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XI ZB 9/21

BUNDESGERICHTSHOF XI ZB 9/21 BESCHLUSS vom 23. November 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:231121BXIZB9.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. November 2021 durch die Richter Dr. Grüneberg, Dr. Matthias und Dr. Schild von Spannenberg sowie die Richterinnen Ettl und Dr. Allgayer beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 14. Juni 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 1.500 €.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren unter anderem die Feststellung des Fortbestandes eines mit der beklagten Sparkasse geschlossenen Prämiensparvertrages.

Die Eltern des Klägers schlossen am 15. November 1994 mit der Beklagten einen formularmäßigen Sparvertrag "S-Prämiensparen flexibel" mit der Kontonummer 112…

. Danach sollten die Sparer ab dem 15. November 1994 monatlich 150 DM einzahlen. Demgegenüber verpflichtete sich die Beklagte,

zum Ende jedes Kalenderjahres eine variabel verzinsliche S-Prämie entsprechend einer Prämienstaffel, ab dem 15. Sparjahr in Höhe von 50%, auf die geleisteten Sparbeiträge zu zahlen. Der Sparvertrag enthält unter der Ziffer "3.1 Verfügung nach Kündigung" u.a. folgende Vereinbarung:

"Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt." Mit Vereinbarung vom 2. April 2012 traten die Kläger anstelle der Eltern des Klägers in den Sparvertrag ein. Dabei unterzeichneten die Parteien eine neue Vertragsurkunde über ein "S-Prämiensparen flexibel" mit der Kontonummer 402… , die als Vertragsbeginn den "15. November 1994" sowie die Vereinbarung enthielt, dass die Kläger ab diesem Zeitpunkt monatlich "76,69 €" auf das Sparkonto einzahlen sollten. Diese Vereinbarung enthielt eine Prämienstaffel bis zum 32. Sparjahr, nach der ebenfalls ab dem 15. Sparjahr eine verzinsliche Prämie in Höhe von 50% auf die geleisteten Sparbeiträge gezahlt werden sollte. In Ziffer 4 der neuen Vertragsurkunde wurde eine Laufzeit mit 1188 Monaten angegeben. In Ziffer 7 der Vertragsurkunde heißt es unter der Überschrift "Beendigung des Sparvertrags":

"7.1 Kündigung Es gilt eine Kündigungsfrist von 3 Monaten. ... 7.2 Kündigungssperrfrist Der Sparvertrag kann jederzeit -- jedoch nicht vor Ablauf von --- Monaten nach Vertragsbeginn -- gekündigt werden.

7.3 Verfügung nach Kündigung Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Sparvertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt." Unter dem 16. März 2017 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass das Sparguthaben auf 28.132 € angewachsen sei, dessen Verzinsung aktuell 0,001% betrage und die Beklagte den Klägern die Möglichkeit einräume, das Sparbuch mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Nachdem die Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht hatten, kündigte die Beklagte den Sparvertrag mit Schreiben vom 17. Juli 2017 zum 31. Oktober 2017.

Mit der Klage haben die Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Kündigung, die Fortsetzung des Prämiensparvertrages zu unveränderten Bedingungen sowie die Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe "aufgrund des abgeschlossenen Darlehensvertrages und der dort vereinbarten Regeln" den Prämiensparvertrag jederzeit innerhalb einer 3-monatigen Kündigungsfrist kündigen können, was sich aus der Ziffer 3.1. des Vertrages vom 15. November 1994 ergebe. Die Vereinbarung vom 2. April 2012 beinhalte neben dem Austausch der Gläubiger keine Vertragsänderung hinsichtlich des dreimonatigen Kündigungsrechtes. Außerdem habe der Beklagten ein Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB zugestanden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten die Parteien weder im Sparvertrag vom 15. November 1994 noch in der Vereinbarung vom 2. April 2012 eine wirksame Laufzeitvereinbarung getroffen. Die Laufzeit von 1188 Monaten sei durch ein Computerprogramm in die Vertragsurkunde eingesetzt worden, wofür ein Rechtsbindungswille der Parteien gefehlt habe.

Hiergegen haben die Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Daraufhin hat das Berufungsgericht die Kläger darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung die Mindestanforderungen gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht erfülle.

Nach einer Stellungnahme der Kläger hat das Berufungsgericht die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht den Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genüge. Falls das Erstgericht die Abweisung einer Klage auf mehrere, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt habe, müsse die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls sei das Rechtsmittel unzulässig. So liege der Fall hier.

Mit ihrer Berufungsbegründung hätten sich die Kläger nur gegen die Erwägung des Amtsgerichts gewandt, dass die Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB wirksam sei und eine Laufzeit von 1188 Monaten mangels eines Rechtsbindungswillens nicht wirksam vereinbart worden sei. Mit dem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht, auf das das Amtsgericht die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten in erster Linie gestützt habe, hätten sich die Kläger in der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt, mithin nicht alle rechtlichen Erwägungen, mit denen das Amtsgericht die Klageabweisung begründet habe, angegriffen. Eine Auseinandersetzung mit dieser erstrangigen Begründung des Amtsgerichts könne auch nicht in dem wörtlichen Zitat der Entscheidung des OLG Dresden vom 21. November 2019 (8 U 1770/18) gesehen werden.

Dieser Rechtsauffassung stehe auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28. Februar 2007 (V ZB 154/06, juris Rn. 12) nicht entgegen. Auch dort sei die Abweisung eines Anspruches mit zwei Begründungen erfolgt. Es habe jedoch die Besonderheit vorgelegen, dass sich aus dem Angriff gegen nur einen dieser Gründe zwangsläufig auch der Wegfall des anderen Grundes ergeben habe. Dies sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Da die Kläger folglich nicht alle rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts angegriffen hätten, seien die Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht gegeben, die Berufung mithin als unzulässig zu verwerfen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Verwerfung ihrer Berufung als unzulässig verletzt die Kläger in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE, 79, 372; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel nicht wegen einer Nichterfüllung der Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO durch die Berufungsbegründung der Kläger als unzulässig verwerfen dürfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt (BGH, Urteile vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126, vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, NJW 2003, 3345 und vom 14. November 2005 - II ZR 16/04, NJW-RR 2006, 499, 500). Die Darstellung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein (Senat, Beschluss vom 27. Mai 2008 - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ZB 4/06, NJW-RR 2007, 1363). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt (BGH, Beschlüsse vom 25. November 1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169, 171, vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285 und vom 12. Mai 2009 - XI ZB 21/08, juris Rn. 13 mwN).

§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfordert indes weder, dass der Berufungskläger in der Begründung des Rechtsmittels zu allen für ihn nachteilig beurteilten Streitpunkten im erstinstanzlichen Urteil Stellung nimmt (BGH, Urteile vom 5. Oktober 1983 - VIII ZR 224/82, NJW 1984, 177, 178 und vom 8. April 1991 - II ZR 35/90, NJW-RR 1991, 1186, 1187), noch gebietet die Vorschrift eine inhaltliche Trennung der Angriffe nach den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung (BGH, Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683). Es genügt vielmehr, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn die Berufungsgründe sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befassen und diesen in ausreichendem Maße behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, aaO mwN). Eine inhaltliche Trennung der einzelnen Angriffspunkte setzt § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO nicht voraus (vgl. BGH aaO).

b) So liegt der Fall hier. Mit Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Berufungsgericht die Berufungsbegründung deshalb als unzureichend angesehen hat, weil die Kläger sich darin nicht mit dem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht aus Ziffer 3.1 des Sparvertrags vom 15. November 1994, auf das das Amtsgericht die Wirksamkeit der Kündigung in erster Linie gestützt hat, auseinandergesetzt hätten. Dessen bedurfte es nicht, damit die Berufungsbegründung den Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO genügte. Denn selbst dann, wenn die Beklagte - was allerdings nicht der Fall ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 32) - aus dieser Bestimmung ein Kündigungsrecht herleiten kann, wäre dies nicht erheblich, weil die Kläger nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag bei der Vertragsübernahme am 2. April 2012 insoweit mit der Beklagten eine abweichende Vereinbarung über eine feste Laufzeit von 1188 Monaten getroffen hätten, während der eine ordentliche Kündigung der Beklagten zumindest konkludent ausgeschlossen gewesen wäre. Die diesbezügliche, ihnen nachteilige Beweiswürdigung des Amtsgerichts haben die Kläger in der Berufungsbegründung - was auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - in einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO genügenden Weise angegriffen.

3. Der die Berufung der Kläger als unzulässig verwerfende Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Rechtsmittel an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Grüneberg Matthias Schild von Spannenberg Ettl Allgayer Vorinstanzen: AG Zwickau, Entscheidung vom 17.10.2019 - 24 C 1181/18 LG Zwickau, Entscheidung vom 14.06.2021 - 6 S 121/19 -

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