AnwZ (Brfg) 54/18
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 54/18 BESCHLUSS vom 4. Mai 2020 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2020:040520BANWZ.BRFG.54.18.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert und die Richterin Grüneberg sowie den Rechtsanwalt Dr. Wolf und die Rechtsanwältin Merk am 4. Mai 2020 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 7. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. 1 Der Kläger ist seit 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 21. November 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit dem Kläger am 20. Juli 2018 zugestelltem Urteil abgewiesen. Der sich selbst vertretende Kläger erlitt am 2. August 2018 einen epileptischen Anfall, in dessen Folge er unter Anordnung von freiheitsentziehenden Maßnahmen für einen Monat unter vorläufige Betreuung gestellt wurde. Anlässlich der Aufnahme in einem anderen Klinikum am 11. August 2018 wurden wahnhafte Vorstellungen bezüglich eines Mandantentermins diagnostiziert. Der Senat hat vor diesem Hintergrund den Beteiligten, ohne dass diese widersprochen hätten, mitgeteilt, dass er zugunsten des Klägers davon ausgehe, dass das Verfahren nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 ZPO unterbrochen sei. Mit dem Kläger am 28. November 2019 zugestellter Verfügung der Vorsitzenden vom 26. November 2019 wurde ihm auf Antrag der Beklagten vom 11. Juli 2019 eine Frist von drei Wochen zur Aufnahme des Verfahrens nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 Abs. 2 Satz 1 ZPO gesetzt. Diese Frist verstrich ohne Aufnahme des Verfahrens. Eine Begründung des Zulassungsantrags ging nicht ein. Mit Verfügung vom 3. März 2020 wies die Vorsitzende den Kläger auf die anzunehmende Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hin. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
II.
Der Senat kann in der Sache entscheiden, weil das Verfahren nach Unterbrechung wirksam aufgenommen ist.
1. Wird in einem Verfahren mit Anwaltszwang - hier nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO - ein Rechtsanwalt unfähig, die Vertretung einer Partei fortzuführen, tritt nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 Abs. 1 ZPO Unterbrechung des Verfahrens ein. Das gilt auch dann, wenn sich ein beteiligter Rechtsanwalt in nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO zulässiger Weise selbst vertritt (BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGH 111, 104, 107). Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt die Prozessfähigkeit verliert (vgl. Jaspersen in BeckOK ZPO, § 244 Rn. 5.5 [Stand: 1. Januar 2020]). Der Senat ist vorliegend zugunsten des Klägers angesichts der betreuungsgerichtlichen Maßnahmen und des Vorliegens von Wahnvorstellungen davon ausgegangen, dass aufgrund Verlusts der Prozessfähigkeit während eines nicht unerheblichen Zeitraums (vgl. OLG München, NJW-RR 1989, 255) eine solche Unterbrechung eingetreten ist.
2. Die Unterbrechung endete nach § 112c Abs. 1 Satz 1, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO auf Antrag der Gegenseite mit Ablauf der von der Vorsitzenden wegen Verzögerung der Aufnahme des Verfahrens gesetzten Frist.
Eine solche Verzögerung war vorliegend gegeben. Seit April 2019 reagierte der Kläger auf verfahrensleitende Verfügungen der Vorsitzenden wieder selbst. Überdies teilte er mit Schreiben vom 25. September 2019 mit, er habe sich mit der Beklagten geeinigt, die Zulassung zum 1. Dezember 2019 zurückzugeben; die Beklagte stimme dem Ruhen des Verfahrens zu. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass er sich selbst in der Lage sieht, das Verfahren zu führen. An die Absprache hat sich der Beklagte allerdings in der Folge nicht gehalten. Die gesetzte Frist endete mit Ablauf des 19. Dezember 2019.
Mit Ablauf der Frist gilt das Verfahren als aufgenommen (§ 244 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
3. Einer Aufnahme des Verfahrens steht der Gesundheitszustand des Klägers nicht entgegen. Eine Fristsetzung nach § 244 Abs. 2 ZPO wäre dann unwirksam, wenn der sich selbst vertretende Kläger zugleich prozessunfähig nach § 241 ZPO wäre. Der Senat hat indes keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine fortbestehende Prozessunfähigkeit belegen oder Anlass bieten, amtswegig weitere Ermittlungen hierzu anzustellen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 62 Abs. 4 VwGO, § 56 Abs. 1 ZPO).
a) Anlass für die Annahme der Unterbrechung war ein Ereignis, das durch die unter 1. genannten besonders gravierenden Umstände geprägt war.
b) Eine dauerhafte Betreuung wurde nach Aktenlage nicht angeordnet. Aktuelle Atteste, die eine Fortdauer der besonders gravierenden Umstände des Gesundheitszustands des Klägers im August 2018 belegen, wurden nicht vorgelegt.
Der Kläger war mehrfach auf den (ihm als Rechtsanwalt ohnehin bekannten) Maßstab hingewiesen worden, dass nicht maßgeblich ist, ob der Kläger arbeitsfähig ist, sondern ob ihm die Geschäfts- und damit Prozessfähigkeit fehlt. Der behandelnde Arzt hat mit Attest vom 27. März 2019 jedoch lediglich bescheinigt, dass der Kläger aufgrund einer näher bezeichneten physischen und psychischen Symptomatik nicht in der Lage sei, dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere des Prozessanwalts, verantwortungsvoll nachzugehen. Das genügt für die Annahme von Prozessunfähigkeit eines Beteiligten nicht.
Die Schlussfolgerung des Bruders des Klägers, eines Augenarztes, im Schriftsatz vom 7. März 2019, der Kläger sei seit über einem Jahr prozessunfähig, basiert auf keiner über die Erkenntnisse des behandelnden Arztes hinausgehenden Diagnostik und bietet vor dem Hintergrund des Attestes des behandelnden Arztes keinen Anlass für weitere Ermittlungen. Dies gilt umso mehr, als sich der Bruder mit dieser Aussage in Widerspruch zu seinem Schreiben vom 19. September 2018 setzt, wonach die Geschäftsfähigkeit des Klägers (erst) seit dem 2. August 2018 aufgehoben sei.
Trotz Aufforderung hat der Kläger weitere aktuelle Atteste nicht beigebracht und auch behandelnde Ärzte nicht von der Schweigepflicht befreit.
c) Der Kläger hat das Verfahren vor dem 2. August 2018 und seit April 2019 in eigener Person sachgerecht geführt.
Erstinstanzlich hat der Kläger eine das Verfahren fördernde Klagebegründung eingereicht, auf Aufforderung durch das Gericht Belege eingereicht und an der mündlichen Verhandlung, in der auch Überlegungen zu einem Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu einem späteren Zeitpunkt angestellt wurden, teilgenommen. Auffälligkeiten sind nicht zu Tage getreten.
Auch das hiesige Verfahren führt der Kläger seit April 2019 wieder selbst. Zugleich hat er Verhandlungen mit der Beklagten über einen Verzicht auf die Zulassung aufgenommen.
III.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger die Antragsbegründungsfrist versäumt hat. Die Frist beträgt nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zwei Monate und begann vorliegend, da die Antragsbegründungsfrist während ihres Laufs unterbrochen wurde, mit Ablauf der nach § 244 Abs. 2 ZPO gesetzten Frist neu (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 249 Abs. 1 ZPO). Danach endete die Antragsbegründungsfrist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB am 19. Februar 2020. Eine Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung liegt jedoch nicht vor. Eine Reaktion auf den Hinweis der Vorsitzenden auf die anzunehmende Unzulässigkeit des Rechtsmittels erfolgte nicht.
IV.
Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass nach der Aktenlage in der Sache keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs bestehen, insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats festgestellt, dass sich der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 18. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 65/17, juris Rn. 4 f.) im Vermögensverfall befunden hat.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Remmert Grüneberg Wolf Merk Vorinstanzen: AGH München, Entscheidung vom 07.05.2018 - BayAGH I - 5 - 31/17 -