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X ZR 27/23

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 27/23 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 15. April 2025 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2025:150425UXZR27.23.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann, Dr. Deichfuß und Dr. Rensen und die Richterin Dr. von Pückler für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 17. Oktober 2022 abgeändert.

Das europäische Patent 2 365 100 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 365 100 (Streitpatents), das am 15. Oktober 2010 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 4. März 2010 angemeldet worden ist und die Herstellung eines Formteiles betrifft.

Patentanspruch 1, auf den sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Verfahren zur Herstellung eines Formteiles mit mindestens zwei Gefügebereichen unterschiedlicher Duktilität aus einem Halbzeug (1), insbesondere einer Platine, aus härtbarem Stahl mit einer Erwärmung in einem Durchlaufofen (2) und einem Härteprozess, wobei das Halbzeug (1) in dem Durchlaufofen (2) auf Austenitisierungstemperatur erwärmt wird, nachfolgend ein erster Teilbereich (4) des Halbzeugs (1) auf eine Temperatur gekühlt wird, bei welcher das Gefüge des Teilbereichs in ferritisches-perlitisches Gefüge umgewandelt wird, während ein zweiter Teilbereich (5) des Halbzeugs (1) auf Austenitisierungstemperatur gehalten wird, nachfolgend das Halbzeug (1) in einem Presshärtewerkzeug (6) zu dem Formteil umgeformt und vergütet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Halbzeug (1) nach Durchlauf durch den Durchlaufofen (2) mit dem zweiten Teilbereich (5) in eine Kammer eines Zwischenspeichers (7), insbesondere eines Pufferofen (8) eingelegt und dort gelagert wird, wobei der Zwischenspeicher den zweiten Teilbereich (5) auf Austenitisierungstemperatur hält, während der erste Teilbereich (4) aus der Kammer des Zwischenspeichers (7), insbesondere des Pufferofens (8) vorragt und dieser vorragende Bereich an Luft oder mit Luft auf die Temperatur gekühlt wird, bei welcher das ferritisch-perlitische Gefüge gebildet wird, nachfolgend das Halbzeug (1) aus dem Zwischenspeicher (7), insbesondere dem Pufferofen (8) entnommen und dem Presshärtewerkzeug (6) zum Zwecke des Umformens und Vergütens übergeben wird.

Patentanspruch 9, auf den ebenfalls sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt sinngemäß eine Vorrichtung, mit der ein solches Verfahren ausgeführt werden kann.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise mit fünf Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus dem ersten Rechtszug weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents.

I. Das Streitpatent betrifft die Herstellung eines Formteils aus härtbarem Stahl mit zwei Bereichen unterschiedlicher Duktilität.

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik Formteile für Kraftfahrzeuge bekannt, die Bereiche unterschiedlicher Festigkeit und Verformbarkeit (Duktilität) aufweisen.

Als Beispiel führt das Streitpatent eine im europäischen Patent 1 180 470 offenbarte B-Säule an, die einen ersten Längenabschnitt mit einem überwiegend martensitischen Gefüge und hoher Festigkeit und einen zweiten Abschnitt mit einem überwiegend ferritisch-perlitischen Gefüge, höherer Duktilität und geringerer Festigkeit aufweise (Abs. 2).

Zur Herstellung solcher Teile würden unterschiedliche Verfahren vorgeschlagen.

Das deutsche Patent 19 743 802 sehe vor, eine Platine aus geeignetem Stahl in Bereichen, die letztlich eine höhere Festigkeit aufweisen sollen, innerhalb von weniger als 30 Sekunden auf eine Temperatur zwischen 600 und 900°C zu bringen und anschließend in einem Pressenwerkzeug umzuformen und zu vergüten (Abs. 4). Alternativ werde eine Platine zunächst vor- oder endgeformt und danach in Bereichen, die eine höhere Festigkeit aufweisen sollen, in der beschriebenen Weise wärmebehandelt; die Vergütung könne im Presswerkzeug stattfinden. Stattdessen könne die gesamte Platine zunächst komplett auf 900 bis 950°C homogen erwärmt und im Presswerkzeug geformt und vergütet werden; anschließend könne die Duktilität durch ein gezieltes Erwärmen in bestimmten Bereichen erhöht werden (Abs. 5). Diese Verfahren seien verhältnismäßig aufwendig (Abs. 6).

Das deutsche Patent 102 56 621 schlage vor, ein Halbzeug durch einen Durchlaufofen mit getrennten Bereichen zu fördern, so dass in einem Teilbereich eine relativ hohe und in einem anderen Teilbereich eine relativ niedrige Temperatur entstehe. Anschließend werde das Bauteil in ein Warmform-Härtewerkzeug eingebracht (Abs. 7). Bei dieser Vorgehensweise sei es schwierig, Bauteile mit verschieden langen ersten und zweiten Bereichen herzustellen, weil die in der Regel erforderliche Trennwand nur mit großem Aufwand versetzbar sei (Abs. 8).

Die deutsche Offenlegungsschrift 10 2006 017 317 schlage vor, ein Halbzeug auf Austenitisierungstemperatur zu erwärmen und anschließend in ein Umformwerkzeug mit einer Presse einzulegen. Formen und Abschrecken erfolgten durch den Kontakt mit dem Umformwerkzeug. Bereiche, die während des Formens Tiefziehkräften ausgesetzt seien, würden vor dem Kontakt mit dem Umformwerkzeug dosiert abgekühlt, ohne dass dabei die zum Härten notwendige Abkühlgeschwindigkeit erreicht werde. Sodann werde das Halbzeug geformt und im Umformwerkzeug gehärtet (Abs. 9). Dieses Verfahren sei zwar zielführend, aber aufwendig und schwer zu beherrschen (Abs. 10).

Die deutsche Offenlegungsschrift 10 2006 018 406 schlage vor, ein Werkstück zu erwärmen und zugleich in einzelnen Abschnitten Wärme abzuführen, so dass die Temperatur dort unter der für den anderen Bereich vorgegebenen Temperatur bleibe. Dieses Verfahren sei aufwendig und verbrauche viel Energie (Abs. 11).

Das deutsche Patent 102 08 216 (K5) offenbare ein Verfahren, bei dem ein Bauteil zunächst auf Austenitisierungstemperatur erhitzt werde und anschließend auf dem Transportweg ein erster Bereich auf eine Temperatur oberhalb der Martensit-Starttemperatur abgeschreckt und auf dieser gehalten werde, so dass sich ein perlitisch-ferritisches Gefüge bilde. Ein zweiter Bereich werde auf Austenitisierungstemperatur gehalten. Schließlich werde das Werkstück in einem Formwerkzeug insgesamt gehärtet (Abs. 12).

2. Vor diesen Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein Herstellungsverfahren bereitzustellen, das geringen Aufwand erfordert und gut beherrschbar ist.

3. Zur Lösung sieht das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1.1 Verfahren zur Herstellung eines Formteils mit mindestens zwei Gefügebereichen unterschiedlicher Duktilität aus einem Halbzeug (1), insbesondere einer Platine, aus härtbarem Stahl, umfassend

1.1a eine Erwärmung in einem Durchlaufofen (2) und 1.1b einen Härteprozess. 1.2 In dem Durchlaufofen (2) wird das Halbzeug (1) auf Austenitisierungstemperatur erwärmt. 1.3 Nachfolgend wird ein erster Teilbereich (4) des Halbzeugs

(1) auf eine Temperatur gekühlt, bei welcher das Gefüge des Teilbereichs in ferritisch-perlitisches Gefüge umgewandelt wird, 1.4 während ein zweiter Teilbereich (5) des Halbzeugs (1) auf Austenitisierungstemperatur gehalten wird. 1.6 Hierzu wird ein zweiter Teilbereich (5) des Halbzeugs (1) nach Durchlaufen durch den Durchlaufofen (2) in eine Kammer eines Zwischenspeichers (7), insbesondere eines Pufferofens (8) eingelegt und dort gelagert, 1.7 wobei der Zwischenspeicher den zweiten Teilbereich (5) auf Austenitisierungstemperatur hält, 1.8 während der erste Teilbereich (4) des Halbzeugs (1) aus der Kammer des Zwischenspeichers (7), insbesondere des Pufferofens (8) vorragt und

1.9 dieser vorragende Bereich an Luft oder mit Luft auf die Temperatur gekühlt wird, bei welcher das ferritisch-perlitische Gefüge gebildet wird.

1.10 nachfolgend wird das Halbzeug (1) aus dem Zwischenspeicher (7), insbesondere dem Pufferofen (8), entnommen und einem Presshärtewerkzeug (6) zum Zwecke des Umformens und Vergütens übergeben und

1.5 in dem Presshärtewerkzeug (6) umgeformt und vergütet.

4. Die in Patentanspruch 9 geschützte Vorrichtung wird durch ihre Eignung für ein solches Verfahren geprägt und unterliegt deshalb derselben Beurteilung.

5. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.

a) Ein Durchlaufofen im Sinne von Merkmal 1.1a ist nach dem fachüblichen Sprachgebrauch ein Ofen, bei dem das zu erwärmende Gut durch eine erste Öffnung in den Ofen eingebracht, durch diesen hindurchbewegt und durch eine zweite Öffnung hinausgefördert wird.

aa) Dieses Verständnis liegt auch dem Streitpatent zugrunde.

Die Beschreibung des Streitpatents enthält zwar keine Definition des Begriffs "Durchlaufofen". Sie geht aber davon aus, dass der Ofen kontinuierlich betrieben werden kann (Abs. 17, 34) und einen Ausgang (Abs. 22), ein Ausgabeende (Abs. 26) oder einen Abgabebereich (Abs. 28) aufweist. Zudem befasst sie sich mit der Transportrichtung (Abs. 28) und der Durchlaufgeschwindigkeit (Abs. 15, 17, 20).

bb) Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ist damit allerdings nicht zwingend festgelegt, dass das Material gleichmäßig oder kontinuierlich durch den Ofen befördert werden muss.

cc) Aus der in Patentanspruch 9 zusätzlich enthaltenen Vorgabe, dass der Durchlaufofen einen Stetigförderer aufweist, ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen.

Diese Vorgabe bezieht sich nur auf die Beschaffenheit des Ofens, nicht aber auf die Art und Weise, in der er betrieben wird.

b) Die Ausbildung von Bereichen mit unterschiedlicher Duktilität wird durch eine Erwärmung des gesamten Halbzeugs und eine teilweise Abkühlung einzelner Bereiche vorbereitet.

Nach Merkmal 1.2 wird das Halbzeug im Durchlaufofen zunächst in seiner Gesamtheit auf eine Temperatur gebracht, bei der sich die als Austenit bezeichnete Kristallform einstellt. Anschließend werden die Halbzeuge gemäß den Merkmalen 1.7, 1.8 und 1.9 so zwischengelagert, dass ein Teilbereich auf dieser Temperatur gehalten wird, ein anderer Teilbereich hingegen so weit abkühlt, dass sich ein ferritisch-perlitisches Gefüge bildet.

Durch die anschließende rasche Abkühlung im Presshärtewerkzeug erhalten die Bereiche mit hoher Temperatur eine hohe Festigkeit und eine geringe Duktilität, während die Bereiche mit geringerer Temperatur eine geringere Festigkeit und eine höhere Duktilität aufweisen.

c) Der für die partielle Abkühlung eingesetzte Zwischenspeicher im Sinne von Merkmal 1.6 ist ein Bereich, in dem das Werkstück so abgelagert werden kann, dass es von den Fördereinrichtungen des Durchlaufofens für einen bestimmten Zeitraum nicht transportiert wird.

Der Zwischenspeicher hat nach der Beschreibung des Streitpatents die Funktion, eine zeitliche Abstimmung dergestalt zu ermöglichen, dass der kontinuierliche Betrieb des Durchlaufofens und der taktweise Betrieb des Härtewerkzeuges leicht aneinander angepasst werden können. Hierzu muss der Zwischen-

-9speicher so ausgestaltet sein, dass die Ablage des Halbzeugs in ihm die Durchlaufgeschwindigkeit der Teile durch den Durchlaufofen nicht beeinflusst (Abs. 17). 31 aa) Dazu können einer oder mehrere Aufnahmebereiche seitlich neben dem Durchlaufofen positioniert werden, wie dies in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 schematisch dargestellt ist.

Bei dieser Ausgestaltung werden die Halbzeuge (1) mittels eines Stetigförderers in der mit einem Pfeil (3) verdeutlichten Richtung durch den Durchlaufofen (2) transportiert. Nach dem Durchlaufen des Ofens werden die Halbzeuge mit geeigneten (in Figur 1 nicht dargestellten) Vorrichtungen zu Zwischenspeichern (7) bewegt und dort in Kammern abgelegt (Abs. 53).

bb) Alternativ kann der Zwischenspeicher durch eine Erweiterung des Abgabebereiches des Durchlaufofens erzeugt werden, wie dies in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt ist.

Bei dieser Ausgestaltung werden die Halbzeugteile (1) innerhalb der Erweiterung (15) von der Auflageebene des Durchlaufofens (2) abgehoben oder in anderer Weise in Querrichtung transportiert, so dass sie in mehrere darunter oder darüber gebildete Ebenen verlagert werden können (Abs. 58).

cc) Allen diesen Ausgestaltungen ist gemeinsam, dass der Zwischenspeicher so ausgestaltet ist, dass die auf Austenitisierungstemperatur erwärmten Halbzeuge so zwischengelagert werden können, dass ein Transport weiterer Halbzeuge durch den Durchlaufofen möglich bleibt, ohne dass der dafür erforderliche Zeitraum mit dem für die Lagerung im Zwischenspeicher erforderlichen Zeitraum identisch sein muss.

dd) Diese Funktion erfordert nicht, dass der Zwischenspeicher als vom Durchlaufofen getrenntes Bauteil ausgestaltet ist. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass das Erwärmen im Durchlaufofen und die Lagerung im Zwischenspeicher in der genannten Weise voneinander entkoppelt sind.

Dieses Verständnis wird bestätigt durch die Ausführungen in der Beschreibung, wonach der Zwischenspeicher auch in einer Erweiterung des Abgabebereichs des Durchlaufofens bestehen kann (Abs. 28 f.).

Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass der Durchlaufofen in dem als Zwischenspeicher fungierenden Bereich eine räumliche Erweiterung aufweisen muss. Auch diese Ausgestaltung ist in der Beschreibung lediglich als Beispiel genannt. Nach Merkmal 1.6 genügt es, wenn der Zwischenspeicher die oben aufgezeigte Funktion erfüllen kann.

ee) Vor diesem Hintergrund kann Patentanspruch 1 nicht die Vorgabe entnommen werden, dass der Zwischenspeicher eine stationäre Ablage des Halbzeugs ermöglichen muss.

Nach Merkmal 1.6 muss es zwar möglich sein, das Halbzeug in eine Kammer des Zwischenspeichers einzulegen und dort zu lagern. Beides kann aber auch in der Weise geschehen, dass das Halbzeug innerhalb der Kammer bewegt wird - etwa dergestalt, dass der Zwischenspeicher in einer Erweiterung des Abgabebereichs des Durchlaufofens angeordnet ist, wie dies die Beschreibung als Option vorsieht.

d) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass es ausreicht, wenn der Zwischenspeicher ein einziges Halbzeugteil zugleich aufnehmen kann.

Nach der Beschreibung weist der Zwischenspeicher bevorzugt mehrere Ablageplätze für Halbzeugteile auf (Abs. 36). Patentanspruch 1 sieht eine solche Ausgestaltung aber nicht zwingend vor. Erst Patentanspruch 2 enthält eine diesbezügliche Festlegung.

Wenn der Zwischenspeicher nur einen Ablageplatz aufweist und auch keine sonstige Möglichkeit zur Zwischenlagerung besteht, kann ein nachfolgendes Halbzeug allerdings erst dann aus dem Durchlaufofen entnommen werden, wenn das vorangegangene Halbzeug den Zwischenspeicher verlassen hat. Damit ist die vom Streitpatent angestrebte Möglichkeit, die Durchlaufgeschwindigkeit unabhängig von der zur partiellen Kühlung erforderlichen Ablagedauer einzustellen, zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig aufgehoben.

e) Eine Kammer im Sinne von Merkmal 1.6 ist ein Raum, der mindestens so groß ist, dass er denjenigen Teil des Halbzeugs aufnehmen kann, der auf Austenitisierungstemperatur gehalten wird.

Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit Merkmal 1.8, dem zufolge der Teilbereich, der abgekühlt wird, aus der Kammer des Zwischenspeichers vorragt.

f) Wie die Kammer im Einzelnen ausgestaltet ist, lässt Patentanspruch 1 offen.

Nach der Beschreibung kann der Zwischenspeicher (7) zum Beispiel so ausgestaltet sein, dass in der Ofenkammer eines Pufferofens (8) mehrere Einlagebereiche eingerichtet sind, die mehrere Halbzeugteile (1) übereinander aufnehmen können (Abs. 55).

Daraus ergibt sich, dass die Kammer auch Teil einer Ofenkammer sein kann. Aus den bereits aufgezeigten Gründen genügt es, wenn eine solche Kammer ein einziges Halbzeugteil aufnehmen kann.

g) Merkmal 1.6 legt auch nicht näher fest, auf welche Weise das Halbzeug in die Kammer des Zwischenspeichers eingelegt wird.

Nach der Beschreibung ist es vorteilhaft, einen Handlings-Apparat einzusetzen, der die Halbzeugteile am Abgabeende des Durchlaufofens aufnimmt und im Zwischenspeicher ablegt (Abs. 33). Diese Anforderung hat in Patentanspruch 1 aber keinen Niederschlag gefunden.

Unabhängig davon lässt die Beschreibung offen, wie ein Handlings-Apparat im Einzelnen ausgestaltet sein soll.

Vor diesem Hintergrund reicht es für ein Einlegen im Sinne von Merkmal 1.6 aus, das Halbzeugteil nach der Erwärmung im Durchlaufofen in irgendeiner Weise in den Zwischenspeicher zu befördern. Da letzterer aus einem Teil des Durchlaufofens bestehen kann, kommen hierfür dieselben Mittel in Betracht, die auch den Transport während der Erwärmung bewirken.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu. Das deutsche Patent 102 08 216 (K5) offenbare weder den Einsatz eines Zwischenspeichers noch den eines Durchlaufofens. Das europäische Patent 2 110 448 (K8) offenbare zwar, dass ein Werkstück in einem Durchlaufofen zunächst auf Austenitisierungstemperatur gebracht und dann teilweise aus dem Ofen heraus verfahren werde. Die Entgegenhaltung zeige aber nicht das Einlegen eines Werkstücks in die Kammer eines Zwischenspeichers. Alle übrigen Entgegenhaltungen lägen weiter ab.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Aus K5 ergebe sich keine Anregung, den dort offenbarten stationären Ofen durch einen Durchlaufofen zu ersetzen und einen Zwischenspeicher mit einer Kammer vorzusehen. Auch eine Kombination der K5 mit der K8 habe den Fachmann, einen Hochschulabsolventen der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Umformung von Bauteilen aus Stahlblech sowie mit Kenntnis des Verfahrens des Presshärtens und der dafür bestimmten Vorrichtungen, nicht zum Einsatz eines Zwischenspeichers angeregt. Ausgehend von K8 habe ebenfalls kein Anlass bestanden, den dort vorgesehenen Durchlaufofen mit einem Zwischenspeicher zu versehen.

III. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts legt K8 den Gegenstand von Patentanspruch 1 jedenfalls nahe.

1. K8 zeigt ein Verfahren zum Erwärmen eines Werkstücks in einem Durchlaufofen und zur anschließenden Formung und Härtung.

a) K8 führt aus, insbesondere in der Automobilindustrie würden Bauteile benötigt, die in einem Bereich eine hohe Festigkeit aufwiesen, in einem anderen Bereich hingegen eine höhere Duktilität (Abs. 2). Bekannte Verfahren seien für einen Massenbetrieb mit einer Taktzeit von etwa 15 Sekunden und den im Kraftfahrzeugbau bestehenden Anforderungen an die Prozesssicherheit nicht geeignet, da sie den vorgeschriebenen Härteverlauf nicht dauerhaft sicherstellen könnten (Abs. 7).

Zur Verbesserung schlägt K8 vor, ein Werkstück zunächst in einem Durchlaufofen zu erwärmen und danach so anzuordnen, dass sich ein Teilbereich noch innerhalb des Ofens und ein anderer Teilbereich außerhalb davon befindet. Hierdurch wird erreicht, dass ein Teilbereich auf eine Temperatur erwärmt wird, die der Härtetemperatur des Werkstücks entspricht, während der andere Teilbereich eine geringere Temperatur aufweist (Abs. 10 und 17).

b) Ein erstes Ausführungsbeispiel ist unter anderem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt.

Ein Werkstück wird in einem Durchlaufofen (10) auf eine Temperatur erwärmt, die unterhalb der Härtetemperatur des Werkstoffs liegt (Abs. 34 f.). Wenn das Werkstück den Ofen (10) durchlaufen hat, gibt eine Abdeckung (13) die Ausgangsöffnung frei, so dass ein Teilbereich des Werkstücks aus dem Ofen heraus bewegt werden kann. Sobald sich dieser Teilbereich (22) außerhalb des Ofens befindet, wird die Bewegung der Transporteinrichtung (30) für einen bestimmten Zeitraum unterbrochen (Abs. 36). In diesem Zeitraum wird der Teilbereich (21) auf eine Temperatur erwärmt, die wenigstens der Härtetemperatur des Werkstoffs entspricht (Abs. 37). Der Teilbereich (22) kühlt sich je nach den Umgebungsbedingungen etwas ab. Im Teilbereich (21) wird dagegen durch die längere Aufheizung eine Temperatur eingestellt, die eine vollständige Gefügeveränderung und damit eine Austenitisierung bewirkt. Beim nachfolgenden Abschrecken stellen sich in diesem Bereich somit höhere Festigkeiten ein (Abs. 38).

c) In einem weiteren Ausführungsbeispiel wird das gesamte Werkstück im Ofen auf eine Temperatur erwärmt, die der Härtetemperatur des jeweiligen Werkstoffs entspricht. Sobald sich der Teilbereich (22) außerhalb des Ofens befindet, kühlt er auf eine Temperatur unterhalb der Härtetemperatur ab, während der Teilbereich (21) innerhalb des Ofens weiter auf Härtetemperatur gehalten wird (Abs. 40, Abs. 23).

d) Werden mehrere Werkstücke gleichzeitig durch einen Durchlaufofen bewegt, kann die Bewegung einzelner Werkstücke temporär unterbrochen werden, um den Ausstoß des Ofens an die Kapazität nachgeschalteter Stationen anzupassen (Abs. 45).

Ein diesbezügliches Ausführungsbeispiel ist unter anderem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 10 dargestellt.

Für jedes Werkstück kann eine separate Transporteinrichtung vorgesehen sein, die einzeln ansteuerbar ist (Abs. 48).

Bei einer gemeinsamen Transporteinrichtung, wie sie in Figur 10 dargestellt ist, können ein oder mehrere Werkstücke (20', 20'') jeweils einzeln durch

- 17 Stößel (40, 41) angehoben werden, so dass sie keinen Kontakt mehr zur Transporteinrichtung (30) haben (Abs. 48). Hierbei sind unterschiedliche Ausgestaltungen möglich. So können etwa zwei Werkstücke weiterbewegt werden, während nur ein Werkstück entkoppelt ist (Abs. 49). 68 e) Die Figur 14 der K8 zeigt ferner, dass mehrere Werkstücke nicht nur in der in Figur 10 dargestellten Art und Weise nacheinander durch einen Durchlaufofen bewegt werden können, sondern auch auf mehreren nebeneinander liegenden Linien einer Fördereinrichtung.

Hierbei werden drei Werkstücke (20, 20', 20") auf einen Rollenförderer aufgebracht und damit durch den erwärmenden Ofen bewegt. Wenn ein Werkstück eine Position über zwei zwischen den Rollen angebrachten Stößeln (40, 41, 42, 43, 44, 45) erreicht hat, kann es mittels der beiden Stößel angehoben werden, so dass die Bewegung in Richtung Ausgangsklappe des Ofens unterbrochen wird. In diesem Zustand befindet sich in der Figur 14 das Werkstück 20". Werkstücke, die nicht angehoben sind, werden auf den Rollen weitertransportiert, bis sie den Ofenausgang erreicht haben. Mittels eines Absenkens der Stößel kann ein zuvor angehobenes Werkstück wieder auf den Rollen abgesetzt werden, so dass es der Bewegung der Rollen entsprechend weiterbefördert wird (Abs. 54).

2. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, sind damit die Merkmale 1.1 bis 1.5 und ein Abkühlprozess im Sinne der Merkmale 1.7 bis 1.10 offenbart.

3. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts liegt es jedenfalls nahe, den in der Nähe der Abdeckung (13) gelegenen Bereich des Ofens (10) im Sinne eines Zwischenspeicher nach den Merkmalen 1.6 bis 1.10 auszubilden.

a) Wie bereits oben dargelegt wurde, erfordert Merkmal 1.6 nicht, dass der Zwischenspeicher als vom Durchlaufofen getrenntes Bauteil oder als Erweiterung desselben ausgestaltet ist. Deshalb kann auch der in der Nähe der Abdeckung (13) gelegene Bereich des Ofens (10) als Zwischenspeicher fungieren.

b) Bei den Ausführungsbeispielen in den Figuren der K8 fehlt es allerdings an der nach Merkmal 1.6 erforderlichen Entkopplung.

Mittels der in den Figuren 10 und 14 dargestellten Stößel können zwar einzelne Werkstücke von der Transportvorrichtung abgekoppelt werden. K8 zeigt die Möglichkeit einer solchen Entkopplung aber nur für Werkstücke, die sich vollständig innerhalb des Ofens befinden, nicht hingegen für Werkstücke, die den Ofen bereits teilweise verlassen haben.

c) Aus den Ausführungen in der Beschreibung, wonach anstelle der Kombination aus Rollenförderer und Stößeln auch separate, gesondert steuerbare Transporteinrichtungen für jedes Werkstück eingesetzt werden können, ergibt sich jedoch jedenfalls die Anregung für eine Entkopplung im Sinne von Merkmal 1.6.

Bei dem in Figur 14 dargestellten Ausführungsbeispiel führt der Einsatz von drei gesonderten Transporteinrichtungen für die Werkstücke 20, 20' und 20'' dazu, dass ein Werkstück, das den Ofen teilweise verlassen hat, in dieser Position verbleiben kann, die anderen beiden Werkstücke hingegen weiterhin durch den Ofen transportiert werden können. Bei dieser Ausgestaltung ist der Bereich, in dem das am Ausgang liegende Werkstück vor dem vollständigen Verlassen des Ofens zum Abkühlen des vorderen Bereichs gelagert wird, ein Zwischenspeicher im Sinne des Streitpatents.

Da diese Möglichkeit für alle drei Werkstücke besteht, handelt es sich sogar um einen Zwischenspeicher mit mehreren Einlegeplätzen, wie dies Patentanspruch 2 vorsieht.

IV. Hinsichtlich der Hilfsanträge ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

1. Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist durch K8 ebenfalls nahegelegt.

a) Nach Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass durch das Lagern im Zwischenspeicher eine entsprechende zeitliche Abstimmung möglich ist, so dass der kontinuierliche Betrieb des Durchlaufofens und der taktweise Betrieb des Härtewerkzeuges leicht aneinander angepasst werden können.

b) Eine solche Abstimmung ist - wie ausgeführt - auch durch den in K8 vorgeschlagenen Einsatz separater Transportmittel für die einzelnen Werkstücke möglich.

2. Für Hilfsantrag 2 gilt Entsprechendes.

a) Nach Hilfsantrag 2 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass das Halbzeug mittels eines Handlings-Apparats in den Zwischenspeicher eingelegt wird.

b) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist diese Ausgestaltung durch K8 ebenfalls nahegelegt.

Wie oben dargelegt wurde, lässt das Streitpatent offen, wie ein HandlingsApparat im Einzelnen ausgestaltet ist. Angesichts dessen bilden die in K8 vorgeschlagenen separaten Transportmittel für die einzelnen Werkstücke ebenfalls einen solchen Apparat.

3. Der mit Hilfsantrag 3 verteidigte Gegenstand, der eine Kombination der zusätzlichen Merkmale aus den Hilfsanträgen 1 und 2 vorsieht, unterliegt keiner abweichenden Beurteilung.

4. Der mit Hilfsantrag 4 verteidigte Gegenstand ist in K8 ebenfalls offenbart.

a) Nach Hilfsantrag 4 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass die Ablage des Halbzeuges (1) in dem Zwischenspeicher (7) nicht die Durchlaufgeschwindigkeit der Teile durch den Durchlaufofen beeinflusst.

b) Diese Funktion wird durch die nach K8 naheliegende Entkoppelung ebenfalls verwirklicht.

5. Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand, der eine Kombination der zusätzlichen Merkmale aus den Hilfsanträgen 2 und 4 vorsieht, unterliegt keiner abweichenden Beurteilung.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.

Bacher Hoffmann Deichfuß Rensen von Pückler Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.10.2022 - 7 Ni 15/20 (EP) -

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