Paragraphen in 1 StR 464/24
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1 | 46 | StGB |
1 | 267 | StPO |
1 | 353 | StPO |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 464/24 URTEIL vom 19. März 2025 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis ECLI:DE:BGH:2025:190325U1STR464.24.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 18. März 2025 in der Sitzung am 19. März 2025, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bär,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Allgayer und Richterin am Bundesgerichtshof Welnhofer-Zeitler,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 18. März 2025 –, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 19. März 2025 –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 18. März 2025 –
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. April 2024 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte bewahrte am 8. März 2022 in seiner Wohnung in G. in einer Sporttasche bewusst und gewollt fünf in Folie verschweißte Pakete mit jeweils 100 Gramm Marihuana sowie ein angebrochenes sechstes Paket mit 42 Gramm Marihuana zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs auf. Das Marihuana hatte einen Wirkstoffanteil von 91,19 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Griffbereit unmittelbar neben dieser Sporttasche in der Zimmerecke platzierte der Angeklagte einen aus Aluminium gefertigten Baseballschläger, dessen potentielle Eignung als Schlagwerkzeug mit der Möglichkeit der Beibringung erheblicher Verletzungen ihm bewusst war. In einem weniger als einen Meter von Tasche und Schläger entfernt befindlichen Schreibtisch befand sich in einem unverschlossenen Fach ein nicht gesicherter Aufbewahrungskoffer mit einer funktionsfähigen Schreckschusspistole Walter P99 mit 50 Schuss Knallmunition, die in wenigen Sekunden geladen werden konnte. Weiter war in dieser offenen Schublade in einem unverschlossenen Originalkarton eine Luftdruckpistole Beretta mit 1.600 Schuss Munition, für deren Ladung eine Zeitspanne von über einer Minute bis zur Einsatzbereitschaft erforderlich gewesen wäre.
2. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung ist das Landgericht hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG davon ausgegangen, dass diese bei Cannabis erst beim Zehnfachen des bis zum Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes geltenden Wertes von 7,5 Gramm THC anzunehmen sei, so dass damit die nicht geringe Menge nur um das 1,2-fache überschritten werde. Der Strafzumessung hat das Landgericht einen minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu Grunde gelegt.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
1. Sie ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 2024 – 1 StR 303/24 Rn. 10; vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17 Rn. 11 und vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14 Rn. 7 jeweils mwN). Zwar wendet sich hier die Staatsanwaltschaft mit ihrem Revisionsantrag gegen das Ausgangsurteil insgesamt. Aus der Revisionsbegründung wird aber deutlich, dass sich das Rechtsmittel allein gegen den Strafausspruch und die Annahme eines minder schweren Falls im Blick auf die fehlerhafte Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge richtet. Diese Beschwerdepunkte können nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden, ohne seine Überprüfung im Übrigen erforderlich zu machen. Es ist nicht zu besorgen, dass die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung einen inneren Widerspruch aufweisen könnte (zu den in st. Rspr. anzuwendenden rechtlichen Maßstäben s. etwa BGH, Urteile vom 30. November 2023 – 3 StR 243/23 Rn. 9; vom 2. März 1995 – 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 16 und vom 10. August 2017 – 3 StR 275/17 Rn. 8).
2. Der Strafausspruch ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den Schuldumfang der festgestellten Tat nicht zutreffend bewertet hat und das Urteil deshalb durchgreifende Wertungsfehler aufweist.
a) Das Landgericht ist bei der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ausgegangen und hat damit nicht den Strafrahmen für bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis von Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren zu Grunde gelegt. Bei der konkreten Strafzumessung wird die Höhe des Wirkstoffgehalts als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt nicht eingestellt, da das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung bereits klargestellt hatte, dass es hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG davon ausgeht, diese sei erst beim Zehnfachen des bisherigen Wertes von 7,5 Gramm THC anzunehmen, so dass im vorliegenden Fall die nicht geringe Menge nur um das 1,2-fache überschritten sei. In der Gesamtabwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte führt das Landgericht aus, es würde selbst bei einer Beibehaltung des bisherigen Grenzwertes der nicht geringen Menge davon ausgehen, dass auch bei einer Grenzwertüberschreitung um das 12-fache die Anwendung des Regelstrafrahmens für den Qualifikationstatbestand nicht sachgerecht gewesen wäre.
b) Ob eine Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG als minder schwerer Fall einzuordnen ist, in dem die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, richtet sich danach, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2023 – 1 StR 335/22 Rn. 23; vom 19. März 1975 – 2 StR 53/75,
BGHSt 26, 97, 99 und vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, BGHSt 62, 90 Rn. 13). In die anzustellende Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit relevant sind, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen. Bei dieser Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist die Frage, ob der Grenzwert der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln sowie auch von Cannabis um ein Vielfaches oder aber nicht sehr erheblich überschritten ist, regelmäßig von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 164 f.; Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, aaO Rn. 13). Während eine nur geringe Grenzwertüberschreitung ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles ist, spricht eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen (vgl. für das BtMG: BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, aaO Rn. 13 und Beschlüsse vom 16. Januar 2019 – 2 StR 488/18 Rn. 5; vom 11. September 2019 – 2 StR 68/19 Rn. 5 und vom 10. März 2022 – 1 StR 35/22 Rn. 5). So handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem Handeltreiben mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge bereits nicht um eine derart geringe Überschreitung des Grenzwerts, dass diese Tatsache gemäß § 46 Abs. 3 StGB aus der Gesamtschau aller Strafzumessungsgründe ausscheiden müsste (BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 Rn. 16). Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine solche Grenzwertüberschreitung vielmehr grundsätzlich strafschärfende Bedeutung und stellt regelmäßig einen im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrund dar (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2023 – 1 StR 335/22 Rn. 23 und vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 Rn. 17 f.). An dieser generellen für alle Betäubungsmittel geltenden Betrachtungsweise hat sich auch für Cannabis mit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes zum 1. April 2024 nichts geändert.
c) Daran gemessen halten sich die der Strafrahmenwahl nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG zugrundeliegenden Erwägungen des Landgerichts nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Spielraums. Die von Rechts wegen erforderliche Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen hat das Landgericht zwar vorgenommen. Eine straferschwerende Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ausgehend vom Vorliegen einer nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol (THC) von 7,5 Gramm (BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 7 ff.; vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.; vom 6. Mai 2024 – 4 StR 5/24 Rn. 10 ff. und vom 28. Mai 2024 – 3 StR 154/24 Rn. 8) im vorliegenden Verfahren festgestellten Grenzwertüberschreitung um das 12-fache als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt erfolgte hier rechtsfehlerhaft nicht. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Berücksichtigung der erheblichen Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge zu einer Anwendung des Regelstrafrahmens des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG oder zu einer höheren Strafe gekommen wäre.
Daran ändert sich auch nichts durch die vom Landgericht abschließend angestellten hypothetischen Erwägungen im Rahmen der Gesamtabwägung (UA S. 15), dass der Regelstrafrahmen infolge der angenommenen Milderungsgründe selbst bei Beibehaltung des bisherigen Grenzwertes nicht angemessen sei. Dies ließe unberücksichtigt, dass das Landgericht gerade nicht alle bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte in seine Gesamtwertung einbezogen hat.
d) Im Übrigen erweist sich auch die konkrete Strafzumessung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft. Im Rahmen der hier gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände hat das Landgericht nochmals alle bisherigen Strafzumessungserwägungen herangezogen und damit auch diejenigen, die bereits eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben. Diese einen minder schweren Fall begründenden Strafzumessungsgesichtspunkte sind aber hier nur noch mit verringertem Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2023 – 2 StR 79/23 Rn. 30; vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 512/19 Rn. 6 und vom 4. Februar 2014 – 3 StR 452/13 mwN).
3. Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch nach sich. Die Feststellungen zum Strafausspruch können aufrecht erhalten bleiben, da sie vom aufgezeigten Wertungsfehler nicht tangiert werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Jäger Allgayer Fischer Welnhofer-Zeitler Bär Vorinstanz: Landgericht Heilbronn, 17.04.2024 - 3 KLs 450 Js 7686/22
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