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21 W (pat) 37/12

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 37/12

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 100 26 969.9-54 …

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 16. Juli 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth BPatG 152 08.05 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juli 2012 aufgehoben und das Patent 100 26 969 erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zum Betrieb eines Navigationssystems für ein Fahrzeug Anmeldetag: 31. Mai 2000.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015, Beschreibung, Seiten 1, 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 12. November 2012, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 2, vom Anmeldetag.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe I

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 100 26 969.9 ist am 31. Mai 2000 mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betrieb eines Navigationssystems für ein Fahrzeug“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und am 6. Dezember 2001 offengelegt worden.

Im Erstbescheid vom 28. November 2007 hat die Prüfungsstelle zum Stand der Technik die Druckschriften D1 WO 99/46562 A1 D2 US 5 072 395 D3 EP 0 984 375 A2 D4 WO 97/02469 A1 D5 DE 196 37 127 A1 genannt und mitgeteilt, dass das Verfahren gemäß dem ursprünglichen Patentanspruch 1 von der Druckschrift D1 neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Auf die Druckschriften D2 bis D5 hat sie lediglich ergänzend verwiesen ohne auf diese sachlich einzugehen.

In ihrer Eingabe vom 31. März 2008 hat die Anmelderin ausführlich dargelegt, dass ihrer Meinung nach das Verfahren nach Anspruch 1 nicht nur neu gegenüber der Druckschrift D1 sei, sondern auch von dieser - auch in Kombination mit den Schriften D2 bis D5 - nicht nahegelegt werde. Hilfsweise hat sie einen Antrag auf mündliche Anhörung gestellt.

Nachdem sowohl die Prüfungsstelle in ihrem Bescheid vom 26. Februar 2010 als auch die Anmelderin in ihrer Eingabe vom 1. Juli 2010 ihre jeweiligen Auffassungen lediglich wiederholt hatten, hat die Prüfungsstelle für Klasse G 01 C mit Beschluss vom 2. Juli 2012 die Anmeldung wegen fehlender Neuheit des Verfahrens nach dem ursprünglichen Anspruch 1 zurückgewiesen.

Der hilfsweise beantragten Anhörung sei nicht entsprochen worden, da die Anmelderin im schriftlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt habe, der Sachverhalt der Anmeldung einfach und überschaubar sei und die Anmelderin in der Eingabe keine neuen, in einer Anhörung zu erörternden konkreten Punkte vorgebracht habe. Zudem sei nicht mit einer geänderten Auffassung der Anmelderin nach erfolgter Anhörung zu rechnen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in ihrer Beschwerdebegründung vom 12. November 2012 beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juli 2012 aufzuheben.

Ferner hat sie das Gericht gebeten, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015 hat die Anmelderin einen neuen Patentanspruch eingereicht und beantragt, ein Patent auf der Grundlage des neuen Patentanspruchs zu erteilen.

Der mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015 eingereichte Patentanspruch lautet:

M1 Verfahren zum Betrieb eines Navigationssystems (1) für ein Fahrzeug mit einer Steuereinrichtung (2) zur kombinierten Anzeige wenigstens zweier in einer Namensspeichereinheit (3) abgelegter Ortsangaben auf einem Display (4),

dadurch gekennzeichnet,

M2 dass die Steuereinrichtung (2) auf dem Display (4) eine kombinierte Ortsangabe derart zur Anzeige bringt, dass die kombinierte Ortsangabe aus einem eine größere Stadt repräsentierenden Kürzel und aus einem voll ausgeschriebenen Namen einer jeweiligen Ausfahrt oder eines jeweiligen Stadtteils zusammengesetzt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat mit dem verfolgten Patentbegehren Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des Patents, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik neu und ergibt sich für den Fachmann aus diesem nicht in naheliegenderweise.

2. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Navigationssystem für ein Fahrzeug gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0001]).

Derartige Verfahren zum Betrieb von Navigationssystemen sind bereits durch öffentliche Benutzung in vielfältiger Weise bekannt. Als Problem ist das in der Regel für vollständige Ortsangaben zu schmale Display anzusehen. Bei Autobahnfahrten führt dieser Umstand in größeren Städten wie beispielsweise Braunschweig zu der Angabe „Braunschweig-Wat“, wenn als angebotene oder gewählte Ausfahrt „Watenbüttel“ gemeint ist (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0002]).

Der Anmeldung liegt nun die Aufgabe (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0003]) zugrunde, insbesondere für ortsunkundige Benutzer der an sich bekannten Navigationssysteme den Informationsgehalt der auf dem Display angebotenen Ortsangabe zu verbessern.

Als hier zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung von Navigationssystemen verfügt.

Der Patentanspruch 1 entspricht im Merkmal M1 dem Oberbegriff des ursprünglichen Anspruchs 1; das Merkmal M2 geht aus dem vorletzten Absatz auf Seite 1 der ursprünglichen Beschreibung hervor. Der Patentanspruch 1 ist damit durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und zulässig.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist auch patentfähig.

Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der - aus der Sicht des verständigen Fachmanns - dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 ff. - Polymerschaum).

Gemäß dem Merkmal M1 dient das Verfahren zum Betrieb eines Navigationssystems für ein Fahrzeug. Zwar schränkt diese Zweckangabe das beanspruchte Verfahren zunächst nur insoweit ein, dass es lediglich ein Geeignetheitskriterium darstellt (BGH GRUR 2009, 837 - Bauschalungsstütze, Leitsatz). Jedoch ist aufgrund des nachfolgenden, die Steuereinrichtung betreffenden Merkmals M2 für die Auslegung des Merkmals M1 auch beachtlich, dass die Steuereinrichtung gemäß ihrer Zweckangabe im Merkmal M1 geeignet sein muss, Ortsangaben auf einem Display anzuzeigen.

Das Merkmal M2 versteht der Fachmann vor dem Hintergrund der Beschreibung und der Figuren 1 und 2 als einen Verfahrensschritt, bei dem die Steuereinrichtung aus einem eine größere Stadt repräsentierenden Kürzel und aus einem voll ausgeschriebenen Namen einer jeweiligen Ausfahrt oder eines jeweiligen Stadtteils eine kombinierte Ortsangabe zusammensetzt und auf dem Display zur Anzeige bringt. Dabei versteht der unbefangene Fachmann unter dem Begriff „Ortsangabe“ die Angabe des Namens eines geographischen Ortes.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist neu, da das Merkmal M2 aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften bekannt ist.

Dieses Verfahren wird vom vorliegenden Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

Die Druckschrift D1 betrifft ein Verfahren zur Ausgabe von Verkehrsinformationen (siehe Bezeichnung).

Für dieses Verfahren sieht die D1 in der Fig. 1 ein Navigationssystem [= „Navigationssystem für ein Fahrzeug“ gemäß M1] mit einer zentralen Recheneinheit 2 vor, die (siehe Seite 10 Zeile 22 bis Seite 11 Zeile 26) auf eine Datenbasis, insbesondere auf eine TMC (Traffic-Message-Channel)-Datenbasis 6, zugreift, in der Ortsund Straßeninformationen abgelegt sind. Weiter ist die Recheneinheit 2 [= „Steuereinheit“ gemäß M1] mit einem Eingabeterminal 10 und/oder einer Einrichtung zur Spracheingabe 12 sowie optional einem GPS-Empfänger 18 zur Standortbestimmung verbunden. Schließlich kann die zentrale Recheneinheit 2 Fahrtrichtungshinweise optisch und/oder akustisch an eine optische Ausgabeeinheit 14 [= „Display“ gemäß M1] und/oder eine akustische Ausgabeeinheit 16 weiterleiten.

Das Verfahren der D1 ist im weitesten Sinne gemäß den nebengeordneten Ansprüchen 1 und 2 dadurch gekennzeichnet,

- dass in Abhängigkeit von einem Startort und einem Zielort eine Fahrtroute berechnet wird,

- dass in einer TMC-Datenbank Zwischenzielorte abgelegt sind bzw. die TMC-Datenbank Zwischenzielorte enthält und

- dass an zwischen dem Startort und dem Zielort liegenden in der TMC-Datenbank abgelegten Zwischenzielorten Fahrtrichtungshinweise ausgegeben werden.

Dabei werden die Fahrtrichtungshinweise aus den Namen von in der TMC-Datenbank abgelegten und den Zwischenzielorten zugeordneten Segmenten entnommen, die (siehe Seite 2 Zeilen 9-12) größere Streckenabschnitte einer Bundesstraße oder einer Autobahn näher kennzeichnen bzw. in die (siehe Seite 22 Zeile 18 f.) alle Straßen beziehungsweise Streckenabschnitte eingeteilt sind.

Die Fahrtrichtungshinweise selbst können (siehe Seite 16 Zeile 1 bis Seite 17 Zeile 2) nun auf verschiedenartige Weise optisch und/oder akustisch an den Fahrer ausgegeben werden. So kann beispielsweise jeder Ort in der den Weg beschreibenden Liste von Orten mit bestimmten Attributen versehen sein, wie dem Ortsnamen, dem Straßentyp (A für Autobahnen, B für Bundesstraßen, etc.) und der Straßenbezeichnung (beispielsweise A2, B229, etc.).

Fahrtrichtungshinweise erfolgen beispielsweise dann, wenn der Straßentyp und/oder die Straßenbezeichnung wechseln, in der Form

„Bitte an der nächsten Abfahrt auf die A7 in Richtung Hannover fahren“.

oder dann, wenn die Straße nicht verlassen werden soll, in der Form

„Bitte weiter auf der A2 in Richtung Hannover fahren“.

Damit ist aus der D1 zwar das Merkmal M1 bekannt, denn das Verfahren der D1 ist in der Lage, das dortige Navigationssystem so zu betreiben, dass dessen Recheneinheit 2 einen kombinierten Fahrtrichtungshinweis mit Ortsangaben anzeigen kann.

Jedoch lehrt die D1 nirgends, dass Fahrtrichtungshinweise derart angezeigt werden, dass im Sinne des Merkmal M2 eine kombinierte Ortsangabe aus einem eine größere Stadt repräsentierenden Kürzel und aus einem voll ausgeschriebenen Namen einer jeweiligen Ausfahrt oder eines jeweiligen Stadtteils zusammengesetzt wird.

Vielmehr sieht die D1 lediglich Kürzel für Straßentypen, wie beispielsweise A für Autobahnen oder B für Bundesstraßen vor. Auch sämtliche in den Beschreibungsseiten angegebenen Fahrtrichtungshinweise (siehe Seiten 14 bis 17, 19, 24 bis 26) enthalten Kürzel nur für Straßennamen, nicht aber für Städtenamen.

Auch den Figuren 6 und 7 der D1 ist das Merkmal M2 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung nicht zu entnehmen.

So zeigt die Fig. 6 die Darstellung eines Straßenteilnetzes auf der TMC-Ortsdatenbasis (siehe Seite 10 Zeilen 14 f.) bzw. an einem konkreten Beispiel den Aufbau einer TMC-Datenbank (siehe Seite 23 Zeilen 19 f.), die im vorliegenden Ausschnitt die Autobahnausfahrten Hannover-Bothfeld, Hannover-Lahe sowie die Autobahnkreuze Hannover-Kirchhorst und Hannover-Ost aufweist (siehe Seite 23 Zeilen 21 bis 27). Ferner sind mehreren Autobahnausfahrten Segmente zugeordnet, so beispielsweise den Autobahnausfahrten auf der Autobahn A2 bis Hannover-Ost das Segment Hannover, den Autobahnausfahrten nach Hannover-Ost das Segment Braunschweig. Auf der Autobahn A37 sind den Ausfahrten nach dem Autobahnkreuz Hannover-Kirchhorst das Segment Burgdorf, und der Autobahn A7 das Segment Hamburg zugeordnet (siehe Seite 23 Zeile 27 bis Seite 24 Zeile 7).

Die Fig. 7 zeigt Richtungsangaben einer Route unter Zuhilfenahme einer TMCOrtsdatenbasis (siehe Seite 10 Zeilen 17 f.) bzw. an einem konkreten Beispiel, wie die Information eines Autofahrers erfolgt, der beispielsweise in Richtung Hamburg fahren möchte. Anhand der Autobahnausfahrten in der Fig. 7 wird gemäß der weiteren Beschreibung der D1 (siehe Seite 24 Zeile 11 bis Seite 26 Zeile 23) im Einzelnen dargelegt, wie die zugehörigen Fahrtrichtungshinweise ausgehend von einem Ausgangspunkt vor der Autobahnausfahrt Hannover-Bothfeld jeweils lauten.

Auch wenn die in den Fig. 6 und 7 als Punkte in einem Diagramm dargestellten Autobahnausfahrten jeweils dadurch angegeben sind, dass sie mit dem Buchstaben H als Abkürzung für die Stadt Hannover beginnen, wird dadurch das Merkmal M2 nicht getroffen. Die Fig. 6 soll nämlich nur den Inhalt der TMC-Datenbasis veranschaulichen, der aber nicht für die Anzeige auf einem Display vorgesehen ist. Dies gilt ebenso auch für die Fig. 7, anhand derer bei einer gedachten Fahrt entlang den dort gezeigten Pfeilen die Ausgabe der jeweiligen Fahrtrichtungshinweise erläutert werden.

Schließlich vermag auch der, in der Fig. 7 links oben gezeigte Fahrtrichtungshinweis, der die Angabe „H-Kirchhorst“ enthält, das Merkmal M2 nicht neuheitsschädlich zu treffen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann zur Offenbarung eines Merkmals als zur Erfindung gehörend die Darstellung in einer Zeichnung, auf die sich die Beschreibung oder die Patentansprüche der Anmeldeunterlagen beziehen, dann genügen, wenn die merkmalsgemäße Ausgestaltung nach der Gesamtoffenbarung aus fachmännischer Sicht als mögliche Ausführungsform der zum Patent angemeldeten Erfindung erscheint (BGH GRUR 2010, 599 - Formteil). Diese, die Frage der Offenbarung eines lediglich gezeichneten Merkmals als zur Erfindung gehörend betreffende Entscheidung ist nach Überzeugung des Senats auch für die Frage anzuwenden, ob der Fachmann bei der Ermittlung des Gesamtinhalts einer Vorveröffentlichung ein nur gezeichnetes Merkmal berücksichtigt. Maßgeblich ist dabei, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin, 1. Leitsatz).

Vorliegend enthält der, in der Fig. 7 links oben gezeigte Fahrtrichtungshinweis ersichtlich nur aus Platzgründen die Angabe „H-Kirchhorst“, denn zum Einen ist in der Beschreibung dieser Fahrtrichtungshinweis vollständig wie folgt angegeben (siehe Seite 25 Zeilen 29 f.):

„Ab Autobahnkreuz Hannover-Kirchhorst auf die A7 in Richtung Hamburg“.

Zum Anderen ist aus Platzgründen schon der vorhergehende Fahrtrichtungshinweis in der Fig. 7 weggelassen worden.

Im Übrigen spricht die D1 bei diesem Ausführungsbeispiel auf Seite 25 von einer „Ansage“ (Zeile 14), „Durchsage“ (Zeile 19) oder „Aussage“ (Zeile 27) im Sinne einer akustischen und nicht optischen Ausgabe des Fahrtrichtungshinweises.

Daher ist nach Überzeugung des Senats der D1 nicht die Lehre im Sinne des Merkmals M2 zu entnehmen, eine kombinierte Ortsangabe aus einem eine größere Stadt repräsentierenden Kürzel und aus einem voll ausgeschriebenen Namen einer jeweiligen Ausfährt oder eines jeweiligen Stadtteils zusammenzusetzen und auf einem Display anzuzeigen.

Dies wird von der Druckschrift D1 auch nicht nahegelegt, denn bei der Druckschrift D1 steht nicht die Anzeige eine Ortsangabe auf einem Display im Vordergrund. Vielmehr will sie dem Fahrer Fahrtrichtungshinweise geben, bei denen Segmentnamen mit ausgegeben werden sollen, die in einer TMC-Datenbank abgelegt sind und üblicherweise größere Regionen oder größere Städte kennzeich- nen (siehe Seite 3 Zeilen 19 bis 30). Dadurch lässt sich erreichen, dass der Fahrer nicht nur einen Hinweis bekommt, dass er nach einer bestimmten Anzahl von Metern nach rechts oder links abbiegen soll, sondern er erhält zusätzlich die Hinweise, in welche Fahrtrichtung er sich dadurch bewegt.

Die in der D1 erwähnten Beispiele der Fahrtrichtungshinweise entsprechen ihrer Art nach der gesprochenen Sprache und eignen sich daher besonders für die akustische Ausgabe, die dementsprechend in der D1 auch im Vordergrund steht. Für eine optische Ausgabe sind die Fahrtrichtungshinweise weniger geeignet, so dass eine optische Ausgabe in der D1 auch nicht näher behandelt wird und allenfalls im Zusammenhang mit der Anzeige eines Richtungspfeils beiläufig erwähnt wird (siehe Seite 14 Zeilen 21 bis 29).

Sofern die D1 im Rahmen einer Wichtung (siehe Seite 25 Zeilen 1 bis 25) nicht so bekannte Segmentnamen oder Orte mit geringerer Bedeutung (z. B. „Burgdorf“) durch Segmentnamen größerer oder bekannterer Städte ersetzt (z. B. „Hamburg“), führt sie gar von der Lehre des Verfahrens nach Patentanspruch 1 weg.

Auch die übrigen Druckschriften D2 bis D5 führen den Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

In der D2 wird ein Navigationssystem beschrieben, das eine Vielzahl von Informationen über Zielorte beinhaltet, die auf mehreren Anzeigefeldern je nach Abfrage des Benutzers über Tastenwahl dargestellt werden können. Sie behandelt daher die Zieleingabe und nicht die Ausgabe von Zielen (siehe Spalte 1 Zeile 47 bis Spalte 2 Zeile 3).

Die D3 beschreibt ein Verfahren, um Informationen zu Orten zu erfahren, die sich auf einer Anzeige befinden, wobei diese Informationen mit den jeweiligen Postleitzahlen der Orte verknüpft sind, vgl. Absatz [0001].

In der D4 wird ein Navigationssystem beschrieben, in dem Koordinaten eines Ortes einer Postadresse zugeordnet sind. Durch Eingabe der Zieladresse und der Postadresse kann der Ort bestimmt werden. Auf einer Anzeige wird durch Pfeilesymbole der Weg zum Ziel dargestellt, vgl. Seite 1, Zeilen 1 bis 11.

Die D5 betrifft ein Verfahren zur fahrtroutenspezifischen Selektion von Verkehrsinformationen, wobei die Verkehrsinformationen für geographische Gebiete ausgewählt werden in Abhängigkeit von den durch die GPS-Koordinaten beschriebenen Start- und Zielorten, vgl. den Anspruch 1.

Damit gehen die Druckschriften D2 bis D5 nicht auf den Teilaspekt des Merkmals M2 ein, so dass die im Verfahren befindlichen Druckschriften auch in Verbindung mit dem Fachwissen den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht nahelegen und dieser somit auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

5. Neben dem einzigen Patentanspruch erfüllen auch die übrigen Unterlagen insgesamt die an sie zu stellenden Anforderungen.

6. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen (§ 80 Abs. 3 PatG).

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht der Billigkeit, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (vgl. Schulte PatG, 9. Aufl., § 80 Rdn. 113, § 73 Rdn. 132).

So ist es billig, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn ein schwerwiegender Verfahrensverstoß vorliegt, wie z. B. die Verletzung rechtlichen Gehörs, insbesondere wenn die angefochtene Entscheidung darauf beruht, sie also möglicherweise anders gelautet hätte, wäre das rechtliche Gehör gewährt worden (vgl. Schulte a. a. O. § 73 Rdn. 139, 140).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst auch das Recht des Anmelders, auf schriftlichen Antrag im Rahmen einer Anhörung gehört zu werden, wenn dies sachdienlich ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 PatG).

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht hier der Billigkeit, da die Durchführung der von der Anmelderin beantragten Anhörung sachdienlich gewesen wäre (§ 46 Abs. 1 Satz 2 PatG). Eine einmalige Anhörung ist grundsätzlich in jedem Verfahren sachdienlich (Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 11 sowie BPatG, Beschluss vom 28. April 2009 – 21 W (pat) 41/05 m. w. N.). Sie ist immer sachdienlich, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn eine mündliche Erörterung eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt nur in Betracht, wenn triftige Gründe dafür vorliegen (vgl. Schulte a. a. O., § 46, Rdn. 12).

Vorliegend hatte die Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss die beantragte Anhörung als nicht sachdienlich abgelehnt, weil der Anmelderin im schriftlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei, der Sachverhalt der Anmeldung einfach und überschaubar sei und die Anmelderin in der jüngeren Eingabe keine gegenüber der früheren Eingabe neuen konkreten Punkte vorgebracht habe, die in einer Anhörung zu erörtern gewesen wären. Zudem sei erkennbar, nicht damit zu rechnen gewesen, dass sich die Auffassung der Anmelderin nach erneuter Diskussion des Sachverhalts in einer Anhörung ändern werde und die Anmelderin einen geänderten Hauptanspruch einzuführen beabsichtige.

Nach Auffassung des Senats können diese Beweggründe die Ablehnung der beantragten Anhörung nicht rechtfertigen. Auch bei Fortbestehen von Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfungsstelle und Anmelder nach einem weiteren Bescheid und nachfolgender Eingabe der Anmelderin ist eine Anhörung sachdienlich, denn sie kann das Verfahren fördern, indem der Anmelderin und dem Prüfer die Möglichkeit geboten ist, ihre gegensätzlichen Auffassungen ausführlich in Rede und Gegenrede zu erörtern und zu einem Einvernehmen bezüglich einer gewähr- baren Anspruchsfassung zu gelangen (BPatG, Beschluss vom 22. Juni 2015, 7 W (pat) 57/03, BPatGE 49, 111). Der beantragten Anhörung deshalb die Sachdienlichkeit abzusprechen, weil schon aufgrund der eingetretenen Verfahrenssituation, insbesondere des Fehlens geänderter Ansprüche, zu erwarten sei, dass die gegensätzlichen Bewertungen lediglich noch einmal wiederholt werden würden, so dass sich das Verfahren unnötig verzögere, war nicht gerechtfertigt. Für die Vermutung einer unnötigen Verfahrensverzögerung seitens der Anmelderin bedürfte es schon weiterer Anhaltspunkte, die z. B. dann gegeben wären, wenn sich die Darlegungen der Anmelderin in ihrem ersten Schriftsatz bereits in offensichtlich Unhaltbarem erschöpften, so dass sie auch nicht im Geringsten geeignet wären, den Bedenken der Prüfungsstelle entgegen gestellt werden zu können. Vorliegend war dies aber nicht der Fall, denn die Anmelderin hat sich eingehend, ausführlich und auf technischen Sachverstand gestützt mit den Bedenken der Prüfungsstelle auseinander gesetzt und das geltende Patentbegehren verteidigt. Bei dieser Sachlage bestand für sie kein Anlass, in Antwort auf den ersten oder zweiten Bescheid die Ansprüche zu ändern. Vielmehr konnte sie aus ihrer Sicht davon ausgehen, den Prüfer entweder zur Aufgabe seiner Bedenken bewegen zu können, oder aber die Gelegenheit zu erhalten, in einer Anhörung den Dialog mit dem Prüfer fortzuführen, um zu einer Annäherung der bisher gegensätzlichen Auffassungen zu gelangen. Jedenfalls bietet das Verhalten der Anmelderin im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich in einer Anhörung gegenüber geeigneten Argumenten des Prüfers verschlossen hätte und starr bei ihren Standpunkten verblieben wäre.

Damit leidet das Prüfungsverfahren an einem gravierenden Verfahrensfehler, der auch ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war. Denn bei fehlerfreier Sachbehandlung wäre die Beschwerde nicht zwangsläufig erforderlich geworden.

III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Dr. Häußler Hartlieb Veit Schmidt-Bilkenroth Pü

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