19 W (pat) 88/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 88/17 Verkündet am 24. Oktober 2018
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2005 012 931.5 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dr. Haupt ECLI:DE:BPatG:2018:241018B19Wpat88.17.0 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 W des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. April 2017 aufgehoben und das Patent mit der Nummer 10 2005 012 931 erteilt.
Bezeichnung: Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus eines Hybridfahrzeugs sowie Hybridfahrzeug Anmeldetag: 15. März 2005 Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 11 vom 5. Februar 2014,
Beschreibung, Seiten 1 bis 3 und 5 bis 12 vom 5. Februar 2014, Seite 4 vom 25. April 2017,
Blatt Zeichnungen, Figur 1 vom 15. März 2005, Figur 2 vom 20. Mai 2005.
Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse B 60 W – hat die am 15. März 2005 eingereichte Patentanmeldung mit Beschluss vom 25. April 2017 mit der Begründung zurückgewiesen, die im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vorgenommenen Änderungen seien unzulässig, da sie den Gegenstand der Anmeldung erweitern (§ 38 PatG) und das Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht als neu gegenüber der Druckschrift D2 gelte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 16. Juni 2017.
Die Anmelderin beantragt:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 W des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. April 2017 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11 vom 5. Februar 2014,
Beschreibung, Seiten 1 bis 3 und 5 bis 12 vom 5. Februar 2014, Seite 4 vom 25. April 2017,
Blatt Zeichnungen, Figur 1 vom 15. März 2005, Figur 2 vom 20. Mai 2005.
Die einander nebengeordneten geltenden Patentansprüche 1, 10 und 11 haben folgenden Wortlaut:
1. Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung eines Fahrzeugs mit Hybridantrieb (10), der einen Verbrennungsmotor (12) mit zumindest einem Zylinder (26) sowie mindestens eine, wahlweise generatorisch oder motorisch betreibbare elektrische Maschine (14) aufweist, wobei der Momentenaufbau zumindest teilweise durch eine zunehmende Zylinderfüllung des mindestens einen Zylinders (26) des Verbrennungsmotors (12) realisiert wird, dadurch gekennzeichnet, dass während des Übergangs wenigstens zeitweise einem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment (M_VM) des Verbrennungsmotors (12) ein nicht-linear veränderliches elektromotorisches Moment (M_EM) der zumindest einen elektrischen Maschine (14) aufgeprägt wird, wobei ein Verlauf des elektromotorischen Moments (M_EM) während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments (M_VM) zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einen Abschnitt mit abnehmendem Moment (M_EM) aufweist.
10. Fahrzeug mit einem Hybridantrieb (10), der einen Verbrennungsmotor (12) mit zumindest einem Zylinder (26) sowie mindestens eine, wahlweise generatorisch oder motorisch betreibbare elektrische Maschine (14) aufweist, sowie mit Steuerungsmitteln (32, 36) zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit niedriger Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung, wobei der Momentenaufbau zumindest teilweise durch eine zunehmende Zylinderfüllung des mindestens einen Zylinders (26) des Verbrennungsmotors (12) realisiert wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerungsmittel (32, 36) eingerichtet sind, den Momentenaufbau gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zu steuern.
11. Hybridantrieb (10) nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerungsmittel (32, 36) einen Programmalgorithmus umfassen, der insbesondere in einem Motorsteuergerät (36) gespeichert ist.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden folgende Druckschriften entgegengehalten:
D1 DE 100 35 521 A1 D2 EP 1 186 461 A1.
Zum Wortlaut der untergeordneten Patentansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Patenterteilung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag.
1. Gegenstand der Anmeldung ist ein Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus während eines Übergangs von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung bei einem Fahrzeug mit Hybridantrieb. Die Erfindung betrifft ferner einen Hybridantrieb mit entsprechenden Steuerungsmitteln zur Steuerung des Momentenaufbaus (erster Absatz auf Seite 1 der ursprünglichen Beschreibung).
Ausgehend davon, dass Drehmomentänderungen und insbesondere Drehmomentsprünge im Triebstrang eines Fahrzeugs zu unerwünschten Schwingungen führen, sei dem Fachmann bekannt, während des verbrennungsmotorischen Momentenaufbaus bei einem Ottomotor temporär den Zündwinkel auf „spät“ zu verstellen, um eine kurzzeitige Verzögerung des Momentenaufbaus zu bewirken und so die Triebstrangschwingungen zu vermeiden. Nachteilig an der Zündwinkelspätverstellung sei jedoch ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, der mit einer verschleppten Energiefreisetzung im verbrennungsmotorischen Arbeitsprozess sowie den damit verbundenen Anstiegen der Abgas- und Kühlmittelverluste und den dadurch verursachten Wirkungsgradeinbußen einhergehe (Seiten 1 bis 3 der Beschreibung).
Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Lastschlagdämpfung in Hybridfahrzeugen zur Verfügung zu stellen, das gegenüber den bekannten Verfahren für Verbrennungsmotoren einen verminderten Kraftstoffverbrauch aufweist (zweiter Absatz auf Seite 3).
2. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplom-Ingenieur mit Universitätsabschluss der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Antriebsstrangentwicklung zu Grunde, der über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Maschinendynamik verfügt und bei der Entwicklung von Hybridantrieben regelmäßig im Team mit einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik zusammenarbeitet.
3. Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst werden, der sich wie folgt gliedern lässt:
M1 Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung M2 eines Fahrzeugs mit Hybridantrieb (10), M3 der einen Verbrennungsmotor (12) mit zumindest einem Zylinder (26) M4 sowie mindestens eine, wahlweise generatorisch oder motorisch betreibbare elektrische Maschine (14) aufweist, M5 wobei der Momentenaufbau zumindest teilweise durch eine zunehmende Zylinderfüllung des mindestens einen Zylinders (26) des Verbrennungsmotors (12) realisiert wird, dadurch gekennzeichnet, dass M6 während des Übergangs wenigstens zeitweise einem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment (M_VM) des Verbrennungsmotors (12) M7 ein nicht-linear veränderliches elektromotorisches Moment (M_EM) der zumindest einen elektrischen Maschine (14) aufgeprägt wird, M8 wobei ein Verlauf des elektromotorischen Moments (M_EM) während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments (M_VM) zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einen Abschnitt mit abnehmendem Moment (M_EM) aufweist.
4. Die Änderungen gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen, die zum Gegenstand der geltenden Ansprüche 1 und 10 führen, sind zulässig (§ 38 Satz 1 PatG).
Der geltende Verfahrensanspruch 1 geht in zulässiger Weise auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 zurück. Die zusätzlich im Merkmal M8 eingefügte Angabe
„während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments (M_VM)“ betont, dass der Verlauf des elektromotorischen Moments (M_EM) mit zumindest einem Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einem Abschnitt mit abnehmendem Moment ‒ wie bereits in den Merkmalen M6 und M7 angegeben ‒ während des Übergangs mit dem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment stattfindet. Eine inhaltliche Änderung ist mit dieser Ergänzung nicht verbunden.
Die Änderungen im nebengeordneten Anspruch 10 beschränken sich auf einen direkten bzw. indirekten Rückbezug auf den geltenden Anspruch 1 und sind somit ebenfalls zulässig.
Der nebengeordnete Anspruch 11 sowie die untergeordneten Ansprüche 2 bis 9 sind mit den am Anmeldetag eingereichten Ansprüchen 11 und 3 bis 9 identisch.
5. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gilt als neu (§ 1 i. V. m. § 3 PatG).
Keine der ermittelten Druckschriften offenbart sämtliche Merkmale des Verfahrens gemäß dem Patentanspruch 1.
5.1 Die im Prüfungsverfahren ermittelte und vom Senat als nächstliegender Stand der Technik angesehene Druckschrift DE 100 35 521 A1 (D1) bezieht sich auf ein Verfahren zur Reduzierung von Lastwechselschwingungen im Antriebsstrangs eines Kraftfahrzeugs durch einen zusätzlichen Momentenimpuls mit gegenphasiger Auslenkung und der halben Periodendauer der Lastwechselschwingung (beispielsweise Absatz 0009).
Aus der Druckschrift D1 ist in Worten des geltenden Anspruchs 1 Folgendes bekannt:
M1 Ein Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung (Absatz 0002: „… wechselnde Übertragungsmomente … Eine Änderung des Fahrzustands des Fahrzeugs bzw. Kraftfahrzeugs, beispielsweise eine Beschleunigung, erfordert eine Änderung des vom Fahrzeugmotor erzeugten Antriebsdrehmoments.“ und Absatz 0023: „Steuerungsprogramm zur Reduzierung von Lastwechselschwingungen“)
M2 eines Fahrzeugs mit Hybridantrieb, (Beim Antrieb des Fahrzeugs in Druckschrift D1 handelt es sich für den Fachmann offensichtlich um einen Hybridantrieb, da dieser auf einer Kombination von zwei verschiedenen Antriebssystemen beruht, einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor, siehe dazu die Erläuterungen zu den folgenden Merkmalen M3 und M4)
M3 der einen Verbrennungsmotor mit zumindest einem Zylinder (Figur 1, darin das Bezugszeichen 1 und Absatz 0050: „Ein Motor 1 bzw. eine Brennkraftmaschine“ und Absatz 0063: „Verbrennungsmotor bzw. Motor 1“; dass der Verbrennungsmotor einen oder mehrere Zylinder enthält, liest der Fachmann ohne Weiteres mit.)
M4 sowie eine, wahlweise generatorisch oder motorisch betreibbare elektrische Maschine aufweist, (Figuren 1, 2a, 2b, 9, 10a, 10b, 16a und 16b, darin das Bezugszeichen 6 sowie beispielsweise Absatz 0050: „Ein Elektromotor 6 dient dazu, einen zusätzlichen Momentenimpuls von außen aufzubringen.“ und Absatz 0076: „Elektromotor z. B. als Anlasser, als Starter-Generator oder dergleichen“; sogenannte Starter-Generatoren werden in Hybridelektrokraftfahrzeugen verwendet, um beim Abbremsen des Fahrzeugs elektrische Energie in die Fahrzeugbatterie zurückzuspeisen und diese Energie später zu verwenden, um den Verbrennungsmotor zu entlasten oder zu unterstützen, wenn besonders viel Energie benötigt wird, beispielsweise beim Beschleunigen. M5 wobei der Momentenaufbau zumindest teilweise durch eine zunehmende Zylinderfüllung des mindestens einen Zylinders des Verbrennungsmotors realisiert wird, (Der Fachmann liest beim Antrieb des Fahrzeugs in Druckschrift D1 mit, dass der Momentenaufbau teilweise, d. h. in Phasen in denen der Verbrennungsmotor in Betrieb ist, dadurch realisiert wird, dass die Füllung des Zylinders oder der mehreren Zylinder zunimmt.) M6 während des Übergangs wenigstens zeitweise einem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment des Verbrennungsmotors (Figuren 4b, 6b, 7b, 8b, 12b, 14b, 15b, 18b, 19b, 20b und 21b sowie beispielsweise Absatz 0054: „Dabei wird gleichzeitig mit der Änderung des Motormoments M ein zusätzlicher Momentenimpuls l durch den Elektromotor 6 aufgebracht“) M7 ein nicht-linear veränderliches elektromotorisches Moment der elektrischen Maschine aufgeprägt wird, (Figuren 4b, 6b, 7b, 8b, 12b, 14b, 15b, 18b, 19b, 20b, und 21b; beispielsweise ist in Figur 4b zu erkennen, wie das elektromotorisches Moment I während des Anstiegs des verbrennungsmotorischen Motormoments M von 0 auf 100 Nm zuerst in einem Zeitintervall von etwa 0,1 s bis 0,2 s linear von 0 auf - 50 Nm abnimmt und anschließend im Intervall von etwa 0,2 s bis zum Ende des Motormomentanstiegs M bei etwa 0,3 s konstant bleibt. Damit ist das vom Elektromotor gelieferte Moment zwar bereichsweise linear, verläuft aber wegen des „Knicks“, d. h.
der Änderung der Steigung der zugehörigen Kurve von einem endlichem Wert auf Null, während des Anstiegs des Motormoments M nicht-linear im Sinne der Anmeldung.)
Figur 4b der Druckschrift D1 mit Ergänzungen durch den Senat M8Teil ein Verlauf des elektromotorischen Moments während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem oder zumindest einen Abschnitt mit abnehmendem Moment aufweist. (Ein elektromotorisch erzeugtes Moment, das während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments („Motormoment M“) einen Abschnitt mit abnehmendem Moment aufweist, ist in den Momentverläufen gemäß verschiedenen Ausführungsbeispielen in den Figuren 4b, 6b, 7b, 8b, 18b, 19b und 20b dargestellt, vgl. dazu insbesondere wieder den absteigenden Abschnitt des Momentenimpulses I in der oben zum Merkmal M7 wiedergegebenen Figur 4b. Ein elektromotorisch erzeugtes Moment, das während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments („Motormoment M“) einen Abschnitt mit zunehmendem Moment aufweist, ist in den Momentverläufen M und I1 in der nachfolgend abgebildeten Figur 21b der Druckschrift D1 dargestellt.
Figur 21b der Druckschrift D1 mit Ergänzungen durch den Senat Insgesamt zeigen die Verläufe von elektromotorischen Momenten in der Druckschrift D1 in allen Moment-Zeit-Diagrammen der verschiedenen Varianten der unterschiedlichen Ausführungsbeispiele zwar sowohl mindestens einen Abschnitt mit zunehmendem als auch mindestens einen Abschnitt mit abnehmendem Moment (vgl. die Figuren 4b, 6b, 7b, 8b, 12b, 14b, 15b, 18b, 18b, 20b, und 21b), allerdings nicht während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments.) Der Druckschrift D1 ist somit der Teil von Merkmal M8 nicht entnehmbar, wonach der Verlauf des elektromotorischen Moments während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem und mit abnehmendem Moment aufweist. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist somit nicht vollständig aus der Druckschrift D1 bekannt.
5.2 Die Druckschrift EP 1 186 461 A1 (D2) betrifft ein Verfahren zum Aufnehmen eines Spiels in einem Antriebsstrang eines Kraftfahrzeugs, wenn ein Lastwechsel auftritt (Absatz 0001). Dies wird erreicht, indem der Antriebsstrang mit einer bestimmten Vorlast bzw. Vorspannung beaufschlagt wird (Absatz 0008). Das Spiel besteht laut Druckschrift D2 aus dem Winkel, um den der gesamte Antriebsstrang aus seiner momentanen Bremsstellung heraus gedreht werden muss, um ein Antriebsmoment des Antriebsmotors aufnehmen zu können, ohne dass Rucke oder Schwingungen in dem Antriebssystem entstehen (Absatz 0019).
Aus der Druckschrift D2 ist in Worten des geltenden Anspruchs 1 Folgendes bekannt:
M1 Ein Verfahren zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung (Absatz 0015: „an electronic control system 4 for the electric motor 3.“, Absatz 0018: „The control system 4 is coupled to an engine control system 8 for the drive engine 1 … the control system 4 is provided with a memory 12. The memory 12 contains data in a matrix, the value of the pulse to be sent to the electric motor 3 being selected depending on the input signals the control system 4 receives from the engine control system 8“, Absatz 0001: „The invention relates to a method for taking up play in a drive line when a change in load occurs in a drive system in a motor vehicle.“ und Absatz 0002: „This change in load, when the torque applied to the drive line changes from braking to driving, can bring about a jerk with subsequent vibrations throughout the drive system.“, sowie Figur 1 und darin die Bezugszeichen 4 und 8)
M2 eines Fahrzeugs mit Hybridantrieb, (Beim Antrieb des Fahrzeugs in Druckschrift D2 handelt es sich offensichtlich um einen Hybridantrieb, da dieser auf einer Kombination von zwei verschiedenen Antriebssystemen beruht, einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor, siehe die Erläuterungen zu den folgenden Merkmalen M3 und M4)
M3 der einen Verbrennungsmotor mit zumindest einem Zylinder (Figur 1, darin das Bezugszeichen 1 und Absatz 0015: „a drive system with an internal combustion engine 1“)
M4 sowie eine, wahlweise generatorisch oder motorisch betreibbare elektrische Maschine aufweist, (Figur 1, darin das Bezugszeichen 3 und Absatz 0015: „an electric motor 3, preferably in the form of an ISG“ sowie Absatz 0009: „The electric motor preferably consists of what is known as an integrated starter motor and generator, hereinafter referred to as an ISG“; wobei das Akronym ISG für sogenannte integrierte Startergeneratoren steht.)
M5 wobei der Momentenaufbau zumindest teilweise durch eine zunehmende Zylinderfüllung des mindestens einen Zylinders des Verbrennungsmotors realisiert wird, (Der Fachmann liest beim Antrieb des Fahrzeugs in Druckschrift D2 mit, dass der Momentenaufbau teilweise, d. h. in Phasen in denen der Verbrennungsmotor in Betrieb ist, dadurch realisiert wird, dass die Füllung des Zylinders oder der mehreren Zylinder zunimmt.)
M7Teil dem Antriebsstrang ein nicht-linear veränderliches elektromotorisches Moment der elektrischen Maschine aufgeprägt wird, (Figur 2C und Absatz 0020: „Figure 2C, which shows torque delivered from the electric motor 3 as a function of time, said motor emits a torque pulse proportional to the pulse predetermined by the matrix of the control system 4.”; der vom Elektromotor gelieferte Puls d. h. der zeitliche Verlauf des gelieferten Moments ist zwar bereichsweise linear, verläuft aber über den gesamten von Null verschiedenen Bereich nicht-linear im Sinne der Anmeldung.) M8Teil wobei ein Verlauf des elektromotorischen Moments zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einen Abschnitt mit abnehmendem Moment aufweist. (insbesondere Figur 2A und Absatz 0019: „At the time tT, a pulse is triggered from the control system 4 to the electric motor 3.“ sowie Figur 2 und Absatz 0020: „Figure 2C, which shows torque delivered from the electric motor 3 as a function of time, … The motor 3 generates a torque ME for a predetermined period of time tP. The torque pulse is delivered to the drive line 2 during the delay tD between the time tR of the request for torque and the time tC when the torque stage up to the torque MC delivered from the engine begins.“. Das elektromotorisch erzeugte Moment ME setzt beim Verfahren der Druckschrift D2 am Triggerzeitpunkt tT mit einem zunehmenden Abschnitt ein, liefert dann einen konstanten Wert von ME, bevor es nach einer Dauer von etwa tP wieder auf den Wert Null abnimmt, insgesamt bevor ein Antriebsmoment MC vom Verbrennungsmotor geliefert wird.)
Figur 2 der Druckschrift D2 mit Ergänzungen des Senats Der Druckschrift D2 ist jedoch das Merkmal M6 nicht und das Merkmal M7 nur teilweise entnehmbar, wonach das veränderliche elektromotorische Moment wenigstens zeitweise einem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment des Verbrennungsmotors aufgeprägt wird und auch das Merkmal M8 nur zum Teil entnehmbar, wonach ein Verlauf des elektromotorischen Moments (M_EM) während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments zumindest einen Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einen Abschnitt mit abnehmendem Moment aufweist.
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Prüfungsstelle im Beschluss vom 25. April 2017 zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag auf dem die Seiten 9 und 10 übergreifenden Absatz, wonach die Figuren 2A bis 2D der Druckschrift D2 vom Fachmann dabei nicht so ausgelegt werden würden, dass alle Graphen auf derselben Zeitachse lägen, ist der Senat der Überzeugung, dass aus den Ausführungen in der Druckschrift D2 insbesondere in Absatz 0020 ersichtlich ist, dass die Graphen der Figuren 2A bis 2D sich auf der gleichen Zeitachse befinden und nur aus Gründen der Übersichtlichkeit in verschiedenen Diagrammen dargestellt wurden, was vor allem an der sich im Wesentlichen durchgehend auf die drei Figuren 2A bis 2C gestrichelt aufgetragenen vertikalen Linie für den Zeitpunkt tC, ab dem der Verbrennungsmotor beginnt ein Antriebsmoment zu liefern, zu erkennen ist. Deutlich wird dies beispielsweise auch bei der Erläuterung der Figur 2C, in der Bezug auf die in der Figur 2A gezeigten Zeitmarken genommen wird (Absatz 0020 zu Figur 2C: „generates a torque ME for a predetermined period of time tP. … during the delay tD between the time tR … when the torque stage up to the torque MC.“).
Somit kann das elektromotorische Moment ME weder dem zunehmenden verbrennungsmotorischen Moment MC aufgeprägt werden (Merkmal M6 und Teil von Merkmal M7), noch während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments MC einen Abschnitt mit zunehmendem und einen Abschnitt mit abnehmendem elektromotorischen Moment ME aufweisen (Teil von Merkmal M8), da das elektromotorische Moment ME bereits wieder abgeschaltet ist, wenn das verbrennungsmotorische Moment MC zum Zeitpunkt tc einsetzt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit auch aus der Druckschrift D2 nicht vollständig bekannt.
6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 1 i. V. m. § 4 PatG).
6.1 Ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D1 kommt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Wie unter Punkt 5.1 ausgeführt, sind in der Druckschrift D1 mehrere Verfahren und Vorrichtungen zur Reduzierung von durch verschieden verursachte Lastwechselschwingungen (insbesondere bei den Fahrzuständen Beschleunigung, Anfahren bzw. Gangwechsel und Motorstart) im Antriebsstrang eines Kraftfahrzeugs beschrieben, bei denen zur Steuerung eines Momentenaufbaus bei einem Übergang von einer Phase ohne oder mit einer niedrigen Momentenanforderung zu einer Phase mit hoher Momentenanforderung zwar der Verlauf des elektromotorischen Moments während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments einen Abschnitt mit zunehmendem Moment oder einen Abschnitt mit abnehmendem Moment aufweist. Keinem der Ausführungsbeispiele ist jedoch ein elektromotorisches Moment während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments mit einen Abschnitt mit zunehmendem Moment und einen Abschnitt mit abnehmendem Moment zu entnehmen. Wie sich dem Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift D1 erschließt, ist dies bei dem dort zur Anwendung kommenden Funktionsprinzip keine willkürliche Einstellung, sondern eine physikalische Notwendigkeit:
Die durch die Momentenanforderung bzw. das verbrennungsmotorische Moment verursachte Lastwechselschwingung wird durch eine gegenphasige Schwingung kompensiert, deren einzelne elektromotorische „Momentenimpulse I“ jeweils immer eine halbe Periodendauer der Lastwechselschwingung andauern, vgl. beispielsweise die Zusammenfassung der Druckschrift D1.
Da jede vollständige halbe Periode einer Lastwechselschwingung zwingend einen ansteigenden und einen abfallenden Abschnitt aufweist und der abfallenden Abschnitt nicht während eines diese Schwingung anregenden zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments M ‒ vgl. beispielhaft die oben wiedergebene Figur 21b, insbesondere die erste obere Halbwelle beim Momentenaufbau ‒ auf- treten kann, ist das wieder zunehmende elektromotorische Moment, d. h. der Rückgang des gegenläufigen elektromotorischen Moments auf Null, immer erst in der zweiten Hälfte der Halbperiode im abfallenden Abschnitt und somit nach der Beendigung des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments möglich. Daher ist es bei der nach Druckschrift D1 verwendeten Methode prinzipiell nicht möglich, ein eine vollständige halbe Periode andauerndes elektromotorisches Moment mit zunehmendem und abnehmendem Abschnitt während des zunehmenden verbrennungsmotorischen Moments anzulegen, vgl. dazu exemplarisch die zeitlichen Relationen der Verläufe von Lastwechselschwingungen sowie verbrennungsmotorischen und elektromotorischen Momenten in den Moment-ZeitDiagrammen der Figuren 6b, 7b, 8b, 12b, 14b, 15b, 18b, 19b und 20b.
Es ist weder ersichtlich, aus welchem Grund der Fachmann von der Lehre der Druckschrift D1, welche bereits ein praxistaugliches Verfahren zum Vermeiden von Lastwechselschwingungen für Hybridfahrzeuge mit vielen Variationsmöglichkeiten liefert, abweichen sollte, noch wie er zu dem Verfahren der Anmeldung gelangen könnte, ohne eine Anregung aus dem Stand der Technik zu haben.
6.2 Ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D2 kommt der Fachmann ebenfalls nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Zwar mag der Fachmann möglicherweise die Druckschrift D2 zur Verbesserung der Lastschlagdämpfung heranziehen, da diese ein Verfahren beschreibt, das Schwingungen in Antriebssystemen bei Laständerungen minimieren kann, jedoch nur ‒ wie bereits unter Punkt 5.2 ausgeführt ‒, wenn diese Lastwechselschwingungen durch ein Spiel in einem Antriebsstrang verursacht werden. Demgemäß lehrt die Druckschrift D2, wie dieses Spiel absorbiert werden kann, indem ein elektromotorisches Moment auf den Antriebsstrang gebracht wird, bevor das verbrennungsmotorische Moment zu wirken beginnt, vgl. beispielsweise den Anspruch 2: „sends a pulse to the electric motor (3) when a change in load occurs, a torque pulse from the motor taking up play in the drive line (2) before a torque stage from the drive engine (1) begins“. Eine Beaufschlagung des Antriebsstrangs mit einem elektromotorischen Moment, während bereits das zunehmende verbrennungsmotorische Moments wirkt, würde das in der Druckschrift D2 adressierte technische Problem nicht lösen.
Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D2 hatte der Fachmann somit nicht nur keine Veranlassung von der dortigen Lehre abzuweichen und das elektromotorisches Moment in das zeitliche Intervall des verbrennungsmotorischen Moments zu verschieben, er würde von der Druckschrift D2 von einer solchen Maßnahme vielmehr weggeführt, da er erkennt, dass durch eine solche Abänderung das dort angegebene Prinzip der Schwingungsminimierung nicht mehr funktionieren würde.
Da also weder die Druckschrift D1 noch die Druckschrift D2 einen Verlauf des elektromotorischen Moments während des zunehmenden verbrennungmotorischen Moments mit zumindest einem Abschnitt mit zunehmendem und zumindest einem Abschnitt mit abnehmendem Moment zeigen, oder etwas erkennen lassen, was dem Fachmann einen entsprechenden Hinweis liefern könnte, das Verfahren im Sinne der Anmeldung entsprechend dem Merkmal M8 zu realisieren, ist der Senat der Überzeugung, dass sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren berücksichtigten Stand der Technik ergibt, sondern der Fachmann vielmehr erfinderisch tätig werden musste, um zum Gegenstand des Verfahrens des geltenden Anspruchs 1 zu gelangen.
7. Die Beurteilung der Patentfähigkeit der nebengeordneten Patentansprüche 10 und 11 führt zu keinem anderen Ergebnis wie beim Patentanspruch 1. Da auch das Fahrzeug mit einem Hybridantrieb gemäß Patentanspruch 10 und der Hybridantrieb gemäß Patentanspruch 11 durch die Rückbezüge das Merkmal M8 enthalten, welches weder durch die Druckschrift D1 noch durch die Druckschrift D2 offenbart oder nahegelegt ist, gilt das unter Punkt 6 Ausgeführte glei- chermaßen. Die dort beanspruchten Gegenstände gelten somit ebenfalls als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
8. Nachdem auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 sowie die übrigen Unterlagen nach dem geltenden Antrag die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllen, war der Beschwerde stattzugeben und das Patent – unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses – antragsgemäß zu erteilen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Haupt Ko