V ZR 41/21
BUNDESGERICHTSHOF V ZR 41/21 BESCHLUSS vom 14. Oktober 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:141021BVZR41.21.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Dr. Brückner, die Richter Dr. Göbel und Dr. Hamdorf und die Richterin Laube beschlossen:
1. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 18. Zivilsenat - vom 22. Februar 2021 nicht zuständig.
2. Die Sache wird an das Bayerische Oberste Landesgericht zur weiteren Behandlung und Entscheidung abgegeben.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist eine Gemeinde in Bayern. Mit notariellem Kaufvertrag vom 20. Dezember 2013 veräußerte sie an den Beklagten ein im Gemeindegebiet liegendes Grundstück zu einem Kaufpreis von 45.000 €. Der Beklagte wurde am 15. Juli 2014 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Im April 2016 beanstandete das Landratsamt Berchtesgadener Land den Verkauf gemäß Art. 112 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) als sog. Unter-Wert-Verkauf. Anschließend forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Berichtigung des Grundbuchs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 45.000 € in der Weise zuzustimmen, dass nicht er, sondern die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks ist. Zudem hat er der Klägerin das Grundstück geräumt herauszugeben und ihr vorgerichtliche Kosten zu erstatten. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht München durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die hiermit verbundene Nichtzulassung der Revision wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen möchte. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kaufvertrag gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayGO i.V.m. § 134 BGB nichtig, weil das Grundstück einen Verkehrswert von 80.000 € habe und damit unter Wert verkauft worden sei. Dies führe dazu, dass sowohl das Verpflichtungs- als auch das dingliche Verfügungsgeschäft unwirksam sei. Der Einwand des Beklagten, Art. 75 BayGO sei ausnahmsweise nicht anwendbar, greife nicht durch. Zwar bringe der Gesetzgeber mit der Formulierung „in der Regel“ zum Ausdruck, dass es Ausnahmen geben könne, bei denen ein Verkauf unter dem vollen Wert möglich sei. Dafür sei aber nicht ausreichend, dass sich die Gemeinde in der Vergangenheit vergeblich um eine Veräußerung des Grundstücks bemüht habe. Die eingeschränkte Veräußerlichkeit eines Grundstücks sei vielmehr bei der Bestimmung des Verkehrswerts und damit bei der Feststellung eines Unter-Wert-Verkaufs zu berücksichtigen.
III.
Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zuständig. Die Sache ist vielmehr an das Bayerische Oberste Landesgericht abzugeben, wie dies auch die Parteien angeregt haben.
1. Gemäß Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG tritt das Bayerische Oberste Landesgericht in dem durch § 8 Abs. 2 EGGVG abgesteckten Rahmen als Revisionsund Rechtsbeschwerdegericht an die Stelle des Bundesgerichtshofs, wenn im Wesentlichen Rechtsnormen zur Anwendung kommen, die im Landesrecht Bayerns enthalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - III ZR 163/20. Juris Rn. 13; Beschluss vom 18. Februar 2021 - III ZR 79/20, NJW-RR 2021, 507 Rn. 5). Geht es um eine Nichtzulassungsbeschwerde, ist diese gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 EGZPO generell bei dem Bundesgerichtshof einzureichen. Betreffen die Gründe für die Zulassung der Revision im Wesentlichen Rechtsnormen, die in den Landesgesetzen enthalten sind, so erklärt sich der Bundesgerichtshof durch Beschluss zur Entscheidung über die Beschwerde für unzuständig und übersendet dem obersten Landesgericht die Prozessakten (§ 7 Abs. 2 Satz 2 EGZPO).
2. a) Der Beklagte stützt sich in seiner Nichtzulassungsbeschwerde vorrangig auf Rechtsnormen, die in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern und damit in einem Landesgesetz des Freistaates Bayern enthalten sind. Nach seiner Ansicht ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts angezeigt, um eine Klärung der Auslegung des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayGO herbeizuführen. Nach dieser Bestimmung dürften Vermögensgegenstände „in der Regel“ nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Es sei jedoch weder in der Rechtsprechung geklärt noch werde von der Literatur einheitlich beantwortet, welche Umstände geeignet seien, eine Ausnahme von der Regel zu begründen. Im Rahmen der Fortbildung des Rechts werde ferner zu entscheiden sein, ob - entsprechend einer in der Literatur vertretenen Auffassung - ein Verstoß gegen das Verbot der Unter-Wert-Veräußerung nur dann vorliege, wenn die Veräußerung selbst zu einer Gefährdung der Selbstverwaltung der Gemeinde führe. Bejahendenfalls setze die Schlüssigkeit des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs entsprechenden Vortrag voraus.
b) Ob diese auf das bayerische Landesrecht bezogenen Überlegungen die Zulassung der Revision rechtfertigen, hat nicht der Bundesgerichtshof, sondern das hierfür zuständige Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden. Dies gilt auch für die von dem Beklagten ergänzend geltend gemachte Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, deren Entscheidungserheblichkeit wiederum von der Auslegung des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayGO abhängig ist.
Stresemann Hamdorf Brückner Laube Göbel Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 14.01.2020 - 7 O 3478/17 OLG München, Entscheidung vom 22.02.2021 - 18 U 4075/20 -