VIa ZR 171/22
BUNDESGERICHTSHOF VIa ZR 171/22 BESCHLUSS vom 25. Juli 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:250722BVIAZR171.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2022 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges als Vorsitzende, die Richterin Dr. Krüger, den Richter Dr. Rensen, die Richterin Wille und den Richter Liepin beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 2022 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insbesondere hat die Rechtssache keine Grundsatzbedeutung, weil es der höchstrichterlichen Klärung bedürfte, welche Anforderungen zum Zwecke der Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB) an die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage zu stellen sind.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsfrage nicht zu, wenn sie zwar vom Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden worden ist, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte aber einhellig beantwortet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - XII ZB 544/18, NJW-RR 2019, 1153 Rn. 4; Beschluss vom 24. Mai 2022 - XI ZR 390/21, juris Rn. 6). So liegt es hier.
Die obergerichtliche Rechtsprechung steht zutreffend auf dem Standpunkt, die Anforderungen an die Angabe des Gegenstands und des Grunds des Anspruchs nach § 608 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO entsprächen denjenigen an die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grunds des in einer Klageschrift erhobenen Anspruchs nach
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 27. April 2022 - 11 U 104/21, juris Rn. 7; OLG Köln, Urteil vom 2. März 2022 - 5 U 104/21, juris Rn. 44; Urteil vom 30. März 2022 - 11 U 86/21, juris Rn. 13; OLG München, NZI 2020, 912 Rn. 71; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 11. Januar 2022 - 7 U 130/21, juris Rn. 70; vgl. in der Literatur auch Schmidt in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 608 Rn. 4; BeckOK ZPO/Lutz, 45. Edition [Stand: 1. Juli 2022], § 608 Rn. 11; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 608 Rn. 5). Diese Auffassung entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 19/2439, S. 25; BT-Drucks. 19/2507, S. 24; BTDrucks. 19/2701, S. 9).
Anhand dieser Maßstäbe ist nicht zweifelhaft, dass in Fällen der Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage in sogenannten "Dieselfällen" im jeweiligen Einzelfall anhand aller individuellen Angaben in der Anmeldung des jeweiligen Verbrauchers zu prüfen ist, ob zur Individualisierung des Anspruchs die Angabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) des betroffenen Fahrzeugs erforderlich ist oder nicht. Die FIN kann zwar eine hinreichende Angabe darstellen, um den Gegenstand und den Grund des Anspruchs zu individualisieren. Ihre Angabe in der Anmeldung ist aber nicht in jedem Fall geboten, weil das betreffende Rechtsverhältnis auch durch andere Angaben identifiziert werden kann (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12. August 2021 - 15 U 36/21, juris Rn. 21 bis 23; Urteil vom 16. Dezember 2021 - 18 U 85/21, juris Rn. 30; Urteil vom 2. März 2022 - 5 U 104/21, juris Rn. 45; offenlassend Brandenburgisches OLG, Urteil vom 27. April 2022 - 11 U 104/21, juris Rn. 8; OLG Köln, Urteil vom 30. März 2022 - 11 U 86/21, juris Rn. 12).
Soweit das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht angenommen hat, bei fehlender Angabe der FIN in der Anmeldung sei keine unzweifelhafte und unverwechselbare Festlegung des betroffenen Fahrzeugs möglich, war diese Erwägung für seine Entscheidung nicht allein tragend. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat die sonstigen pauschalen Angaben des dortigen Klägers mangels Benennung des Kaufvertrags und des betroffenen Fahrzeugs als zur Individualisierung ungeeignet angesehen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 11. Januar 2022 - 7 U 130/21, juris Rn. 71).
Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 35.000 €.
Menges Krüger Rensen Wille Liepin Vorinstanzen: LG Wuppertal, Entscheidung vom 17.05.2021 - 2 O 329/20 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2022 - I-22 U 90/21 -