Paragraphen in 3 Ni 25/14 (EP)
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2 | 24 | AMG |
2 | 2 | PatKostG |
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BUNDESPATENTGERICHT Ni 25/14 (EP)
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 152ni_adler 07.12
…
betreffend das europäische Patent … (DE …)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 1. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig und des Richters Kätker beschlossen:
1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Der Streitwert wird auf 3.200.000,- EUR festgesetzt.
Gründe I.
Gegen das am 24. Juli 2004 angemeldete europäische Patent … (Streitpatent), das die „… “ betrifft, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Juni 2014 Nichtigkeitsklage erhoben und beantragt, das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 18 und 20 für nichtig zu erklären, soweit diese Ansprüche Verwendungen oder pharmazeutische Zusammensetzungen betreffen, die sich auf Telmisartan oder eines seiner Salze in Kombination mit Amlodipin beziehen.
Mit an das Deutsche Patent- und Markenamt gerichtetem Schriftsatz vom 16. Oktober 2015 hat die Beklagte auf das Streitpatent verzichtet. Zugleich hat sie erklärt, dass sie gegen die Klägerin keine Rechte für die Vergangenheit geltend mache.
Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Sie hält einen Streitwert in Höhe von 3,2 Mio. EUR für angemessen. Hierauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 ebenfalls die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Sie hält einen Streitwert von 1 Mio. EUR für angemessen, wobei sie darauf verweist, dass die besondere pharmazeutische Formulierung des Arzneimittels Twynsta, auf dessen Umsätze der Senat in seinem Bescheid vom 16. Oktober 2015 hingewiesen hat, nicht allein durch das Streitpatent sondern zusätzlich auch durch das weitere Patent EP … geschützt werde. Zudem bestehe für das am 7. Oktober 2010 zugelassene Arzneimittel Twynsta bis Oktober 2020 noch Unterlagenschutz, so dass der Markteintritt etwaiger generischer Kombinationspräparate, die unter Bezugnahme auf die Zulassung des Medikaments Twynsta zugelassen würden, für die Hälfte der Restlaufzeit des Streitpatents ausgeschlossen sei. Die Marktexklusivität des Produkts und damit dessen Umsatz werde daher nicht allein durch das Streitpatent sondern zusätzlich auch durch das weitere Patent und durch den Unterlagenschutz sichergestellt, was bei der Ermittlung des Streitwerts zu berücksichtigen sei.
II.
1. a) Im Fall der Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent sowie auf die Geltendmachung von Ansprüchen für die Vergangenheit hat regelmäßig der Patentinhaber die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zu tragen, da eine solche Vorgehensweise im Regelfall darauf schließen lässt, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte und sich der Patentinhaber durch sein Vorgehen in die Rolle des Unterlegenen begibt (st. Rspr. vgl. BGH, GRUR 61, 278, 279 – Lampengehäuse; BPatGE 31, 191, 192; Busse, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 41 m. w. N.). Der Anlass für den Verzicht ist insoweit grundsätzlich unerheblich (vgl. nochmals BGH, a. a. O. – Lampengehäuse).
Im vorliegenden Fall sind auch keine Umstände ersichtlich, die unter Billigkeitsgesichtspunkten eine entgegenstehende Annahme rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BGH, GRUR 2004, 623, 624 – Stretchfolienumhüllung, sowie BGH, a. a. O. – Lampengehäuse). Der Klagevortrag erscheint bei summarischer Betrachtungsweise nachvollziehbar und schlüssig, da sich das Streitpatent unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands voraussichtlich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erwiesen hätte und damit für nichtig zu erklären gewesen wäre (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ).
b) Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, Arzneimittel bereitzustellen, die sowohl zur Behandlung eines manifesten Typ 2 Diabetes als auch zur Behandlung erster Anzeichen der komplexen Stoffwechselstörung des Prädiabetes und damit zur Prävention eines Typ 2 Diabetes mellitus verwendet werden können, wobei die zu behandelnden Personen einen erhöhten Blutdruck aufweisen (vgl. K1 (Streitpatentschrift) [0009], Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag vom 28. August 2015.)
c) Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team, dem jedenfalls ein in der Forschung tätiger Facharzt der Inneren Medizin, der sich auf dem Gebiet der Diabetologie zusätzlich qualifiziert hat, sowie ein Kardiologe angehören.
d) Dem mit der Suche nach einer Lösung der vorliegenden Aufgabe befassten Fachmann ist zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannt gewesen, dass eine Wechselwirkung zwischen Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ II bzw. Diabetes mellitus Typ II bezogenen Stoffwechselstörungen besteht. Daher entspricht die Notwendigkeit, Bluthochdruck zu behandeln, um das Risiko der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ II zu senken bzw. bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II der Entwicklung makrovasculärer Spätfolgen vorzubeugen, fachmännischem Wissen, dokumentiert etwa in den Druckschriften K6 (World Health Organization 1999, Guidelines for Management of Hypertension, S. 157/158 übergreif. Abs., S. 159 li. Sp., S. 176 li. Sp. bis S. 177 li. Sp. - „Diabetes mellitus“) und K24 (P.C. Deedwania, Arch Intern MED/VOL 160 v. 12.06.2000, S. 1583 (Abstract), S. 1592 (Summary)). Auf diesen Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und Diabetes bzw. Störungen des Fett- und Zuckerstoffwechsels weist auch die Streitpatentschrift mehrfach hin. So wird zu der in Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag als Zielgruppe explizit angegebenen Patientengruppe mit Bluthochdruck darauf hingewiesen, dass der Einsatz eines blutdrucksenkenden Wirkstoffes besonders angezeigt sei (vgl. K1 S. 3 [0003], [0005], [0008], S. 4 Z. 57 bis S. 5 Z. 5 sowie [0015], insbesondere [0021], [0022], [0025]).
Im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten, die an Diabetes oder einer ihrer Vorformen erkrankt sind bzw. bei denen ein entsprechender Verdacht vorliegt, und die zugleich unter Bluthochdruck leiden, wird der Fachmann daher Stand der Technik in Betracht ziehen, der sich auch mit der Behandlung von Bluthochdruck befasst. In diesem Zusammenhang wird er seinen Fokus auf zur Behandlung von Bluthochdruck bekannte Wirkstoffe und unter diesen insbesondere auf den Wirkstoff Telmisartan richten. Denn von diesem ist ihm bekannt, dass er nicht nur als Angiotensin II Antagonist eine blutdrucksenkende Wirkung aufweist, sondern auch, dass er aufgrund seiner Eigenschaft, den PPARϒ-Rezeptor zu regulieren, gleichzeitig eine anti-diabetische Wirkung besitzt (vgl. K 31 S. 57/58 „Hypertension and Metabolic Syndrom“ insbes. S. 57 Fig. 1).
Diesen Wirkstoff sodann in Kombination mit Amlodipin zu verabreichen, bedarf keiner Überlegungen erfinderischer Art. Zur Behandlung von Bluthochdruck favorisierte die Fachwelt auch zum maßgeblichen Zeitpunkt - insbesondere im Rahmen der allgemein anerkannten Therapie nach einem Stufenplan der Hypertoniebehandlung - aus Gründen der Wirkungs-Optimierung und der Minimierung von Nebenwirkungen die Verabreichung von Wirkstoffkombinationen und unter diesen auch solche mit Calcium-Antagonisten (vgl. K6 S. 167 li. Sp., S. 170 re. Sp., K7 S. 583/584 li./re. Sp.). Im Zusammenhang damit war dem Fachmann in Verbindung mit dem sowohl blutdrucksenkenden als auch anti- diabetisch wirkenden Telmisartan bekannt, dass sich die gemeinsame Verabreichung mit dem CalciumAntagonisten Amlodipin dadurch auszeichnet, dass bereits eine einmal tägliche Verabreichung zur gewünschten Wirksamkeit führt und diese Kombination zudem gut verträglich ist (vgl. K8 S. 1347 Abstract, S. 1353 re. Sp.).
Diese mit den angegriffenen Patentansprüchen beanspruchte Wirkstoffkombination von Telmisartan und Amlodipin als pharmazeutische Zusammensetzung bzw. deren Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung oder Prävention von Diabetes Mellitus Typ 2 oder Prädiabetes bei Personen mit Bluthochdruck zur Lösung der vorliegenden Aufgabe in Betracht zu ziehen, beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen hätte sich das Streitpatent voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen. Die Merkmale der Hilfsanträge stellen nur Charakterisierungen der Wirkstoffzusammensetzung dar. Insbesondere wird der Fachmann die Wirkstoffe auch als Fixed-Dose-Zubereitung bereitstellen. Denn es ist seinem Fachwissen zuzuordnen, dass Wirkstoffformulierungen in der Bluthochdruckbehandlung von der Fachwelt als Fixed-Dose-Zubereitungen empfohlen werden, allein schon um die Compliance zu erhöhen (vgl. etwa K7: Mutschler „Arzneimittelwirkungen – Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie“, 2001, 8. Auflage, S. 584).
2. Der Streitwert für das Patentnichtigkeitsverfahren war auf 3.200.000,- EUR festzusetzen.
Der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG festzusetzende Streitwert für die Gerichtsgebühren entspricht im Verfahren vor dem Bundespatentgericht im Allgemeinen dem gemeinen Wert des Patents bei Erhebung der Klage, d. h. der aufgrund Eigennutzung und Lizenzen zu erwartenden Erträge zuzüglich des Betrages der bis zur Klageerhebung eventuell entstandenen Schadensersatzansprüche (BGH GRUR 1957, 79; 1985, 511 – Stückgutverladeanlage; BlPMZ 1991, 190 - Unterteilungsfahne). Demnach können die mit dem Streitpatent erzielbaren bzw. erzielten Umsätze und/oder Lizenzeinnahmen ebenso mögliche Anhaltspunkte für den Streitwert darstellen wie geltend gemachte Schadensersatzansprüche und/oder der Streitwert von Verletzungsverfahren, der für sich genommen allerdings keinen zuverlässigen Aufschluss gibt. Es gilt jedoch stets der Grundsatz, dass der Streitwert für die Gerichtsgebühren nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents für die restliche Laufzeit zu bestimmen ist (vgl. dazu etwa Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 2 PatKostG Rn. 35 ff.; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 5. Aufl., S. 276 ff.). Entscheidend ist darum letztlich das Marktpotential und das daraus resultierende Behinderungspotential des Streitpatents.
Unter Beachtung dieser Grundsätze legt der Senat einen Streitwert von 3.200.000,- EUR zugrunde. Das Arzneimittel Twynsta mit der Wirkstoffkombination Telmisartan und Amlodipin ist vom streitigen Teil des erteilten Patentanspruchs 16 (entspricht Patentanspruch 33 gemäß Hauptantrag der Beklagten vom 28.08.2015) erfasst, da dieser eine pharmazeutische Zusammensetzung mit den beiden Wirkstoffen als solche schützt. Laut Schwabe/Paffrath, Arzneiverordnungsreport 2014, wird mit dem Arzneimittel ein jährlicher Umsatz von … EUR pro Jahr erzielt, so dass sich bei einer Restlaufzeit des Streitpatents von 10 Jahren und einem mittleren Lizenzsatz von … % ein Streitwert von 3,2 Mio. EUR ergibt.
Den hiergegen vorgetragenen Bedenken der Beklagten, die einen wesentlich niedrigeren Streitwert für angemessen hält, vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit neben dem Streitpatent ein weiteres europäisches Patent (EP …) besteht,
mit dem eine pharmazeutische Tablette geschützt wird, die die beiden Wirkstoffe Telmisartan und Amlodipin in zwei Schichten in einer bestimmten Tablettenmatrix enthält, mag der Gegenstand des Streitpatents zwar ausschnittsweise auch durch ein weiteres Patent mit geschützt sein. Dass mehrere gültige Schutzrechte eigenständig nebeneinander stehen, kann jedoch das maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung jedes von ihnen nicht schmälern. Insbesondere wird das vom Streitpatent ausgehende Drohpotential durch die Existenz eines weiteren Schutzrechts mit ganz oder teilweise identischem Schutzbereich nicht gemindert. Dies würde sogar für ein nationales (Streit-) Patent gelten, wenn neben ihm ein europäisches Patent für die gleiche Erfindung bestehen würde, so dass ersteres nach dem Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜG) ganz oder teilweise unwirksam wäre.
Ebensowenig vermag der von der Beklagten angeführte Unterlagenschutz eine niedrigere Streitwertfestsetzung zu rechtfertigen. Mit dem Unterlagenschutz nach § 24 a und b AMG wird die Bezugnahme auf Unterlagen eines Vorantragstellers bei der Zulassung von Generika geregelt, wobei eine solche Bezugnahme – ohne Zustimmung des Vorantragstellers – gemäß § 24b AMG nur nach Ablauf bestimmter Fristen zulässig ist. Im Gegensatz zum Patentschutz gewährt der Unterlagenschutz jedoch kein Verbietungsrecht gegen die Benutzung von pharmazeutischen Zusammensetzungen, die unter den breiten streitigen Teil des Patentanspruchs 16 des Streitpatents (bzw. Patentanspruch 33 gemäß Hauptantrag vom 28.08.2015) fallen, ohne zugleich Generikum des Arzneimittels Twynsta zu sein. Er verhindert auch keine Zulassung von Generika, wenn der Zweitantragsteller eigene klinische Studien durchführt. Auch der Unterlagenschutz kann daher das wirtschaftliche Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des Streitpatents nicht mindern.
Schramm Dr. Proksch-Ledig Kätker Pr
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