23 W (pat) 5/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/14 Verkündet am 19. Januar 2016
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BESCHLUSS In der Einspruchsbeschwerdesache …
BPatG 154 05.11
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betreffend das Patent 10 2007 024 421 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der Richter Dr. Friedrich, Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. November 2013 (schriftlich begründet durch Beschluss vom 12. Dezember 2013) wird aufgehoben;
2. Das Patent Nr. 10 2007 024 421 mit der Bezeichnung „Gehäuse für ein elektrisches Betriebsmittel“ und dem Anmeldetag 25. Mai 2007 wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016; - Absatz [0001] bis Absatz [0056], überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016; - 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrift;
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 25. Mai 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse H05K das nachgesuchte Patent 10 2007 024 421 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Gehäuse für ein elektrisches Betriebsmittel“ durch Beschluss vom 22. Dezember 2011 unter Zitierung folgenden Stands der Technik erteilt:
E1 DE 196 34 673 C2 E2 DE 927 039 B E3 DE 21 12 224 C3 E4 DE 196 34 671 C2 E5 DE 1 081 100 B und E6 Richtlinie 94/9/EG Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 3. Mai 2012.
Gegen das Patent hat die Einsprechende zu 1) mit Schriftsatz vom 26. Juli 2012, beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag über Fax eingegangen, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 PatG) zu widerrufen. Dazu hat sie in diesem Schriftsatz und in ihrer weiteren Eingabe vom 8. April 2013 auf die Druckschriften D1 DE 21 12 224 C3 D2 DE 196 34 671 C2 D3 DE 196 34 673 C2 D4 DE 198 26 911 A1 D5 EP 0 777 407 A1
= E3 = E4 = E1 D6 US 3 775 551 D7 US 4 620 061 D8 Norm EN 60079-1, Ausgabedatum März 2004 D9 Norm ANSI/UL 1203-2006, 4. Auflage vom 15. September 2006 verwiesen und insbesondere ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch jede der Druckschriften D1, D2, D3, D4, D7, D8, D9 neuheitsschädlich vorweggenommen werde und jeweils bezüglich der Druckschrift D8, der Druckschrift D9 und bezüglich einer Kombination der Druckschrift D6 mit einer der Druckschriften D1, D2, D3, D5, D7 oder D8 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2012, beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag über Fax eingegangen, hat die Einsprechende zu 2) ebenfalls Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG) zu widerrufen. Als Beleg hat sie in ihrem Einspruchsschriftsatz sowie in ihrer weiteren Eingabe vom 18. Oktober 2013 neben der Druckschrift D3 auf die Druckschriften D10 Norm DIN EN 60079-1, Ausgabedatum Dezember 2004 D11 DE 1 081 100 B
= E5 D12 EP 1 107 656 B1 verwiesen und insbesondere ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 dem zuständigen Fachmann durch die Druckschrift D10 nahegelegt werde.
Die Patentinhaberin hat dem mit ihren weiteren Eingaben vom 21. Dezember 2012, 4. November 2013 und 13. November 2013 widersprochen und darin auch Hilfsanträge vorgelegt.
Nach Prüfung des als zulässig angesehenen Einspruchs hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 18. November 2013, in der die Patentinhaberin das Patent in der erteilten Fassung und mit Hilfsanträgen 1 bis 3 verteidigt hat, das Streitpatent mit der Begründung fehlender Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 sämtlicher Anträge bezüglich der Druckschrift D7 widerrufen.
Zudem wurde in der Anhörung seitens der Patentabteilung noch auf die Druckschrift D13 ZENTRALE FÜR GUSSVERWENDUNG-ZGV IM DEUTSCHEN GIEßEREIVERBAND-DGV DÜSSELDORF: Feinguss für komplexe Stahlgussteile hoher Genauigkeit. In: konstruieren + giessen, 29, 2004, H. 1, S. 9.
hingewiesen.
In der elektronischen Akte des DPMA finden sich drei in Details unterschiedliche PDF-Dateien mit der Bezeichnung „Beschluss Widerruf - Signiert“ und jeweils drei zugehörige Signaturdateien „SIG-1“, „SIG-2“ und „SIG-3“.
Gegen diesen Beschluss, der Patentinhaberin am 17. Dezember 2013 zugestellt, richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 17. Januar 2014, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, welche mit den nachgereichten Eingaben vom 24. März 2014 und 7. November 2014 begründet wird.
Mit Schriftsätzen vom 5. März 2014 und 29. Dezember 2015 bzw. 14. März 2014 und 6. Juni 2014 haben die Einsprechenden zu 2) bzw. 1) dem Vortrag der Patentinhaberin widersprochen.
In der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2015 beantragt die Patentinhaberin:
1. Den Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patentund Markenamts vom 18. November 2013 (schriftlich begründet durch Beschluss vom 12. Dezember 2013) aufzuheben.
2. Das Patent Nr. 10 2007 024 421 mit der Bezeichnung „Gehäuse für ein elektrisches Betriebsmittel“ dem Anmeldetag 25. Mai 2007 in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016; - Absatz [0001] bis Absatz [0056], überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016; - 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende zu 1) beantragt:
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende zu 2) beantragt:
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte und mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten aber wörtlich wiedergegebene Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
(a) Gehäuse (1) für ein elektrisches Betriebsmittel mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Gehäuseteil (2, 3), die miteinander explosionsgeschützt zusammensetzbar sind,
(b) wobei jedes Gehäuseteil (2, 3) eine Fügefläche (4, 5) aufweist, die bei zusammengesetzten Gehäuseteilen (2, 3) miteinander unter Bildung eines zünddurchschlagsicheren Spalts (6) in Anlage sind,
(c) wobei weiterhin die Fügeflächen (4, 5) relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile (2, 3) senkrecht verlaufen und
(d) in diesen Oberflächenprofilierungen (7, 3) ausgebildet sind, zwischen denen der zünddurchschlagsichere Spalt (6) gebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
(e) die Fügeflächen (4, 5) als Teil einer radial nach außen vom jeweiligen Gehäuseteil (2, 3) abstehenden Flanschfläche (9, 10) ausgebildet sind und
(f) die Oberflächenprofilierung (7, 8) in Profilrichtung (12) spiralförmig ausgebildet ist,
(g) wobei jedes Gehäuseteil einen kreisförmigen Querschnitt aufweist.
Hinsichtlich der abhängigen Ansprüche 2 bis 12 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf die Patentschrift und den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig. Sie erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 insoweit als begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt, denn die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 12 sind ursprünglich offenbart (§§ 59 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG), stellen keine Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents dar (§ 22 PatG) und sind auch patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).
1. In der elektronischen Akte des DPMA existieren drei mit „Beschluss Widerruf - Signiert“ bezeichnete PDF-Dateien, die jeweils, ebenso wie die Dokumentanzeige in den Signaturdateien, zwei Beschlusstexte enthalten, so dass eine präzise Bestimmung der Urschrift nicht möglich ist. Da aber der Tenor und die Gründe der mehrfach vorhandenen Beschlusstexte in den drei PDF-Dateien übereinstimmen, ist der Inhalt der Entscheidung, die mit den qualifizierten Signaturen versehen werden sollte, zumindest bestimmbar (vgl. BPatG BlPMZ 2014, 355, 356 - Anordnung zur Erfassung von Berührungen auf einer Trägerplatte), weshalb der Senat keine Veranlassung sieht, das Verfahren nach § 79 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
2. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 51 und 150 bis 152; BGH GRUR 1972, 592 – „Sortiergerät“), da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die weitere sachliche Überprüfung eines erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend sind die form- und fristgerecht erhobenen Einsprüche beider Einsprechenden zulässig, weil zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit aufgrund fehlender Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG bzw. § 4 PatG) jeweils substantiiert Stellung genommen wurde. So haben die Einsprechenden zu 1) und 2) jeweils im Einzelnen angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 in den einzelnen Druckschriften offenbart seien, und wie sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch Zusammenschau der Druckschriften ihrer Meinung nach ergebe. Auch zu den Unteransprüchen wurde substantiiert Stellung genommen und angegeben, wo in den genannten Druckschriften die in diesen Ansprüchen beanspruchten Merkmale offenbart seien, oder wie sie sich ergäben. Insgesamt sind somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin wurden demnach in die Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - Epoxidation; Schulte, PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 83 bis 89).
3. Das Streitpatent betrifft ein Gehäuse für ein elektrisches Betriebsmittel, wie bspw. eine Leuchte, eine Steckeinrichtung, ein Messinstrument oder Schaltwerke, Verteiler und dergleichen. Das Gehäuse weist wenigstens ein erstes und ein zweites Gehäuseteil auf. Diese sind miteinander explosionsgeschützt zusammensetzbar, wobei jedes Gehäuseteil eine Fügefläche aufweist, die bei zusammengesetzten Gehäuseteilen miteinander unter Bildung eines zünddurchschlagsicheren Spalts in Anlage sind. Die Fügeflächen verlaufen senkrecht relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile, und in den Fügeflächen sind Oberflächenprofilierungen ausgebildet, zwischen denen der zünddurchschlagsichere Spalt gebildet ist.
Solche Gehäuseteile werden für die verschiedensten elektrischen Betriebsmittel in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt. Um Fügeflächen zu realisieren, weist der zünddurchschlagsichere Spalt in der Regel eine bestimmte Länge und eine bestimmte Spaltbreite auf. Entsprechende Anforderungen an den Explosionsschutz ergeben sich beispielsweise aus der Richtlinie 94/9/EG (Druckschrift E6). Die elektrischen Betriebsmittel werden dabei in Gerätegruppen I und II eingeteilt. Die Gerätegruppe II umfasst alle elektrischen Betriebsmittel für explo- sionsgefährdete Bereiche, außer schlagwettergefährdete Grubenbauten. Die Gerätegruppe II unterteilt sich in A, B und C, wobei die Betriebsmittel nach Gerätegruppe C in am leichtesten zu entzündenden Atmosphären angeordnet sind und daher auch zur Verwendung für Gerätegruppen II A und B geeignet sind.
Für elektrische Betriebsmittel in Gehäusen mit eckigem Querschnitt werden insbesondere flache Fügeflächen verwendet, die bei zusammengesetzten Gehäuseteilen mit ihren flachen Seiten aneinander liegen. Zwischen diesen flachen Seiten ist der entsprechende zünddurchschlagsichere Spalt gebildet. Die Befestigung der Gehäuseteile miteinander kann im Bereich der Fügeflächen oder auch an anderer Stelle erfolgen.
Eckige Gehäuse haben den Vorteil, dass die in ihnen angeordneten elektrischen Betriebsmittel in der Regel besser erreichbar sind als beispielsweise bei Gehäusen mit kreisförmigem Querschnitt. Bei solchen Gehäusen mit kreisförmigem Querschnitt sind die entsprechenden Fügeflächen in der Regel als in Längsrichtung der Gehäuseteile vorlaufende Gewindeflächen ausgebildet, so dass die beiden Gehäuseteile miteinander mittels dieser Gewindeflächen verschraubbar sind. In diesem Fall wird der durchschlagsichere Spalt zwischen den Gewindeflächen gebildet, vgl. die Absätze [0001] bis [0004] der geltenden Beschreibung.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine neuartige Strukturierung von Fügeflächen bereitzustellen, mittels der ein entsprechender zünddurchschlagsicherer Spalt in einfacher konstruktiver Weise gebildet ist. Das erfindungsgemäße Gehäuse ist insbesondere auch für Gerätegruppen II C einsetzbar, vgl. Absatz [0010] der geltenden Beschreibung.
Diese Aufgabe wird durch ein Gehäuse mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst. Dieses zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Fügeflächen des ersten und zweiten Gehäuseteils, die bei zusammen- gesetzten Gehäuseteilen miteinander unter Bildung eines zünddurchschlagsicheren Spalts in Anlage sind, senkrecht relativ zu den an diese angrenzenden Gehäuseteile verlaufen und dass in diesen Fügeflächen Oberflächenprofilierungen ausgebildet sind, wobei der Spalt zwischen den Oberflächenprofilierungen in den Fügeflächen des ersten und zweiten Gehäuseteils gebildet ist. Dabei ist wesentlich, dass die Fügeflächen als Teil einer vom jeweiligen Gehäuseteil radial nach außen abstehenden Flanschfläche ausgebildet sind, die Oberflächenprofilierung in Profilrichtung spiralförmig ausgebildet ist, und dass jedes Gehäuseteil einen jeweils kreisförmigen Querschnitt aufweist.
Erläutert ist dies bspw. anhand der Figuren 1 und 3 des Streitpatents, wonach auf dem unteren Gehäuseteil 3 das obere Gehäuseteil 2 aufliegt und beide Gehäuseteile einen kreisförmigen Querschnitt und jeweils eine radial nach außen ragende Auskragung mit den entsprechenden Flanschen bzw. Flanschflächen 9 und 10 und den Fügeflächen 4 und 5 aufweisen. Die horizontale Auskragung verläuft senkrecht zur vertikalen Wand der beiden Gehäuseteile 2 und 3 und in den Fügeflächen 4 und 5 sind die in Profilrichtung spiralförmigen Oberflächenprofilierungen ausgebildet, zwischen denen der zünddurchschlagsichere Spalt gebildet ist.
4. Die geltenden Ansprüche 1 bis 12 sind zulässig (§§ 38, 22 Abs. 1 PatG) und ihre Lehre ist ausführbar (§ 34 Abs. 4 PatG). Der gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er patentfähig ist.
Dieser ist hier als ein Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Maschinenbau mit Fachhochschulabschluss und Kenntnissen der Konstruktion explosionsgeschützter Gehäuse zu definieren, der mit der Entwicklung und Fertigung solcher Gehäuse betraut ist.
4.1. Die geltenden Ansprüche 1 bis 12 sind zulässig, denn sie sind ursprünglich offenbart und beschränken den Schutzbereich des Streitpatents in zulässiger Weise. So entsprechen die erteilten Ansprüche 1 bis 16 bis auf das Streichen fakultativer Merkmale im Anspruch 1 und einer redaktionellen Änderung im Anspruch 8 den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 16. Die Zusatzmerkmale (e), (f) und (g) des nunmehr geltenden Anspruchs 1 sind in den ursprünglichen und damit erteilten Ansprüchen 2, 4 und 12 offenbart, wobei sich die weitere Präzisierung betreffend einen zünddurchschlagsicheren Spalt in Abs. [0002] der Streitpatentschrift bzw. im zweiten Absatz der ursprünglichen Beschreibungsseite 1 findet. Die geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 12 sind die angepassten erteilten Ansprüche 3, 5 bis 10 und 13 bis 16.
4.2. Das Gehäuse gemäß dem geltenden Anspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), denn für ein derartiges Gehäuse gibt es im Stand der Technik keine Anregung.
Die Druckschrift D7 offenbart mit den Worten des geltenden Anspruchs 1 ein
(a) Gehäuse (electrical enclosure 10 / vgl. Fig. 1 und Sp. 3, Zn. 29 bis 36) für ein elektrisches Betriebsmittel mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Gehäuseteil (box 12, cover 14 / vgl. Fig. 6a, b und Sp. 3, Zn. 29 bis 36), die miteinander explosionsgeschützt zusammensetzbar sind (vgl. Anspruch 2: „A largely plastic, explosion proof, electrical enclosure comprising: a box and a cover, each being molded primarily of plastic, and both designed to interfit with one another with a small gap therebetween, said interfit being defined at least in part by a projection and a groove, one forming a part of said box and the other forming a part of said cover [...]“),
(b) wobei jedes Gehäuseteil (12, 14) eine Fügefläche aufweist, die bei zusammengesetzten Gehäuseteilen miteinander unter Bildung eines zünddurchschlagsicheren Spalts in Anlage sind, (vgl. in Fig. 6b die nach außen ragende horizontale Fläche des ersten Gehäuseteils (box 12), in welche die Nuten (slots 44, 46) eingebracht sind, als erste Fügefläche und in Fig. 6a die nach außen ragende horizontale Fläche des zweiten Gehäuseteils (cover 14), in welche die Vorsprünge (projections 40, 42) eingebracht sind, als zweite Fügefläche. Wie in Fig. 1 gezeigt und in Anspruch 2 sowie in Spalte 3, Zeile 62 bis Spalte 4, Zeile 13 erläutert, sind diese Fügeflächen bei zusammengesetzten Gehäuseteilen miteinander in Anlage und bilden einen zünddurchschlagsicheren Spalt (clearance, gap)),
(c) wobei weiterhin die Fügeflächen relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile senkrecht verlaufen (vgl. Fig. 6a, b) und
(d) in diesen Oberflächenprofilierungen (slots 44, 46; projections 40, 42) ausgebildet sind, zwischen denen der zünddurchschlagsichere Spalt gebildet ist (vgl. Spalte 3, Zeile 62 bis Spalte 4, Zeile 1: „Cover 14 includes a pair of concentric projections 40 and 42 extending annularly around that portion of the cover that interfaces with box 12. These projections 40 and 42 mate within a pair of corresponding slots 44 and 46, respectively, in the box 12, however there is sufficient clearance between each projection and its mating slot as to form a vent for the escape of hot gases should an explosion occur within the enclosure 10.“),
(e) wobei die Fügeflächen als Teil einer radial nach außen vom jeweiligen Gehäuseteil (12, 14) abstehenden Flanschfläche ausgebildet sind (vgl. Fig. 6a, b und die im Wesentlichen senkrecht verlaufenden Bereiche der Gehäuseteile).
Zudem weiß der Fachmann, dass solche Gehäuse nicht nur mit rechteckigem, sondern, wie bspw. in der Druckschrift D1 gezeigt (vgl. dort den Anspruch 1), auch mit rundem Querschnitt bereitgestellt werden, so dass er der Druckschrift D7 i. V. m. seinem Fachwissen ein Gehäuse entnimmt, das die Merkmale (a) bis (e) und (g) des Anspruchs 1 aufweist.
Im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1 und insbesondere dessen Merkmal (f) sind jedoch bei dem in Druckschrift D7 beschriebenen Gehäuse die Oberflächenprofilierungen in Profilrichtung nicht spiralförmig sondern konzentrisch zueinander ausgebildet, vgl. obige Fundstelle im letzten Absatz von Spalte 3 sowie Figur 3. Der Druckschrift D7 kann der Fachmann auch in Verbindung mit seinem Fachwissen keine Anregung entnehmen, diese konzentrisch ausgebildeten Oberflächenprofilierungen in spiralförmig ausgebildete abzuändern.
Ähnlich wie Druckschrift D7 legt auch Druckschrift D8 dem Fachmann lediglich ein Gehäuse mit den Merkmalen (a) bis (e) und (g) nahe, ohne ihm jedoch einen Hinweis geben zu können, ein solches Gehäuse mit Oberflächenprofilierungen gemäß Merkmal (f) zu versehen. So entnimmt der Fachmann dieser Druckschrift und insbesondere deren Figur 9b zwar ein Gehäuse für ein elektrisches Betriebsmittel mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Gehäuseteil (vgl. Fig. 9b), die miteinander explosionsgeschützt zusammensetzbar sind (vgl. den Titel der D8), wobei jedes Gehäuseteil eine Fügefläche (die Flächen, in denen gemäß Fig. 9b jeweils die Riffelungen eingebracht sind) aufweist, die bei zusammengesetzten Gehäuseteilen miteinander unter Bildung eines zünddurchschlagsicheren Spalts in Anlage sind (vgl. Fig. 9b), wobei weiterhin die Fügeflächen relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile senkrecht verlaufen (vgl. Fig. 9b) und in diesen Oberflächenprofilierungen ausgebildet sind, zwischen denen der zünddurchschlagsichere Spalt gebildet ist (vgl. den in Fig. 9b dargestellten Spalt zwischen den Riffelungen), wobei der Fachmann zudem aufgrund seiner durch die D1 belegten Fachkenntnisse weiß, dass die Fügeflächen als Teil einer radial nach außen vom jeweiligen Gehäuseteil abstehenden Flanschfläche ausgebildet sein können und jedes Gehäuseteil einen kreisförmigen Querschnitt aufweisen kann. Jedoch ist der D8 keine Anregung zu entnehmen, die in Fig. 9b dargestellte Profilierung gemäß Merkmal (f) spiralförmig auszubilden.
Die Einsprechenden haben demgegenüber argumentiert, dass in Kap. 5.3 der D8 die Spaltbildung mittels konischer Gewinde beschrieben werde. Derartige Gewinde seien von ihrer Struktur her spiralförmige Profilierungen gemäß Merkmal (f), und der Fachmann werde diese Profilierungen in naheliegender Weise auf die in Fig. 9b gezeigten Fügeflächen übertragen, indem er die dort dargestellte Riffelung wie eine horizontale Gewindestruktur spiralförmig ausbilde. Darüber hinaus sei von der Lehre des geltenden Anspruchs 1 auch der Fall umfasst, dass sich die Oberflächenprofilierung entsprechend der Darstellung in Fig. 5 des Streitpatents über die gesamte Fügefläche erstrecke. In so einem Fall seien die Fügeflächen nicht mehr eindeutig zu bestimmen und könnten dann in annähernd beliebiger Weise definiert werden, so dass das Merkmal (c) des Anspruchs 1 betreffend die senkrechte Orientierung der Fügeflächen relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile keine beschränkende Eigenschaft mehr habe. Daher würde auch ein Gehäuse, das wie in der D8 beschrieben mittels eines konischen Gewindes verschlossen würde, unter den geltenden Anspruch 1 fallen und folglich dessen Gegenstand patenthindernd entgegenstehen.
Diese Sichtweise ist jedoch insofern unzutreffend, als der Fachmann der Lehre der Druckschrift D8 auch in Kombination mit dem übrigen Stand der Technik kein Gehäuse mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 entnehmen kann.
So zeigt insbesondere das obere Gehäuseteil von Fig. 9b der D8 in Übereinstimmung mit Fig. 5 des Streitpatents den von den Einsprechenden angesprochenen Fall, dass sich die Oberflächenprofilierungen über die gesamte Fügefläche erstreckt. Trotzdem sind die Fügeflächen bei diesen beiden Beispielen entgegen den Ausführungen der Einsprechenden nicht beliebig zu definieren, sondern eindeutig als zwei zueinander parallele Horizontalflächen ausgebildet, die typischerweise senkrecht zu den angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile verlaufen.
Im anschließenden Kapitel 5.3 der D8 wird unter Tabelle 3 zunächst auf zylindrische Gewindespalte Bezug genommen. Übertragen auf die in der D8 beschriebenen Gehäuse versteht der Fachmann darunter insbesondere ein unteres zylindrisches Gehäuseteil, das im oberen Bereich der äußeren oder inneren Gehäusewand ein Gewinde aufweist, auf das das obere Gehäuseteil geschraubt wird. Die Fügeflächen sind demnach konzentrisch zueinander angeordnete Zylinderflächen, wobei das Gewinde eine sich in vertikaler Richtung erstreckende, regelmäßige und spiralförmige Oberflächenprofilierung darstellt. Im Gegensatz zu Merkmal (c) des Anspruchs 1 verlaufen die Fügeflächen relativ zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile nicht senkrecht, sondern parallel, denn diese Orientierung ist ja gerade das Kennzeichen eines zylindrischen Gewindes. Es gibt für den Fachmann auch keine Veranlassung, das zylindrische Gewinde so abzuändern, dass es sich nicht vertikal, sondern horizontal wie in Fig. 9b der D8 erstreckt, denn dann ist es kein zylindrisches Gewinde mehr und erfüllt auch nicht mehr den Befestigungszweck eines Gewindes.
Die nachfolgende Tabelle 4 auf Seite 16 der D8 befasst sich dann mit konischen Gewindespalten. Folglich sind in diesem Fall die Fügeflächen Konen, die im Gegensatz zum vorigen Beispiel nicht parallel, sondern unter einem Winkel geneigt zu den an diese angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile verlaufen. Dieser Winkel muss aber klein sein und darf auf keinen Fall 90° betragen, denn unter Fußnote „c“ dieser Tabelle wird ausdrücklich gefordert, dass sich mehr als 3,5 Gewindegänge wirksam im Eingriff befinden. Da dieses Ineinandergreifen nur bei kleinen Winkeln gewährleistet sein kann und insbesondere dann nicht gegeben ist, wenn die Fügeflächen, wie in Fig. 9b gezeigt, horizontal orientiert sind, gibt es für den Fachmann auch keine Veranlassung, ein konisches Gewinde so weit abzuändern, dass es gar kein ineinandergreifendes konisches Gewinde mehr ist, sondern nur noch eine horizontal orientierte spiralförmige Oberflächenstrukturierung ohne inhärenten Verschraubungs- und Befestigungseffekt.
Auch der Argumentation, dass die Orientierung der Fügefläche nicht feststellbar sei, kann im Falle eines Gewindes nicht gefolgt werden, denn im Unterschied zu einer beliebig profilierten Fläche wird ein Gewinde in eine Grundform - im Falle eines konischen Gewindes in einen Kegelstumpf - mit bestimmten Eigenschaften wie bspw. einer bestimmten Tiefe geschnitten. Es ist damit eine Oberfläche eindeutig als Fügefläche definiert, welche bei einem konischen Gewinde die Oberfläche des Kegelstumpfes ist. Dies kann als konische Fläche nicht senkrecht zu den angrenzenden Bereichen der Gehäuseteile verlaufen.
Die übrigen Druckschriften D1 bis D6, D8 bis D13, E2 und E6 beziehen sich ebenfalls auf explosionsgeschützte Gehäuse, doch gibt es auch in diesem Stand der Technik keinen Hinweis bezüglich einer spiralförmigen Oberflächenprofilierung gemäß der Lehre des Anspruchs 1. Aus diesem Grund kann der weiteren Argumentation der Einsprechenden, dass eine solche spiralförmige Oberflächenprofilierung lediglich eine naheliegende fachmännische Maßnahme darstelle, ebenfalls nicht gefolgt werden, denn dem zahlreich druckschriftlich vorgelegten Stand der Technik ist kein entsprechender Hinweis zu entnehmen.
Das Gehäuse gemäß Anspruch 1 ist damit neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
5. An diesen Anspruch können sich die Unteransprüche 2 bis 12 anschließen, da diese vorteilhafte Weiterbildungen des Gehäuses gemäß Anspruch 1 angeben.
6. In der an die geltenden Ansprüche angepassten Beschreibung ist der Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben, und die Erfindung ist anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
Das Patent ist daher mit den geltenden Ansprüchen 1 bis 12 rechtsbeständig.
7. Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Verfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner Dr. Friedrich Dr. Zebisch Dr. Himmelmann Me