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VIa ZR 1412/22

BUNDESGERICHTSHOF VIa ZR 1412/22 BESCHLUSS vom 14. Oktober 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:141025BVIAZR1412.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2025 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterin Möhring, die Richter Dr. Katzenstein, Dr. Ostwaldt und Dr. Tausch beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. September 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf bis 40.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Oktober 2015 von einem Händler einen gebrauchten VW Touareg BMT 3.0 V6 TDl, der mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 evo (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Der Kläger begehrt im Wesentlichen die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht seine Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision, mit der er seine Berufungsanträge weiterverfolgen möchte.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB scheide aus. Dass sich die Beklagte vorsätzlich sittenwidrig verhalten hätte, sei nicht dargelegt. Ob in dem im Oktober 2014 erstzugelassenen Fahrzeug des Klägers von Anfang an eine Abschalteinrichtung verbaut gewesen sei, die das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nachträglich als unzulässig eingestuft habe, könne im Ergebnis dahinstehen. Es fehle an einem substantiierten Vortrag, wonach die Beklagte eine Motorsteuerung in das Fahrzeug des Klägers vorsätzlich zu dem Zweck eingebaut habe, um durch einen bestimmten, ausschließlich prüfstandsbezogenen Modus die Typgenehmigung für die eingebauten Motoren zu erschleichen. Ein bewusst sittenwidriges Handeln von Verantwortlichen der Beklagten sei nicht belegt. Der etwaige Einbau eines sogenannten Thermofensters ändere am fehlenden Vorsatz nichts. Denn die Beklagte habe wenigstens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren in der Sache C-693/18 am 17. Dezember 2020 davon ausgehen dürfen,

dass auch ein Thermofenster den Ausnahmetatbestand von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erfülle und eine darauf basierende Abschalteinrichtung europarechtlich zulässig sei.

2. Durch seine Annahme, in dem Motor des klägerischen Fahrzeugs sei keine evident unzulässige Abschalteinrichtung implementiert, welche ein sittenwidriges Handeln der Beklagten und den Vorsatz der für sie verantwortlich Handelnden begründen könne, hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, wenn ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in der Begründung der Entscheidung nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist. Daraus ergibt sich eine Pflicht des Gerichts, die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2025 - VIa ZR 190/23, juris Rn. 9 mwN).

b) Gemessen hieran ist dem Berufungsgericht eine Gehörsverletzung unterlaufen. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht Vortrag des Klägers dazu übergangen hat, in seinem Fahrzeug sei eine Aufheizstrategie ("Strategie A") verbaut und diese stelle eine evident unzulässige Abschalteinrichtung dar. Der Kläger hat dazu einen Rückrufbescheid des KBA einen VW Touareg 3.0 l Diesel Euro 6 betreffend vorgelegt (Anlage K7), demzufolge das klägerische Fahrzeug eine Prüfzykluserkennung nutze, um unter Prüfstandsbedingungen die NOx-Reduzierung durch Einsatz der sogenannten Aufheizstrategie ("Strategie A“) zu verbessern.

Das Berufungsgericht unterstellt zwar das Vorliegen eines Rückrufs und der dem Rückruf zugrunde liegenden Funktionen. Mit der vom KBA beanstandeten Aufheizfunktion "Strategie A" beschäftigt sich das Berufungsgericht indes nicht. Die angegriffene Entscheidung befasst sich explizit nur mit einem "Thermofenster". Auf die Stellungnahme des Klägers zum Hinweisbeschluss, in der er erneut auf den Rückrufbescheid und seinen Vortrag zu einer prüfstandsbezogenen Aufheizfunktion "Strategie A", die in seinem Fahrzeug verbaut sei, hingewiesen hat, geht das Berufungsgericht nicht ein.

3. Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB bejaht hätte, wenn es dessen Vortrag zu einer den Prüfstand erkennenden Aufheizfunktion ("Strategie A") in seine Erwägungen einbezogen hätte.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

C. Fischer Möhring Katzenstein Ostwaldt Tausch Vorinstanzen: LG Halle, Entscheidung vom 28.01.2022 - 6 O 160/21 OLG Naumburg, Entscheidung vom 07.09.2022 - 3 U 29/22 -

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