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5 StR 268/25

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 268/25 URTEIL vom 27. August 2025 in der Strafsache gegen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung ECLI:DE:BGH:2025:270825U5STR268.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August 2025, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof von Häfen, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Werner, Richter am Landgericht als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt P.

als Verteidiger, Rechtsanwalt K.

als Vertreter des Nebenklägers, Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-3- Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 25. November 2024 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen - Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und vom Vorwurf zweier Vergewaltigungen freigesprochen. Die gegen den Freispruch gerichtete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

1. Dem Angeklagten liegt in den Freispruchsfällen nach der insoweit unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Kiel vom 26. September 2022 zur Last, an dem damals 15 Jahre alten Nebenkläger am 9. November 2021 und nochmals etwa ein bis drei Wochen später gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen den Analverkehr vollzogen zu haben.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und hierzu festgestellt, dass er in seiner Wohnung zweimal mit dem Nebenkläger zu den in der Anklage genannten Zeiten Analverkehr hatte und dies weder dem Wunsch des Nebenklägers entsprach noch auf dessen Initiative zurückging. Der Angeklagte verkaufte zur Tatzeit Marihuana, der Nebenkläger hatte deshalb Kontakt zu ihm aufgenommen. Der Nebenkläger handelte „wohl“ zeitweise auch damit für den Angeklagten, der sein „Dealer“ war. Bei dem Analverkehr übte der Angeklagte keine Gewalt aus, der Nebenkläger wehrte sich trotz Schmerzen nicht dagegen und floh auch nicht aus der Wohnung. Er stellte erst nach dem zweiten Vorfall den Kontakt zum Angeklagten ein, auch weil dieser einige Zeit im Iran war. Zunächst zeigte der Nebenkläger die Vorfälle nicht an; er lehnte anschließend ein vom Angeklagten gefordertes weiteres Treffen ab. Erst als der Angeklagte am 18. Januar 2022 per WhatsApp dem Nebenkläger drohte, wenn dieser sich nicht mit ihm treffe, werde er ein Video des Analverkehrs auf einer Porno-Webseite hochladen und den Nebenkläger zu Hause aufsuchen, offenbarte sich der Nebenkläger seiner Mutter und erzählte ihr, er sei vom Angeklagten zweimal vergewaltigt worden; beide gingen unverzüglich zur Polizei und erstatteten Anzeige.

Die Strafkammer hat den Angeklagten freigesprochen, weil sie sich nicht davon überzeugen konnte, dass der Nebenkläger vor oder während des Sexualkontakts seinen entgegenstehenden Willen deutlich gemacht habe, weshalb der entgegenstehende Wille des Nebenklägers für den Angeklagten nicht im Sinne von § 177 Abs. 1 StGB erkennbar gewesen sei. Eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 5 Nr. 2 und 3 StGB scheide ebenfalls aus. Eine Verurteilung nach § 182 Abs. 1 StGB komme mangels Zwangslage nicht in Betracht. Wegen der Chatnachrichten vor der Anzeige hat das Landgericht den Angeklagten wegen versuchter Nötigung verurteilt.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Das Urteil wird schon den an einen Freispruch nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

a) In den Urteilsgründen sind danach zunächst regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen, bevor in der Beweiswürdigung darzulegen ist, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. März 2025 – 5 StR 649/24 mwN).

b) Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer zwar zunächst einen Feststellungsblock eingefügt. Allerdings geht dieser übergangslos in eine – der Beweiswürdigung vorbehaltene – detaillierte Schilderung von Aussageinhalten und deren Entstehung über. Bei vielen der von der Strafkammer geschilderten Umstände bleibt letztlich unklar, ob sie sich von deren Vorliegen überzeugen konnte oder nicht (vgl. auch die Formulierung „wohl“). Dies betrifft insbesondere auch Einzelheiten der Sexualkontakte zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger, an die das Landgericht in der Beweiswürdigung maßgeblich angeknüpft hat.

Die Strafkammer hätte vielmehr zunächst feststellen müssen, wie sich nach ihrer Überzeugung diese Sexualkontakte ganz konkret abspielten. Erst dann wäre beweiswürdigend darzulegen gewesen, welche für die Tatbestandserfüllung relevanten Feststellungen sich aus welchen Gründen nicht haben treffen lassen. Der vom Landgericht gewählte Aufbau lässt eine revisionsgerichtliche Überprüfung des Freispruchs letztlich nicht zu.

2. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin zudem, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, ob der Nebenkläger – wie er behauptet – im Zusammenhang mit den Sexualkontakten ausdrücklich seinen entgegenstehenden Willen gegenüber dem Angeklagten geäußert hat, Lücken und damit Rechtsfehler aufweist.

a) In der von der Strafkammer insoweit angenommenen Aussage-gegenAussage-Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich insbesondere ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 3 StR 302/21, NStZ 2022, 372 mwN).

b) Daran fehlt es. Das Landgericht hat dem Nebenkläger grundsätzlich geglaubt, sich aber – obwohl er dies stets angegeben hat – nicht davon überzeugen können, dass er gegenüber dem Angeklagten im Zusammenhang mit den von ihm unerwünschten Sexualkontakten ausdrücklich „Nein“ sagte oder sonst seinen entgegenstehenden Willen nach außen zu erkennen gab. Die Angaben des Nebenklägers dazu seien nicht immer aussagekräftig gewesen, teils auch inkonstant und lückenhaft. Zu beachten sei auch, dass der Nebenkläger ein teilweise ambivalentes Verhalten gegenüber dem Angeklagten und dessen sexuellem Ansinnen an den Tag gelegt, bei keinem der Vorfälle Gegenwehr geübt und den Kontakt mit dem Angeklagten nach dem ersten Mal nicht abgebrochen habe.

Nicht in seine Beweiswürdigung eingestellt hat das Landgericht hierbei das festgestellte Verhalten des Angeklagten im Verurteilungsfall. Denn dieses kann ein Indiz dafür sein, dass der Angeklagte bereit war, den ausdrücklich geäußerten gegenteiligen Willen des Nebenklägers zu missachten. Hierfür wäre auch in den Blick zu nehmen gewesen, dass die spätere Drohung mit einer Veröffentlichung von Videoaufnahmen des Sexualverkehrs im Internet Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zu einem etwa entgegenstehenden Willen des Nebenklägers beim Vollzug des Analverkehrs zulassen kann.

Die Strafkammer hat zudem nicht erörtert, ob es dem Angeklagten beim Erzwingen eines Treffens mit dem Nebenkläger wiederum um die Ermöglichung eines Sexualkontakts gegangen ist und der Nebenkläger deshalb seinen entgegenstehenden Willen ausdrücklich geäußert hat; dies könnte die Bewertung der Angaben des Nebenklägers in einem anderen Licht erscheinen lassen.

3. Daneben hat das Landgericht seine Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verletzt. Diese gebietet, den angeklagten Lebenssachverhalt unter allen ernsthaft in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und damit den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs zu erschöpfen; dies ist nicht geschehen, was der Senat auf die Sachrüge hin zu prüfen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 2023 – 4 StR 479/22 mwN).

a) Die Strafkammer hat insbesondere trotz entsprechender Anhaltspunkte nicht geprüft, ob sich der Angeklagte nach § 182 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 StGB wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen strafbar gemacht hat. Dies wäre der Fall, wenn er als Person über 21 Jahren den Nebenkläger als eine Person von damals unter 16 Jahren vorsätzlich dadurch missbraucht hätte, dass er sexuelle Handlungen am Nebenkläger vorgenommen und dabei dessen ihm gegenüber fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung ausgenutzt hätte. Der gemäß § 182 Abs. 5 StGB erforderliche Strafantrag ist form- und fristgerecht gestellt worden, zudem hat die Staatsanwaltschaft vorsorglich das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Der Ausnutzung einer Zwangslage, deren Vorliegen das Landgericht bei Prüfung von § 182 Abs. 1 StGB verneint hat, bedarf es dabei nicht.

Die Strafkammer hätte sich zu dieser Prüfung insbesondere aufgrund der besonderen Umstände der Beziehung des Nebenklägers zum deutlich älteren Angeklagten gedrängt gesehen müssen, denn sie hat in den Urteilsgründen selbst ein „Alters- und Machtgefälle zwischen beiden“ und das „Fehlen jeder sonstigen emotionalen Hinwendung“ festgestellt sowie ausgeführt, der Nebenkläger sei jung, unerfahren und mit der Situation mutmaßlich überfordert gewesen.

b) Es fehlt auch an einer Prüfung von § 182 Abs. 2 StGB. Danach macht sich strafbar, wer als Person über achtzehn eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Ausreichend ist, dass sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontakts hierüber einig sind und der Minderjährige durch die Entgeltvereinbarung zu seinem Sexualverhalten wenigstens mitmotiviert wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, BGHSt 61, 173 Rn. 11). Anlass hierzu gab die Erwägung des Landgerichts, dass auch Versprechungen oder Schulden aus der „Geschäftsbeziehung“ von Angeklagtem und Nebenkläger Einfluss auf die Motivlage zur Duldung sexueller Handlungen gehabt haben könnten und der Angeklagte gegenüber dem Nebenkläger im Zusammenhang mit dem Erzwingen eines erneuten Treffens erklärt haben soll, der Nebenkläger schulde ihm 300 Euro.

4. Der Freispruch des Angeklagten beruht auf den Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO).

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts als „Dealer“ des Nebenklägers weitere Straftatbestände durch eine mögliche Abgabe oder Gebrauchsüberlassung von Marihuana an den Nebenkläger erfüllt haben kann (vgl. zur Tatzeit § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, heute bestraft nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a KCanG; bei gewerbsmäßigem Handeln § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit gleicher Strafdrohung wie § 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG). Derartige im Anklagesatz ansatzweise geschilderten Handlungen (der Nebenkläger soll nach dem Anklagevorwurf zu Tat 1 zum Angeklagten gefahren sein, um dort Betäubungsmittel zu holen, gemeinsam habe man Marihuana geraucht; auch nach dem Anklagevorwurf zu Tat 2 soll es zunächst einen gemeinsamen Cannabiskonsum gegeben haben) wären aufgrund des engen örtlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhangs jeweils Teil der beiden vom Anklagevorwurf umfassten Sachverhalte und unterlägen ebenfalls der Kognitionspflicht des Gerichts. Auch wenn die Staatsanwaltschaft in der Anklagebegleitverfügung „hinsichtlich des gemeinsamen Konsums bzw. der Abgabe von Betäubungsmitteln im Zusammenhang mit den angeklagten Sexualstraftaten … nach § 154a StPO bzw. § 154 StPO“ verfahren ist, entbindet dies das Tatgericht nicht von der Verpflichtung, vor einem Freispruch derart ausgeschiedene Teile auch ohne Antrag wieder einzubeziehen (st. Rspr.; vgl. zuletzt – auch zur Frage, ob zur Rüge eines solchen Fehlers eine Verfahrensbeanstandung erforderlich ist – BGH, Urteil vom 14. Februar 2024 – 2 StR 424/23 mwN).

5. Die zu den Freispruchsfällen getroffenen Feststellungen waren schon deshalb aufzuheben, weil der Angeklagte sie nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte.

Cirener Gericke Mosbacher von Häfen Werner Vorinstanz: Landgericht Kiel, 25.11.2024 - 2 KLs 500 Js 22402/22 (3)

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