" bzw. "vordefiniert" in den Merkmalen 1.3.1 und 1.3.2 zugrunde. Eine Definition in diesem Sinne besteht nicht in der willkürlichen Auswahl einzelner Werte, sondern in der Festlegung bestimmter Entfernungen, die sich aufgrund der Beschaffenheit der Optik von anderen Entfernungen unterscheiden.
bb) Ein dafür maßgebliches Kriterium kann das bereits erwähnte, aus Merkmal 1.0 folgende Erfordernis der Kalibrierung darstellen.
Nach den bereits oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschreibung kann eine Kamera aufgrund der Anforderungen an die Präzision der Abbildung so ausgestaltet sein, dass Aufnahmen nur aus bestimmten Entfernungen möglich sind. Merkmal 1.0 definiert zwar keine konkreten Vorgaben bezüglich der Präzision. Die Anforderung, dass das Entfernungsmesssystem für vordefinierte Entfernungen geeignet sein muss, lässt vor dem aufgezeigten Hintergrund aber erkennen, dass sich eine vordefinierte Entfernung von anderen Entfernungen zum Beispiel dadurch unterscheiden kann, dass die Vorrichtung aufgrund der Kalibrierung eine Aufnahmegenauigkeit ermöglicht, die bei anderen Entfernungen nicht erreicht werden kann.
Dies steht in Einklang mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents, wonach die vordefinierten Entfernungen vorteilhaft innerhalb des Bereichs festgelegt werden können, der der Feldtiefe des Geräts entspricht (Abs. 14). Bei einem System mit fester Fokussierung kann dies durch eine Feldtiefe erreicht werden, die in beiden Entfernungen ein scharfes Bild ermöglicht (Abs. 23).
cc) Für dieses Verständnis spricht auch die Vorgabe in Merkmal 1.3.1, wonach das Entfernungsmesssystem so ausgebildet sein muss, dass es das Einhalten einer definierten Entfernung zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt signalisieren kann.
Eine solche Ausgestaltung ist nur dann erforderlich, wenn der Benutzer dafür sorgen muss, dass die Entfernung zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt einer bestimmten Vorgabe entspricht. Sie ist hingegen entbehrlich, wenn die Kamera an jede beliebige Entfernung angepasst werden kann. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sich die Vordefinition nicht in einer willkürlichen Auswahl einzelner Entfernungen erschöpfen darf.
dd) Bestätigt wird dieses Verständnis durch Merkmal 1.3.3, wonach jede vordefinierte Entfernung einem unterschiedlichen Bildreproduktionsformat entsprechen muss.
Die in Merkmal 1.3.3 verwendeten Bezugszeichen (A4, A3) sind zwar nicht als Festlegung auf die entsprechenden Papierformate zu verstehen, die bei der Beschreibung der Ausführungsbeispiele als vorteilhaft bezeichnet werden (Abs. 46). Aus der Anforderung, dass es sich um unterschiedliche Formate handeln muss, ergibt sich aber, dass sich die einzelnen Formate deutlich voneinander unterscheiden müssen. Dies erfordert einen hinreichend großen Abstand zwischen den einzelnen vordefinierten Entfernungen.
Der Umstand, dass einzelne Entfernungen vordefiniert sind, führt dazu, dass auch die damit korrespondierenden Bildreproduktionsformate im Voraus definiert sind. Dies hat Vorteile bei der Bestimmung der Abmessungen der abgebildeten Objekte und bei der anhand dieser Messwerte erstellten dreidimensionalen Reproduktion.
e) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die Vorgabe aus Merkmal 1.2.1.1, wonach zwei zeitgleiche Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln möglich sein müssen, auch dann erfüllt ist, wenn die optischen Achsen der beiden Teiloptiken parallel ausgerichtet sind, die beiden Teiloptiken aber einen räumlichen Abstand voneinander aufweisen.
aa) Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, ist der Aufnahmewinkel zwischen Optik und Aufnahmeobjekt auch unter diesen Voraussetzungen unterschiedlich. Entgegen der Auffassung der Berufung ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen, dass die optischen Achsen der beiden Teiloptiken unabhängig von einem Aufnahmeobjekt in unterschiedlichem Winkel ausgerichtet sein müssen, also nicht parallel verlaufen dürfen.
Merkmal 1.2.1.1 gibt nicht vor, wie die beiden Teiloptiken zueinander ausgerichtet sein müssen. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr, dass zwei zeitgleiche Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln möglich sind. Den maßgeblichen Bezugspunkt bildet mithin das Aufnahmeobjekt. Dieses ist bereits in Merkmal 1.0 definiert, nämlich als Teil des menschlichen Körpers.
bb) Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus dem Umstand, dass die Darstellungen in den Figuren 2 bis 6 des Streitpatents eine konvergierende Anordnung andeuten und dass eine solche Anordnung bei der Stereofotogrammetrie üblich ist, keine weitergehenden Anforderungen.
Patentanspruch 1 legt sich insoweit weder auf die Ausgestaltung nach den Ausführungsbeispielen noch auf eine im Stand der Technik übliche Anordnung fest. Auch der Beschreibung sind keine diesbezüglichen Hinweise zu entnehmen.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch die Bedienungsanleitungen für die Kameramodelle "Verascope F 40" (D8) und "Stereo Realist" (D10) jeweils vollständig offenbart. Beide Kameras wiesen eine Einrichtung zum Fokussieren auf, die unendlich viele Aufnahmeentfernungen ermögliche und dem Benutzer die Entfernung und die Schärfentiefe für die verschiedenen Blenden anzeige. Dies reiche entgegen der Auffassung der Beklagten zur Verwirklichung von Merkmalsgruppe 1.3 aus.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei darüber hinaus durch die USamerikanische Offenlegungsschrift 2011/0085142 (D11) nahegelegt. Die darin offenbarte Kamera weise einen Fokusmechanismus auf, der entsprechend der von einem Sensor ermittelten und an eine Steuerung weitergegebenen Abstandsdaten manuell eingestellt werden könne. In D11 sei zwar nicht angegeben, dass das Entfernungsmesssystem die gemessene Entfernung anzeige. Dies ergebe sich aber in naheliegender Weise aus den weiteren Erläuterungen in D11.
Das in Hilfsantrag 1 vorgesehene zusätzliche Merkmal sei in D11 offenbart, das nach Hilfsantrag 2 vorgesehene Merkmal in D8, D10 und D11.
Die mit Hilfsantrag 3 beanspruchte Verwendung sei durch D8 und D10 nahegelegt. Es stelle eine übliche Verwendung dieser Kameras dar, sie entsprechend den vordefinierten Angaben auf dem Fokusrad in verschiedenen Aufnahme-Zielentfernungen einzusetzen.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch D8 nicht vollständig offenbart.
a) D8 enthält die Bedienungsanleitung für eine Hochpräzisionskamera mit der Bezeichnung "Verascope F 40", mit der stereoskopische oder mononormale Aufnahmen auf perforiertem 35-mm-Film gemacht werden können (S. 1 Abs. 1).
Die Kamera ist auf den nachfolgenden Fotografien aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt.
- 16 - Die Kamera umfasst ein Gehäuse mit zwei seitlich zueinander beabstandeten, parallel ausgerichteten Objektiven. Die Optik bietet Einstellmöglichkeiten für Blende, Verschlusszeit und Fokus (S. 7, S. 10 f., S. 13). Die Fokussierung erfolgt mittels eines Rades (6), mit dem die Objektivplatte vor- und zurückbewegt werden kann.
Der korrekte Fokus kann mit Hilfe einer Anzeige im Okular des Entfernungsmessers eingestellt werden, die in der nachfolgenden Abbildung dargestellt ist:
Die Kamera ist korrekt auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtet, wenn die beiden Einzelbilder zusammenfallen und ein einheitliches Bild ergeben (S. 12).
b) Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, sind damit die Merkmale 1.1, 1.2, 1.2.1 und 1.3 offenbart.
c) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass auch Merkmal 1.0 offenbart ist.
Wie oben dargelegt wurde, ergeben sich aus Merkmal 1.0 keine exakten Anforderungen an die Art oder Genauigkeit der Kalibrierung. Vor diesem Hintergrund hat es das Patentgericht zutreffend als ausreichend angesehen, dass die in D8 beschriebene Kamera für stereoskopische Aufnahmen des menschlichen Körpers geeignet ist und damit gewonnene Bilder eine Rekonstruktion des aufgenommenen Körperteils ermöglichen.
d) Merkmal 1.2.1.1 ist ebenfalls offenbart.
Wie oben dargelegt wurde, genügt es zur Verwirklichung dieses Merkmals, dass die beiden Objektive der Kamera mit räumlichem Abstand voneinander angeordnet sind. Dass ihre optischen Achsen parallel ausgerichtet sind, schadet nicht.
e) Nicht offenbart sind die Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3.
Wie bereits aufgezeigt wurde, genügt es zur Verwirklichung dieser Merkmale nicht, dass die Kamera eine Fokussierung für beliebige Entfernungen ermöglicht, wie dies in D8 beschrieben ist.
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts reicht auch nicht aus, dass auf dem Einstellring für die Fokussierung einzelne Entfernungen markiert sind. Erforderlich wäre vielmehr, dass es einzelne, im Voraus festgelegte Entfernungen gibt, die sich durch eine höhere Fokussiergenauigkeit oder sonstige Merkmale von anderen Entfernungen unterscheiden, und deshalb das Bedürfnis besteht, den Abstand zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt mit Hilfe des Entfernungsmesssystems auf einen vordefinierten Wert einzustellen. Vordefinierte Entfernungen in diesem Sinne sind in D8 nicht offenbart.
2. Für D10 gilt nichts anderes.
a) D10 enthält die Bedienungsanleitung für eine als Stereo Realist bezeichnete Kamera, die grundsätzlich auf dieselbe Weise funktioniert wie die in D8 beschriebene Kamera.
Die einzelnen Bauteile der Kamera sind in der nachfolgend wiedergegebenen Fotografie dargestellt.
Die Kamera umfasst unter anderem einen Entfernungsmesser und einen damit gekoppelten Scharfstellknopf (2), eine Schärfentiefenskala (4), zwei Objektive (14), einen Entfernungsmesser mit einem Fenster (15) und Einstellringe für Verschlusszeit (17) und Blendenöffnung (19).
Der Scharfstellknopf (2) ist in der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung dargestellt.
b) Damit sind aus denselben Gründen wie bei D8 die Merkmale 1.0 bis 1.3 offenbart, nicht aber die Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3.
Auch bei der in D10 beschriebenen Kamera sind einzelne Entfernungen nur dadurch hervorgehoben, dass sie auf dem Scharfstellknopf angegeben sind. Dies reicht für eine Vordefinition im Sinne der genannten Merkmale nicht aus.
3. Der in D11 offenbarte Gegenstand unterliegt keiner anderen Beurteilung.
a) D11 betrifft stereografische Aufnahmen im Kontext mit Bildern und (Kino-)Filmen mit 3D-Effekt.
Beim Fotografieren oder Aufnehmen von Kinofilmen würden häufig Objektive mit fester Brennweite verwendet (Abs. 10). Ein stereografisches Kamerasystem erfordere daher für jede Brennweite ein passendes Objektivpaar (Abs. 11).
Zur Verbesserung schlägt D11 ein stereografisches Kamerasystem mit einem Zoom-Mechanismus zum synchronen Einstellen der Brennweiten beider Objektive vor.
Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
Die stereografische Kameravorrichtung (100) umfasst zwei Kameras (110R, 110L). Deren Objektive (112L, 112R) können parallel oder konvergierend ausgerichtet sein (Abs. 19).
Die beiden Objektive (112L, 112R) können manuell oder automatisch auf einen gemeinsamen, einstellbaren Fokusabstand (FD) fokussiert werden. Der Sensor zur Bestimmung des Abstands zwischen den Kameras und dem Hauptmotiv kann ein akustischer Entfernungsmesser, ein optischer oder Laser-Entfernungsmesser oder ein anderes Entfernungsmessgerät sein (Abs. 21). Zudem kann eine Konvergenzdistanz (CD) eingestellt werden, an der die Achsen der Kameras konvergieren. Schließlich können die Objektive über eine automatische oder manuelle Zoomfunktion verfügen (Abs. 23). Die Brennweiten können gleich oder unterschiedlich eingestellt werden; sie können auf eine Vielzahl vorbestimmter Brennweiten vorgegeben werden (Abs. 23, 25, 31).
b) Damit sind die Merkmale 1.0 bis 1.3 offenbart.
c) D11 offenbart entgegen der Ansicht des Patentgerichts nicht die Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3.
Wie die in D8 und D10 beschriebenen Kameras kann auch die in D11 vorgeschlagene Kamera auf beliebige Abstände fokussiert werden. Bestimmte, im Voraus festgelegte Entfernungen, die sich gegenüber anderen Entfernungen durch erhöhte Präzision oder in sonstiger Weise auszeichnen, sind nicht vorgesehen.
4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
Ausgehend von D8, D10 oder D11 lag es nicht nahe, für die dort beschriebenen bzw. vorgeschlagenen Kameras vordefinierte Entfernungen im Sinne der Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3 zu bestimmen. Für eine solche Festlegung bestand schon deshalb kein Anlass, weil die Kameras eine Fokussierung auf beliebige Entfernungen ermöglichen und eine Anpassung durch Verändern des Abstands zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt deshalb nicht erforderlich ist.
Die abweichende Ausgestaltung nach dem Streitpatent stellt im Vergleich dazu keine bloße Verschlechterung dar. Die Definition bestimmter Entfernungen ermöglicht es vielmehr, die Kamera so auszugestalten, dass bei diesen Entfernungen eine höhere Präzision erzielt wird.
5. Entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung war der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch ausgehend von der internationalen Patentanmeldung 2010/097572 (D3) nicht nahegelegt.
a) D3 betrifft einen Adapter für eine Vorrichtung zur stereoskopischen Bildgebung mit einer gewöhnlichen Kamera (S. 1, Z. 3-5).
D3 führt aus, stereoskopisch aufgenommene Bilder könnten mit Hilfe von Computermodellen analysiert werden, um dreidimensionale Darstellungen von Objekten, beispielsweise Wunden, zu erstellen (S. 1 Abs. 7 ff.). D3 schlägt vor, die Ausleuchtung des Objekts bei solchen Aufnahmen durch zusätzliche Polarisationselemente zu verbessern.
Als Stand der Technik beschreibt D3 ein System namens MAVIS, das auch im Streitpatent (Abs. 6) als zur Stereofotogrammetrie geeignet bezeichnet wird. Dieses ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1A und 1B dargestellt.
- 24 - Das System umfasst das Gehäuse (2) einer handelsüblichen Spiegelreflexkamera vom Typ Canon 400D, ein herkömmliches Blitzgerät (7) und einen Adapter (3) mit zwei Öffnungen (4, 5), der die Anfertigung von Stereoaufnahmen ermöglicht. Die Daten aus den beiden Bildern können mit geeigneter Software analysiert werden, um eine dreidimensionale Darstellung des Motivs zu erstellen (S. 11 Z. 25 bis S. 12 Z. 29).
Der Adapter umfasst zwei Leuchtdioden (6a, 6b). Diese sind jeweils mit einer Fokussierlinse versehen, um einen Lichtstrahl zu erzeugen, und so angeordnet, dass die Strahlen konvergieren und sich in einem Punkt treffen, der einen festen und gewünschten Abstand vom Gerät hat. Dieser Abstand entspricht demjenigen, auf den das Kameraobjektiv fokussiert ist (S. 12 Z. 7-13).
Als Nachteil dieser Anordnung führt D3 an, das Blitzgerät (7) ermögliche nur eine ungleichmäßige Beleuchtung des aufzunehmenden Objekts, was die Analyse der Stereobilder erschwere (S. 12 Z. 31 bis S. 13 Z. 14).
Zur Verbesserung schlägt D3 einen Adapter mit zwei Blitzgeräten vor (S. 14 Z. 5 bis S. 15 Z. 18). Ein Beispiel dafür ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt.
b) Damit sind die Merkmale 1 bis 1.3.1 offenbart. 100 Insbesondere gibt es eine definierte Aufnahme-Zielentfernung im Sinne von Merkmal 1.3.1, nämlich den Abstand, auf den das Kameraobjektiv fokussiert ist. 101 c) Nicht offenbart sind die Merkmale 1.3.2 und 1.3.3. 102 Die beiden Leuchtdioden (6a, 6b) sind nur für die Einstellung einer einzigen voreingestellten Entfernung geeignet, nämlich desjenigen Abstands, auf den das Kameraobjektiv fokussiert ist.
d) Ausgehend von D3 war eine Festlegung von mehr als einer vordefinierten Entfernung nicht naheliegend.
Das in D3 offenbarte System ist zwar für eine solche Ausgestaltung geeignet, wenn die Tiefenschärfe des Objektivs so ausgestaltet wird, dass trotz fester Fokussierung in mehreren Entfernungen ein scharfes Bild angefertigt werden kann. Aus D3 ergab sich jedoch nicht die Anregung, das System in dieser Weise weiterzuentwickeln.
Wie bereits dargelegt steht bei D3 nicht die Fokussierung im Mittelpunkt, sondern die Ausleuchtung. Hinweise, sich ergänzend mit der Frage zu befassen, wie eine Aufnahme aus mehr als einer vordefinierten Entfernung ermöglicht werden kann, enthält die Entgegenhaltung nicht.
Das von der Klägerin angeführte Bedürfnis nach einer solchen Möglichkeit für stereografische Aufnahmen im Bereich der plastischen Chirurgie vermag eine solche Anregung nicht zu ersetzen. Aus der Artikulierung dieses Bedürfnisses ergab sich kein Ansatzpunkt für eine mögliche Lösung.
6. Aus der US-amerikanischen Patentanmeldung 2006/0263081 (D2) ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
a) D2 befasst sich mit einem Diffusoraufsatz für Kameras mit eingebautem Blitz.
D2 führt aus, insbesondere bei Kameras, die im nicht-professionellen Bereich eingesetzt würden, leuchte ein eingebauter Blitz das aufzunehmende Objekt bei Nahaufnahmen nur ungleichmäßig aus (Abs. 1 ff.).
Als Lösung wird ein Diffusoraufsatz (10) vorgeschlagen, der an der Vorderseite der Kamera installiert werden kann und das Blitzlicht mit Hilfe von Linsen (16, 20) streut. Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt.
Der Diffusoraufsatz umfasst unter anderem ein Entfernungsmesssystem. Dieses besteht aus vier Leuchtdioden (50-53). Diese erzeugen zwei Paare von Lichtstrahlen (56, 57), die sich in unterschiedlicher Entfernung vom Gehäuse (12) in einem Punkt (58) kreuzen. Jedes Paar von Lichtstrahlen ermöglicht es, den Diffusor (10) in reproduzierbarer Entfernung zu einem Aufnahmeobjekt zu positionieren (Abs. 34).
Die Positionierung in einer durch ein Paar von Lichtstrahlen angezeigten Entfernung ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 dargestellt.
b) Damit ist die Merkmalsgruppe 1.3 vollständig offenbart. 114 Wie das Patentgericht in dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis zutreffend dargelegt hat, ergibt sich aus den Ausführungen zur Möglichkeit, verschiedene reproduzierbare Entfernungen vorzugeben, hinreichend deutlich, dass sich die Bildreproduktionsformate voneinander unterscheiden, wie dies nach Merkmal 1.3.3 erforderlich ist. 115 c) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ergab sich aus D2 nicht die Anregung, das in D3 offenbarte System um einen Entfernungsmesser nach dem Vorbild von D2 zu ergänzen. 116 aa) Wie D3 befasst sich allerdings auch D2 mit einer verbesserten Ausleuchtung. Ausgehend von D3 bestand aber kein Anlass, eine verbesserte Ausleuchtung für mehr als eine vordefinierte Entfernung vorzusehen, weil das optische System anders als die in D3 offenbarten Fotoapparate keine Anpassung der Fokussierung ermöglicht. Eine Anregung, bei dem in D3 offenbarten System durch hinreichend große Schärfentiefe oder durch sonstige Maßnahmen mehrere vordefinierte Aufnahmeentfernungen zu ermöglichen, ergab sich auch aus D2 nicht.
bb) Aus den Ausführungen in der Beschreibung von D2, die Entfernungsanzeige bei Fotografien im Nahbereich biete den Vorteil eines wiederholbaren Maßstabs, was vor allem für medizinische Anwendungen und die Messung anderen organischen Wachstums von Bedeutung sei (Abs. 39), ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.
Diesen Vorteil macht sich zwar auch das Streitpatent zunutze. Um zur geschützten Lehre zu gelangen, hätte es aber der abstrahierenden Überlegung bedurft, dass dieser Vorteil unabhängig von dem in D2 vorgeschlagenen Diffusor genutzt werden kann. Hierfür ergaben sich aus D2 keine Hinweise. Unabhängig davon wäre auch dieser Vorteil für die in D3 offenbarte Vorrichtung nur dann von Bedeutung, wenn deren Optik für mehr als eine vordefinierte Entfernung vorgesehen wäre.
7. Aus der Beschreibung einer Stereokamera des Anbieters Kodak (D7) ergaben sich ebenfalls keine weitergehenden Anregungen.
a) D7 enthält die Bedienungsanleitung für eine Stereokamera.
Die Kamera umfasst zwei Objektive, die es ermöglichen, zwei zeitgleiche Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln zu erhalten. Einige Bedienelemente sind in der nachfolgend wiedergegebenen Fotografie dargestellt.
Die Kamera bietet Einstellmöglichkeiten für Blende (2), Belichtungszeit (1) und Fokus (3), die sich jeweils auf beide Objektive auswirken (S. 14).
Die Einstellmöglichkeiten für die Entfernung sind in den beiden nachfolgend wiedergegebenen Fotografien dargestellt.
- 32 - Am linken Objektiv sind Markierungen für Nah-, Gruppen- und Landschaftsaufnahmen angebracht (S. 22). Am rechten Objektiv ist eine vollständige Entfernungsskala mit einem Bereich zwischen vier Fuß und unendlich angebracht (S. 15). Auf einem zweiten Ring sind Werte für die Blende aufgetragen, mit deren Hilfe die Tiefenschärfe abgelesen werden kann (S. 23 f.).
b) Damit sind die Merkmale 1.1 bis 1.2.1.1 offenbart.
c) Zu Recht ist das Patentgericht in seinem qualifizierten Hinweis zu dem Ergebnis gelangt, dass D7 kein Entfernungsmesssystem im Sinne von Merkmal 1.3 offenbart.
d) Ebenfalls nicht offenbart sind vordefinierte Entfernungen im Sinne der Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3.
Die Unterteilung in drei Entfernungsbereiche könnte zwar dafür sprechen, dass es bei der in D7 beschriebenen Kamera drei vordefinierte Entfernungen gibt. Die Ausführungen zur Anzeige am rechten Objektiv deuten aber darauf hin, dass Zwischeneinstellungen möglich sind.
Unabhängig davon ergibt sich aus D7 nicht eindeutig, dass die Objektive für die drei hervorgehobenen Einstellungen besondere Eigenschaften aufweisen.
e) Ausgehend von D7 bestand kein Anlass, die dort beschriebene Kamera durch die Merkmale 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3 zu ergänzen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es nahelag, durch Ergänzung eines Entfernungsmessers eine präzisere Fokussierung zu ermöglichen. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus keine Anregung, den Entfernungsmesser so auszugestalten, dass er es ermöglicht, die Kamera in vordefinierten Entfernungen vom Aufnahmeobjekt zu positionieren.
f) Eine diesbezügliche Anregung ergab sich auch nicht aus D2.
D2 sieht verschiedene vordefinierte Entfernungen vor, um eine bessere Ausleuchtung bei Nahaufnahmen zu gewährleisten. D7 lässt nicht erkennen, dass vergleichbare Probleme auch bei der dort beschriebenen Kamera auftreten können. Aus D2 ergaben sich diesbezüglich keine hinreichenden Anregungen, weil dort Kameras mit eingebautem Blitz im Fokus stehen. Das in D7 beschriebene Gerät ist für den Einsatz mit externen Blitzgeräten vorgesehen (S. 30 f.)
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG mit § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Bacher Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm von Pückler Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.05.2022 - 2 Ni 73/20 (EP) -
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Häufigkeit | Paragraph | |
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1 | 83 | PatG |
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
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