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VI R 48/17

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 22.10.2019, VI R 48/17 ECLI:DE:BFH:2019:U.221019.VIR48.17.0 Aufwendungen für die Sanierung einer Grabstätte keine außergewöhnliche Belastung Leitsätze NV: Aufwendungen für die Sanierung einer Grabstätte sind keine außergewöhnliche Belastung. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine über 100 Jahre alte Familiengrabstätte handelt und Standsicherheitsmängel auf Anordnung der Friedhofsverwaltung beseitigt werden.

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 04.04.2017 - 2 K 1964/15 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 02.05.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) besitzt eine über 100 Jahre alte Familiengrabstätte in W. Sie ist als Erbin bzw. Familienmitglied und nach der Begräbnis- und Friedhofsordnung der Gemeinde W für die Familiengrabstätte berechtigt und verpflichtet.

Im Sommer des Streitjahres (2013) wandte sich die Gemeinde an die Klägerin und verlangte wegen der fehlenden Standsicherheit des an der Grabstätte errichteten Grabmals die fachgerechte Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel. Die Klägerin beauftragte daraufhin einen Steinbildhauer- und Steinmetzmeister mit der Sanierung des Grabes. Im Einzelnen wurden folgende Leistungen durchgeführt und abgerechnet:

Abbau von Denkmal und Einfassung, Einbau eines neuen Fundaments

… EUR Lieferung einer neuen Einfassung aus Basaltlava (200 x 220 cm, 10 cm stark)

… EUR Demontage einer Schriftplatte, Erneuerung ausgebrochener Stellen und neue Vergoldung der freigelegten Schrift

… EUR Neuer Kissenstein aus Granit

… EUR Gravur der neuen Inschriften mit Vergoldung

… EUR Neue Vergoldung der Inschriften auf dem mittleren und dem rechten Stein

… EUR Lieferung von weißem Splitt, Dränagevlies, Blechstreifen und Blumenerde

… EUR Grabanlage neu versetzt

… EUR

% Umsatzsteuer

… EUR Insgesamt

… EUR Der Bruder der Klägerin beteiligte sich zur Hälfte an den vorgenannten Kosten. Den Restbetrag von … EUR machte die Klägerin als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr jedoch unberücksichtigt.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2017, 1286 veröffentlichten Gründen im Wesentlichen statt. Es kürzte die geltend gemachten Aufwendungen lediglich um die zumutbare Belastung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt (sinngemäß),

das Urteil des FG i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für die Sanierung der Grabstätte --soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen-- zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (Senatsurteil vom 30.03.2017 - VI R 55/15, Rz 10, m.w.N.). Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (Senatsbeschluss vom 21.02.2018 - VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 22, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich (z.B. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes) betreffen (Senatsurteil vom 10.03.2015 - VI R 60/11, BFHE 249, 468, BStBl II 2015, 695, Rz 16).

2. Die Aufwendungen, die die Klägerin im Streitfall getätigt hat, gehören nicht zu den aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufigen Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf. Dies gilt auch, soweit die geltend gemachten Aufwendungen (zumindest teilweise) auf die Wiederherstellung der Standsicherheit des Grabmals gerichtet waren.

a) Aufwendungen für die Wiederherstellung existenznotwendiger Vermögensgegenstände, die durch ein nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurden, können zwar Aufwendungen i.S. von § 33 EStG sein (Senatsurteil vom 29.03.2012 - VI R 70/10, BFHE 237, 90, BStBl II 2012, 572, Rz 11, m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung hat, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und die zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen (BFH-Urteil vom 26.06.2003 - III R 36/01, BFHE 203, 295, BStBl II 2004, 47, m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Es handelt sich bei dem Familiengrab schon nicht um einen existenznotwendigen Vermögensgegenstand. Daher vermag auch die Anordnung der Gemeinde W, die Standsicherheitsmängel des dort errichteten Grabmals fachgerecht beheben zu lassen, den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht zu begründen.

Selbst wenn sich die Klägerin aufgrund der Anordnung der Gemeinde W, die Standsicherheitsmängel beseitigen zu lassen, den für die Grabsanierung insgesamt aufgewandten Kosten zumindest teilweise nicht hätte entziehen können, reicht dies nicht aus, um auch nur insoweit aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung des BFH für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG ist daher nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein (Senatsurteil vom 18.06.2015 - VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz 16).

Daran fehlt es im Streitfall. Denn die Wiederherstellung der Standsicherheit des Grabmals berührte --wie oben dargelegt-- keinen existenziell wichtigen Bereich. Der Sanierung der Grabstätte lag eine maßgeblich vom Willen und der religiösen Überzeugung der Klägerin, der Erwartungshaltung ihrer Familie und der Familientradition beeinflusste Situation zugrunde, die eine nach § 33 EStG erforderliche Zwangslage nicht begründen kann.

c) Bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen handelt es sich auch nicht um Beerdigungskosten, die nach der Rechtsprechung des Senats unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können (zuletzt Senatsbeschluss in BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 43 ff., m.w.N.). Ein Abzug der Sanierungsaufwendungen für die Familiengrabstätte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt von vornherein nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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