9 W (pat) 30/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 30/16
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2004 007 520.4 …
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier beschlossen:
1. Der Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.
BPatG 152 08.05 Gründe I Die Beschwerdeführerin ist der Anmelderin am 17. Februar 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung:
„Verfahren zur Prüfung der Funktionsfähigkeit einer Tankentlüftungsanlage eines Kraftfahrzeugs mit einer Brennkraftmaschine“.
Mit dem am Ende der am 28. April 2016 durchgeführten Anhörung verkündeten Beschluss hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass die Zurückweisung gemäß § 48 PatG aus den Gründen des Zusatzes zur Ladung zur Anhörung vom 17. März 2016 erfolge, worauf verwiesen werde. Mit Hinweis auf das in der E1 (DE 102 09 483 A1) offenbarte Verfahren werde eine Neuheit verneint.
Gegen diesen Beschluss, der Anmelderin am 24. Mai 2016 per Übergabeeinschreiben übersandt, richtet sich die am 2. Juni 2016 eingegangene Beschwerde der Anmelderin, die sie mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 weiter begründet hat und darauf stützt, dass ihr das rechtliche Gehör verweigert worden sei; die Anhörung habe stattgefunden, obwohl der Prüfer telefonisch auf Bitten der Anmelderin zugesagt habe, die Anhörung auf den 19. Mai 2016 zu verschieben und hierzu erneut zu laden.
Sie hat beantragt,
den Beschluss vom 28. April 2016 aufzuheben und stattdessen erneut eine Anhörung anzuberaumen.
Darüber hinaus hat sie die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2017 hat die Rechtspflegerin des Senats der Anmelderin mitgeteilt, dass keine Beschwerdegebühr gezahlt worden sei, so dass voraussichtlich festzustellen sein werde, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelte.
Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 7. Februar 2017 beantragt,
ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.
Hierzu hat sie ausgeführt, dass die zuständige Patentverwaltungsangestellte die falsche Druckvorlage aus der Patentverwaltungssoftware angewählt habe, nämlich Typ „Schriftsatz ans DPMA“ anstelle von „Anmelderbeschwerde ans DPMA“. Die beiden Typen unterschieden sich lediglich durch die Einfügung eines Absatzes über die Abbuchung der Beschwerdegebühr. Dieser Unterschied sei bei der Prüfung und Unterzeichnung des Schriftsatzes durch den Patentreferenten nicht aufgefallen. Hierbei habe es sich um ein einmaliges und nicht nachvollziehbares Versehen gehandelt; sowohl Referenten als auch Patentverwaltungsangestellte seien sorgfältig ausgebildet und erfahren, nur Patentreferenten mit dreijähriger unbeanstandeter Ausbildung unter Aufsicht eines Patentanwaltes seien unterschriftsberechtigt.
In dem Schriftsatz hat die Anmelderin gleichzeitig darum gebeten, die Beschwerdegebühr abzubuchen.
Mit Schriftsatz vom 5. April 2017 hat der Senat seine vorläufige Auffassung näher begründet, dass dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werden könne, und eine Frist zur Stellungnahme von einem Monat eingeräumt. Seitdem ist kein Schriftsatz der Anmelderin zur Akte gelangt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde der Anmelderin konnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie nicht fristgemäß erhoben worden ist. Zwar hat die Anmelderin gemäß § 73 Abs. 2 PatG innerhalb der Frist von einem Monat seit Zustellung des Amtsbeschlusses das Beschwerdeschreiben eingereicht, aber nicht die Beschwerdegebühr von 200 € nach § 2 (1) PatKostG in Verbindung mit dem Gebührenverzeichnis entrichtet. Das Beschwerdeschreiben enthielt keine Erlaubnis zur Abbuchung der Beschwerdegebühr. Innerhalb der Monatsfrist ist auch anderweitig keine Zahlung zu der Beschwerde eingegangen.
Mit der nachträglich entrichteten Beschwerdegebühr und dem dazu gestellten Wiedereinsetzungsantrag kann die Anmelderin diesen Mangel nicht beheben.
Zwar ist die Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr durch § 123 Abs. 2 PatG nicht ausgeschlossen – anders als bei der Zahlung der Gebühr für die Beschwerde eines Einsprechenden – und auch grundsätzlich möglich (vgl. BPatGE 1, 102; 31, 266; vgl. Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl. 2014, § 123 Rdn. 59; § 2 PatKostG Rdn. 18).
Nach § 123 PatG kann aber nur derjenige wieder in den vorigen Stand eingesetzt werden, der ohne Verschulden verhindert war, dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat.
Im vorliegenden Fall reichen die von der Anmelderin vorgetragenen Umstände nicht aus, um eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen.
Abgesehen davon, dass alle Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft zu machen sind, was hier versäumt worden ist, müssen sie die Schlussfolgerung nach sich ziehen, dass die Anmelderin bzw. ihre Vertreter kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft.
Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob die eingeschaltete Patentverwaltungsangestellte versehentlich das falsche Formular, nämlich ohne den Passus mit der Abbuchungserlaubnis vorgelegt hat; denn auch bei zulässiger Übertragung von Routineaufgaben auf Verwaltungspersonal obliegt es dem bevollmächtigten Vertreter, eigene Sorgfalt aufzuwenden, um die besonders wichtigen Passagen eines Schriftsatzes zu überprüfen, wie das auf einen Beschwerdeschriftsatz und die dazugehörige Zahlung der Beschwerdegebühr zutrifft (vgl. BPatGE 44, 180 (184 f.) = Mitt. 2002, 354 ff.).
Im vorliegenden Fall darf nicht übersehen werden, dass der Vertreter selbst bei aufmerksamer Kontrolle des von ihm unterzeichneten Beschwerdeschreibens den Fehler hätte erkennen können und müssen. Zwar wird ein Anwalt insoweit privilegiert, dass er durch Übertragung von Routinearbeiten entlastet werden soll und zur Kontrolle regelmäßige Stichproben ausreichen. Dies gilt aber nicht für jedwede Tätigkeit. Gerade für die Einlegung einer Beschwerde und der Zahlung der entsprechenden Gebühr hat die Anmelderin und Beschwerdeführerin, hier vertreten durch den Patentreferenten, besondere Sorgfalt walten zu lassen, dass die dem Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung auch beachtet ist. So hat der 5. Senat (GBM) des BPatG in einer Entscheidung von 1999 herausgestellt, dass eine zuverlässige Kanzleiorganisation einen Anwalt nicht entlasten kann, wenn es um besonders wichtige Kontrollen geht; diese müsse er persönlich vornehmen, auch die Richtigkeit der Bemessung der Beschwerdegebühr (vgl. BPatGE 44, 180 (184 f.). Letztlich sei das Übersehen bzw. die unterlassene Korrektur die Folge unzureichender Sorgfalt. Die bloße Durchsicht reiche, insbesondere bei nur kurzen Schriftstücken, nicht aus. Auch eine nach der Ablauforganisation nachgeschaltete bloße Durchsicht der Ausgänge durch einen Kanzleivorsteher könne ein Versehen des Anwalts nicht wettmachen (BPatGE a. a. O., S. 186).
Diese Rechtsprechung muss auch für einen Patentreferenten gelten, der in einer kanzleiähnlich arbeitenden Patentabteilung eines Unternehmens tätig ist (vgl. Benkard/Schäfers, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 123 Rdn. 17 c, 21). Auch bei Übertragung von Aufgaben auf Hilfskräfte sind der Beteiligte und die vertretungsberechtigten Angestellten nicht von jeder Verantwortung frei. Eine Büroorganisation, die ein persönliches Tätigwerden des Referenten in Form einer Überprüfung des Schriftstücks auf besonders wichtige Inhalte wie die Beschwerdegebühr nicht gewährleistet, kann selbst durch eine nachgeschaltete bloße Durchsicht der Ausgänge durch einen Kanzleivorsteher ein Versehen des Referenten nicht wettmachen.
Die Missachtung dieser Sorgfalt muss sich die Beschwerdeführerin zurechnen lassen.
Nach alledem war der Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung in die Zahlung der Beschwerdegebühr als unbegründet zurückzuweisen.
Ohne rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben; vielmehr gilt sie damit als nicht eingereicht.
Die nachträglich gezahlte Beschwerdegebühr ist als rechtsgrundlos zurückzuerstatten (vgl. Schulte/Püschel, a. a. O. § 73 Rdn. 129 d); Schulte/Schell, PatKostG, § 6 Rdn. 10).
Der Senat war auch zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 123 Abs. 3 PatG befugt. Zuständig ist zwar jeweils die Stelle, bei der der Antrag auf die versäumte Beschwerdefrist eingereicht wird, das war hier beim Rechtspfleger des Gerichts. Einen Antrag vor dem Amt hätte dort nur entschieden werden dürfen, wenn es abhelfen wollte (vgl. Schulte a. a. O. Rdn. 155; Busse, 8. Aufl. 2016, § 123 Rdn. 92). Beim BPatG kann grundsätzlich auch der Rechtspfleger darüber entscheiden; legt er die Akte mit dem Antrag dem Senat vor, ist dieser zuständig, aber auch ohne dem wäre eine Entscheidung des Senats gemäß § 8 Abs. 1 RPflG wirksam (vgl. Busse, a. a. O., Rdn. 90). Denn nach dieser Vorschrift wird die Gültigkeit von Geschäften nicht berührt, die der Richter wahrgenommen hat, die dem Rechtspfleger übertragen sind.
Nach alledem musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hilber Paetzold Sandkämper Dr. Geier Ko