35 W (pat) 417/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 417/12 Verkündet am 8. Mai 2014
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache
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BPatG 154 05.11
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betreffend das Gebrauchsmuster 20 2005 021 704 (hier: Löschungsantrag)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richter Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder und Dr.-Ing. Krüger beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Februar 2012 aufgehoben.
2. Das Streitgebrauchsmuster 20 2005 021 704 wird wie folgt teilgelöscht:
2.1 Das Streitgebrauchsmuster wird im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 10 und 12 gelöscht.
2.2 Weiter wird das Streitgebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 5, 9 und 11 gelöscht, soweit diese Schutzansprüche über folgende Fassungen hinausgehen: „5. Standbeutel nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die zumindest eine unidirektional gereckte Folie wenigstens ein Polyamid und einen Ester, insbesondere Polyethylenterephthalat aufweist.“ „9. Standbeutel nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Barriereschicht SiO2 umfasst.“ „11. Standbeutel nach Anspruch 5 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Standbeutelkörper schlauchförmig extrudiert hergestellt ist.“
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen.
Gründe I.
Die Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) ist Inhaberin des eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2005 021 704 (Streitgebrauchsmuster), das einen „Standbeutel mit optimiertem Aufreißverhalten“ betrifft. Für das Streitgebrauchsmuster werden der Anmeldetag vom 13. Mai 2005 und die inneren Prioritäten vom 17. Mai 2004 (DE 10 2004 024 348.4) sowie vom 3. Juni 2004 (DE 10 2004 26 980) der Patentanmeldung EP 05744962.1, veröffentlicht als WO 2005/113370 A1, in Anspruch genommen Das Streitgebrauchsmuster ist am 15. Oktober 2009 mit 12 Schutzansprüchen in das Gebrauchsmusterregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden. Die Bekanntmachung im Patentblatt erfolgte am 19. November 2009.
Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters ist auf 10 Jahre verlängert worden. Es ist in Kraft.
Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 12 haben folgenden Wortlaut:
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hat mit Schriftsatz vom 22. Februar 2010 beim DPMA Antrag auf Teillöschung des Streitgebrauchsmusters gestellt. Diese Teillöschung sollte in dem Umfang geschehen, wie er im vorstehenden Tenor dieses Beschlusses ausgesprochen worden ist. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, dass das Streitgebrauchsmuster im Umfang des Löschungsantrages nicht schutzfähig i.S.v. §§ 1 bis 3 GebrMG sei.
Dieser Löschungsantrag ist der Antragsgegnerin am 30. Juli 2010 zugestellt worden. Sie hat dem Antrag rechtzeitig widersprochen, nämlich mit Schriftsatz vom 30. August 2010, eingegangen beim DPMA am gleichen Tage. In der Anhörung vor der Gebrauchsmusterabteilung am 14. Februar 2012 hat die Antragsgegnerin ihr Schutzrecht im Hauptantrag in einer beschränkten Fassung mit den nachstehenden Schutzansprüchen 1 bis 9 aus dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 verteidigt:
Auf diese Anhörung hin hat die Gebrauchsmusterabteilung eine Teillöschung des Streitgebrauchsmusters in dem Umfang angeordnet, in dem es über die Fassung nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin hinausging. Der weitergehende Löschungsantrag wurde zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die unverändert eine Teillöschung im Umfang ihres Löschungsantrages vom 22. Februar 2010 verfolgt.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat sich die Antragstellerin ergänzend auf den bestandskräftigen Beschluss des Bundespatentgerichts vom 24. November 2011, Az.: 12 W (pat) 12/09 berufen, mit dem das parallele deutsche Patent DE 10 2004 026 980 widerrufen worden ist.
Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 4. Juni 2012 sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Februar 2012 aufzuheben und das Streitgebrauchsmuster gemäß Löschungsantrag vom 22. Februar 2010 teilzulöschen.
Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2013 hat die Beschwerdeführerin außerdem die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt zu der Rechtsfrage, ob es zulässig ist, bei unbedingtem Teillöschungsantrag auf eine Teillöschung des angegriffenen Gebrauchsmusters zu erkennen, die hinter dem Löschungsantrag zurückbleibt.
Die Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 21. November 2012, beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise: die Beschwerde und den Löschungsantrag im Umfang des Hilfsantrages vom 21. November 2012 zurückzuweisen.
Die Ansprüche nach Hilfsantrag vom 21. November 2012 lauten:
- 11 - Im Verfahren befinden sich u.a. die folgenden Druckschriften: D1 EP 1 129 954 A1 D6 EP 0 465 681 B1 Die Antragstellerin hat die D1 im patentamtlichen Löschungsverfahren als Entgegenhaltung eingeführt. Die D6 hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren durch die Bezugnahme auf den Beschluss des Bundespatentgerichts vom 24. November 2011, Az.: 12 W (pat) 12/09, eingeführt, der die D6 berücksichtigt.
Beide Verfahrensbeteiligten haben nach ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden. Keine der beiden Verfahrensbeteiligten hat ihr Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung entschuldigt.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
1. Der Teillöschungsantrag und die zulässige Beschwerde der Antragstellerin sind in vollem Umfang begründet.
Der Löschungsantrag der Antragstellerin ist auch insoweit zulässig, als er auf eine teilweise Löschung der eingetragenen Schutzansprüche 5, 9 und 11 gerichtet ist. Denn insoweit ist der Löschungsantrag auf eine Beschränkung dieser Schutzansprüche auf solche selbständigen Gegenstände gerichtet, die von den eingetragenen Fassungen dieser Schutzansprüche mitumfasst werden.
Das Streitgebrauchsmuster war in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 GebrMG löschungsreif, soweit es von der Antragsgegnerin über die beschränkte Fassung nach geltendem Hauptantrag hinaus nicht verteidigt worden ist. Im Umfang des Hauptantrages der Antragsgegnerin waren Löschungsantrag und Beschwerde begründet, weil das Streitgebrauchsmuster in dieser Fassung nicht schutzfähig i.S.v. §§ 1 bis 3 GebrMG ist. Im Umfang des Hilfsantrages der Antragsgegnerin war der Löschungsantrag ebenfalls begründet, weil das Streitgebrauchsmuster in dieser Fassung gegenüber der Anmeldung i.S.v. § 15 Absatz 1 Nr. 3 GebrMG unzulässig erweitert ist.
2. Im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9 nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin ist der Löschungsantrag begründet, weil das Streitgebrauchs- muster in dieser Fassung nicht i.S.v. §§ 1 bis 3 schutzfähig ist. Mit ihrem Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hat die Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster in erster Linie im Umfang der beschränkten Fassung nach ihrem Hauptantrag in der Anhörung vor der Gebrauchsmusterabteilung am 14.02.2012 verteidigt; denn in diesem Umfang ist in dem Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung der Löschungsantrag zurückgewiesen worden.
2.1 In einer gegliederten Fassung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, lautet der geltende Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag (1HA):
1HAM0 1HAM1 1HAM2
1HAM3
1HAM4 1HAM5 1HAM6 Standbeutel mit einem Standbeutelkörper und einem Standbeutelboden, insbesondere Stehboden, wobei wenigstens der Standbeutelkörper wenigstens eine unidirektional gereckte Folie umfasst, wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie und aus weiteren Schichten ist, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens der gesamte Standbeutelkörper aus der wenigstens einen solchermaßen unidirektional gereckten Folie hergestellt ist, wobei die Dicke der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie im Bereich von 35 μm und 155 μm liegt und größer ist als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats, um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie definiert ist.
2.2 Das Gebrauchsmuster betrifft einen Standbeutel mit optimiertem Aufreißverhalten. Maßgeblicher Fachmann für diese wie für alle weiteren technischen Beurteilungen ist ein Ingenieur (FH) der Fachrichtung Verpackungstechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Verpackungen aus Kunststofffolien.
Nach der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters werden Standbeutel vielfach als Ersatz für Tüten, aber auch für Flaschen, Dosen und Kartons, zur Verpackung von festen, flüssigen und pastösen Nahrungs- und Genussmitteln sowie für Gebrauchsgegenstände aller Art verwendet. Sie weisen gegenüber herkömmlichen Verpackungen zahlreiche Vorteile auf, z.B. ihr geringes Gewicht, ihre ausgezeichnete Haltbarkeit bei gleichzeitig einfacher und kostengünstiger Herstellbarkeit und ihre unproblematische Entsorgbarkeit. Als nachteilig bei der Verwendung von Standbeuteln hat sich jedoch deren oft schlechtes Öffnungsverhalten erwiesen, wobei nach einem Einreißen des Standbeutels, beispielsweise mittels einer Kerbe, der Standbeutel oft unkontrolliert aufgerissen ist, was zu einer Zerstörung des Standbeutels sowie zu einem Verschütten des Beutelinhalts führte, eine Weiterverwendung des geöffneten Standbeutels war völlig unmöglich (Streitgebrauchsmuster Abs. [0002-0004]). Zur Lösung dieses Problems schlägt das Gebrauchsmuster einen Standbeutel mit einem Standbeutelkörper und einem Standbeutelboden vor (Merkmal 1HAM0), wobei wenigstens der Standbeutelkörper wenigstens eine unidirektional gereckte Folie umfasst (Merkmal 1HAM1, s.a. Abs. [0008]). Dabei ist die unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie und aus weiteren Schichten (1HAM2). Gem. Absätzen [0014], [0023] der Beschreibung kann die unidirektional gereckte Folie auch selbst aus mehreren Materialen bestehen.
Gemäß dem Merkmal 1HAM4 liegt die Dicke der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie im Bereich von 35 µm und 155 µm und ist gemäß Merkmal 1HAM5 größer als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats. Bei Vorhandensein nur einer unidirektional gereckten Folie ist klar, dass die Dicke dieser Folie zwischen 35 µm und 155 µm liegen muss. Bei zwei Folien oder mehr Folien interpretiert der Fachmann wegen der Erläuterung in den Absätzen [0018], [0019] der Beschreibung die Dickenangabe als Summe aller Dicken der unidirekti- onal gereckten Folien innerhalb des Laminats. Denn gemäß Absatz [0019] sollen die Vorgaben zur Erfindung in Absatz [0018] gewährleisten, “daß das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die eine oder mehrere unidirektional gereckte(n) Folie(n) eindeutig definiert ist“.
2.3 Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist zulässig. Sämtliche Merkmale dieses Anspruchs finden sich offenbart im eingetragenen Gebrauchsmuster (veröffentlicht als DE 20 2005 021 704 U1) sowie der diesem eingetragenen Gebrauchsmuster zugrundeliegenden Patentanmeldung EP 05744962.1, veröffentlicht als WO 2005/113370 A1.
So finden sich die Merkmale 1HAM0 („Standbeutel mit einem Standbeutelkörper und einem Standbeutelboden, insbesondere Stehboden,“) und 1HAM1 („wobei wenigstens der Standbeutelkörper wenigstens eine unidirektional gereckte Folie umfasst,“) im eingetragenen Anspruch 1 (siehe DE 20 2005 021 704 U1), der dem Anspruch 1 der WO 2005/113370 A1 entspricht.
Das Merkmal 1HAM2 („wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie und aus weiteren Schichten ist“) geht hervor aus Abs. [0014] der Gebrauchsmusterschrift sowie aus S. 3, letzter Absatz der WO 2005/113370 A1. Dass das Laminat aus weiteren Schichten besteht, offenbart Abs. [0016] f. der Gebrauchsmusterschrift bzw. S. 4, Abs. 3 f. der WO 2005/113370 A1.
Auch das Merkmal 1HAM3 („dass wenigstens der gesamte Standbeutelkörper aus der wenigstens einen solchermaßen unidirektional gereckten Folie hergestellt ist“) ist in Abs. [0008], Satz 2 der Gebrauchsmusterschrift bzw. S. 2 Abs. 4, Satz 2 der WO 2005/113370 A1 ursprünglich angegeben.
Die Merkmale 1HAM4 („wobei die Dicke der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie im Bereich von 35 μm und 155 μm liegt“), 1HAM5 („und größer ist als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats“) sowie das letzte Merkmal 1HAM6 („um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie definiert ist.“) zeigt Abs. [0018] f. der Gebrauchsmusterschrift auf bzw. S. 4, Abs. 5 f. der WO 2005/113370 A1.
2.4 Der Gegenstand nach Anspruch 1HA ist neu, da aus den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen kein Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen dieses Anspruchs unmittelbar hervorgeht.
2.5 Der Gegenstand nach Anspruch 1HA beruht jedoch nicht auf einem erfinderischem Schritt:
So geht aus der D1 (EP 1 129 954 A1) ein Standbeutel mit einem Standbeutelkörper (D1, Abs. [10]: „self standing bag“) und einem Standbeutelboden (s. D1, Fig. 1, unterer Bereich mit dortigem offen ersichtlichen Standbeutelboden) gem. Merkmal 1HAM0 hervor.
Auch das Merkmal 1HAM1 („wobei wenigstens der Standbeutelkörper wenigstens eine unidirektional gereckte Folie umfasst“) zeigt die D1 in der Offenbarung der dortigen Erfindung in Absatz [0017] „resin film for split guide has a directional array of crystalline area by uniaxially drawing the film vertically or horizontally“.
Ebenso zeigt die D1 das Merkmal 1HAM2 („wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie und aus weiteren Schichten ist“) auf: Denn dass auch der in Fig. 3 ersichtliche Verbund (D1, Abs. [0036]) aus „sealant layer 12A“, „intermediate layer 12B“, „outer layer 12C“, welche allesamt nicht unidirektional gereckt sind, und dem „resin film for split guide 13“, der gemäß Abs. [0017] aus einer unidirektional gereckten Folie besteht („uniaxially drawing the film vertically or horizontally“),
ebenfalls laminiert ist, wird in der D1 in deren Anspruch 1 und in Abs. [0011], Z. 41 („a resin film for split guide having directional array of a crystalline area laminated along a splitting portion of the bag body“) offenbart.
Der „resin film“ als unidirektional gereckte Folie gem. D1 liegt in seiner Dicke gem. D1, Abs. [0019], mit „30 to 130 µm, more preferable, 40-100 µm“ ebenfalls im Bereich des Merkmals 1HAM4, wonach die Dicke der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie im Bereich von 35 μm und 155 μm liegt.
Nicht aus der D1 hervor gehen jedoch die Merkmale:
1HAM3 1HAM5 1HAM6 dass wenigstens der gesamte Standbeutelkörper aus der wenigstens einen solchermaßen unidirektional gereckten Folie hergestellt ist, und die Dicke der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie größer ist als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats, um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie definiert ist.
Allerdings zeigt die D6 (EP 0 465 681 B1) dem Fachmann auf, dass für in einer Richtung aufreißbare Verpackungen (D6, S. 2, Z. 41-43) auch die Herstellung der kompletten Verpackung aus unidirektional gereckter Folie in Frage kommt. Im Übrigen schließt dies die D1 nicht aus, denn gem. D1, Abs. [0020], heißt es „Further, the shape of the resin film for split guide may be in any manner, which may be band-shape, for instance. The band-shape may have any width, which may be 520 mm, for example“. Der Fachmann wird die Anregung aus D6 auch berücksichtigen, bedarf doch eine bereits fertige lieferbare Folie und die Herstellung des Standbeutels nach D1 komplett aus dieser Folie (Merkmal 1HAM3) mit einem inhärenten „resin film for split guide“ keines zusätzlichen Arbeitsschritts (hier: Auflaminieren des „split guide“ als zusätzlicher Streifen).
Die mit der D6 offenbarte Erfindung ist u.a. auf eine Optimierung der Reißfähigkeit angelegt (s. D6, S. 2, Z. 41-45). Sie lehrt dem Fachmann gemäß D6, S. 2, Z. 4953 auch, dass zur optimalen Reißfähigkeit entlang einer Line die Folie zwar aus mehreren funktionalen Schichten bestehen kann, dabei aber die thermoplastischen Schicht(en) doppelt so dick sein soll(en) wie die vorhandene PolyamidSchicht mit ihrer Dicke von 3-30 µm (s.a. S. 3, Z. 3-8). Wesentliche Erkenntnis ist hierbei (s. D6, S. 3, Z. 19-23), dass sich allgemein - auch ohne das spezielle Herstellungsverfahren eines gemeinsamen Rollens aller Schichten - die Reißorientierrung durch die Dominanz der thermoplastischen Schichten gegenüber der - gem. 3, Z. 4 f. insgesamt stets schlecht zerreißbaren - Polyamidschicht und damit ein insgesamt monoaxial orientiertes, mehrlagiges, zerreißbares Verpackungsmaterial ergibt (s. D6, S. 4, Z. 30-34).
Der D1 entnimmt der Fachmann für eine gute Reißfähigkeit und damit für das Aufreißverhalten des Standbeutels zwar Vorschläge für konkrete Dicken, nämlich a) für den Einreißstreifen gemäß Abs. [0019] eine Dicke von 30 bis 130 µm, bevorzugterweise 40 bis 100 µm („resin film for the split guide may be formed in any thickness, which is, for instance, 30 to 130 µm, more preferably, 40-100 µm“; siehe auch Fig. 5, Pos. 13 zusammen mit Abs. [0040]),
b) gemäß D1, Abs. [0011], die Dicke der Folie (a) von 80 bis 150 µm („sealant layer of the (a) film of 80 to 150µm thick”) und die Angabe einer darauf auflaminierten Folie (b) („and an outer layer covering the sealant layer of the (b) film to be laminated theron“), zu der zwar keine Dicke angegeben ist, die aber zumindest gemäß Fig. 5 (s. hierzu auch D1, Abs. [0040]) mit dortigem Bezugszeichen „12C“ erheblich dünner gezeichnet ist als die Schicht (a) (Bezugszeichen „12A“) und den zur Schicht (a) quasi gleichdicken Einreißstreifen („split guide 13“), wie es auch in D1, Abs. [0014] und Abs. [0019] angegeben ist.
Da der D1 aber jegliche weitere Angaben zu Dicken weiterer funktionaler Schichten fehlen, wie z.B. der (c)-Schicht (siehe Anspruch 2), hat der Fachmann einen Anlass, entsprechenden anderen Stand der Technik für solche reißbaren Folien zu prüfen und diese Folien zumindest hinsichtlich ihrer Eignung zu testen. So gibt eben die D6 neben der doppelten Dicke der gut reißbaren und orientierbaren thermoplastischen Schicht gegenüber der schlecht reißbaren Polyamidschicht auch an, dass die weiteren, dann unidirektional gereckten thermoplastischen Schichten die doppelte Dicke der schlecht reißbaren Polyamidschicht aufweisen sollen (Merkmale 1HAM5 und 1HAM6).
Somit ergibt eine nahliegende Übertragung der Lehre aus der D6, nämlich a) die Herstellung einer kompletten Verpackung aus aufreißbarer Folie mit gerichteter Reißlinie (Vorteil: weniger Arbeitsschritte beim Herstellen des eigentlichen Beutels durch Entfall des ortsgenau aufzulaminierenden gerichteten thermoplastischen Aufreißstreifens auf beiden Seiten) b) unter Berücksichtigung, dass die gerichtete thermoplastische Schicht für das verbesserte Aufreißverhalten eine entsprechende Dicke gegenüber den anderen Schichten aufweisen muss,
auf einen Standbeutel nach D1 einen Standbeutel entsprechend dem Anspruch 1 nach Hauptantrag. Dieser besteht dann lediglich aus einer mehrschichtigen Folie ohne eigenen Aufreißstreifen, die in einer Richtung besser reißt. Zudem regt die D6 den Fachmann dazu an, auch bei einem Schichtaufbau wie gemäß D1 mit dortigem L-LDPE, „polyethylene terephtalate (PET)“, Nylon und einem „resin film for split guide“ die Schichtdicke der gerichteten thermoplastischen Schicht in Abhängigkeit der weiteren, weniger gerichteten oder reißbaren Schichten zu optimieren und dies z.B. durch Versuche zu ermitteln, was keines erfinderischen Schritts bedarf.
3. Im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9 nach Hilfsantrag (1Hi) ist der Löschungsantrag begründet, weil das Streitgebrauchsmuster in dieser Fassung gegenüber der Anmeldung unzulässig erweitert ist, § 15 Absatz 1 Nr. 3 GebrMG.
3.1 In einer gegliederten Fassung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, lautet der geltende Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag (1Hi):
1HiM0 1HiM1 1HiM2
1HiM3 1HiM4 1HiM5 1HiM6
1HiM7 1HiM8 Standbeutel mit einem Standbeutelkörper und einem Standbeutelboden, insbesondere Stehboden, wobei wenigstens der Standbeutelkörper wenigstens eine unidirektional gereckte Folie umfasst, wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus nicht mehr als zwei unidirektional gereckten Folien und aus weiteren Schichten ist, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens der gesamte Standbeutelkörper aus den nicht mehr als zwei solchermaßen unidirektional gereckten Folien hergestellt ist, wobei die Dicke der nicht mehr als zwei unidirektional gereckten Folien im Bereich von 35 μm und 155 μm liegt und größer ist als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats, um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie definiert ist, wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie ein Polyolefin aufweist und wobei das Folienlaminat wenigstens eine Barriereschicht, insbesondere Aluminiumschicht, aufweist, welche zwischen der wenigstens einen unidirektional gereckten Folie und Polyethylenterephtalat eingebettet ist.
3.2 Von dem Anspruch 1 nach Hauptantrag (1HA) unterscheidet sich der Anspruch 1 nach Hilfsantrag (1Hi) durch die Merkmale 1HiM3, 1HiM4, 1HiM7 und 1HiM8. Dabei beschränkt das Merkmal 1HiM3 die Anzahl der unidirektional gereckten Folien, aus denen wenigstens der Standbeutelkörperbeutel hergestellt ist, auf maximal 2 (bei Merkmal 1HAM3 ist lediglich eine Anzahl größer 1 gefordert).
Gemäß Merkmal 1HiM4 liegt dabei die Dicke der nicht mehr als zwei unidirektional gereckten Folien im Bereich von 35 μm und 155 μm. Wie bereits oben zum Merkmal 1HAM4 ausgeführt, versteht der Fachmann unter dem im Merkmal angegebenen Bereich bei nur einer im Laminat vorhandenen unidirektional gereckten Folie den möglichen Dickenbereich dieser einen Schicht. Dagegen bezieht sich der merkmalsgemäß angegebene Dickenbereich bei mehreren - im vorliegenden Anspruch maximal zwei - unidirektionalen Schichten im Laminat auf die Summe - hier der der ersten und der zweiten - im Laminat vorhandenen unidirektional gereckten Folien.
Die weiteren Merkmale, 1HiM7 und 1HiM8 beziehen sich auf das Material wenigstens einer unidirektional gereckten Folie (1HiM7) bzw. den Aufbau des Laminats (1HiM8).
3.3. Das Merkmal 1HiM4 mit der dort angegebenen Dicke der in diesem Merkmal nicht mehr als zwei unidirektional gereckten Folien im Bereich von 35 μm und 155 μm ist in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Denn aus den Anmeldungsunterlagen und aus der mit diesen identischen Beschreibung der Gebrauchsmusterschrift geht im hierzu einzigen Absatz [0018] sowie im gleichbedeutenden Anspruch 7, die überhaupt einen Dickenbereich angeben, lediglich der Dickenbereich für eine Folie, nicht jedoch für eine Summe von (wie anspruchsgemäß) zwei Folien hervor. Demzufolge kann gemäß der ursprünglichen Beschreibung jede im Laminat vorkommende unidirektional gereckte Folie eine Dicke von 10 µm bis 200 µm, bevorzugt im Bereich von 35 µm bis 155 µm und besonders bevorzugt im Bereich von 45 µm bis 95 µm aufweisen. Eine Beschränkung von zwei Folien auf eine gemeinsame (Summen-)Dicke im Bereich von 35 und 155 µm mit dann beliebigen Einzeldicken, von denen lediglich die Summe der Einzeldicken im anspruchsgemäßen, ursprünglich nur für eine Folie offenbarten Bereich liegen muss, ist so nicht offenbart und stellt mit dieser Variante ein nicht zulässiges Aliud dar.
4. Die antragsgemäße Teillöschung der eingetragenen Schutzansprüche 5, 9 und 11 folgt aus der fehlenden Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters in der Fassung nach Hauptantrag und aus der Unzulässigkeit der Fassung des Streitgebrauchsmuster nach Hilfsantrag. Denn die Antragsgegnerin hat die Gegenstände der eingetragenen Schutzansprüche 5, 9 und 11, soweit der Teillöschungsantrag gegen sie gerichtet ist, nur nach Maßgabe dieser Anträge verteidigt und nicht darüber hinaus.
5. Die Anregung der Antragstellerin, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist gegenstandslos geworden, weil der Senat in seiner Entscheidung dem Sachantrag der Antragstellerin stattgegeben hat.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 84 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Werner Krüger Ausfelder Hu