StB 24/25
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 24/25 vom 26. Mai 2025 in dem Strafverfahren gegen wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:260525BSTB24.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 26. Mai 2025 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. April 2025 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
I.
1. Der Angeklagte ist am 13. April 2022 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Koblenz, zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Koblenz vom 14. April 2022 und seit dem 23. Mai 2022 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (3 BGs 384/22) von diesem Tage.
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat den Angeklagten am 6. März 2025 wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung jeweils als Rädelsführer in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, § 83 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom selben Tage hat das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und bislang nicht abgesetzt.
Der Angeklagte habe sich als sogenannter „Reichsbürger“ in führender Rolle an einer von ihm spätestens Anfang Januar 2022 mitbegründeten und durch seine Verhaftung sowie die von Mitangeklagten im April 2022 zerschlagenen Vereinigung („Kaiserreichsgruppe“, „Vereinte Patrioten“) beteiligt, die darauf gerichtet gewesen sei, mit Gewalt die vom Angeklagten und seinen Mitstreitern als illegal erachtete Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines revolutionären Geschehens zu beseitigen und ein neues Staatswesen auf der Basis der deutschen Reichsverfassung von 1871 zu errichten (vgl. näher zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt BGH, Beschluss vom 3. November 2022 – AK 40-43/22, juris Rn. 12 ff.).
2. Der Angeklagte hat mit Schreiben vom 14. November 2024 Klage zum Verwaltungsgericht Koblenz erhoben mit dem Ziel, vermeintliche rechtliche Unzulänglichkeiten des Untersuchungshaftvollzugs feststellen zu lassen und die Justizvollzugsanstalt Koblenz beziehungsweise die Landesregierung RheinlandPfalz zu verpflichten, Veränderungen in der normativen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vollzugs von Untersuchungshaft in Rheinland-Pfalz vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit während der gegen den Angeklagten laufenden erstinstanzlichen strafrechtlichen Hauptverhandlung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Oberlandesgericht Koblenz als das gemäß § 119a Abs. 1 Satz 1, § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständige Gericht verwiesen; die diesbezüglichen Beschlüsse sind in Rechtskraft erwachsen.
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat die Anträge des Angeklagten mit Beschluss vom 8. April 2025 (1 AR 15/25) verworfen. Seine Begehren stellten keine Anträge auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119a Abs. 1 StPO dar und seien auch ansonsten keine statthaften Rechtsbehelfe, insbesondere nicht nach § 23 Abs. 1 EGGVG. Denn der Angeklagte habe nicht vorgebracht, in eigenen Rechten als Untersuchungsgefangener verletzt zu sein, sondern losgelöst von eigener Rechtsbetroffenheit allgemeine Änderungen in der Ausgestaltung des Vollzugs von Untersuchungshaft in Rheinland-Pfalz eingefordert. Einen vom Angeklagten, der im laufenden Strafverfahren von zwei Pflichtverteidigern verteidigt wird und mit seinem Vorbringen im Wesentlichen eine rechtspolitische Agenda verfolgt, gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe hat das Oberlandesgericht dementsprechend als unbegründet abgelehnt.
Gegen den Beschluss vom 8. April 2025 wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO vom 28. April 2025.
II.
Die Beschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
1. In Sachen, in denen – wie hier – die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist nach § 304 Abs. 4 StPO grundsätzlich gegen deren Beschlüsse keine Beschwerde zulässig. Ausnahmen gelten gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO nur in wenigen, enumerativ aufgeführten Fallgestaltungen. Hierunter fällt der Verfahrensgegenstand des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 8. April 2025 nicht.
Auf die inhaltliche Richtigkeit des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz kommt es nicht an, denn unabhängig davon hat aufgrund dessen Bindungswirkung das Rechtsmittelgericht den Rechtsstreit nach der Verfahrensordnung seiner Gerichtsbarkeit fortzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – StB 26 und 28/14, BGHSt 62, 22 Rn. 26).
Die allein in Betracht zu ziehende Eröffnung einer Beschwerde gegen die „Verhaftung“ betreffende Entscheidungen nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 Variante 1 StPO ist nicht gegeben. Darunter fallen lediglich solche, mit denen unmittelbar darüber entschieden wird, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist, nicht aber Beschlüsse oder Verfügungen, die allein Anordnungen während der Untersuchungshaft, also die Art und Weise des Vollzugs betreffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 – StB 33/20, juris Rn. 4; vom 5. November 2019 – StB 27/19, juris Rn. 2; vom 18. Oktober 2017 – StB 24/17, StV 2019, 79 Rn. 4; vom 12. Januar 2012 – StB 19/11, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Verhaftung 5 Rn. 4; vom 28. Januar 1976 – StB 1/76, BGHSt 26, 270, 271). Der Angeklagte wendet sich jedoch ausdrücklich nicht gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung seiner Haft, sondern gegen die Ausgestaltung des Vollzugs von Untersuchungshaft. Für eine analoge Anwendung der restriktiv auszulegenden Ausnahmevorschrift (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. November 1999 – StB 1/99, NJW 2000, 1427, 1428 mwN) ist kein Raum, und zwar auch deshalb nicht, weil der Angeklagte keine eigene unmittelbare Rechtsbetroffenheit geltend gemacht hat.
2. Es kann dahinstehen, ob das Oberlandesgericht zudem die Begehren des Angeklagten zu Recht dahin gewertet hat, dass es sich (auch) nicht um nach § 23 Abs. 1 EGGVG statthafte Anträge handelt. Denn jedenfalls stellt der Beschluss des Oberlandesgerichts keine Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG dar und hat der Angeklagte keine – mangels Zulassung ohnehin nicht statthafte – (Rechts-)Beschwerde gemäß § 29 Abs. 1 EGGVG erhoben.
Berg Anstötz Kreicker