III ZR 15/20
BUNDESGERICHTSHOF III ZR 15/20 BESCHLUSS vom 30. Juli 2020 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2020:300720BIIIZR15.20.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juli 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Dr. Remmert und Reiter, die Richterin Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Herr beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des SchleswigHolsteinischen Oberlandesgerichts vom 12. Dezember 2019 2 U 3/19 - wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 16.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger verlangt von dem beklagten Mobilfunkunternehmen, die Verwendung von Klauseln in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterlassen, nach denen Verbrauchern Gebühren für die Änderung ihrer Bankverbindung von 2,95 € und für eine Anschriftenänderung von 0,99 € berechnet werden, sofern die Änderungen nicht auf elektronischem Wege mitgeteilt werden. Außerdem verlangt er mit dem Ziel einer Gewinnabschöpfung nach § 10 Abs. 1 UWG im Wege der Stufenklage in erster Stufe Auskunft über die Einnahmen, die aus diesen, seit dem 10. Oktober 2017 erhobenen Gebührenpauschalen erzielt wurden, über die darauf abgeführten Steuern und Abgaben und über sonstige aufgrund der vorgenannten Einnahmen an den Staat oder Dritte erbrachte Leistungen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
1. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem die Wertgrenze von 20.000 € übersteigenden Umfang erreichen will. Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Senat, Beschlüsse vom 3. August 2017 - III ZR 445/16, BeckRS 2017, 121625 Rn. 5 und vom 28. September 2017 - III ZR 580/16, BeckRS 2017, 128871 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - II ZR 177/15, BeckRS 2017, 100946 Rn. 5; jeweils mwN). Das Revisionsgericht ist dabei an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht gebunden (z.B.
Senat, Beschluss vom 28. September 2017 aaO; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 aaO; jeweils mwN). 5 2. Die Beklagte ist durch das Berufungsurteil in Höhe von 14.271,50 € beschwert. Soweit sie zur Unterlassung der Verwendung der beiden Entgeltklauseln verurteilt worden ist, sind für jede Klausel 2.500 € anzusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, NJOZ 2018, 553 Rn. 4 ff; BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, BeckRS 2020, 12416 Rn. 5; jeweils mwN). Die Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 214 € ist als Nebenforderung für die Bemessung des Werts der Beschwer ohne Bedeutung (§ 4 ZPO). Hinsichtlich der Auskunft, zu deren Erteilung die Beklagte von den Vorinstanzen verurteilt worden ist, beläuft sich die Beschwer auf 9.271,50 €.
a) Dieser Betrag entspricht dem Aufwand, der für die Beklagte mit der Erteilung der Auskunft verbunden ist.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 9. Februar 2012 - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 Rn. 7; vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 Rn. 5; vom 28. Januar 2016 - III ZB 96/15, BeckRS 2016, 3749 Rn. 5; vom 8. März 2018 - III ZB 70/17, NJW-RR 2018, 697 Rn. 9 und vom 19. Dezember 2019 - III ZB 28/19, NJW-RR 2020, 189 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 ff; jeweils mwN). Zur Bewertung des Zeitaufwands kann grundsätzlich auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zurückgegriffen werden (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2012 aaO; BGH, Beschlüsse vom 28. September 2011 - IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299 Rn. 7 und vom 10. Januar 2018 - XII ZB 451/17, MDR 2018, 357 Rn. 7 f; jeweils mwN). Zu berücksichtigen ist nur der eigene Aufwand des Auskunftspflichtigen; allgemeine betriebliche Kosten, die nicht unmittelbar durch die Auskunftserteilung verursacht sind, dürfen in die Berechnung nicht einfließen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2011 aaO Rn. 9 mwN).
bb) Danach ist der Aufwand der Beklagten mit 9.271,50 € zu bewerten. Die Beklagte hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass für die Erstellung der Auskunft durch eigene Mitarbeiter ein Zeitaufwand von 441,5 Stunden zu erwarten ist. Als Stundensatz ist in Anlehnung an § 22 Satz 1 JVEG von 21 €, dem Höchstsatz für die Verdienstausfallentschädigung von Zeugen, auszugehen. Eigene Mitarbeiter des beklagten Unternehmensträgers sind keine fremden Hilfspersonen, deren Kostenaufwand, wenn ihre Hinzuziehung erforderlich ist, uneingeschränkt berücksichtigungsfähig ist; eine Überschreitung der Entschädigungssätze nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz kommt bei ihnen nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2017 - I ZR 46/16, ZUM-RD 2017, 251 Rn. 13 f). Die höheren Stundensätze, die die Beklagte ihrer Berechnung zugrunde legt, können daher nicht herangezogen werden. Sie sind zudem auch deshalb für die Bewertung ungeeignet, weil sie nicht nur den mit der Erstellung der Auskunft unmittelbar verbundenen Aufwand betreffen, sondern darüber hinaus allgemeine Kosten der Geschäftstätigkeit einschließen wie Schulungs-, Telekommunikations- und Arbeitsplatzkosten, Ausstattung sowie anteilige Mietkosten, die unabhängig von der Auskunftserteilung anfallen.
b) Weiterer Aufwand für die Hinzuziehung eines externen Wirtschaftsprüfers und für externe Rechtsberatung ist nicht berücksichtigungsfähig.
aa) Muss sich die Partei bei der Auskunftserteilung fremder Hilfe bedienen, so gehören zwar die Kosten, welche die Einschaltung der Hilfsperson verursacht, zu den Kosten der Auskunftserteilung (Senat, Beschluss vom 8. März 2018 aaO; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2017 aaO Rn. 13; jeweils mwN). Die Kosten sachkundiger Hilfspersonen können jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13, NJW-RR 2014, 834 Rn. 11; vom 14. Mai 2014 - XII ZB 487/13, NJW-RR 2014, 1028 Rn. 14; vom 13. April 2016 - IV ZB 40/15, BeckRS 2016, 7518 Rn. 5 und vom 22. Mai 2019 - XII ZB 325/18, MDR 2019, 954 Rn. 4; jeweils mwN).
bb) Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten für externe Wirtschaftsprüfung und für Rechtsberatung durch den Prozessanwalt sind nicht berücksichtigungsfähig. Die Beklagte legt nicht dar, weshalb diese Kosten für eine sachgerechte Auskunftserteilung unvermeidbar sein sollen. Da sie über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, für die sie 80 Stunden Zeitaufwand angesetzt hat, ist nicht ersichtlich, weshalb zusätzlich eine Beratung durch einen Prozessanwalt erforderlich sein sollte. Entsprechendes gilt für die Hinzuziehung eines externen Wirtschaftsprüfers. Die Auskunft bedarf, um den Vorgaben des tenorierten Auskunftsanspruchs zu entsprechen, nicht einer Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer. Dass die fachkundigen Mitarbeiter der Beklagten ohne externen Rat zur Erstellung der Auskunft nicht in der Lage wären, wird von der Beklagten nicht dargelegt. Wenn sie zu ihrer eigenen Absicherung die externe Überprüfung der durch ihre Mitarbeiter erstellten Auskunft in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht für sinnvoll erachtet, genügt dies nicht, um den damit verbundenen Aufwand als Kosten der Auskunftserteilung berücksichtigen zu können, solange die Erstellung der Auskunft die Hinzuziehung externer Fachkräfte nicht zwingend erforderlich macht.
c) Die Beschwer der Beklagten ist auch nicht wegen eines Geheimhaltungsinteresses höher zu bewerten.
aa) Ein solches kann zwar im Einzelfall zusätzlich zu dem mit der Auskunft verbundenen Aufwand zu berücksichtigen sein. Insofern muss der Rechtsmittelführer aber sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheimzuhalten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substantiiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des die Auskunft Begehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von den ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über das Verfahren hinaus in einer Weise Gebrauch machen, welche die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte (BGH, Beschlüsse vom 10. August 2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 66 f; vom 18. Juli 2018 - XII ZB 637/17, NJW-RR 2018, 1345 Rn. 17 und vom 12. September 2018 - XII ZB 588/17, NJW-RR 2018, 1347 Rn. 13; jeweils mwN).
bb) Den Ausführungen der Beklagten ist kein Geheimhaltungsinteresse zu entnehmen, das über das allgemeine Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, hinausgeht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob, wie die Beklagte geltend macht, konkret zu befürchten ist, dass die Klage auf die Anzeige eines Mitbewerbers zurückgehen und dieser Kenntnis vom Gegenstand der Auskunft erhalten könnte. Denn sie hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb ihr ein Nachteil drohen könnte, wenn ein Mitbewerber von der Auskunft Kenntnis erlangen sollte. Sie hat behauptet, aus der Höhe der aus den streitigen Entgelten erlangten Einnahmen und dem Anteil der Kunden, die Rechnungen in Papierform erhielten und daher auch Änderungen von Anschrift und Bankverbindung schriftlich mitteilen dürften, lasse sich die Gesamtzahl ihrer Kunden errechnen. Das ist nicht glaubhaft gemacht. Aus der Höhe der Einnahmen kann allenfalls errechnet werden, wie viele Kunden seit dem 1. Oktober 2017 Änderungen von Anschrift und Bankverbindung schriftlich mitgeteilt haben. Daraus kann aber nicht auf die Gesamtzahl der Kunden der Beklagten geschlossen werden. Schon ihre Prämisse, dass (nur) diejenigen Kunden, die Rechnungen in Papierform erhalten, Änderungen schriftlich und nicht elektronisch mitteilen, ist nicht sicher. Überdies wäre ein Schluss auf die Gesamtzahl der Kunden nur möglich, wenn für einen Mitbewerber erkennbar wäre, welcher Anteil der Kunden die Anschrift oder Bankverbindung geändert hat. Hierzu trägt die Beklagte nichts vor. Da dieser Anteil nicht bekannt und von einem Mitbewerber auch nicht zu ermitteln ist, trägt die Argumentation der Beklagten nicht, ein Mitbewerber könne, wenn er Kenntnis von der Auskunft erlange, die Gesamtzahl ihrer Kunden errechnen.
Andere Gesichtspunkte, aus denen sich ein besonderes Geheimhaltungsinteresse ergeben könnte, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargelegt worden. Eine Geheimhaltungspflicht gegenüber anderen Dienstleistern behauptet sie lediglich, ohne konkret auszuführen, weshalb eine solche Pflicht gerade im Hinblick auf die Umstände bestehen soll, die Gegenstand der Auskunft sind.
Herrmann Remmert Reiter Böttcher Herr Vorinstanzen: LG Kiel, Entscheidung vom 07.02.2019 - 12 O 574/17 OLG Schleswig, Entscheidung vom 12.12.2019 - 2 U 3/19 -