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12 W (pat) 34/11

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 34/11 Verkündet am 18. Juni 2013

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2008 014 681.1-13 …

hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Schlenk und Dr.-Ing. Krüger beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154 05.11 Gründe I

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 18. März 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung 10 2008 014 681.1-13 mit der Bezeichnung:

„Verfahren zum Entgegenwirken eines Abfalls des Ladedrucks und ein Turbolader mit einer Steuerungseinrichtung zum Durchführen des Verfahrens“.

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 hat die Prüfungsstelle für Klasse F02B des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung zurückgewiesen und dabei zur Begründung angegeben, die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 12 beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 27. Januar 2010 eingelegte Beschwerde der Anmelderin.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F02B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2009 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 15, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2013,

Beschreibung Seiten 1, 2, 2a gemäß Hilfsantrag 1 vom 10. Mai 2013, eingereicht mit Schriftsatz vom 17. Mai 2013,

Beschreibungsseiten 3 bis 14 gemäß den ursprünglich eingereichten Unterlagen und Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) gemäß den ursprünglich eingereichten Unterlagen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

Verfahren zur Verhinderung eines Abfallens des Ladedrucks bei einem Turbolader (10) mit den Schritten: a) Bestimmen, ob im Betrieb ein Pumpen des Verdichters bevorsteht, b) Wird festgestellt, dass ein Pumpen bevorsteht: c) Bestimmen eines dem Verdichter zuzuführenden Luftmassenstroms, der ausreichend ist um einen Vordrall vor dem Verdichter zu erzeugen, um ein Pumpen des Verdichters im Wesentlichen zu verhindern, und d) Bestimmen des sich ergebenden Abfalls des Ladedrucks beim Zuführen des Luftmassenstroms und Bestimmen eines Werts basierend auf dem Ladedruckabfall, um den die Leistung der Turbine erhöht werden muss, um den Ladedruckabfall im Wesentlichen zu verhindern und e) Zuführen des Luftmassenstroms und Einstellen der Turbinenleistung auf Basis dieses Werts.

Der geltende nebengeordnete Anspruch 12 lautet:

Turbolader, welcher aufweist: - eine Ventilanordnung (35) über welche ein Luftmassenstrom einem Verdichter zuführbar ist, - eine Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts der Turbine

(22, 24), und

- eine Steuerungseinrichtung (28), welche die Ventilanordnung und die Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 ansteuert.

Die Ansprüche 2 bis 11 und 13 bis 15 sind unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 bzw. 12 rückbezogen.

Im Verfahren sind als Stand der Technik unter anderem die folgenden Druckschriften:

D2) DE 102 23 876 A1 D6) DE 30 02 701 A1 Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II

1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da sich die Gegenstände der selbstständigen Ansprüche 1 und 12 als nicht patentfähig erweisen (§§ 1, 4 PatG).

2) Die geltenden selbstständigen Ansprüche 1 und 12 lassen sich wie folgt gliedern:

M1) Verfahren zur Verhinderung eines Abfallens des Ladedrucks bei einem Turbolader (10) mit den Schritten:

M1a) Bestimmen, ob im Betrieb ein Pumpen des Verdichters bevorsteht, M1b) Wird festgestellt, dass ein Pumpen bevorsteht: M1c) Bestimmen eines dem Verdichter zuzuführenden Luftmassenstroms,

der ausreichend ist um einen Vordrall vor dem Verdichter zu erzeugen,

um ein Pumpen des Verdichters im Wesentlichen zu verhindern, und M1dA)

Bestimmen des sich ergebenden Abfalls des Ladedrucks beim Zuführen des Luftmassenstroms und M1dB)

Bestimmen eines Werts basierend auf dem Ladedruckabfall,

um den die Leistung der Turbine erhöht werden muss,

um den Ladedruckabfall im Wesentlichen zu verhindern und M1e) Zuführen des Luftmassenstroms und Einstellen der Turbinenleistung auf Basis dieses Werts.

M12) Turbolader, welcher aufweist:

M12a)

eine Ventilanordnung (35)

über welche ein Luftmassenstrom einem Verdichter zuführbar ist,

M12b)

eine Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts der Turbine (22, 24), und M12c)

eine Steuerungseinrichtung (28), welche die Ventilanordnung und die Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 ansteuert.

3) Als Fachmann zuständig ist ein Maschinenbauingenieur der Fachrichtung Brennkraftmaschinen mit Erfahrung im Bereich der Entwicklung von Abgasturboladern einschließlich ihrer Regelung.

4) Nach dem Verständnis dieses maßgeblichen Fachmanns geht es bei der vorliegenden Erfindung um eine Maßnahme, mit der ein Pumpen des Verdichters eines Turboladers verhindert werden kann und gleichzeitig ein infolge des Eingriffs zur Pumpverhinderung potentiell auftretender Ladedruckabfall ebenfalls verhindert werden kann.

Die Anmeldung betrachtet dabei insbesondere einen als Abgasturbolader an einer Brennkraftmaschine eingesetzten Turbolader, vergl. Abs. 0002 und auch 0021 der Offenlegungsschrift (OS).

Das Verfahren zur Verhinderung eines Abfallens des Ladedrucks bei einem Turbolader gemäß dem Anspruch 1 (Merkmal M1) weist folgende Schritte auf:

Gemäß dem Merkmal M1a soll bestimmt werden, ob im Betrieb ein Pumpen des Verdichters bevorsteht. Der Begriff „Pumpen“ ist dem Fachmann geläufig, er bezeichnet einen Vorgang, bei dem es bei kleinen Luftmassenströmen und hohem Druckverhältnis am Verdichter (Druck am Verdichterausgang zu Druck am Verdichtereingang) zunächst zu einem Strömungsabriss und einem Rückströmen von Luft durch den Verdichter kommt. Aus dem Rückströmen resultiert ein Druckabfall am Verdichterausgang. Infolgedessen setzt die Förderung wieder ein, der Druck am Verdichterausgang steigt wieder, im Ergebnis kommt es zu einem zyklischen Fördern und Rückströmen mit entsprechenden Druckschwankungen und der Gefahr einer Zerstörung des Verdichters. Dazu siehe auch Abs. 0022 und 0023 OS.

Der Anspruch 1 enthält keine Aussage darüber, wie bestimmt werden soll, ob ein Pumpen des Verdichters bevorsteht. Für den Fachmann, dem die Pumpgrenze des Verdichters im Verdichterkennfeld (Druckverhältnis am Verdichter über Luftmassenstrom) bekannt ist, die das Kennfeld in einen instabilen und einen stabilen Bereich trennt, ist dazu Abs. 0045 bis 0048 OS entnehmbar, anhand von Druckund Luftmassenstrommesswerten den Betriebspunkt des Verdichters in seinem Kennfeld zu bestimmen, oder auch den am Verdichterausgang gemessenen Druck auf auftretende Druckschwankungen hin auszuwerten.

Wird festgestellt, dass ein Pumpen bevorsteht, (Merkmal M1b) so soll gemäß Merkmal M1c ein dem Verdichter zuzuführender Luftmassenstrom bestimmt werden, der ausreichend ist um einen Vordrall vor dem Verdichter zu erzeugen, um ein Pumpen des Verdichters im Wesentlichen zu verhindern. Der Anspruch 1 sagt nichts ausdrücklich darüber, woher dieser Luftmassenstrom genommen werden soll, aus dem Merkmal M1dA ergibt sich jedoch, dass im Zusammenhang mit dieser Maßnahme ein Ladedruckabfall zu erwarten sein soll. Der Ladedruck ist der Druck am Verdichterausgang, über den der vom Verdichter der Brennkraftmaschine zuzuführende Luftmassenstrom auf den gewünschten Wert eingestellt wird. Der sich ergebende Abfall des Ladedrucks gemäß Merkmal M1dA kommt nach dem Verständnis des Fachmanns dadurch zustande, dass der dem Verdichter gemäß Merkmal M1b eingangsseitig zuzuführende Luftmassenstrom auf der Verdichterausgangsseite abgezapft, also rezirkuliert werden soll. Dazu siehe auch Fig. 1 und Abs. 0003, 0025 OS.

Um den im Merkmal M1c geforderten Vordrall zu erzeugen, muss die Zapfluft möglichst tangential und möglichst kurz vor dem Verdichterrad zugeführt werden, vergl. auch Fig. 2, 3 und Abs. 0052, 0053 OS. Zum Einen unterstützt dabei der Vordrall selbst einen Eintritt der Luft in das rotierende Verdichterrad ohne Strömungsabriss. Zum Anderen bewirkt nach dem Verständnis des Fachmanns das Abzapfen von Luft auf der Verdichterausgangsseite, dass, eine gleichbleibende Einstellung der Turbinenleistung vorausgesetzt, der Druck auf der Verdichterausgangsseite, d. h. der Ladedruck, fällt. Mit diesem Abfall des Ladedruckes fällt allerdings auch der der Brennkraftmaschine zugeführte Luftmassenstrom. Wird, um dies zu verhindern, die Turbinenleistung soweit erhöht, dass der Ladedruck konstant bleibt, so wird nun zusätzlich zu dem unveränderten, der Brennkraftmaschine zugeführten Luftmassenstrom noch der Zapfluftstrom von dem Verdichter „im Kreis“ gefördert, d. h. der vom Verdichter geförderte Luftmassenstrom steigt. Unabhängig davon, ob die Einstellung der Turbinenleistung unverändert bleibt oder angepasst wird, führt die jeweilige Reaktion, nämlich der Abfall des Drucks auf der Verdichterausgangsseite bzw. die Erhöhung des vom Verdichter geförderten Luftmassenstroms, zu einer Verschiebung des Verdichterbetriebspunkts in Richtung des stabilen Kennfeldbereichs. So trägt das Abzapfen und Rezirkulieren von Luft von der Verdichterausgangsseite zur Verdichtereingangsseite unabhängig von der Vordrallerzeugung zu einer Verhinderung des Pumpens bei.

Gemäß der ersten Hälfte des Merkmals M1d (M1dA) soll der sich ergebende Abfall des Ladedrucks bestimmt werden. Dies allein könnte so verstanden werden, dass abgewartet werden soll, bis ein Ladedruckabfall auftritt, und erst dann reagiert werden soll. Gemäß der zweiten Hälfte des Merkmals M1d (M1dB) soll jedoch ein Wert bestimmt werden, um den die Leistung der Turbine erhöht werden muss, um den Ladedruckabfall im Wesentlichen zu verhindern. Daraus, dass im Ergebnis der Ladedruckabfall verhindert werden soll, ergibt sich, dass anspruchsgemäß nicht ein Ladedruckabfall abgewartet und danach regelnd darauf reagiert werden soll, sondern dass zugleich mit dem im Merkmal M1c verlangten Zuführen des Luftmassenstroms, d. h. der Zapfluftentnahme, die Regelung der Turbinenleistung präventiv, also vorausschauend angepasst werden soll.

Weiterhin soll nach dem Wortlaut der ersten Hälfte des Merkmals M1d (M1dA) „der sich ergebende Abfall des Ladedrucks“ bestimmt werden, d. h., derjenige Abfall des Ladedrucks, der sich ergeben würde, wenn die weiteren anspruchsgemäßen Maßnahmen nicht durchgeführt werden würden, und dann gemäß der zweiten Hälfte des Merkmals M1d (M1dB) basierend auf diesem Wert die zur Verhinderung dieses Ladedruckabfalls erforderliche Erhöhung der Turbinenleistung ermittelt werden. Eine Auslegung allein des Wortlauts des Merkmals M1d könnte also zu dem Ergebnis führen, dass bei einem Verfahren gemäß dem Anspruch 1 stets zunächst der fragliche fiktive Abfall des Ladedrucks quantitativ als Zahlenwert bestimmt werden müsste. Aus der Beschreibung geht jedoch hervor, dass erfindungsgemäß auch andere Wege möglich sind, denjenigen Wert zu bestimmen, um den zwecks Verhinderung des Ladedruckabfalls die Leistung der Turbine erhöht werden muss. So kann beispielsweise der präventive Eingriff in die Turbinenansteuerung aus der Menge der abgeblasenen Zapfluft und anderen Größen berechnet werden, siehe Abs. 0038 OS, ohne dass dabei ein fiktiver Ladedruckabfall explizit bestimmt wird. Insgesamt entnimmt der Fachmann den Merkmalen M1dA und M1dB im Zusammenhang mit der Beschreibung, dass es auf das Ergebnis ankommt, nämlich auf die Bestimmung des Wertes, um den die Turbinenleistung erhöht werden muss, um den Ladedruckabfall zu verhindern, nicht dagegen auf den Zwischenschritt der Bestimmung des fiktiven Ladedruckabfalls.

Gemäß dem Merkmal M1e, „Zuführen des Luftmassenstroms und Einstellen der Turbinenleistung auf Basis dieses Werts“, wird die Maßnahme nun schließlich auch umgesetzt, d. h. zugleich mit dem verdichterausgangsseitigen Abzapfen und verdichtereingangsseitigen Zuführen der abgezapften Luft wird die Turbine so angesteuert, dass sie die für die Luftrezirkulation erforderliche Mehrleistung zum Antrieb des Verdichters aufbringen kann, so dass weiterhin der geforderte Ladedruck und damit der der Brennkraftmaschine zuzuführende Luftmassenstrom aufgebracht werden kann. Geeignete Eingriffsmöglichkeiten zur Ansteuerung der Turbine sind dem Fachmann geläufig, beispielsweise kann zur Erhöhung der Turbinenleistung ein teils geöffnetes Wastegate etwas weiter geschlossen werden, vergl. auch Fig. 1 OS, Wastegate 24 mit Ansteuerung 26, oder es können die Leitschaufeln eines VTGStellers (VTG: variable Turbinengeometrie) verstellt werden, vergl. auch Abs. 0036 OS.

Der Anspruch 12 ist auf einen Turbolader gerichtet (Merkmal M12).

Dieser weist gemäß dem Merkmal M12a eine Ventilanordnung auf, über welche ein Luftmassenstrom einem Verdichter zuführbar ist. Unter diese Formulierung fällt jedenfalls das in der Anmeldung beschriebene Zapfluftventil 35, siehe Fig. 1 und Abs. 0025 der OS.

Die vom Merkmal M12b geforderte Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts der Turbine kann beispielsweise ein Wastegate oder ein VTGSteller sein, vergl. auch Fig. 1 und Abs. 0036 OS.

Die Steuerungseinrichtung gemäß Merkmal M12c kann ein Turbolader-Steuergerät sein oder beispielsweise auch ein Teil eines Steuergerätes, das Brennkraftmaschine und Turbolader steuert. Diese Steuerungseinrichtung soll die Ventilanordnung und die Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 ansteuern, muss also dazu hergerichtet sein.

5) Die geltenden Ansprüche 1 und 12 sind zulässig (§ 38 PatG). Ihre Gegenstände ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 10.

6) Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 12 sind neu (§ 3 PatG). Keine der Entgegenhaltungen offenbart unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale des Verfahrens nach dem Anspruch 1. Damit ist auch der Turbolader nach dem Anspruch 12 neu.

7) Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 12 können jedoch nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gelten, da sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben (§ 4 PatG).

Für die Beurteilung der Frage, ob der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat, ist die ausdrückliche Offenbarung einer einen möglichen Ausgangspunkt für naheliegende Überlegungen des Fachmanns bildenden Schrift und dasjenige, was dieser dort als selbstverständlich mitliest, ebenso heranzuziehen, wie die Schlussfolgerungen, die ihm die unmittelbare Offenbarung aufdrängt oder die zu ziehen er jedenfalls vernünftigen Grund hat. Der Fachmann kann insoweit die Offenbarung durch sein Fachwissen ergänzen und in diesem Rahmen auch weiterführende Überlegungen anstellen (vergl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2012 – X ZR 121/10, Abs. 20).

Die D6 offenbart ein Aufladesystem für eine Brennkraftmaschine mit einem Turbolader und ein Verfahren zur Regelung desselben in einer an den geforderten Betriebszustand bzw. Lastzustand der Brennkraftmaschine angepassten Weise (D6, Seite 9, Abs. 1 und 2, sowie den Absatz im Übergang von Seite 10 auf 11). Dieser Lastzustand ist nach dem Verständnis des Fachmanns gekennzeichnet durch den der Brennkraftmaschine zugeführten bzw. zuzuführenden Luftmassenstrom. Der der Brennkraftmaschine zugeführte Luftmassenstrom stellt sich in Abhängigkeit von motorseitigen, vom Turbolader und seiner Steuerung nicht direkt beeinflussbaren Betriebsparametern wie z. B. der Motordrehzahl einerseits und weiter in Abhängigkeit von vom Turbolader und seiner Steuerung einzustellenden Ladeprozessparametern wie dem Ladedruck andererseits ein, vergl. auch Seite 18, zweiten und dritten Absatz, wonach zur Regelung des Turboladers wenigstens Sensoren für die Motordrehzahl und den Ladeluftdruck erforderlich sind.

Die D6 schlägt insbesondere vor, zu dieser Regelung des Turboladers mehrere verstellbare Mechanismen zugleich einzusetzen und nennt u. a. das Verstellen eines Turbinenleitapparates 33, d. h. eine variable Turbinengeometrie (VTG), und das Abblasen nach dem Verdichter mit einem Abblaseventil 27, siehe Seite 10, dritten Absatz sowie auch Figur 1 und Seite 13, zweiten Absatz.

Dazu wird in der D6 wiederholt betont, dass die verstellbaren Mechanismen gegenseitig genau aufeinander abgestimmt betätigt werden müssen, siehe u. a. Ansprüche 1, 20, Seite 11, Abs. 1 und Seite 17, Abs. 2. Dabei geht es einerseits darum, den Ladeprozess so zu steuern, dass er an die unterschiedlichen Lastzustände, d. h. die Anforderungen der Brennkraftmaschine optimal angepasst ist, siehe Seite 11, Abs. 1, andererseits aber auch darum, zugleich auch den Turbolader in einem für ihn selbst günstigen Kennfeldbereich zu betreiben, vergl.

den Absatz im Übergang von Seite 18 auf Seite 19, wonach ein längeres Betreiben des Turboladers in kritischen Drehzahlbereichen vermieden werden soll.

Die Forderung, dass die verstellbaren Mechanismen wie z. B. der VTG-Steller 33 und das Abblaseventil 27 gegenseitig genau aufeinander abgestimmt betätigt werden müssen, wird jedoch in der D6 nicht dahingehend konkretisiert, wie dies geschehen kann.

Eine Lehre, wie insbesondere ein VTG-Steller und ein Abblaseventil aufeinander abgestimmt betätigt werden können, entnimmt der Fachmann der D2:

Die D2 betrifft einen Verdichter für eine Brennkraftmaschine insbesondere in einem Fahrzeug, wobei der Verdichter insbesondere ein von einer Abgasturbine angetriebener Verdichter sein kann, also ein Abgasturbolader, siehe D2, Abs. 0001, 0002, und 0022. D2 behandelt das Problem, dass der Verdichter häufigen Drehzahlwechseln ausgesetzt ist, die er über eine möglichst lange Betriebsdauer verkraften muss, Abs. 0003. Die Ursache dieser häufigen Drehzahlschwankungen wird in D2 nicht erläutert, da sie dem Fachmann bekannt ist; sie liegt in den häufigen Schwankungen der der Brennkraftmaschine im Fahrbetrieb zuzuführenden Verbrennungsluft, d. h. des vom Verdichter zu fördernden Luftmassenstroms. Wird dabei wie in dem im Abs. 0003 angesprochenen Beispiel der Abgasturbolader nur turbinenseitig mittels variabler Turbinengeometrie geregelt, erfordert eine Erhöhung oder Absenkung des vom Verdichter zu fördernden Luftmassenstroms zwangsläufig eine entsprechende Erhöhung bzw. Absenkung der Verdichterdrehzahl.

Neben konstruktiven Verbesserungen am Verdichter, die diesen ertüchtigen sollen, Drehzahlwechsel besser zu verkraften, vergl. Abs. 0005 bis 0008, schlägt D2 auch vor, den Abgasturbolader so zu regeln, dass er mit nahezu konstanter Drehzahl betrieben werden kann, siehe Abs. 0010 ff.

Dabei wird von einem Abgasturbolader mit einer variablen Turbinengeometrie (8) ausgegangen, siehe Fig. 1 und Abs. 0019, 0020, die es erlaubt, die Leistung des Turboladers an die Anforderungen der Brennkraftmaschine anzupassen, Abs. 0020, 0022, was nach dem Verständnis des Fachmanns bedeutet, den Ladedruck anzupassen, mit dem die vom Verdichter des Abgasturboladers geförderte Luft den Zylindern der Brennkraftmaschine zugeführt wird, Abs. 0019, Zeilen 46 bis 52.

D2 schlägt vor, zusätzlich zu der variablen Turbinengeometrie (8) eine Vordralleinrichtung mit einem einstellbaren Ventil (31) vorzusehen, mit dem auf der Verdichterausgangsseite ein Luftmassenstrom dem Sammelraum (21) entnommen – d. h. vom Sammelraum aus gesehen abgeblasen – werden kann und dem Verdichter eingangsseitig so zugeführt werden kann, dass ein Vordrall vor dem Verdichter erzeugt wird, siehe das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 4 und Abs. 0029.

Im Absatz 0010 wird die Vordralleinrichtung allgemein erläutert. Danach erlaubt die Rückführung der bereits geförderten Luft vom Sammelraum auf der Verdichterabströmseite zum Einströmkanal des Verdichterrades mittels des einstellbaren Ventils eine Regelung der der Brennkraftmaschine zuzuführenden Verbrennungsluft, d. h. nach dem Verständnis des Fachmanns eine Regelung des Ladedrucks, bei etwa gleichbleibendem Drehzahlniveau des Verdichters, indem zugleich die variable Turbinengeometrie in eine entsprechende Position verstellt wird, siehe im Absatz 0010 in Spalte 2 insbesondere die Zeilen 42 bis 50, 52 bis 58 und 60 bis Zeile 1 in Spalte 3.

Entgegen der von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht, im Absatz 0010 der D2 gehe es nur um die Konstanthaltung der Verdichterdrehzahl, vom Ladedruck sei nicht die Rede, entnimmt der Fachmann diesem Absatz im Zusammenhang mit der in der Beschreibungseinleitung, Abs. 0002, 0003, genannten Problemstellung nicht die Lehre, die Verdichterdrehzahl möglichst konstant zu halten und dabei den Ladedruck nicht zu beachten, sondern eine Möglichkeit, mit der die Regelung der der Brennkraftmaschine zuzuführenden Verbrennungsluft (Abs. 0010 Zeilen 56 ff.) und somit die Regelung des Ladedrucks dem häufig und stark schwankenden Bedarf der Brennkraftmaschine angepasst werden kann, ohne dass dazu entsprechend starke Schwankungen der Verdichterdrehzahl erforderlich werden.

Im Absatz 0010 werden in Form kurzer Randbemerkungen auch Alternativen erwähnt, so die Möglichkeit, zur Erzeugung des Vordralls anstelle von aus dem Verdichtersammelraum abgezapfter Luft gegebenenfalls auch Abgas zu verwenden (Abs. 0010, Zeilen 50 bis 52), oder zur Konstanthaltung der Verdichterdrehzahl anstelle einer variablen Turbinengeometrie einen Zusatzantrieb vorzusehen (Abs. 0010, Zeilen 58 bis 60). Entgegen der von der Anmelderin vertretenen Auffassung führen diese angedeuteten Alternativen den Fachmann jedoch nicht davon weg, das auszuführen, was als Ausführungsbeispiel ausführlich beschrieben und zeichnerisch dargestellt ist, nämlich einen Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (8) und einstellbarem Ventil (31) zur Entnahme von Luft aus dem Verdichtersammelraum, und Zuführung derselben vor dem Verdichtereintritt (Rezirkulation) unter Erzeugung eines Vordralls, siehe Abs. 0019 bis 0022 und 0029 sowie Fig. 1 und 4.

Insgesamt entnimmt der Fachmann diesem Ausführungsbeispiel, dass Drehzahlschwankungen des Verdichters dadurch vermieden werden sollen, dass in Betriebspunkten der Brennkraftmaschine, die die Förderung eines geringen Luftmassenstroms verlangen – was eigentlich eine niedrige Verdichterdrehzahl bedeuten würde – durch die Rezirkulation von Luft am Verdichter mittels der Vordralleinrichtung der vom Verdichter zur Brennkraftmaschine zu fördernde Luftmassenstrom um den rezirkulierten Luftmassenstrom erhöht wird und somit auch die Verdichterdrehzahl höher ausfällt. Durch die Erhöhung des vom Verdichter insgesamt zu fördernden Luftmassenstroms wird zugleich aber auch dessen Betriebspunkt in Richtung seines stabilen – nicht pumpgefährdeten – Kennfeldbereichs verschoben. Dies geschieht zwangs- läufig, ob gewollt oder nicht, D2 erwähnt aber auch die Möglichkeit, siehe Abs. 0029, insb. Zeilen 24 bis 27, die offenbarte Rezirkulation bewusst zur Verhinderung von Pumpen einzusetzen: „Über die Vordralleinrichtung … ist es möglich, die Pumpgrenze zugunsten kleinerer Massendurchsätze zu verschieben“. Dieses „Verschieben“ bedeutet nach dem Verständnis des Fachmanns, dass in Betriebspunkten der Brennkraftmaschine, die die Förderung eines so geringen Luftmassenstroms verlangen, dass der zugehörige Betriebspunkt des Verdichters im Verdichterkennfeld auf der instabilen Seite der Pumpgrenze liegen würde, - einerseits durch den Vordrall ein Eintritt der Luft in das Verdichterrad ohne Strömungsabriss begünstigt wird, also die Pumpgrenze verschoben wird, - andererseits aber auch durch die von der Vordralleinrichtung durchgeführte Rezirkulation der vom Verdichter zu fördernden Luftmassenstrom soweit erhöht wird, dass der tatsächliche Betriebspunkt des Verdichters im Verdichterkennfeld in den Bereich auf der stabilen Seite der Pumpgrenze hinein verschoben wird.

Ein Fachmann, der gemäß dieser Lehre des Absatzes 0029 der D2 die in D2 vorgesehene Vordralleinrichtung dazu einsetzt, an einem Verdichter eines Abgasturboladers „die Pumpgrenze zugunsten kleinerer Massendurchsätze zu verschieben“, muss dazu bestimmen, wo die Pumpgrenze des Verdichters in dessen Kennfeld liegt, und ob der jeweilige Betriebspunkt des Verdichters ohne Einsatz der Vordralleinrichtung auf der instabilen Seite der Pumpgrenze liegen würde. Er hat somit die Schritte M1a und M1b des Verfahrens nach dem Anspruch 1 ausgeführt, nämlich bestimmt und festgestellt, ob und dass ein Pumpen des Verdichters bevorsteht.

Indem er gemäß der Lehre des Absatzes 0029 der D2 mithilfe des einstellbaren Ventils 31 der Vordralleinrichtung so viel Luft rezirkuliert, dass kein Pumpen eintritt, hat er auch den Schritt M1c des Verfahrens nach dem Anspruch 1 ausgeführt, nämlich einen dem Verdichter zuzuführenden Luftmassenstrom bestimmt, der ausreichend ist um einen Vordrall vor dem Verdichter zu erzeugen, um ein Pumpen des Verdichters im Wesentlichen zu verhindern.

Gemäß der D2 ist bei diesem Ausführungsbeispiel zusätzlich zu dem einstellbaren Ventil 31 der Vordralleinrichtung (Fig. 4, 5, Abs. 0029) eine variable Turbinengeometrie 8 vorgesehen (Fig. 1, Abs. 0020). Beide Stellglieder sind gemäß Abs. 0022 in Abhängigkeit von den Zustands- und Betriebsgrößen der Brennkraftmaschine einzustellen, um die der Brennkraftmaschine zuzuführende Verbrennungsluft zu regeln (Abs. 0010, Zeilen 56, 57). Die der Brennkraftmaschine zuzuführende Verbrennungsluft zu regeln bedeutet nach dem Verständnis des Fachmanns, den Ladedruck zu regeln.

Der Fachmann stellt somit das Ventil 31, mit dem Luft aus dem Sammelraum des Verdichters abgeblasen und eingangsseitig wieder zugeführt wird, und auch die variable Turbinengeometrie 8 – entsprechend der Lehre der D6, vergleiche dort das Abblaseventil 27 und den verstellbaren Turbinenleitapparat 33, gegenseitig genau aufeinander abgestimmt – so ein, dass der erforderliche Ladedruck erreicht wird. Damit hat er zugleich das gemacht, was Merkmal M1d (M1dA und M1dB) vorsieht, nämlich den Wert bestimmt, um den zugleich mit der Öffnung des Ventils 31 die variable Turbinengeometrie 8 verstellt werden muss, d. h. die Leistung der Turbine erhöht werden muss, um einen Ladedruckabfall unter den erforderlichen Wert zu verhindern. Er hat weiter auch bereits entsprechend Merkmal M1e den vom Ventil 31 abgeblasenen Luftmassenstrom dem Verdichter zugeführt und die Turbinenleistung entsprechend eingestellt und somit insgesamt auch ein Verfahren zur Verhinderung eines Abfallens des Ladedrucks bei einem Turbolader entsprechend dem Merkmal M1, also ein Verfahren entsprechend sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 ohne erfinderisches Zutun ausgeführt.

Die D2 offenbart auch einen Turbolader (2) entsprechend dem Merkmal M12 des Anspruchs 12 mit einer Ventilanordnung (31), über welche ein Luftmassenstrom einem Verdichter zuführbar ist, entsprechend dem Merkmal M12a, und mit einer Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts der Turbine (8) entsprechend dem Merkmal M12b. Indem der Fachmann die gemäß D2 vorgesehene Regel- und Steuereinheit (13), siehe Fig. 1 und Abs. 0022, so herrichtet, dass es die Ventilanordnung (31) und die Einrichtung zum Verändern eines Strömungsquerschnitts (8) ansteuert wie oben zum Anspruch 1 angegeben, gelangt er auch zu einer Regeleinrichtung entsprechend dem Merkmal M12c und somit ohne erfinderisches Zutun zu einem Turbolader entsprechend sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 12.

8) Mit den selbstständigen Ansprüchen 1 und 12 fallen auch die rückbezogenen Ansprüche, da diese zusammen mit dem jeweiligen selbstständigen Anspruch Gegenstand desselben Antrags auf Erteilung des Patents sind und über einen Antrag auf Erteilung eines Patents nur als Ganzes entschieden werden kann.

Schneider Bayer Schlenk Krüger Me

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