AK 76/25
BUNDESGERICHTSHOF AK 76/25 BESCHLUSS vom 17. September 2025 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen versuchter mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:170925BAK76.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidigerin am 17. September 2025 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Kammergericht übertragen.
Gründe:
I. 1 Der Angeschuldigte wurde am 20. Februar 2025 am Flughafen B.
festgenommen und befindet sich seit dem 21. Februar 2025 in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom selben Tag. Vom 5. Juni 2025 bis zum 15. August 2025 wurde die Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 2025 vollzogen. Am 15. August 2025 hat das Kammergericht diesen Haftbefehl aufgehoben und einen seither in Vollzug befindlichen Haftbefehl erlassen.
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in P.
und B. – als Heranwachsender – im Zeitraum zwischen dem
31. Januar 2025 und dem 21. Februar 2025 o sich einen Inhalt verschafft, der geeignet gewesen sei, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu dienen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
o durch eine weitere selbständige Handlung eine terroristische Vereinigung im Ausland unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, sowie o durch eine weitere selbständige Handlung versucht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland mitgliedschaftlich zu beteiligen, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen,
o durch dieselbe Handlung in zwei Fällen das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregt habe, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, und o durch dieselbe Handlung eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternommen habe, zum Zwecke der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen zur Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen erfolgen,
strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 263 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, §§ 1, 105 JGG.
Unter dem 5. August 2025 hat der Generalbundesanwalt wegen dieser Taten Anklage beim Kammergericht erhoben.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl angelasteten Taten dringend verdächtig.
a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ – die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina – umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten. Angehörige der irakischen und syrischen Armee,
aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellten, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin, die Verantwortung.
Im Jahr 2014 gelang es dem IS, große Teile der Staatsterritorien von Syrien und dem Irak zu besetzen. Er kontrollierte die aneinander angrenzenden Gebiete Ostsyriens und des Nordwestiraks. Ab dem Jahr 2015 geriet die Vereinigung militärisch zunehmend unter Druck und musste schrittweise massive territoriale Verluste hinnehmen. Im August 2017 wurde sie aus ihrer letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Im März 2019 galt der IS – nach der Einnahme des von seinen Kämpfern gehaltenen ostsyrischen Baghouz – sowohl im Irak als auch in Syrien als militärisch besiegt. Tausende von IS-Kämpfern sowie Zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern, etwa in Al-Hol oder Roj im Nordosten Syriens, interniert.
Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats mit quasi staatlichen Strukturen war der IS als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht zerstört. Vielmehr verblieb die Vereinigung unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-irakischen Grenzregion sowie der syrischen Wüste. Auch passte sich der IS an die veränderten Rahmenbedingungen an. So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine Propagandatätigkeiten fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund. Schätzungen zufolge verfügt er gegenwärtig im Kerngebiet über etwa 2.500 aktive Kämpfer. Seit 2019 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in Syrien und im Irak. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, Tschad und Burkina Faso aus.
Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen Staaten in Afrika und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und Zentralafrika sowie in der Provinz Khorasan, bestehend aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan, unterstreicht der IS seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein. Erst jüngst bekannte er sich zu Anschlägen in Europa, die von Personen verübt wurden, welche über soziale Medien von der Vereinigung angeleitet worden waren.
bb) Der Angeschuldigte radikalisierte sich ab Mai 2024 während eines Aufenthalts in Tschetschenien über das Internet. Hierbei setzte er sich mit dem IS auseinander und fing an, dessen Ideologie und Handlungen gutzuheißen. Diesen Wandel hin zu einem radikalen Verständnis des Islam setzte er nach seiner Rückkehr nach Deutschland fort, wobei er die Tötung von nach Auffassung des IS „Ungläubigen“ und Gewalt gegen diese befürwortete. Er konsumierte hierbei Propaganda des IS, insbesondere Videos, die Hinrichtungen und Tötungen von Menschen im Stil von Videospielen zeigten und mit Kommentaren im Sinne der Ideologie des IS versehen waren. Ferner folgte der Angeschuldigte dem Social- Media-Kanal „A.
“, welcher öffentlich zu Anschlägen in Deutschland aufforderte, und dem Account „T.
“ in dem sozialen Netzwerk X
(„Twitter“), der eine islamistische und jihadistische Ideologie vertritt und den IS verherrlicht. Auch las er Literatur, die die Ideologie des IS befürwortete, wie das Buch
.
Gleichzeitig beschäftigte sich der Angeschuldigte mit der Möglichkeit eines Todes als „Märtyrer“ für den IS, den er spätestens ab Juni 2024 für sich selbst als erstrebenswert erachtete.
(1) Der damals 18-jährige Angeschuldigte erwog vor diesem Hintergrund, einen islamistisch motivierten Anschlag mittels einer unkonventionellen Brandund Sprengvorrichtung gegen nach seiner Auffassung „Ungläubige“ in der Bundesrepublik Deutschland zu verüben. Als mögliches Anschlagsziel zog er die israelische Botschaft in B. in Betracht. Durch die Wahl dieses symbolträchtigen Ziels und die zu erwartenden menschlichen Opfer beabsichtigte er, aus Feindschaft gegenüber dem freiheitlich-demokratischen Staats- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland das friedliche Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Deutschland, besonders mit Menschen jüdischen Glaubens, sowie deren Vertrauen, in Deutschland vor gewaltsamen Einwirkungen geschützt zu sein, nachhaltig zu erschüttern.
Zur Durchführung dieses Anschlages bezog der Angeschuldigte am 6. Februar 2025 über das Internet eine Anleitung zur chemischen Herstellung von Sprengstoffen von der IS-affiliierten Medienstelle „L.
“. In dieser Anleitung war die Synthese von Hexamethylentriperoxiddiamin aus verschiedenen Grundstoffen zur Gewinnung als Sprengstoff beschrieben. Zum gleichen Zweck lud sich der Angeschuldigte ein Video auf sein Handy, welches einen Kämpfer des IS in einem Fahrzeug zeigte, der einen Sprengsatz auf einem Parkplatz inmitten sich dort aufhaltender Menschen zündete. Der Angeschuldigte versuchte, die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff in die Tat umzusetzen, kam jedoch bei seiner Suche nach den erforderlichen Grundstoffen zu dem Ergebnis, dass diese zum Teil nicht frei verkäuflich sind. Daher sah er spätestens am 19. Februar 2025 davon ab, Sprengstoff nach der zuvor beschafften Anleitung herzustellen.
(2) Parallel zu seinen eigenen Anschlagsplänen kontaktierte der Angeschuldigte Mitglieder des IS. So kam es zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 12. Februar 2025 über die Chatplattform „E.
“ zu einem Austausch des Angeschuldigten mit einem mutmaßlichen Mitglied des IS mit der Kennung „m.
“. Gegenüber diesem erklärte sich der Angeschuldigte bereit, Propagandamaterial des IS aus der arabischen in die russische sowie die tschetschenische Sprache zu übersetzen. Anschließend übertrug der Angeschuldigte am 12. Februar 2025 eine arabisch-sprachige Propagandamitteilung, in welcher Muslime aus Russland aufgefordert werden, sich dem IS anzuschließen und sich gegen Russland sowie die Regierung im Kreml zu wenden, in die russische und tschetschenische Sprache. Der von dem Angeschuldigten übersetzte Text wurde von seinem Chatpartner in ein Bild eingefügt, in dem er Teil einer Schriftrolle ist, welche neben Polaroidfotos von Kämpfern vor dem Wappen des IS sowie einem Sturmgewehr und einer Handgranate liegt.
Durch diese Übersetzung beabsichtigte der Angeschuldigte, die Rekrutierung von weiteren Kämpfern für den IS unter der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung der autonomen Republik Tschetschenien und der Russischen Föderation zu fördern. Weiterhin übersetzte er „Anasheed“ – religiöse Sprechgesänge – in die russische und tschetschenische Sprache, um auch hierdurch der Ideologie des IS Vorschub zu leisten. Schließlich stellte er sich für weitere Übersetzungsaufträge zur Verfügung, die er allerdings vor seiner Festnahme nicht mehr abschloss.
(3) Infolge seiner Radikalisierung im Jahr 2024 geriet der Angeschuldigte immer tiefer in die islamistische Szene in P.
und B. . Dabei lernte er die gesondert verfolgten W. und A. kennen, welche ebenfalls die Ideologie des IS teilten. Mit diesen entwickelte er die gemeinsame Vorstellung, sich dem IS in dessen Einflussbereich anzuschließen, sich von ihm ausbilden zu lassen und schließlich für ihn zu kämpfen sowie Anschläge auf „Ungläubige“ zu verüben, um sie zu töten. Diesem Plan folgend verließen W. und A.
am 18. Januar 2025 die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, sich dem IS in Somalia anzuschließen.
Auch der Angeschuldigte bereitete ab Januar 2025 seine Ausreise vor, um dem IS beizutreten. Zur Finanzierung dieses Vorhabens schloss er am 31. Januar 2025 zwei Mobilfunkverträge mit den Mobilfunkanbietern V.
und Te.
, um so an die beiden in den Verträgen enthaltenen Smartphones „Apple iPhone 16 Pro“ im Wert von jeweils 1.199 € zu gelangen. Gegenüber den Mobilfunkanbietern gab er bei Vertragsschluss an, willens und in der Lage zu sein, seine vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen.
Diese beliefen sich gegenüber der Te.
auf zwei Einmalzahlungen zu 99,95 € und 39,95 € sowie eine monatliche Gebühr von 74,95 €.
Gegenüber der V.
hatte der Angeschuldigte eine Einmalzahlung von 99,95 € sowie eine monatliche Zahlung in Höhe von 113,90 € zu leisten.
Tatsächlich war er von Anfang an weder in der Lage noch willens, diese vertraglichen Gegenleistungen zu erbringen, sondern beabsichtigte, die Smartphones gewinnbringend zu verkaufen. Durch den hierdurch erzielten Erlös wollte er sich die für die Aus- und Weiterreise zum IS in Pakistan erforderlichen finanziellen Mittel verschaffen. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht beglich der Angeschuldigte weder die fälligen Einmalzahlungen noch die monatlichen Raten.
Zur Finanzierung seines Anschlusses an den IS verkaufte der Angeschuldigte die Smartphones zu einem Preis von jeweils 900 € an eine Person in B. . Während er von den ersten 900 € ein Ticket für einen Flug über Istanbul nach D. in Saudi-Arabien erwarb, führte er die zweiten 900 € als Bargeld bei seiner späteren Festnahme am Flughafen B.
mit sich. Durch den Vertragsschluss erlitten die Mobilfunkanbieter einen Schaden in Höhe von jeweils zumindest 1.199 €.
Am 13. Februar 2025 verließ der Angeschuldigte – nun vollends zur Ausreise entschlossen mit dem Ziel, sich dem IS anzuschließen – seine Familie in P. und übernachtete in den kommenden Tagen in der Al.
in B. sowie bei einem Zeugen.
Um den Anschluss an den IS zu vollziehen, leistete der Angeschuldigte am 19. Februar 2025 die „Bay'a“ – einen Treueschwur – gegenüber Abu Hafs al- Hashimi Al-Qurashi, dem derzeitigen Anführer des IS. Ein Video hiervon leitete er auf unbekanntem Wege einem mutmaßlichen Mitglied des IS zu, welches den Erhalt über den Messengerdienst „Threema“ bestätigte. In der Annahme, dass er nun alles seinerseits Erforderliche getan hatte, um von dem IS als Mitglied aufgenommen zu werden, begab sich der Angeschuldigte am 20. Februar 2025 gegen 10.35 Uhr an den Flughafen B.
, um den von ihm gebuchten Flug nach D.
anzutreten. Von dort wollte er nach M. weiterreisen, wo sich nach seiner Kenntnis die gesondert verfolgten W. und A. aufhielten. Nach dem Zusammentreffen mit diesen wollten sie sich an bewaffneten Aktivitäten des IS in Pakistan beteiligen, um die dort bestehende staatliche Ordnung – auch unter bewusster Inkaufnahme von menschlichen Opfern – gewaltsam zu beseitigen und eine ausschließlich auf der Scharia basierende Gesellschaftsordnung zu errichten.
Gegen 11.30 Uhr checkte er am Schalter ein und passierte anschließend erfolgreich die Luftsicherheitskontrolle. Nach deren Passieren der Grenzkontrolle nahmen ihn Kräfte der Bundespolizei fest. Zu diesem Zeitpunkt erkannte er, dass er sein geplantes Vorhaben, sich dem IS als Mitglied anzuschließen, nicht mehr umsetzen konnte.
b) Der Angeschuldigte hat sich bislang lediglich bei seiner Festnahme am
20. Februar 2025 geäußert. Dabei hat er angegeben, es stimme nicht, dass er einen Anschlag habe begehen wollen; er habe auch keinen Sprengstoff. Er habe über Istanbul nach D.
in Saudi-Arabien fliegen und sich dort mit zwei Bekannten treffen wollen, um mit diesen gemeinsam eine „Haddsch“ nach M.
zu unternehmen. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:
aa) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung IS beruht er auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie auf verschiedenen polizeilichen Auswerteberichten.
bb) Der dringende Tatverdacht betreffend die Tathandlungen des Angeschuldigten stützt sich auf die Angaben verschiedener Zeugen, die Auswertung des Smartphones des Angeschuldigten sowie von diesem genutzte soziale Medien und Chat-Kommunikation, Hinweise des Bundeskriminalamts und des FBI,
Behördenerklärungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und zudem auf Erkenntnisse aus den Verfahren gegen die gesondert Verfolgten W.
und A. sowie Vertragsunterlagen betreffend die abgeschlossenen Mobilfunkverträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Kammergerichts vom 15. August 2025 sowie die Anklageschrift des Generalbundesanwalts und die dort jeweils angeführten Nachweise aus der Sachakte Bezug genommen.
c) In rechtlicher Hinsicht ist der unter II. 1. a) geschilderte Sachverhalt – im Einklang mit Anklageschrift und dem Haftbefehl des Kammergerichts – dahin zu würdigen, dass der Angeschuldigte der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie der versuchten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Betrug in zwei tateinheitlichen Fällen und mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dringend verdächtig ist (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 263 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, §§ 1, 105 JGG).
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt vor.
2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität.
a) Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung – je nach Anwendung von Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht – mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Jugend- oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem sich daraus ergebenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen.
Der Angeschuldigte wurde am Flughafen B.
vorläufig festgenommen, als er sich ins Ausland absetzten wollte, um sich dort dem IS anzuschließen. Es sind weder familiäre noch sonstige Umstände erkennbar, die den Fluchtanreiz mindern könnten. Seine Mutter und seine älteren Geschwister leben zwar gemeinsam in einer Wohnung in B. , in der sich der Angeschuldigte bis Anfang Februar 2025 ebenfalls aufhielt. Das Verhältnis zu seinen Angehörigen ist jedoch derzeit – wohl auch wegen seiner Radikalisierung – zerrüttet. Er selbst hatte sogar seine älteren Geschwister wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt, wobei er bei der Anzeigenerstattung mit sichtbaren Verletzungen auf der Polizeistation erschien. Anfang Februar 2025 verließ er die Wohnung der Familie und übernachtete seitdem bis zu seiner Festnahme bei Bekannten und in der Al.
in B.
. Er ging weder einer Ausbildung noch einem Beruf nach. Aufgrund seiner zahlreichen (internationalen) Kontakte zu Gleichgesinnten aufgrund seiner Aktivitäten im Internet, insbesondere den Messenger- Kanälen und Chat-Gruppen, ist zu besorgen, dass ihm ein jederzeitiges Untertauchen im Falle einer Entlassung aus der Untersuchungshaft möglich wäre. Da er schließlich selbst in einem Brief an seine Mutter darüber berichtete, keinen Sinn im Leben und der Zukunft zu sehen, ein „Mitlaufen“ mit den gesondert verfolgten W.
und A. vielmehr den schnellsten und einfachsten Weg zum Tod und ins Paradies darstelle, ist davon auszugehen, dass er in Freiheit erneut versuchen wird, sich ins Ausland abzusetzen. Nach Würdigung aller Umstände ist es deshalb wahrscheinlicher, dass er sich, auf freien Fuß gesetzt, dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
b) Die zu würdigenden Umstände begründen die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) ebenso auf den dort geregelten Haftgrund gestützt werden kann. Insoweit reicht auch der Versuch der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Katalogtat aus.
3. Eine – bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche – Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Angesichts der Einbindung des Angeschuldigten in ein weitreichendes konspiratives Netzwerk einer terroristischen Vereinigung, die ihm ein Untertauchen wesentlich erleichtern könnte, kann der Zweck der Untersuchungshaft hier nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit der Ermittlungen mit der Vernehmung verschiedener Zeugen, Durchsuchungsmaßnahmen sowie mit der Auswertung von Telekommunikationsgeräten, von zahlreichen Unterlagen und der Auftritte des Angeschuldigten in den sozialen Medien haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden. Die Anklage ist unter dem 5. August 2025 erhoben und dem Angeschuldigten sowie seinem Verteidiger mit Verfügung vom 8. August 2025 zugestellt worden. Zudem sind bereits – für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens – mit den Verfahrensbeteiligten Termine für die Hauptverhandlung ab Anfang Dezember 2025 abgestimmt worden.
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Berg Hohoff Erbguth