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1 StR 83/20

BUNDESGERICHTSHOF StR 83/20 BESCHLUSS vom 20. April 2023 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a.

ECLI:DE:BGH:2023:200423B1STR83.20.1 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 20. April 2023 gemäß § 154a Abs. 2, 1 Nr. 1, § 349 Abs. 2 StPO, sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 18. Juli 2019 wird die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung beschränkt, soweit er sich auf die für die V. mbH angemeldete Vorsteuer bezieht.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass sechs weitere Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe: 1 Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in Fällen, davon in drei Fällen wegen Versuchs, und wegen Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von der es sechs Monate aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Beschränkung der Strafverfolgung; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Aus prozessökonomischen Gründen beschränkt der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2, 1 Satz 1 Nr. 1 StPO auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung, soweit er sich auf die von der Angeklagten für die V. mbH (V. GmbH) erklärte Vorsteuer bezieht.

Hinsichtlich des von der Verfolgung ausgenommenen Vorwurfs der Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Fällen 1 sowie 4 bis 10 der Urteilsgründe bestehen durchgreifende Bedenken, ob der Verkauf von Fahrzeugen durch die M.

Ltd. und Y.

Ltd. an Dritte zu einer Steuerschuld der V. GmbH führte. Zwar erfüllten diese im Rahmen der betrügerischen Umsatzsteuerkette von der Angeklagten auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette als Missing Trader eingesetzten Gesellschaften nur eine Strohmannfunktion, während tatsächlich die V. GmbH hinter den Verkäufen stand; jedoch traf die Angeklagte als Geschäftsführerin der V. GmbH insoweit keine Erklärungspflicht, weil es sich bei den Verkaufsgeschäften nicht um lediglich zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 UStG) geschlossene „vorgeschobene“ Strohmanngeschäfte handelte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28 Rn. 18 mwN). Die Dritten gingen davon aus, dass die Rechtswirkungen der Geschäfte zwischen ihnen und den verkaufenden Gesellschaften eintreten, so dass leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes nicht die V. GmbH, sondern der jeweilige Missing Trader war (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom

23. August 2017 – 1 StR 33/17 Rn. 11 und vom 8. Juli 2014 – 1 StR 29/14 Rn. 10 f.); Steuerhinterziehungen zugunsten der Missing Trader waren nicht Gegenstand der Anklage.

Der Schuldspruch bleibt von der Verfolgungsbeschränkung unberührt, weil die Angeklagte in allen von der Beschränkung betroffenen Fällen für die V. GmbH unberechtigt Vorsteuern geltend machte.

2. Die Nachprüfung des Urteils hat im verbleibenden Umfang weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt. Insbesondere ist es – entgegen der Auffassung der Revision – für die Strafbarkeit der Angeklagten ohne Belang, welche Lieferungen im Rahmen der innergemeinschaftlichen Reihengeschäfte im Zeitraum von 2006 bis 2008, an denen die in Frankreich ansässigen (unbeteiligten) Veräußerer, die Missing Trader und die V. GmbH bzw. von der Angeklagten zwischengeschaltete Buffer beteiligt waren, jeweils nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei waren (vgl. dazu etwa BFH, Urteile vom 11. März 2020 – XI R 18/18, BFHE 268, 364 Rn. 26 ff. und vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343 Rn. 31 ff.). Denn aufgrund ihrer Beteiligung an den betrügerischen Handlungen durfte die Angeklagte Vorsteuer für die V. GmbH auch dann nicht geltend machen, wenn die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen ist und die V. GmbH daher steuerpflichtige Lieferungen bezog (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling Rn. 53 ff.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 – C-285/11 – Bonik Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid Rn. 42, 45).

Die von der Revision beantragte Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst, weil eine Klärungsbedürftigkeit der von der Revision formulierten Vorlegungsfragen nicht besteht. Der EuGH hat bereits entschieden, dass der Vorsteuerabzug selbst dann zu versagen ist, wenn der Steuerpflichtige – wie hier die Angeklagte – wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war, und nationale Rechtsvorschriften diesen Versagungsgrund nicht ausdrücklich normiert haben (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13 – Schoenimport „Italmoda“ Rn. 62; vgl. auch schon BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 Rn. 192 f.). Auch die Frage, ob der Steuerpflichtige oder andere Beteiligte in der Liefer- bzw. Dienstleistungskette in dem hier vorliegenden Betrugsfall im Sinne des EuGH durch den fraglichen Umsatz einen Steuervorteil erlangt haben muss bzw. müssen, hat der EuGH schon (verneinend) beantwortet (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2021 – C-281/20 Rn. 57); insoweit fehlte es im Übrigen aber auch an der Entscheidungserheblichkeit, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, dass der erlangte Vorteil der V. GmbH darin bestand, dass sie Vorsteuer für Lieferungen zog, für die weder sie noch ein anderer an der Umsatzsteuerkette Beteiligter Umsatzsteuer angemeldet und gezahlt hatte.

3. Die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten hat trotz der Beschränkung der Strafverfolgung Bestand. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die ausgeschiedenen Teile auf niedrigere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Denn auf der Strafzumessungsebene sind der Angeklagten die von der M.

Ltd. und Y.

Ltd. als Missing Trader nicht abgeführten Umsatzsteuerbeträge aus dem Verkauf der Fahrzeuge an Dritte unter dem Gesichtspunkt der verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – 1 StR 451/22).

4. Die lange Dauer des Revisionsverfahrens rechtfertigt, sechs weitere Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt zu bestimmen.

Jäger Bellay Wimmer Allgayer Munk Vorinstanz: Neuruppin, LG, 18.07.2019 - 430 Js 42663/09 13 KLs 23/14

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