Paragraphen in IV ZR 205/22
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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7 | 203 | VVG |
1 | 208 | VVG |
1 | 520 | ZPO |
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Häufigkeit | Paragraph | |
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7 | 203 | VVG |
1 | 208 | VVG |
1 | 520 | ZPO |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IV ZR 205/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 23. Oktober 2024 Heinekamp, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2024:231024UIVZR205.22.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt, Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Bommel im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 20. September 2024 für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 500 € festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und unterhält dort unter anderem den Tarif B
. Diesem liegen "Besondere Bedingungen für die Beitragsermäßigung im Alter für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeld- und Pflegetarife (Hauptversicherung)" zugrunde, in denen es heißt:
"1. Aufnahmefähigkeit Aufnahmefähig in B sind Personen, für die eine Krankheitskostenversicherung bei unserem Unternehmen besteht.
[…]
2. Leistung Vom 1. Januar des Jahres, in dem eine versicherte Person das 65. Lebensjahr vollendet, ermäßigt sich die monatliche Beitragszahlung um 10,- Euro oder ein Vielfaches davon.
[…]
4. Beitragsanpassung Wird auf Grundlage des § 8b Teil I der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt, so erfolgt auch eine Beitragsanpassung in B zum gleichen Termin.
7 Die Beitragsanpassung im B unterliegt genauso wie die Kostenversicherung der Zustimmungspflicht durch einen unabhängigen Treuhänder.
[…]
10. Kündigung des B Der B kann jederzeit ohne Einhaltung einer Frist zum Monatsende gekündigt werden. Der Versicherungsnehmer sollte zur Vermeidung von Anspruchsverlusten zuvor prüfen, ob eine Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung […] möglich ist." Die Beklagte teilte dem Kläger unter anderem Erhöhungen des Beitrags im Tarif B zum 1. Januar 2019 um 11,42 € und zum 1. Januar um 0,13 € jeweils mit Schreiben vom November des Vorjahres nebst Anlagen mit. Die Informationen zur Beitragsanpassung enthielten folgenden Abschnitt:
"Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen daher vor, dass die Rechnungsgrundlagen des Tarifs BE immer dann überprüft und ggf. mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst werden, wenn in der Privaten Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird (§ 8b Teil 1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen). Das ist zum 01.01.2019 [bzw. 01.01.2020] der Fall." Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten und weitere Beitragserhöhungen entfallenden Prämienanteile nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, herauszugeben und zu verzinsen hat. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind, er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen herabzusetzen ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil unter anderem dahingehend abgeändert, dass es die Beklagte zur Zahlung von 739,59 € nebst Zinsen verurteilt hat. Außerdem hat es die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen im Tarif B zum 1. Januar 2019 und 1. Januar 2020 und das Nichtbestehen einer Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages aus diesen Beitragserhöhungen - für die Erhöhung zum 1. Januar 2019 nur bis zum
1. Dezember 2019 - sowie eine Herabsetzung des monatlichen Gesamtbeitrags des Klägers um 0,13 € festgestellt. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 12. Februar 2021 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Klä- ger ab dem 1. Januar 2017 auf die Beitragserhöhungen gezahlt hat.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, dass die Neufestsetzungen des Beitrags im Tarif B zum 1. Januar 2019 (bis zum
1. Dezember 2019) und zum 1. Januar 2020 unwirksam sind und der Klä- ger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrags verpflichtet ist - für die Erhö- hung zum 1. Januar 2019 jeweils nur bis zum 1. Dezember 2019 - sowie der monatliche Gesamtbeitrag des Klägers um 0,13 € herabzusetzen und die Beklagte zur Herausgabe gezogener Nutzungen aus den aufgrund dieser Neufestsetzungen des Beitrags gezahlten Prämienanteilen verpflichtet ist, und die Beklagte über einen Betrag in Höhe von 599,43 € nebst Zinsen hinaus zur Zahlung an den Kläger verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe: 15 Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Beitragsanpassungen im Tarif B formell wirksam, aber materiell unwirksam sind. Auch Beitragsentlastungstarife unterfielen dem Anwendungsbereich des § 203 Abs. 2 VVG, wenn - wie hier - gesetzlich oder vertraglich das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sei. In Ziffer 4 der Besonderen Bedingungen liege eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung von den Anforderungen des § 203 Abs. 2 VVG, die deren Unwirksamkeit zur Folge habe. Als Grundlage für die Beitragsanpassungen komme daher nur § 203 VVG in Betracht, dessen materielle Voraussetzungen nicht gegeben seien. Formell seien die Erhöhungen dagegen wirksam, da die Begründungen der Prämienanpassungen dem Inhalt der Besonderen Bedingungen entsprächen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen stand.
1. Das Berufungsgericht ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Berufung des Klägers zulässig, insbesondere ausreichend begründet ist.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Februar 2024 - IV ZB 34/23, juris Rn. 11 m.w.N.).
Diese Anforderungen sind gewahrt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen an diesbezügliche Darlegungen des Berufungsklägers bestehen zwar nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2024 - IV ZB 34/23, juris Rn. 12; vom 29. November 2023 - IV ZB 17/23, juris Rn. 9; jeweils m.w.N.). Eine Bezugnahme auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag genügt den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung daher nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2023 aaO Rn. 10). Eine solche allgemeine Bezugnahme, durch die es dem Berufungsgericht überlassen bleibt, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen, liegt dagegen nicht vor, wenn der Berufungskläger ausdrücklich auf einen bestimmten Schriftsatz aus der ersten Instanz verweist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1997 - VIII ZR 280/96, juris Rn. 11).
b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers noch gerecht. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger nicht lediglich pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen verwiesen. Er hat vielmehr die mit der Berufung angegriffene Ansicht des Landgerichts, dass die Beitragserhöhungen im Beitragsentlastungstarif zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 nicht an die Anforderungen des § 203 Abs. 2 VVG gebunden und daher wirksam sind, zitiert und für seinen dagegen gerichteten Angriff konkret auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. Mai 2021 und die dort vorgetragene Rechtsansicht zur Prämienanpassung im Beitragsentlastungstarif Bezug genommen.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Prämienanpassungen für unwirksam gehalten, da sich diese weder auf eine wirksame Prämienanpassungsklausel stützen lassen noch die gesetzlichen Voraussetzungen einer Beitragserhöhung erfüllt sind. Wie der Senat mit Urteil vom 17. Januar 2024 (IV ZR 51/22, VersR 2024, 350 Rn. 9 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, richten sich die Anforderungen an die Prämienanpassung in einem Beitragsentlastungstarif nach § 203 Abs. 2 VVG, wenn - wie hier - das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen ist. Eine Klausel, die als Voraussetzung einer Prämienanpassung die Einführung einer neuen Sterbetafel in der privaten Pflegepflichtversicherung vorsieht, weicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 und 3 VVG ab und ist daher unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2024 aaO Rn. 20).
Zu Unrecht ist das Berufungsgericht dagegen davon ausgegangen, dass sich die inhaltlichen Anforderungen an die Begründung der Beitragserhöhung nach den in dieser Klausel aufgeführten Voraussetzungen einer Prämienanpassung richten; mangels wirksamer Prämienanpassungsklausel ist auch insoweit allein § 203 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 VVG maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2024 - IV ZR 51/22, VersR 2024, 350 Rn. 22). Für die Entscheidung ist es jedoch ohne Bedeutung, ob diese Begründungsanforderungen hier erfüllt sind.
3. Aufgrund der demnach festzustellenden Unwirksamkeit der Prämienanpassungen und der fehlenden Zahlungspflicht, deren teilweise zeitliche Beschränkung die Beklagte nicht beschwert, hat das Berufungsgericht dem Kläger zutreffend auch die im Urteilsbetrag enthaltene und mit der Revision allein angegriffene Summe von 140,16 € aus den darauf gezahlten Erhöhungsbeträgen ([11,42 € x 12 Monate] + [0,13 € x 24 Monate]) nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zugesprochen. Außerdem hat es zu Recht die Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen festgestellt, die die Beklagte aus den in nicht verjährter Zeit ab 1. Januar 2017 gezahlten Prämienanteilen bis zum Verzinsungsbeginn gezogen hat.
Prof. Dr. Karczewski Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Bommel Vorinstanzen: LG Bückeburg, Entscheidung vom 10.09.2021 - 2 O 232/20 OLG Celle, Entscheidung vom 25.05.2022 - 8 U 282/21 -
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