Paragraphen in 9 W (pat) 45/09
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 45/09
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2004 040 456.9-32 …
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Geier BPatG 152 08.05 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Prüfungsstelle für Klasse B 60 K, vom 24. Juni 2009 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
- Patentansprüche 1 bis 11 vom 30. Dezember 2014, eingegangen beim Bundespatentgericht am 31. Dezember 2014,
- Beschreibung S. 1 bis 16 vom 30. Oktober 2014, eingegangen beim Bundespatentgericht am 31. Oktober 2014,
- Zeichnungen Figuren 1 und 3 bis 5 vom Anmeldetag sowie Fig. 2 vom 30. Oktober 2014, eingegangen beim Bundespatentgericht am 31. Oktober 2014,
B e z e i c h n u n g : Beschleunigungsbasiertes keitsregelungssystem Geschwindig- A n m e l d e t a g : 20. August 2004 Priorität:
US 10/657 015 vom 5. September 2003.
Gründe I
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung zurückgewiesen, weil das mit Hauptantrag beanspruchte Geschwindigkeitsregelungssystem durch dasjenige nach der EP 1 074 422 A2 (D1) in Verbindung mit den Kenntnissen eines Fachmannes nahegelegt sei. Das hilfsweise beanspruchte Geschwindigkeitsregelungssystem sei nicht gewährbar, weil es auf verschiedenen Betriebsarten beruhe, die nicht so klar und deutlich offenbart seien, dass ein Fachmann die beanspruchte Lehre ausführen könne. Außerdem sei selbst nach einer Anhörung vor der Prüfungsstelle unklar geblieben, wann verschiedene Betriebszustände begännen bzw. endeten. Auch deshalb sei die erforderliche Ausführbarkeit nach PatG § 34 Abs. 4 nicht gegeben. Auf nebengeordnete Verfahrensansprüche, welche der Haupt- und Hilfsantrag ebenfalls beinhalteten, geht der angefochtene Beschluss nicht ein.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung ist das nunmehr beanspruchte Geschwindigkeitsregelungssystem sowie das entsprechende Verfahren zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems für einem Fachmann hinreichend deutlich offenbart, gegenüber dem Stand der Technik neu und auch erfinderisch.
Die Anmelderin beantragt zuletzt mit Eingabe vom 30. Dezember 2014 sinngemäß,
den Beschluss der Prüfungsstelle vom 24. Juni 2009 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 11 vom 30. Dezember 2014, - Beschreibung S. 1 bis 16 vom 30. Oktober 2014, - Zeichnungen Figuren 1 und 3 bis 5 vom Anmeldetag sowie Fig. 2 vom 30. Oktober 2014.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
1. Geschwindigkeitsregelungssystem für Fahrzeuge, mit: einer Drosselklappe (16), einer Regelungseinheit (20), die einen Geschwindigkeitskompensationsfaktor (yopen) für offenen Regelkreis aus einer Nachschlagetabelle bestimmt, einen Geschwindigkeitskompensationsfaktor (yclosed) für geschlossenen Regelkreis berechnet, anhand des Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yopen) für offenen Regelkreis und des Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yclosed) für geschlossenen Regelkreis eine Drosselklappenöffnungsfläche (Athrottle, Aadjust) bestimmt und die Drosselklappe (16) anhand der Drosselklappenöffnungsfläche (Athrottle, Aadjust) betätigt, wobei der Geschwindigkeitskompensationsfaktor (yclosed) für geschlossenen Regelkreis auf einem lntegralterm und auf einem Proportionalterm basiert, die durch die Regelungseinheit (20) berechnet werden und auf einem Fehler (u) basieren, wobei der Fehler (u) dann, wenn eine Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart eine "EingeschaItet-Betriebsart" ist, ein Geschwindigkeitsfehler (SERROR) ist, der die Differenz zwischen einer Fahrgeschwindigkeit (SVEH) und einer in einem Speicher gesetzten Geschwindigkeit (SMEM) ist, wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus der Gruppe gewählt ist, die "BeschIeunigen-aus-eingeschaltet" und "Schiebebetrieb" umfasst, eine Summe aus einem Geschwindigkeitsfehler (SERRSNAP), definiert als Geschwindigkeitsfehler (SERROR) am Übergangspunkt in diese Geschwindigkeitsregelungsbetriebsarten, und einem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist, wobei der Beschleunigungsfehler (AERROR) die mit einem Zeitgeberkoeffizienten multiplizierte Differenz zwischen einer lst-Beschleunigung und einer Soll-Beschleunigung ist,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart ein "Wiederaufnehmen aus zu hoher Geschwindigkeit" ist, eine Differenz zwischen dem Geschwindigkeitsfehler (SERRSNAP), definiert als Geschwindigkeitsfehler (SERROR) am Übergangspunkt in die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart "Wiederaufnehmen-aus-zuhoher-Geschwindigkeit", und dem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus einer Gruppe gewählt ist, die "Beschleunigen-aus-Bereitschaftfreigegeben" und "Wiederaufnehmen" umfasst, gleich dem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist, und dann,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus einer Gruppe gewählt ist, die "Antippen-nach-oben" und "Antippennach-unten" umfasst, gleich einer Summe aus dem Geschwindigkeitsfehler (SERROR) und einem zeitabhängigen Beschleunigungsfehler (AERRTIMED) ist.
Hieran schließen sich die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 mit weiterbildenden Merkmalen des Geschwindigkeitsregelungssystems nach dem geltenden Patentanspruch 1 an.
Der geltende, nebengeordnete Patentanspruch 7 lautet:
7. Verfahren zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst: Bestimmen eines Beschleunigungsfehlers (AERROR) als die mit einem Zeitgeberkoeffizienten multiplizierte Differenz zwischen einer lst-Beschleunigung und einer Soll-Beschleunigung und eines Geschwindigkeitsfehlers (SERROR) als Differenz zwischen einer Fahrgeschwindigkeit (SVEH) und einer in einem Speicher gesetzten Geschwindigkeit (SMEM) des Fahrzeugs, wenn eine Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aktiviert ist; Bestimmen eines Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yopen) für offenen Regelkreis aus einer Nachschlagetabelle anhand der Fahrgeschwindigkeit (SVEH) und einer Krümmerluftdurchflussmenge; Berechnen eines Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yclosed) für geschlossenen Regelkreis basierend auf einem lntegralterm und auf einem Proportionalterm, die durch die Regelungseinheit (20) berechnet werden und auf einem Fehler (u) basieren; wobei der Fehler (u) dann, wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart eine "Eingeschaltet-Betriebsart" ist, der Geschwindigkeitsfehler (SERROR) ist, wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus der Gruppe gewählt ist, die "Beschleunigen-aus-eingeschaltet" und "Schiebebetrieb" umfasst, eine Summe aus einem Geschwindigkeitsfehler (SERRSNAP), definiert als Geschwindigkeitsfehler (SERROR) am Übergangspunkt in diese Geschwindigkeitsregelungsbetriebsarten, und dem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart ein "Wiederaufnehmen aus zu hoher Geschwindigkeit" ist, eine Differenz zwischen dem Geschwindigkeitsfehler (SERRSNAP), definiert als Geschwindigkeitsfehler (SERROR) am Übergangspunkt in die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart "Wiederaufnehmen-aus-zuhoher-Geschwindigkeit", und dem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus einer Gruppe gewählt ist, die "Beschleunigen-aus-Bereitschaft-freigegeben" und "Wiederaufnehmen" umfasst, gleich dem Beschleunigungsfehler (AERROR) ist, und dann,
wenn die Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart aus einer Gruppe gewählt ist, die "Antippen-nach-oben" und "Antippennach-unten" umfasst, gleich einer Summe aus dem Geschwindigkeitsfehler (SERROR) und einem zeitabhängigen Beschleunigungsfehler (AERRTIMED) ist; Bestimmen einer Drosselklappenöffnungsfläche (Athrottle, Aadjust) anhand des Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yclosed) für geschlossenen Regelkreis und des Geschwindigkeitskompensationsfaktors (yopen) für offenen Regelkreis; und Betätigen einer Drosselklappe (16) anhand der Drosselklappenöffnungsfläche (Athrottle, Aadjust).
Hieran schließen sich die geltenden Patentansprüche 8 bis 11 mit weiteren Schritten des Verfahrens nach dem geltenden Patentanspruch 7 an.
Im Prüfungsverfahren sind außer der vorgenannten D1 noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
D2 DE 694 29 010 T2 D3 US 6 349 700 B1 D4 GB 2 328 525 A D5 US 6 385 527 B1.
II Die zulässige Beschwerde hat aus den nachstehenden Gründen Erfolg.
1. Das Patentbegehren ist in der verteidigten Fassung zulässig, denn es ist insoweit ursprünglich offenbart.
Der geltende Patentanspruch 1 enthält sämtliche Merkmale eines Geschwindigkeitsregelungssystems, die auch in dem ursprünglichen Patentanspruch 1 enthalten sind. Hinzugefügt worden ist, dass der Geschwindigkeitskompensationsfaktor yopen für einen offenen Regelkreis aus einer Nachschlagtabelle bestimmt wird, vgl. S. 11 Abs. 35 i. V. m. Fig. 2 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen. Der geltende Patentanspruch 1 enthält zusätzlich alle Merkmale eines Geschwindigkeitsregelungssystems, die in dem ursprünglichen Patentanspruch 4 enthalten sind. Dem ist noch hinzugefügt worden, dass der Integral- und der Proportionalterm auf einem Fehler (u) basieren, vgl. S. 12 Abs. 38 i. V. m. Fig. 3 sowie S. 13 Abs. 41 i. V. m. Fig. 4 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen. Zudem ist in dem geltenden Patentanspruch 1 nun für acht verschiedene Betriebsarten eine konkrete Berechnung des jeweiligen Fehlers (u) enthalten, die allesamt ab S. 14 Abs. 42 bis S. 16 Abs. 47 i. V. m. Fig. 5 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart sind.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 enthalten weiterbildende Merkmale eines Geschwindigkeitsregelungssystems, die inhaltlich den ursprünglichen Patentansprüchen 2, 3, 5, 6 und 13 zu entnehmen sind.
Der nebengeordnete, geltende Patentanspruch 7 enthält konkrete Schritte eines Verfahrens zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems, die in den ursprünglichen Verfahrensansprüchen 14 und 28 offenbart sind. Zusätzlich ist eine Definition des Beschleunigungsfehlers AERROR und des Geschwindigkeitsfehlers SERROR aufgenommen entsprechend deren Ursprungsoffenbarung auf S. 15 Abs. 44 sowie S. 16 Abs. 47 der Anmeldeunterlagen. Ebenfalls ist in dem geltenden Patentanspruch 7 nun für acht verschiedene Betriebsarten eine konkrete Berechnung des jeweiligen Fehlers (u) enthalten, die in den ursprünglichen Verfahrensansprüchen 22 bis 26, 36 bis 38 und ab S. 14 Abs. 42 bis S. 16 Abs. 47 i. V. m. Fig. 5 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart sind.
Die geltenden Patentansprüche 8 bis 11 enthalten weiterbildende Schritte des Verfahrens nach Patentanspruch 7, die inhaltlich den ursprünglichen Patentansprüchen 30, 33, 34 und 39 zu entnehmen sind.
2. Das System und Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 7 wendet sich mit seiner Lehre an einen durchschnittlichen Fachmann für Fahrerassistenzsysteme, der als Ingenieur der Fahrzeugtechnik an einer technischen Hochschule/Universität ausgebildet worden ist. In seiner Arbeitstätigkeit entwickelt er Geschwindigkeitsregelsysteme bei einem Fahrzeughersteller oder –zulieferer und hat auf diesem Gebiet mehrere Jahre Berufserfahrung. Außer den grundlegenden fahrzeugtechnischen Kenntnissen bezüglich des Anwendungsumfeldes von Fahrzeugassistenzsystemen verfügt er über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Regelungstechnik.
3. Aus dem Gesamtinhalt der Anmeldungsunterlagen, insbesondere aus der Beschreibung, entnimmt der Fachmann ein beschleunigungsbasiertes Geschwindigkeitsregelungssystem und ein Verfahren zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems. Dabei wird eine Hardwarekonfiguration (bspw. wie Fig. 1) eines Fahrzeuges vorausgesetzt. In Abhängigkeit von einem Fahrerwunsch und einer jeweils vorliegenden Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart sowie verschiedener Sensorsignale erzeugt eine Regelungseinheit ein Betätigungssignal für eine Drosselklappe. Innerhalb der Regelungseinheit erfolgt die Signalverarbeitung dabei anhand einer Routine nach dem Ablaufplan gemäß Fig. 2, in den die Berechnung eines Geschwindigkeitskompensationsfaktors yclosed nach dem Ablaufplan gemäß Fig. 3 einfließt, in welchen wiederum der Ablaufplan zur Berechnung eines Fehlers u gemäß Fig. 5 als Schritt 304 und der Ablaufplan zur Berechnung eines Integralterms gemäß Fig. 4 als Schritt 308 eingebunden sind. Insbesondere bei der Berechnung des Geschwindigkeitskompensationsfaktors yclosed ist der Fehler u von besonderer Bedeutung, weil er in definierten Betriebsarten der Geschwindigkeitsregelung jeweils unterschiedlich berechnet wird. Das verhindert eine abrupte Änderung der Fahrzeuggeschwindigkeit beim Übergang in die Geschwindigkeitsregelung sowie beim Wechsel zwischen verschiedenen Betriebsarten.
Im Kern beinhalten das beanspruchte Geschwindigkeitsregelungssystem und -verfahren ein Signalverarbeitungsprogramm, das mit der Regelung der Fahrzeuggeschwindigkeit eine offensichtliche technische Anwendung hat und daher ohne Zweifel auf einem technischen Gebiet liegt. Mit der betriebsartabhängigen Fehlerberechnung enthält das Signalverarbeitungsprogramm in der verteidigten Fassung konkrete Anweisungen, die einer verbesserten Anpassung eines Geschwindigkeitsregelungssystems und -verfahrens mit technischen Mitteln dienen. Als technische Mittel werden im vorliegenden Fall die außerhalb des Signalverarbeitungsprogramms ermittelten Geschwindigkeitsregelungsbetriebsarten angesehen, denn diese sind bestimmend für eine jeweils unterschiedliche Fehlerberechnung.
4. Im Gegensatz zur Begründung des angegriffenen Beschlusses hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der eingangs definierte Fachmann das beanspruchte System und Verfahren ausführen kann. Denn die in der Anmeldung enthaltenen Angaben vermitteln ihm hinreichende technische Informationen, damit er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist dann gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Anmeldungsunterlagen in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - X ZR 1/09 - Dentalgerätesatz; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06 – Polymerisierbare Zementmischung; BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 – Xa ZR 126/07 - Klammernahtgerät).
Das ist vorliegend der Fall, denn insbesondere mit den beanspruchten Betriebsarten sind fachbekannte, überwiegend sogar im Stand der Technik nach D4 beschriebene Zustände erfasst, die beim Betrieb einer Geschwindigkeitsregelungsanlage regelmäßig auftreten. Sie unterscheiden sich durch den jeweiligen Ausgangszustand des Fahrzeugs bzw. des Geschwindigkeitsregelungssystems im Augenblick der Fahrerwunscheingabe über eine Betätigungseinrichtung (Geschwindigkeitsregelungsschnittstelle 28), vgl. insb. S. 6 Z. 6 bis 9 i. V. m. Fig. 1 der Anmeldeunterlagen. Für den Fachmann sind die in den Patentansprüchen bezeichneten Betriebsarten jedenfalls aus den Anmeldungsunterlagen ersichtlich und verständlich.
So liegt die anmeldungsgemäße Betriebsart „Eingeschaltet“ vor, sobald das System durch den Schalter 30 in Betriebsbereitschaft versetzt ist und durch Setzen einer Sollgeschwindigkeit im Regelbetrieb aktiv wird. Sofern beispielsweise die augenblickliche Fahrgeschwindigkeit gehalten werden soll, tippt der Fahrer dazu den Schalter 32 an, um die Ist-Geschwindigkeit SVEH als einzuregelnde Soll-Geschwindigkeit SMEM abzuspeichern, vgl. insb. S. 6 Z. 20/21 i. V. m. Abs. 28.
Die anmeldungsgemäße Betriebsart „Beschleunigen-aus-eingeschaltet“ liegt dann vor, wenn der Fahrer den Schalter 34 dauerhaft niederdrückt, um von der gesetzten Soll-Geschwindigkeit SMEM (Betriebsart „Eingeschaltet“) ausgehend mittels des Systems auf eine höhere Fahrgeschwindigkeit zu beschleunigen, vgl. S. 7 Z. 1 bis 6 i. V. m. Abs. 31.
Die anmeldungsgemäße Betriebsart „Schiebebetrieb“ liegt dann vor, wenn der Fahrer den Schalter 32 niedergedrückt hält, um mittels des Systems auf eine geringere Fahrgeschwindigkeit zu verzögern, vgl. S. 6 Z. 21 bis 23 i. V. m. Abs. 33.
Die anmeldungsgemäße Betriebsart „Wiederaufnehmen-aus-zu-hoher-Geschwindigkeit“ liegt dann vor, wenn der Fahrer den Schalter 34 betätigt, um die Soll-Ge- schwindigkeit SMEM ausgehend von einer zuvor höheren Ist-Geschwindigkeit mittels des Systems auf die letzte eingestellte Soll-Geschwindigkeit SMEM wieder einzuregeln, vgl. S. 6 Z. 23 bis 25 i. V. m. Abs. 30.
Die anmeldungsgemäße Betriebsart „Beschleunigen-aus-Bereitschaft-freigeben“ liegt dann vor, wenn kein Bremssignal vorliegt, sich das System nicht in der Betriebsart „Eingeschaltet“ befindet und der Fahrer den Schalter 34 dauerhaft betätigt, um mittels des Systems zu beschleunigen, vgl. S. 7 Z. 23 bis S. 8 Z. 2 i. V. m. Abs. 32.
Die anmeldungsgemäße Betriebsart „Wiederaufnehmen“ liegt dann vor, wenn der Fahrer den Schalter 34 betätigt, um ausgehend von einer niedrigeren Fahrgeschwindigkeit SVEH mittels des Systems die zuvor eingestellte Soll-Geschwindigkeit SMEM wieder einzuregeln, vgl. S. 8 Abs. 29.
In den anmeldungsgemäßen Betriebsarten „Antippen-nach-oben“ und „Antippennach-unten“ befindet sich das System dann, wenn einer der Schalter 32 oder 34 lediglich angetippt wird, vgl. S. 7 Z. 4 bis 8. Dadurch wird die Soll-Geschwindigkeit SMEM beispielsweise um eine Meile pro Stunde erhöht oder verringert. In diese Betriebsarten kann jederzeit, insbesondere aber aus einer der in S. 10 Abs. 34 genannten Betriebsarten eingetreten werden. Die „Antippen“-Betriebsarten enden jeweils nach einer Sekunde, vgl. S. 10 Z. 27 bis S. 11 Z. 2.
Abhängig von der jeweiligen Betriebsart wird der Fehler u als eine betriebsartabhängige Regeldifferenz unterschiedlich berechnet. Dies ist im Einzelnen und hinreichend deutlich in Fig. 5 nebst zugehöriger Beschreibung erläutert, vgl. dazu S. 14 ab Abs. 42.
Laut der Begründung des angegriffenen Beschlusses soll außerdem ein „zeitabhängiger mit einem Zeitgeberkoeffizienten multiplizierter Beschleunigungsfehler (AERRTIMED)“ unklar sein, was im Endeffekt dazu beitrage, dass die anmeldungsge- mäße Erfindung nicht ausführbar sei. Auch dieser Einschätzung folgt der Senat nicht. Der in den „Antippen“-Betriebsarten für die Fehlerberechnung maßgebliche Beschleunigungsfehler (AERRTIMED) erschließt sich dem Fachmann nämlich ohne weiteres als eine zeitlich befristete Berücksichtigung des Beschleunigungsfehlers (AERROR), dessen Zustandekommen ausführlich beschrieben ist auf S. 15 Z. 7 bis 20. Wie lange der Beschleunigungsfehler (AERROR) für bestimmte Betriebsarten berücksichtigt wird, legt grundsätzlich ein sogenannter Abwärtszähler-Zeitgeberkoeffizient fest. Dieser wird in den „Antippen“-Betriebsarten beispielsweise derart normiert, sodass der Beschleunigungsfehler (AERROR) nur für eine Sekunde berücksichtigt wird, was durch die Bezeichnung AERRTIMED zum Ausdruck kommt, vgl. dazu S. 16 Z. 15 bis 17. Demnach trägt diese verkürzte Berücksichtigung des Beschleunigungsfehlers (AERROR) ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass die „Antippen“-Betriebsarten nicht länger als eine Sekunde andauern, wie vorstehend erläutert.
5. Im Vergleich mit dem berücksichtigten Stand der Technik ist das beanspruchte System und Verfahren patentfähig.
Die dem anmeldungsgemäßen System und Verfahren am nächsten kommende D1 offenbart ein System und Verfahren zur Begrenzung der Beschleunigung eines Fahrzeugs, bei dem eine Drosselklappenöffnungsfläche ermittelt und eine Drosselklappe entsprechend gesteuert wird. Als Hardwarekomponenten weist das System wenigstens eine Drosselklappe (throttle 22) auf, die mittelbar von einer Regelungseinheit (powertrain control module 26) betätigt wird, vgl. insb. Abs. 8 i. V. m. Fig. 1. Die Regelungseinheit 26 verarbeitet bestimmte Eingangssignale in einem Ablaufplan (software routine) gemäß Fig. 2, vgl. Abs. 7, zu einem Stellsignal TAgov für einen Elektromotor 24, der die Drosselklappe 22 betätigt. Das Stellsignal berücksichtigt Geschwindigkeitskompensationsfaktoren OL (open loop term), INT (integral term) und PROP (proportional term), vgl. insb. Abs. 10 i. V. m. Fig. 2.
Die Bestimmung des Geschwindigkeitskompensationsfaktors OL erfolgt anhand einer Tabelle, vgl. insb. Abs. 13. In letzterem Absatz ist auch offenbart, dass die Geschwindigkeitskompensationsfaktoren INT und PROP bei eingeschaltetem Geschwindigkeitsregelungssystem berechnet werden, vgl. Abs. 10 i. V. m. Schritt 110-120, Fig. 2.
In einer einzigen Geschwindigkeitsregelungsbetriebsart „engine power limited mode of operation“ der Regelungseinheit 26 wird ein entsprechend reduziertes Stellsignal als Summe aus OL Term + INT Term + PROP Term ausgegeben, vgl. Schritte 112, 122 und 130, Fig. 2, Abätze 10 und 13.
Durch Ausgabe des reduzierten Stellsignals kommt zwar zum Ausdruck, dass in der Software-Routine gemäß D1 auch eine Regeldifferenz wie bei der vorliegenden Anmeldung berücksichtigt wird. Allerdings wird dafür nur ein Beschleunigungsfehler verwendet, vgl. Abs. 9 i. V. m. Fig. 2, Schritt 108. Ein anmeldungsgemäßer Geschwindigkeitsfehler oder gar eine Summe oder Differenz aus einem Geschwindigkeitsfehler und einem mit einem geeigneten Zeitintervall multiplizierten Beschleunigungsfehler spielt nach D1 keine Rolle. Folglich variiert die Regeldifferenz gemäß der D1 nicht in Abhängigkeit von verschiedenen Geschwindigkeitsregelungsbetriebsarten, und im weiteren Unterschied zum Beanspruchten ist deren Berechnung allein auf die Beschleunigung bezogen.
Die D4 beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur drehmomentgestützten Fahrzeuggeschwindigkeitsregelung, bei dem in Abhängigkeit von verschiedenen Betriebsarten entweder ein Geschwindigkeits- oder einen Beschleunigungsfehler als Regeldifferenz für eine Geschwindigkeits- bzw. Beschleunigungsregelung verwendet werden. Dazu offenbart D4 eine Vorrichtung zur Fahrzeuggeschwindigkeitsregelung mit einer Drosselklappe (throttle valve 52) und einer Regelungseinheit (engine control module ECM 76), vgl. insb. Fig. 1. In der Regelungseinheit 76 werden Signale an sich bekannter Sensoren verarbeitet, insb. eines MAF-Sensors (mass air flow sensor 44), eines MAP-Sensors (input port in Fig. 1) und eines VSS-Sensors (vehicle speed sensor 48) zur Messung der Fahrzeuggeschwindigkeit, vgl. insb. Sp. 3 Z. 18 bis 24 sowie S. 8 Z. 5 bis 12 i. V. m. Fig. 1. Als Regelungsschnittstelle ist eine Eingabeeinrichtung 56 vorgesehen, vgl. insb. S. 3 Z. 25 ff. Als beispielhaft generierbares Ausgangssignal der Regelungseinheit 76 offenbart die Druckschrift ausdrücklich ein Betätigungssignal für die Drosselklappe (commanded throttle angle 120), vgl. insb. S. 5 Z. 6 bis 10 sowie S. 7 Z. 31 ff. i. V. m. Fig. 2. Außerdem offenbart die D4 eine Regelungslogik, die zur Geschwindigkeitsregelung bereits verschiedene Betriebsarten (operation mode) berücksichtigt, vgl. insb. S. 10 Z. 11-13 i. V. m. Fig. 4. Weil immer von dem jeweils aktuellen Betriebsmodus (current operating mode) ausgegangen wird, ergeben sich auch Betriebsarten im Sinne des anmeldungsgemäßen Sprachgebrauchs.
Der maßgebliche Unterschied zur vorliegenden Anmeldung besteht allerdings in einer ausschließlich offenbarten alternativen Verwendung der Geschwindigkeitsoder der Beschleunigungsregelung. In der Beschreibung S. 2 Abs. 2 ist in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben, dass durch die Benutzung getrennter Geschwindigkeits- und Beschleunigungsregelungen eine höhere Kalibrierflexibilität erreicht wird. Folglich kann die anmeldungsgemäß gemeinsame Verwendung eines Geschwindigkeits- und eines Beschleunigungsfehlers als Regeldifferenz gerade nicht zum Offenbarungsgehalt der D4 hinzugerechnet werden.
Die übrigen Druckschriften D2, D3 und D5 liegen offensichtlich vom Beanspruchten noch weiter ab und haben auch in der Begründung des angegriffenen Beschlusses keine Rolle gespielt. Sie offenbaren jedenfalls keine Regeldifferenz (Fehler u), auf welcher ein Integralterm oder ein Proportionalterm basiert.
Eine Anregung, die jeweils in den Druckschriften D1 oder D4 aufgezeigten, in sich geschlossenen technischen Lösungen zu verlassen oder miteinander zu kombinieren, ist nicht erkennbar. Gegen eine Kombination der Druckschriften D1 oder D4, welcher Art auch immer, spricht insbesondere die in D4 ausdrücklich genannte Vorteilsangabe für getrennte Regelungseinrichtungen und Strategien. Damit ist ein unveranlasster Verzicht darauf jedenfalls ausgeschlossen. Für die Annahme, das beanspruchte System ergäbe sich allein aus dem Wissen des Durchschnittsfachmanns heraus, quasi von selbst, hat der Senat keinen Grund erkennen können.
Das Geschwindigkeitsreglungssystem gemäß geltendem Patentanspruch 1 ist daher patentfähig.
Die auf den geltenden Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 betreffen zweckmäßige Weiterbildungen des Systems nach Patentanspruch 1.
Das Verfahren zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems nach geltendem Patentanspruch 7 enthält Verfahrensschritte, welche sich von der Wirkungsweise des Geschwindigkeitsreglungssystems nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht maßgeblich unterscheiden. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen inhaltlich entsprechend.
Das Verfahren zum Regeln der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Geschwindigkeitsregelungssystems nach geltendem Patentanspruch 7 ist daher ebenfalls patentfähig.
Die auf den geltenden Patentanspruch 7 rückbezogenen Patentansprüche 8 bis 11 betreffen zweckmäßige weitere Schritte des Verfahrens nach Patentanspruch 7.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hilber Bork Paetzold Dr. Geier Ko
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