19 W (pat) 10/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 10/11 Verkündet am 7. Juli 2014 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2008 053 182.0-34 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Bieringer BPatG 154 05.11 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2010 aufgehoben und das Patent mit der Nummer 10 2008 053 182 erteilt.
Bezeichnung: Vorrichtung mit einer elektronischen Baugruppe mit Thermosicherung Anmeldetag: 24. Oktober 2008.
Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung, Seite 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Seiten 2 bis 4, vom 13. Januar 2011, Seiten 5 bis 6, vom Anmeldetag,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, vom Anmeldetag.
Gründe I.
Die am 24. Oktober 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Elektronische Baugruppe mit Thermosicherung“
wurde von der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H mit Beschluss vom 8. November 2010 mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht erkennbar, welche konkrete Ausgestaltung der elektronischen Baugruppe mit dem Patentanspruch 1 unter Schutz gestellt werden solle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 13. Januar 2011.
Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
(1) US 6 175 480 B1 (2) DE 44 37 122 A1 (3) EP 1 560 242 A1.
Die Anmelderin hat folgende Druckschrift als Ausgangspunkt für ihre Erfindung genannt:
(4) WO 2006 / 102 876 A2.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2010 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung, Seite 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Seiten 2 bis 4, vom 13. Januar 2011, Seiten 5 bis 6, vom Anmeldetag,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, vom Anmeldetag.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„Vorrichtung aufweisend a - eine elektronische Baugruppe, b1 mit einer Leiterplatte (1), die b2 mit wenigstens einem elektronischen Bauelement (14) bestückt ist, und c eine Thermosicherung (2) aufweist, und d - einen Gegenstand (8), der mit der elektronischen Baugruppe zusammenfügbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass e1 die Thermosicherung (2) einen Abschnitt (3, 4) umfasst, e2 wobei der Abschnitt (3, 4) mit einer Kontur am Gegenstand (8)
derart zusammenwirkt f1 dass der Abschnitt (4) während der Fügebewegung der Leiterplatte (1) mit dem Gegenstand (8)
f2 auf einer Oberfläche der Kontur (9) gleitet, f3 und dabei mechanisch vorgespannt wird.“
Aufgabe der Erfindung sei es, eine Vorrichtung mit einer elektronischen Baugruppe mit einer Thermosicherung zu schaffen, die einfacher aufgebaut ist und insbesondere ohne zusätzliche Bauteile, wie z. B. eine Feder, auskommt (Seite 1, Zeilen 30 – 34 der Beschreibung vom 7. Juli 2014).
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zu den zwischenzeitlich von der Anmelderin gestellten Anträgen sowie zum Wortlaut der geltenden abhängigen Patentansprüche, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, sie hat auch Erfolg, da der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H aufzuheben und antragsgemäß ein Patent zu erteilen war.
2. Als Fachmann legt der Senat einen Dipl.-Ing. (FH) oder Techniker der Fachrichtung Elektrotechnik zugrunde, der elektrische Geräte entwickelt, bei denen Thermosicherungen erforderlich sind.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG) und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
3.1.1 Der Fachmann entnimmt der Entgegenhaltung 1 des Prüfungsverfahrens (US 6 175 480 B1) hinsichtlich der Erfindung nicht mehr als (vgl. insbesondere Figur 5 in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 12 - 38): eine Vorrichtung aufweisend a - eine elektronische Baugruppe, b1 mit einer Leiterplatte 20, die b2 mit wenigstens einem elektronischen Bauelement bestückt ist
(dies liest der Fachmann bei der Angabe in Spalte 4, Zeile 28: „printed circuit board“ mit), und c eine Thermosicherung 10, 28 aufweist, und d - einen Gegenstand 30, der mit der elektronischen Baugruppe zusammenfügbar ist.
Anders als bei der Erfindung vorgesehen, wird hier bei der Montage nicht die Thermosicherung 10, 28 vorgespannt, sondern der Gegenstand 30, der hier als Blattfeder ausgestaltet ist.
3.1.2 Auch die Entgegenhaltung 2 des Prüfungsverfahrens (DE 44 37 122 A1) zeigt lediglich eine Vorrichtung aufweisend a - eine elektronische Baugruppe, b1 mit einer Leiterplatte 2, die b2 mit wenigstens einem elektronischen Bauelement 3, 26 bestückt ist, und c eine Thermosicherung 4, 8, 14 aufweist, und d - einen Gegenstand 1, der mit der elektronischen Baugruppe zusammenfügbar ist, wobei e1 die Thermosicherung 4, 8, 14 einen Abschnitt 8 umfasst,
e2 wobei der Abschnitt 8 mit einer Kontur 31 am Gegenstand 1 zusammenwirkt (Spalte 2, Zeilen 55 – 59; Spalte 3, Zeilen 12 – 16).
Anders als bei der Erfindung steht das Vorspannen der Feder 8 nicht in Zusammenhang mit der Fügebewegung der Leiterplatte 2 mit dem anderen Gegenstand 1, der hier ein Gehäuse ist, sondern erfolgt als separater Montageschritt.
3.1.3 Schließlich ist auch aus der Entgegenhaltung 3 des Prüfungsverfahrens (EP 1 560 242 A1) nicht mehr bekannt, als eine Vorrichtung aufweisend a - eine elektronische Baugruppe, b1 mit einer Leiterplatte 1, die b2 mit wenigstens einem elektronischen Bauelement 2 bestückt ist, und c eine Thermosicherung 3, 4 aufweist, und d - einen Gegenstand 6, der mit der elektronischen Baugruppe zusammenfügbar ist, wobei e1 die Thermosicherung 3, 4 einen Abschnitt 15 umfasst, e2 wobei der Abschnitt 15 mit einer Kontur 25 am Gegenstand 6 zusammenwirkt.
Auch bei dieser Vorrichtung wird die Thermosicherung in einem separaten Arbeitsschritt vorgespannt (vgl. Abs. [0049]) und nicht wie bei der Erfindung durch das Zusammenfügen der Leiterplatte 1 mit dem Gegenstand 6.
3.1.4 Aus der von der Anmelderin selbst genannten (4) WO 2006 / 102 876 A2 ist in Worten der Anmeldung ausgedrückt Folgendes bekannt: eine Vorrichtung aufweisend a - eine elektronische Baugruppe, b1 mit einer Leiterplatte 10, die b2 mit wenigstens einem elektronischen Bauelement 4 bestückt ist, und c eine Thermosicherung 12, 18 aufweist, und d - einen Gegenstand 22, der mit der elektronischen Baugruppe zusammenfügbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass e1 die Thermosicherung 12, 18 einen Abschnitt (Fuss der Feder 18) umfasst, e2 wobei der Abschnitt (Fuss der Feder 18) mit einer Kontur
(Aussparung im Gehäuse 22 gemäß Figuren 4a, 4b) am Gegenstand 22 derart zusammenwirkt, f1 dass der Abschnitt (Fuss der Feder 18) während der Fügebewegung der Leiterplatte 2 mit dem Gegenstand 22 f2 auf einer Oberfläche der Kontur gleitet einwirkt, f3 und dabei mechanisch vorgespannt wird.“
Ein Gleiten der Feder auf der Oberfläche der Kontur ist nicht vorgesehen, vielmehr soll durch die Aussparung in der Gehäusewand gerade verhindert werden, dass der Fuß der Feder abgleitet.
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber den Vorrichtungen, die in den Entgegenhaltungen (1) bis (4) beschrieben sind, neu.
3.2 Den dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat in der Vorrichtung gemäß Entgegenhaltung (4), da sich die Erfindung von dieser lediglich dadurch unterscheidet, dass der Abschnitt der Thermosicherung auf der Kontur des Gegenstandes gleitet. Zu einer solchen Maßnahme gibt diese Druckschrift selbst aber keinen Anlass, sondern sie lehrt gerade entgegengesetzt, dass der dem erfindungsgemäßen Abschnitt (3, 4) entsprechende Fuß der Feder durch die Kontur der Gehäusewand fixiert werden muss.
Selbst wenn der Fachmann die Entgegenhaltung (4) auf der Suche nach einer Lösung, bei der er auf die Feder 18 verzichten kann, die Entgegenhaltungen (1) bis (3) in Betracht gezogen hätte, ist nicht ersichtlich, dass er in naheliegender Weise zu einer Konstruktion gekommen wäre, bei der die Feder oder ein diese ersetzendes Bauteil bei Zusammenfügen der Leiterplatte mit dem Gehäuse auf einer Kontur der Gehäusewand derart gleitet, dass das federnde Element dabei vorgespannt würde.
Somit beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 sowie die übrigen Unterlagenteile genügen den an sie zu stellenden Anforderungen. Daher war der Beschwerde stattzugeben und das Patent antragsgemäß zu erteilen.
Auf die beiliegende Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.
Dr. Hartung Kirschneck J. Müller Bieringer Pü Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn der Beschwerdesenat sie in dem Beschluss zugelassen hat (§§ 99 Abs. 2, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 Patentgesetz (PatG)).
Hat der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).