8 W (pat) 33/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 33/17 Verkündet am 18. Oktober 2018
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 102 37 128.8 …
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2018 durch den Richter Dr. agr. Huber als Vorsitzenden sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel und Dr.-Ing. Dorfschmidt und die Richterin Uhlmann ECLI:DE:BPatG:2018:181018B8Wpat33.17.0 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B05B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 2017 aufgehoben und das Patent 102 37 128 erteilt.
Bezeichnung: Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine und entsprechende Anordnung.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2018,
Beschreibung, Seiten 1 bis 10, eingegangen am 29. April 2016,
Zeichnungen, Figuren 1, 3b, 4b und 5b gemäß der Offenlegungsschrift, Figuren 2, 3a, 4a und 5a, eingegangen am 29. April 2016.
Gründe I.
Die Patentanmeldung 102 37 128.8 mit der Bezeichnung „Rotationszerstäuberturbine“ ist am 13. August 2002 angemeldet und am 26. Februar 2004 offengelegt worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse B05B des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Erstbescheid vom 5. Februar 2016 ausgeführt, dass der Gegenstand des auf eine Rotationszerstäuberturbine gerichteten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik in Bezug auf die ältere, jedoch nachveröffentlichte Patentanmeldung WO 02/086515 A1 (D1) nicht neu sei. Auch der Gegenstand in Form des nebengeordneten Patentanspruchs 13, der auf einen Rotationszerstäuber gerichtet ist, sei nicht neu. Demgegenüber hat die Prüfungsstelle die auf ein Betriebsverfahren gerichteten Patentansprüche 14 bis 17 für patentfähig erachtet und hierfür eine Gewährbarkeit grundsätzlich in Aussicht gestellt.
Hierauf hat die Anmelderin einen geänderten Satz Patentansprüche 1 bis 5, eine neue Beschreibung und eine Überarbeitung eines neuen Zeichnungsblattes mit den Figuren 2, 3a und 5a sowie eine korrigierte Figur 4a am 29. April 2016 eingereicht und diese dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt.
In weiteren Bescheiden vom 23. August 2016 und 13. September 2017 hat die Prüfungsstelle die auf ein Betriebsverfahren gerichteten Patentansprüche 1 bis 4 jeweils für gewährbar erachtet, der auf eine Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine gerichtete Patentanspruch 5 sei jedoch nicht zulässig, da sein Gegenstand gegenüber den ursprünglichen Unterlagen erweitert sei. Der Nebenanspruch sei in Bezug auf die Formulierungen „Anströmeinrichtung“, „Ermittlungseinrichtung“ und „Steuereinrichtung“ jeweils unzulässig erweitert, da den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen jeweils keine entsprechenden Vorrichtungsbestandteile zu entnehmen seien.
Zuletzt hat die Anmelderin mit Eingabe vom 25. Oktober 2017 um „eine möglichst rasche Entscheidung nach Aktenlage gebeten“. Der zuvor gestellte „Antrag auf mündliche Verhandlung“ wurde dabei „ausdrücklich zurückgenommen“.
Mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 hat die Prüfungsstelle daraufhin die Patentanmeldung gemäß § 48 PatG und mit Bezug auf die Bescheide vom 23. August 2016 und 13. September 2017 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 9. November 2017 eingereichte und am 24. November 2017 begründete Beschwerde der Anmelderin.
In einem fernmündlichen Gespräch hat der Berichterstatter am 2. Oktober 2018 die Anmelderin informiert, dass nach seiner vorläufigen Ansicht zwar die Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine ursprünglich offenbart sei, allerdings diese Anordnung und auch das Betriebsverfahren nach Anspruch 1 möglicherweise nicht neu seien.
Die Anmelderin hat daraufhin mit Schreiben vom 24. September 2018 einen neuen Hauptanspruch und einen Hilfsantrag A eingereicht, die an Stelle der bisherigen Anträge treten sollten. Zuletzt hat die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung nur noch den Hilfsantrag A mit Ansprüchen 1 bis 5 als einen neuen Hauptantrag weiterverfolgt.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
„Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine mit einem Turbinenrad (1) zum Antrieb eines Glockentellers, wobei das Turbinenrad (1) einen kreisscheibenförmigen Läufer (3) aufweist und auf der glockentellerseitigen Stirnfläche des Läufers (3) zahlreiche Turbinenschaufeln (4) über den Umfang verteilt angeordnet sind, mit den folgenden Schritten: - Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Antriebsgas oder gegenläufige Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Bremsgas zum Abbremsen des Turbinenrades (1), gekennzeichnet durch die
- Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1) und die - Steuerung der Anströmung des Turbinenrades (1) mit dem Antriebsgas und/oder dem Bremsgas in Abhängigkeit von der ermittelten Drehrichtung des Turbinenrades (1).“
Der nebengeordnete Patentanspruch 5 lautet:
„Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine mit einem Turbinenrad (1) zum Antrieb eines Glockentellers, wobei das Turbinenrad (1) einen kreisscheibenförmigen Läufer (3) aufweist und auf der glockentellerseitigen Stirnfläche des Läufers (3) zahlreiche Turbinenschaufeln (4) über den Umfang verteilt angeordnet sind, mit a) einer Anströmeinrichtung zur Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Antriebsgas oder gegenläufige Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Bremsgas zum Abbremsen des Turbinenrades (1), gekennzeichnet durch b) eine Ermittlungseinrichtung zur Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1), und c) eine Steuerungseinrichtung zur Anströmung des Turbinenrades (1) mit dem Antriebsgas und/oder dem Bremsgas in Abhängigkeit von der ermittelten Drehrichtung des Turbinenrades (1).“
Die Anmelderin trägt vor, die vorliegenden Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche seien ursprünglich offenbart und patentfähig.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B05B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 2017 aufzuheben und das Patent 102 37 128.8 mit Ansprüchen 1 bis 5 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2018 zu erteilen.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2018,
Beschreibung Seiten 1 bis 10, eingegangen am 29. April 2016,
Zeichnungen Figuren 1, 3b, 4b und 5b gemäß Offenlegungsschrift, Figuren 2, 3a, 4a und 5a eingegangen am 29. 04. 2016.
Im Prüfungsverfahren wurden insgesamt folgende Druckschriften entgegengehalten:
D1 WO 02/086515 A1 D2 DE 30 02 206 C2 D3 DE 196 09 812 A1 D4 DE 693 06 975 T2 Hinsichtlich der weiteren Ansprüche sowie der weiteren Schriftsätze wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet, denn die Vorrichtung in Form einer Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine ist in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, darüber hinaus stellen die Gegenstände der im Beschwerdeverfahren beschränkten Patentansprüche 1 und 5 eine patentfähige Erfindung nach §§ 1 bis 5 PatG dar.
1. Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulausbildung oder entsprechend, der bereits einige Jahre Berufserfahrung als Entwickler von Zerstäubungsvorrichtungen aufweist und insbesondere auch Erfahrungen mit Rotationszerstäubern besitzt.
2. Die Erfindung betrifft ein Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine zum Antrieb eines Glockentellers sowie eine entsprechende Anordnung bzw. Vorrichtung hierzu (Beschreibungseinleitung der Offenlegungsschrift).
Die Patentanmeldung führt weiter aus, dass der Einsatz derartiger Rotationszerstäuber bekanntermaßen bei modernen Lackieranlagen erfolge, wobei hierbei Glockenteller zum Zerstäuben von Lacken von Druckluftturbinen mit hohen Drehzahlen angetrieben würden (Absatz [0002]). Eine besondere Problematik stelle dabei das Abbremsen der schnelllaufenden Turbine dar [0003], wobei es beim Stand der Technik nachteilig sei, dass das Turbinenrad unterhalb eines durch Abbremsen erreichten Grenzwertes nur noch durch Eigenreibung abgebremst werde [0006].
Der Erfindung liegt gemäß Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine bekannte Druckluftturbine mit einer optischen Erfassung der Drehzahl des Turbinenrades dahingehend zu verbessern, dass das Turbinenrad bei einem Bremsvorgang möglichst schnell zum Stillstand gebracht werden kann [0007].
3. Diese Aufgabe wird gemäß der Patentanmeldung mit einem Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 gelöst, der in einer gegliederten Form lautet:
A) Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine mit einem Turbinenrad (1) zum Antrieb eines Glockentellers,
AA) wobei das Turbinenrad (1) einen kreisscheibenförmigen Läufer (3) aufweist und auf der glockentellerseitigen Stirnfläche des Läufers (3) zahlreiche Turbinenschaufeln (4) über den Umfang verteilt angeordnet sind,
mit den folgenden Schritten: B) Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Antriebsgas oder gegenläufige Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Bremsgas zum Abbremsen des Turbinenrades (1), C) Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1) und die D) Steuerung der Anströmung des Turbinenrades (1) mit dem Antriebsgas und/oder dem Bremsgas in Abhängigkeit von der ermittelten Drehrichtung des Turbinenrades (1).
Die Aufgabe wird ebenfalls durch eine Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine nach Patentanspruch 5 gelöst:
a) Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine mit einem Turbinenrad (1) zum Antrieb eines Glockentellers,
aa) wobei das Turbinenrad (1) einen kreisscheibenförmigen Läufer (3) aufweist und auf der glockentellerseitigen Stirnfläche des Läufers (3) zahlreiche Turbinenschaufeln (4) über den Umfang verteilt angeordnet sind, mit b) einer Anströmeinrichtung zur Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Antriebsgas oder gegenläufige Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Bremsgas zum Abbremsen des Turbinenrades (1),
c) einer Ermittlungseinrichtung zur Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1), und d) einer Steuerungseinrichtung zur Anströmung des Turbinenrades (1) mit dem Antriebsgas und/oder dem Bremsgas in Abhängigkeit von der ermittelten Drehrichtung des Turbinenrades (1).
Auslegungsbedürftig in beiden Patentansprüchen sind die Begriffe Turbinenrad (1), kreisscheibenförmiger Läufer (3) und Turbinenschaufeln (4), die insbesondere in den Merkmalen AA) bzw. aa) der beiden Ansprüche enthalten sind. Dabei ist zu beachten, dass die Beschreibung zu Zeichnung 1 einen für den Fachmann offensichtlichen Bezeichnungsfehler in Form einer Verwechslung enthält. Das Bezugszeichen 1 wird laut Beschreibung [0027] fälschlich als „Turbinenrad“ benannt. Tatsächlich stellt die in Figur 1 dargestellte „Gesamtanordnung“ (1) mit der Welle (2) und dem Turbinenrad („Läufer“ 3) mit den Turbinenschaufeln (4) den Turbinenläufer dar. Unter Turbinenrad versteht der Fachmann das in der Anmeldung als „kreisscheibenförmiger Läufer“ bezeichnete Bauteil (3) der Turbine. Es wird auch Turbinenscheibe der Turbine bzw. des (Turbinen-)Läufers genannt und besteht in der Regel (auch) aus den dort angebrachten Turbinenschaufeln. Allerdings erkennt der Fachmann klar diese nominelle Verwechselung, so dass er das tatsächlich Offenbarte unmittelbar versteht. Er ordnet den in der Anmeldung verwendeten Begriffen die zutreffenden Fachausdrücke zu.
Gemäß Merkmal AA) bzw. aa) weist die Turbine bzw. der Turbinenläufer (Turbinenrad 1) ein kreisscheibenförmiges Turbinenrad (Turbinenläufer 3) auf, wobei an der Stirnseite der dem Glockenteller zugewandten Seite zahlreiche Turbinen- schaufeln (4) angeordnet sind (Figur 1). Diese sind über den Umfang (gleichmäßig) verteilt angeordnet. Die Turbinenschaufeln weisen demzufolge als äußerstes Teil des Turbinenrades (Turbinenläufer 3) in Richtung des Glockentellers.
4. Die Anmeldung enthält keine unzulässige Erweiterung gemäß § 38 PatG. Der Gegenstand des Patentanspruchs 5 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörig offenbart.
Die Prüfungsstelle hat den Gegenstand des Anspruchs 5 in seiner damaligen Fassung mit Eingabe vom 29. April 2016 (Merkmale a), b), c), d)) als unzulässig angesehen, da die beanspruchte Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei. Die Prüfungsstelle hat sich dabei auf die Formulierungen ‚Anströmeinrichtung‘, ‚Ermittlungseinrichtung‘ und ‚Steuerungseinrichtung‘ in den Merkmalen b), c) und d) bezogen, die sie als unzulässige Erweiterungen angesehen hat, da entsprechende „Einrichtungen“ an keiner Stelle der ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Form zu entnehmen seien. Ein Fachmann könne diese allgemeinen Begriffe nicht mitlesen, voraussetzen oder annehmen. Beispielsweise könne die Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades auch ohne eine „Ermittlungseinrichtung“ zur Ermittlung der Drehrichtung erfolgen, diese könne „auch durch Augenbeobachtung eines Bedieners erfolgen“. Entsprechendes gelte auch für die „Steuereinrichtung“.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Die Merkmale a), b), c), d) des gegenständlichen Patentanspruchs 5 entsprechen den jeweiligen Merkmalen A), B), C), D) des Verfahrensanspruchs 1 auch in ihrer Zuordnung – ausformuliert gemäß der Kategorie einer Vorrichtung. Die entsprechenden gegenständlichen Elemente der Anordnung sind überdies jeweils explizit „vorhanden“ bzw. offenbart.
Unter anderem ist in der Beschreibungseinleitung der Offenlegungsschrift bzw. in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, dass die Erfindung eine Rotationszer- stäuberturbine zum Antrieb eines Glockentellers betrifft. Die Rotationszerstäuberturbine weist dabei ein Turbinenrad (1) auf (s. u. a. die Figur 1 und die dazugehörige Beschreibung), wobei die Figur 1 auch eine „Anordnung“ zeigt (Merkmal a)).
Das in Figur 1 dargestellte Turbinenrad (1) des Rotationszerstäubers kann dabei mit einem Betriebsverfahren betrieben werden, das „zum Antrieb eines [nicht dargestellten] Glockentellers“ dient. Dabei erfolgt eine „Anströmung des Turbinenrades (1) mit einem Antriebsgas oder“ eine „gegenläufige Anströmung … mit einem Bremsgas zum Abbremsen des Turbinenrades (1)“ (ursprünglicher Patentanspruch 14). Damit ist dem Fachmann selbstverständlich (explizit) auch eine Anströmeinrichtung offenbart (Merkmal b), da für die Anströmung zwingend eine irgendwie geartete Vorrichtung vorhanden sein muss. Eine solche Anströmvorrichtung ist offensichtlich im Ausführungsbeispiel der Figur 1 lediglich aus Vereinfachungsgründen nicht eingezeichnet worden.
Ferner ist in diesem ursprünglichen Anspruch 14 offenbart, dass die „Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1)“ mit dem beanspruchten Verfahren erfolgt. Anhand des Ausführungsbeispiels mit den weiteren Figuren 2 bis 5a und der dazugehörigen Beschreibung (Abs. [0029] bis [0037] der Offenlegungsschrift, S. 7, Abs. 4 bis S. 9, Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung) ist ausführlich beschrieben und gezeigt, wie die Drehrichtung ermittelt wird. Hierzu sind Markierungen gezeigt und beschrieben, die zu Impulsdiagrammen führen, „die von dem Drehwertgeber erzeugt werden und eine Drehrichtungs- und Drehgeschwindigkeitserkennung ermöglichen“, [0030]. Die ursprünglichen Unterlagen offenbaren somit auch eine „Ermittlungseinrichtung zur Ermittlung der Drehrichtung des Turbinenrades (1)“ (Merkmal c)).
Die Steuerungseinrichtung des Merkmals d) ist nicht nur aus dem ursprünglichen Anspruch 14 in Bezug auf die dort beschriebene Steuerung der Anströmung des Turbinenrads implizit offenbart, darüber hinaus wird eine „elektronische Steuerung des Rotationszerstäubers“ in Abs. [0015] explizit genannt. Zudem ist der in der Offenlegungsschrift definierte Steuerungs-Begriff allgemein auf eine „Steuerung der Anströmung…“ bezogen [0019]. Damit ist auch eine Steuerungseinrichtung zur Anströmung des Turbinenrades mit Antriebs- und/oder Bremsgas in Abhängigkeit von der ermittelten Drehrichtung des Turbinenrades in den Ursprungsunterlagen offenbart.
Auch das hinzugefügte Merkmal aa) des geltenden Patentanspruchs 5 ist nahezu wörtlich so in den Ursprungsunterlagen formuliert (Abs. [0028] der Offenlegungsschrift bzw. S. 7, Abs. 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung), so dass somit der beanspruchte Gegenstand des Anspruchs 5 in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart ist.
5. Das Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine nach Patentanspruch 1 ist neu (§ 3 PatG), denn keine der im Stand der Technik aufgeführten Druckschriften weist sämtliche Merkmale des Anspruchs auf.
Die Druckschrift D1 (WO 01/086515 A1) mit älterem Zeitrang (Priorität 20. April 2001 bzw. Anmeldetag 16. April 2002) offenbart eine Vorrichtung zur Ermittlung der Drehzahl eines Rotationszerstäubers mit einem Glockenteller (bol tournant 5, Patentanspruch 1 und Figur 1). Figur 1 sowie die dazugehörige Beschreibung ab S. 6, Z. 29 ff. zeigen und beschreiben eine exemplarische Ausführungsvariante eines Rotationszerstäubers (pulvérisateur de peinture 2) mit einem Turbinenrad (turbine 6). Mit der Turbine soll der Glockenteller angetrieben werden (un bol de pulvérisation tournant, S. 1, Abs. 1). Mit dieser Vorrichtung bzw. Anordnung ist selbstverständlich auch der Betrieb einer derartigen Anordnung vorgesehen (Merkmal A)).
Darüber hinaus offenbart die D1 auch eine Anströmeinrichtung, bei der ein Luftstrom eine Turbine des Rotationszerstäubers antreibt. Die Turbine ist innerhalb des Gehäuses des Rotationszerstäubers einem Luftstrom ausgesetzt und treibt einen Dreh- bzw. Glockenteller an, wobei der Luftstrom durch in den Figuren 1 und 2 nicht gezeigte Leitungen der Turbine zugeführt wird („Le bol tournant 5 est lié en rotation à une turbine 6, logée dans le corps 3 du pulvérisateur 2 et soumise à un flux d'air amené par des conduits ici non représentés“, S. 6, Z. 32 – 34). Dabei sind Luftanschlüsse sowohl für den Antrieb als auch für das Abbremsen der Turbine vorhanden („…ces connexions incluant, entre autres, les raccordements des circuits d'air pour l'entraînement en rotation et le freinage de la turbine 6“, S. 7, Z. 6 und 7). Die beschriebene Anströmeinrichtung ermöglicht somit ein Anströmen des Turbinenrades mit einem Antriebsgas gemäß dem Merkmal B) des Anspruchs 1.
Die Turbine weist ebenfalls eine mit ihr verbundene Scheibe auf, auf der weiße und schwarze Sektoren mit unterschiedlichen Winkeln angebracht sind, die in einer elektronischen Einheit zu elektrischen Signalen umgewandelt werden (S. 5, Z. 14 ff.). Damit kann die Drehrichtung bestimmt werden („…de générer un signal représentatif de ce sens de rotation“, S. 5, Z. 19 und 20), so dass sowohl Geschwindigkeitsinformationen als auch Drehrichtungsinformationen verfügbar sind (Merkmal C)); damit soll auch die Zielsetzung der Streitanmeldung im Hinblick auf ein gezieltes Abbremsen des Glockentellers erreicht werden („Ainsi, on dispose à la fois d'une information de vitesse et d'une information de sens de rotation, ce qui rend possible le freinage de la turbine jusqu'à une vitesse pratiquement nulle…“, S. 5, Z. 20 bis 23).
Die Vorrichtung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine der D1 weist auch ein Steuermodul und somit eine Steuereinrichtung zur Steuerung der Geschwindigkeit der Turbine auf (S. 6, Z. 11). Das über einen Fototransistor über einen Wandler erzeugte elektrische Signal ist proportional zu der Drehgeschwindigkeit und wird an dieses Steuermodul übertragen (S. 7, Z. 14 ff.). Dieses Steuermodul steuert somit die Anströmung der Antriebs- und Bremsluft und stellt eine entsprechende Steuerung nach Merkmal D) dar.
Das Merkmal AA) ist aus D1 jedoch nicht vollständig bekannt. Die Turbine (6) ist in der D1 nicht näher beschrieben oder in ihren Einzelheiten gezeigt, in den Figuren 1 und 2 ist sie lediglich als Rechteck dargestellt, die mit der Scheibe (disque 10) (gegebenenfalls einteilig) verbunden ist. Die Scheibe ist dabei rückseitig von der Turbine angebracht („…un disque (10), situé à l’arrière de la turbine (6)…“; Zusammenfassung, Patentanspruch 1 sowie Figurenbeschreibung S. 7, Z. 14 f.). Weitere Einzelheiten, wie beispielsweise die Turbinenschaufeln angeordnet sind, sind der D1 nicht zu entnehmen. Zwar ist für einen Fachmann implizit offenbart, dass die Turbine (6) ein beliebig gestaltetes kreisscheibenförmiges Turbinenrad (Läufer 3) aufweist oder gar nur aus diesem besteht, das zudem „zahlreiche Turbinenschaufeln über den Umfang verteilt angeordnet“ aufweist, es ist jedoch nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die Turbinenschaufeln auf der glockentellerseitigen Stirnfläche des Turbinenrades (Läufer 3) angeordnet sind. Neben einer solchen – dem Glockenteller zugewandten – Positionierung der Laufschaufeln ist beispielsweise auch eine Positionierung der Laufschaufeln zwischen zwei Scheiben (Radialturbine) möglich, so dass keine stirnseitige Anordnung vorliegt. Das Merkmal AA) des Anspruchs 1 ist somit nicht (vollständig) aus der D1 bekannt.
Die weiteren Druckschriften D2 bis D4 (DE 30 02 206 C2, DE 196 09 812 A1, DE 693 06 975 T2) liegen jeweils weiter ab. Sie beschreiben und zeigen jeweils Rotationszerstäubervorrichtungen mit einer Turbine und einer Sprühglocke, die insbesondere auch zur elektrostatischen Lackauftragung vorgesehen sind. Sie beschreiben damit auch entsprechende Betriebsverfahren, die jedoch lediglich den Oberbegriff der ursprünglich formulierten unabhängigen Patentansprüche (1, 13 und 14) abbilden, wie auch die Prüfungsstelle in ihrem Erstbescheid festgestellt hat. Alle drei Dokumente offenbaren damit jeweils kein Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine oder eine entsprechende Vorrichtung, bei der die Drehrichtung ermittelt oder die Umkehrung der Drehrichtung überhaupt angesprochen ist. Somit sind zumindest jeweils die Merkmale C) und D) des Betriebsverfahrens nach Patentanspruch 1 nicht bekannt.
Der Gegenstand des nebengeordneten, auf eine Anordnung zum Betrieb einer Rotationszerstäuberturbine gerichteten Patentanspruchs 5 ist ebenfalls neu. Dieser Anspruch – mit den seiner Kategorie entsprechenden gleichen Merkmalen wie Patentanspruch 1 – ist auf eine Anordnung gerichtet, mit der das Betriebsverfahren nach Anspruch 1 durchführbar ist. Der Anspruch 5 hat demzufolge nichts anderes als die Formulierung der in Patentanspruch 1 offenbarten Lehre in Form eines Vorrichtungsanspruchs zum Inhalt. Die Gesichtspunkte, die der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Patentanspruch 1 zugrunde liegen, gelten daher gleichermaßen zu Patentanspruch 8 (BGH GRUR 2009, 746, - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das Merkmal aa) des Anspruchs 5 ist überdies identisch zu dem Merkmal AA) des Anspruchs 1 formuliert, so dass die dort getroffenen Ausführungen zur Neuheit auch hier zutreffen. Das Merkmal aa) ist aus der D1 nicht bekannt. Auf die diesbezüglich vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.
6. Das Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine nach Patentanspruch 1 sowie die entsprechende Vorrichtung nach Patentanspruch 5 beruhen jeweils auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG), da sie aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt sind.
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bleibt das Dokument D1 unberücksichtigt. Denn es ist mit „älterem Zeitrang“ gegenüber dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung (13. August 2002) nachveröffentlicht (31. Oktober 2002) und gilt somit als Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 PatG, der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gemäß § 4 Satz 2 PatG nicht in Betracht gezogen wird.
Wie bereits zur Neuheit ausgeführt, offenbaren die Druckschriften D2 bis D4 – im Übrigen auch nach Auffassung der Prüfungsstelle unstrittig – jeweils nicht die Merkmale C) und D) bzw. c) und d) der vorliegenden beiden unabhängigen Patentansprüche 1 und 5, so dass sie somit weder ein Betriebsverfahren für eine Rotationszerstäuberturbine noch eine entsprechende Anordnung nahelegen kön- nen, die die Drehrichtung des Turbinenrades ermittelt bzw. die Anströmung des Turbinenrades steuert. Hierzu gibt es aus diesen Druckschriften keinerlei Anregungen. Die Patentansprüche 1 und 5 sind somit gewährbar.
7. Mit dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 sind auch die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 gewährbar, da ihre Gegenstände über selbstverständliche Maßnahmen hinausgehen.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. der Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. die Beteiligte im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern sie nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Huber Rippel Dr. Dorfschmidt Uhlmann Pr