23 W (pat) 61/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 61/17 Verkündet am 4. Juli 2019 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 11 2004 001 794.7 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der Richter Dr. Friedrich, Dr. Himmelmann und Dr. Kapels ECLI:DE:BPatG:2019:040719B23Wpat61.17.0 beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juni 2017 wird aufgehoben.
2. Es wird ein Patent erteilt mit der geänderten Bezeichnung „Verfahren zur Massenspektrometrie“, dem PCT-Anmeldetag 24. September 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität GB 0322484.7 vom 25. September 2003 auf der Grundlage folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 6, - Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a und 4 bis 18, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019; - 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 9, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am 24. März 2006.
Gründe I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 11 2004 001 794.7 und der ursprünglichen Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur Massenspektrometrie“ wurde am 24. September 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität GB 0322484.7 vom 25. September 2003 international angemeldet und am 7. April 2005 mit der WO 2005/031290 A2 offengelegt. Mit dem Eintritt in die deutsche nationale Phase am 24. März 2006 wurde eine Übersetzung der ursprünglichen englischsprachigen Unterlagen beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht, die mit der DE 11 2004 001 794 T5 am 24. August 2006 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig mit dem Eintritt in die deutsche nationale Phase wurde Prüfungsantrag gestellt.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01J hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1 US 3 997 298 A D2 US 5 233 190 A D3 DE 692 06 523 T2 D4 Schwartz, M. K.: Continuous Flow Analysis. In: ANALYTICAL CHEMISTRY, Vol. 45, 1973, S. 739-743. D5 DE 35 87 975 T2 und D6 DE 699 09 474 T2 verwiesen, wobei die Anmeldung im Zusammenhang mit der Erläuterung des Stands der Technik zusätzlich auf die Druckschriften D7 US 5 886 346 A und D8 GB 2 399 450 A hinweist.
In den Prüfungsbescheiden vom 12. Juli 2012, 12. November 2013 und 12. Mai 2015 sowie im Ladungszusatz für die Anhörung am 26. Juni 2017 hat die Prüfungsstelle die Patentfähigkeit des jeweils beanspruchten Verfahrens unter Verweis auf den ermittelten Stand der Technik verneint. Dieser Einschätzung hat die Anmelderin mit Eingaben vom 31. Januar 2013, 25. April 2014 und 18. Januar 2016 widersprochen und in der am 26. Juni 2017 durchgeführten Anhörung die Patenterteilung mit Anspruchssätzen nach einem Hauptantrag und drei Hilfsanträgen beantragt. Da die Prüfungsstelle die Verfahren des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den ersten beiden Hilfsanträgen als nicht ausführbar und das Verfahren des Anspruchs 1 nach dem dritten Hilfsantrag als dem Fachmann durch Druckschrift D5 i. V. m. Druckschrift D4 nahegelegt angesehen hat, ist die Anmeldung zum Ende der Anhörung zurückgewiesen worden.
Dieser Beschluss ist mit Anschreiben vom 4. Juli 2017 der Anmelderin am 9. Juli 2017 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 3. August 2017 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde mit der nachgereichten Beschwerdebegründung vom 3. April 2019 und der weiteren Eingabe vom 2. Juli 2019.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung sind der Anmelderin die folgenden Druckschriften D9 Hui Tong, Duncan Bell, Keiko Tabei, Marshall M. Siegel; Automated Data Massaging, Interpretation, and E-Mailing Modules for High Throughput Open Access Mass Spectrometry; In: J Am Soc Mass Spectrom 1999, 10, S. 1174–1187; D10 Nelson Huang, Marshall M. Siegel, Gary H. Kruppa, Frank H. Laukien; Automation of a Fourier Transform Ion Cyclotron Resonance Mass Spectrometer for Acquisition, Analysis, and E-mailing of High-Resolution Exact-Mass Electrospray Ionization Mass Spectral Data; In: J Am Soc Mass Spectrom 1999, 10, S. 1166-1173 D11 Michael W. Senko, Christopher L. Hendrickson, Mark R. Emmett, Stone D.-H. Shi, Alan G. Marshall; External Accumulation of Ions for Enhanced Electrospray Ionization Fourier Transform Ion Cyclotron Resonance Mass Spectrometry; In: J Am Soc Mass Spectrom 1997, 8, S. 970-976 zugesendet und auf deren Relevanz für die beanspruchten Verfahren hingewiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019 hat die Anmelderin neben einer neuen Beschreibung einen neuen Anspruchssatz mit Ansprüchen 1 bis 6 vorgelegt.
Sie beantragt:
1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juni 2017 aufzuheben;
2. ein Patent zu erteilen mit der geänderten Bezeichnung „Verfahren zur Massenspektrometrie“, dem PCT-Anmeldetag 24. September 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität GB 0322484.7 vom 25. September 2003 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
- Patentansprüche 1 bis 6, - Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a und 4 bis 18, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019; - 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 9, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am 24. März 2006.
Der in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2019 überreichte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
1. Verfahren der Massenspektrometrie, welches eine Mehrzahl von Zyklen, die zumindest einen ersten Zyklus, einen dem ersten Zyklus direkt nachfolgenden zweiten Zyklus und einen dem zweiten Zyklus direkt nachfolgenden dritten Zyklus aufweist, umfasst, wobei jeder Zyklus die Schritte umfasst:
(a) Vorbereiten von Ionen (1501, 1502, 1503), die mit einem Massenspektrometer (110) zu analysieren sind, wobei die Vorbereitung von Ionen (1501, 1502, 1503) die lonenerzeugung, die Speicherung der Ionen und die lonenhandhabung umfasst;
(b) Verwenden eines Detektors des Massenspektrometers (110), um für die Quantitäten und Massen der in Schritt (a) vorbereiteten Ionen repräsentative Daten zu sammeln (1521, 1522, 1523); und
(c) Verarbeiten der in Schritt (b) gesammelten Daten (1541, 1542, 1543) mit Verarbeitungsmitteln, wobei das Verarbeiten der Daten die Reduktion der Daten vor deren Speicherung umfasst:
wobei die Schritte (b) und (c) jedes Zyklus jeweils einzeln betrachtet längere Zeit als Schritt (a) benötigen und wobei zumindest ein Teil von Schritt (b) jedes Zyklus gleichzeitig mit Teil (c) des direkt vorangehenden Zyklus durchgeführt wird,
wobei Schritt (a) des dritten Zyklus in Antwort auf die in Schritt (c) des ersten Zyklus verarbeiteten Daten gesteuert wird, indem in einem Entscheidungsprozess (1581) die verarbeiteten Daten des ersten Zyklus (1541) verwendet werden, um den Schritt (a) des dritten Zyklus (1503) dadurch zu beeinflussen, dass im dritten Zyklus die Ionenerzeugung verzögert und/oder die Speicherung der Ionen verlängert ist.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 6 und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2019 auch als begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses der Prüfungsstelle für Klasse H01J vom 26. Juni 2017 und zur Erteilung des Patents gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag (§ 79 Abs. 1 PatG i. V. m. § 49 Abs. 1 PatG), denn die geltenden Patentansprüche sind zulässig (§ 38 PatG), und ihre gewerblich anwendbare Lehre (§ 5 PatG) ist sowohl ausführbar (§ 34 Abs. 4 PatG) als auch patentfähig (§§ 1 bis 4 PatG).
Als Fachmann ist hier ein Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Massenspektrometrie zu definieren.
1. Die Anmeldung betrifft ein eine Mehrzahl von Zyklen umfassendes Massenspektrometrieverfahren, wobei jeder Zyklus die Schritte umfasst: (a) Vorbereiten von mit dem Massenspektrometer zu analysierenden Ionen, (b) Verwenden eines Detektors des Massenspektrometers, um für die Quantitäten und Massen der in Schritt (a) vorbereiteten Ionen repräsentative Daten zu sammeln, und (c) Verarbeiten der in Schritt (b) gesammelten Daten mit Verarbeitungsmitteln.
Massenspektrometrieverfahren dienen der Massebestimmung von zu untersuchenden Substanzen, wobei eine Vielzahl unterschiedlicher Massenspektrometrieverfahren existiert, bspw. Quadrupol-Flugzeit (QTOF)-, Kernmagnetresonanz (NMR)-, Fourier-Transformation-Orbitrap (FT-O)- oder Fourier-Transformationlonencyclotronresonanz (FT-ICR)-Verfahren. Ein typisches FT-ICR-Verfahren umfasst in der Regel die nacheinander erfolgenden Schritte:
(i) lonisierung in der lonenquelle; (ii) Sammeln und Vorbereiten der Ionen in der lonenfalle; (iii) Übertragen der Ionen zu der lonenzelle;
(iv) lonendetektion in der ICR-Zelle und Sammlung der Transientendaten der Ionen (v) Bearbeitung der Transientendaten; und (vi) Speichern der verarbeiteten Daten.
Sobald der Speicherschritt (vi) abgeschlossen ist, kann ein neuer Zyklus mit dem lonisationsschritt (i) beginnen, gefolgt durch einen Probenvorbereitungsschritt (ii). Nach den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung würden häufig die in Schritt (iv) gesammelten Daten ohne den Datenverarbeitungsschritt (v) direkt abgespeichert. Dies sei aber insofern nachteilig, als ein aufeinanderfolgendes Durchführen der Schritte der Ionendetektion (iv) und der Datenverarbeitung (v) den Vorteil biete, mit den daraus gewonnen Daten den Messzyklus hinsichtlich der Ionenerzeugung genauer steuern zu können. Andererseits würden bei Massenspektrometrieverfahren in der Regel große Datenmengen erzeugt, weshalb für die Schritte der Ionendetektion (iv) und der Datenverarbeitung (v) verglichen mit den anderen Schritten die meiste Zeit des Massenspektrometrieverfahrens benötigt werde. Wenn daher erst nach Abschluss des Datenverarbeitungs- bzw. -speicherschritts (v, vi) mit dem nächsten Messzyklus begonnen werde, könne dies zu Effizienzverlusten führen. Insbesondere bei der Kombination von Chromatographieund Massenspektrometrieverfahren sei eine Verzögerung zwischen den jeweiligen, die Schritte (i) bis (vi) umfassenden Messzyklen unerwünscht, da nicht sicher sei, wie lange eine durch die Chromatographie bereitgestellte Ausgangssubstanz für die Messung zur Verfügung stehe, vgl. Beschreibungsseiten 1 bis 3, Zeile 15.
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, die aus dem Stand der Technik bekannten Messverfahren zu verbessern, vgl. Beschreibungsseite 3a, dritter Absatz.
Gelöst wird diese Aufgabe durch das Verfahren des Anspruchs 1.
-9Das beanspruchte Verfahren der Massenspektrometrie wird in der Anmeldung insbesondere anhand der nachfolgend wiedergegebenen Figur 6 erläutert, die den zeitlichen Ablauf des Verfahrens von oben nach unten wiedergibt und in der die Länge der Kästen der zeitlichen Dauer der einzelnen Verfahrensschritte entspricht.
Das Verfahren umfasst zumindest einen ersten Zyklus (1501-1561), einen dem ersten Zyklus direkt nachfolgenden zweiten Zyklus (1502-1562) und einen dem zweiten Zyklus direkt nachfolgenden dritten Zyklus (1503-1563), wobei jeder Zyklus die folgenden Schritte aufweist: (a) Ionisieren/Vorbereiten von Ionen (1501, 1502,
1503); (b) Detektieren der in Schritt (a) vorbereiteten Ionen (1521, 1522, 1523); und (c) Verarbeiten der in Schritt (b) gesammelten Daten (1541, 1542, 1543). Die Schritte (b) und (c) jedes Zyklus benötigen, jeweils einzeln betrachtet, längere Zeit als Schritt (a), d. h. die das Detektieren der Ionen betreffenden Schritte (1521, 1522, 1523) und die das Verarbeiten der Daten betreffenden Schritte (1541, 1542, 1543) dauern jeweils länger als die das Ionisieren/Vorbereiten betreffenden Schritte (1501, 1502, 1503). Zusätzlich wird zumindest ein Teil von Schritt (b) jedes Zyklus gleichzeitig mit Teil (c) des direkt vorangehenden Zyklus durchgeführt, d. h. das Detektieren der Ionen (1522, 1523) wird zumindest teilweise gleichzeitig mit dem Verarbeiten (1541, 1542) der im vorangehenden Schritt detektierten Daten durchgeführt.
Durch diese parallele Durchführung der Verfahrensschritte (b) und (c) wird die Gesamteffizienz des Massenspektrometrieverfahrens gesteigert.
Dabei ist für das beanspruchte Verfahren wesentlich, dass Schritt (a) des dritten Zyklus in Antwort auf die in Schritt (c) des ersten Zyklus verarbeiteten Daten gesteuert wird, indem in einem Entscheidungsprozess (1581) die verarbeiteten Daten des ersten Zyklus (1541) verwendet werden, um den Schritt (a) des dritten Zyklus (1503) dadurch zu beeinflussen, dass im dritten Zyklus die Ionenerzeugung verzögert und/oder die Speicherung der Ionen verlängert ist.
Dadurch ist gewährleistet, den Messzyklus trotz der parallelen Datenverarbeitung und Ionendetektion hinsichtlich der Ionenerzeugung steuern zu können.
2. Die in der Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 6 sind zulässig.
Anspruch 1 ist auf die in den Figuren 4 und 6 der Anmeldung offenbarten Verfahren der Massenspektrometrie gerichtet. Er basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 1 und ergibt sich aus diesem durch das Streichen eines Alternativmerkmals und durch die Aufnahme von Zusatzmerkmalen. Deren Offenbarung findet sich in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 1, Zeilen 30 und 31; Seite 3,
Zeile 33 bis Seite 4, Zeile 4; Seite 4, Zeilen 16 bis 31; Seite 5, Zeilen 12 bis 15 und in den Figuren 4 und 6 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 10, Zeile 28 bis Seite 12, Zeile 5 sowie Seite 13, Zeilen 16 bis 26. Dass die anhand der Figuren beschriebenen Verfahren nicht auf die Fourier-Transformation-lonencyclotronresonanz (FT-ICR)-Verfahren beschränkt sind, entnimmt der Fachmann der Beschreibungsseite 1, Zeilen 5 bis 20, wo hervorgehoben wird, dass das anmeldungsgemäße Verfahren auf eine Vielzahl massenspektrometrischer Verfahren anwendbar ist. Da zudem in der ursprünglichen Beschreibung von Fig. 6 auf Seite 13, Zeilen 16 bis 26 hervorgehoben wird, dass die Dauer der Schritte der lonenvorbereitung (150), der Detektion (152) und Datenverarbeitung (154) relativ zueinander variieren, ergibt sich für den Fachmann, dass die im Zusammenhang mit Fig. 6 offenbarte Steuerung des dritten Zyklus durch verzögerte Ionenerzeugung und/oder verlängerte Ionenspeicherung in gleicher Weise für den in Fig. 4 dargestellten zeitlichen Ablauf der Messzyklen gilt.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 sind die angepassten ursprünglichen Ansprüche 2 bis 4 und 19, und die Merkmale des abhängigen Anspruchs 5 sind in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 16 bis 20 offenbart.
3. Die Anmeldung gibt dem Fachmann eine ausführbare Lehre.
Eine Erfindung ist dann so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, wenn die in den Ansprüchen in ihrer allgemeinsten Form umschriebene technische Lehre dem Fachmann in der Anmeldung so deutlich und so detailliert offenbart ist, wie er dies benötigt, um mit Hilfe seiner als vorhanden vorausgesetzten Fachkenntnisse diese technische Lehre der Erfindung zumindest auf einem praktisch gangbaren Weg auszuführen und hierdurch den technischen Erfolg der Erfindung zu erzielen, vgl. BGH GRUR 2015, 472, Rdn. 34 m. w. N. – Stabilisierung der Wasserqualität.
In der Anmeldung ist das beanspruchte Verfahren anhand des Fourier-Transformation-lonencyclotronresonanz (FT-ICR)-Verfahrens ausführlich beschrieben, so dass dem Fachmann ein praktisch gangbarer Weg zur Ausführung der technischen Lehre der Erfindung offenbart wird und folglich die Ausführbarkeit der anspruchsgemäßen Lehre gegeben ist. Da zudem gemäß Beschreibungsseite 1 auch andere Massenspektrometrieverfahren von Anspruch 1 umfasst sein sollen und auf Beschreibungsseite 4 ab Zeile 16 hervorgehoben wird, dass der die Vorbereitung von Ionen betreffende Schritt (a) unterschiedliche Verfahren der Ionenerzeugung und -handhabung aufweisen kann, dass in Schritt (b) statt einer ICRZelle auch andere Detektoren verwendet werden können und dass in Schritt (c) in allgemeiner Form eine Datenbehandlung und -reduktion erfolgt, wird der Fachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse in die Lage versetzt, das beanspruchte Verfahren auf andere massenspektrometrische Verfahren zu übertragen.
4. Das gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Verfahren des Anspruchs 1 ist hinsichtlich des vorgenannten Stands der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG).
Gemäß den beiden letzten Merkmalen des Anspruchs 1 wird zumindest ein Teil von Schritt (b) jedes Zyklus gleichzeitig mit Teil (c) des direkt vorangehenden Zyklus durchgeführt und zusätzlich Schritt (a) des dritten Zyklus in Antwort auf die in Schritt (c) des ersten Zyklus verarbeiteten Daten gesteuert, indem in einem Entscheidungsprozess (1581) die verarbeiteten Daten des ersten Zyklus (1541) verwendet werden, um den Schritt (a) des dritten Zyklus (1503) dadurch zu beeinflussen, dass im dritten Zyklus die Ionenerzeugung verzögert und/oder die Speicherung der Ionen verlängert ist.
Für eine solche Steuerung des Schritts (a) im dritten Zyklus gibt es in dem entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung.
Druckschrift D9 befasst sich als nächstkommender Stand der Technik ähnlich wie die vorliegende Anmeldung mit der Effizienzsteigerung von Massenspektrometrieverfahren (vgl. Seite 1174, rechte Spalte, Zeilen 9 bis 12: „However, there is a growing demand by the chemists for even greater efficiency and productivity of mass spectra with the instrumentation.“) Diese Effizienzsteigerung soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass der nachfolgende Messzyklus nicht nach, sondern bereits während der Verarbeitung und Reduktion der Daten des vorangegangenen Messzyklus beginnt und die Datenverarbeitung parallel zur Messung erfolgen kann (vgl. das Abstract, zweiter Satz: „The data massaging module is a versatile package for data manipulation/reduction which is initialized upon detecting the end of data acquisition and can function in parallel during the data acquisition of the next sample.“). Dazu umfasst das auf Seite 1175 anhand Fig. 1 beschriebene Massenspektrometersystem (Open-Access MS I, II) eine chromatographische Vorrichtung (HPLC), eine Ionisationsvorrichtung wie ESI oder APCI, das Massenspektrometer an sich und einen Messcomputer (Acquisition I, II), der die Messdaten an einen weiteren Computer (Standalone I) weiterleitet, wo die Datenverarbeitung und -reduktion erfolgt. Diese kann gemäß dem dritten Absatz der rechten Spalte von Seite 1175 parallel zum nachfolgenden Messzyklus erfolgen aber auch unabhängig von der eigentlichen Messung offline in einem Batchprozess durchgeführt werden.
Im Einzelnen offenbart Druckschrift D9 mit den Worten des Anspruchs 1 ein Verfahren der Massenspektrometrie, welches eine Mehrzahl von Zyklen, die zumindest einen ersten Zyklus, einen dem ersten Zyklus direkt nachfolgenden zweiten Zyklus und einen dem zweiten Zyklus direkt nachfolgenden dritten Zyklus aufweist, umfasst (scans 1 through 3 bzw. scans 4 through 9 / vgl. S. 1176, rechte Spalte), wobei jeder Zyklus die Schritte umfasst:
(a) Vorbereiten von Ionen (ESI, APCI / vgl. S. 1175, linke Spalte), die mit einem Massenspektrometer (Open-Access MS / vgl. S. 1175, linke Spalte) zu analysieren sind, wobei die Vorbereitung von Ionen die lonenerzeugung (ESI, APCI) die Speicherung der Ionen und die lonenhandhabung umfasst;
(b) Verwenden eines Detektors des Massenspektrometers, um für die Quantitäten und Massen der in Schritt (a) vorbereiteten Ionen repräsentative Daten (raw data / vgl. S. 1175, linke Spalte) zu sammeln; und
(c) Verarbeiten der in Schritt (b) gesammelten Daten (raw data) mit Verarbeitungsmitteln (data massaging module, data interpretation module / vgl. S. 1175, rechte Spalte), wobei das Verarbeiten der Daten die Reduktion der Daten vor deren Speicherung umfasst (Data massaging module. This versatile package for automated data manipulation/ reduction is activated upon detecting the completion of data acquisition at the mass spectrometer / vgl. S. 1175, rechte Spalte):
wobei die Schritte (b) und (c) jeweils einzeln betrachtet längere Zeit als Schritt (a) benötigen und wobei zumindest ein Teil von Schritt (b) jedes Zyklus gleichzeitig mit Teil (c) des direkt vorangehenden Zyklus durchgeführt wird (vgl. das Abstract: „[…] The data massaging module is a versatile package for data manipulation/reduction which is initialized upon detecting the end of data acquisition and can function in parallel during the data acquisition of the next sample.“ // vgl. S. 1175, rechte Spalte, vorletzter Satz des vorletzten Absatzes: „This module can process previously acquired data files in the background during data acquisition of the current sample, or off-line in a batch processing mode.”).
Dass die Ionenvorbereitung auch die Ionenspeicherung umfassen kann und die Schritte (b) und (c) jeweils einzeln betrachtet längere Zeit als Schritt (a) benötigen können, ist in Druckschrift D9 zwar nicht explizit beschrieben, jedoch ergeben sich diese Merkmale in naheliegender Weise aus den Erläuterungen auf Seite 1175, rechte Spalte, wo hervorgehoben wird, dass die Datenverarbeitung zahlreiche sich mehrfach wiederholende Verarbeitungsschritte umfassen und folglich länger als die Ionenvorbereitung dauern kann, und aus dem auf Seite 1187 im Kapitel „Conclusions“ erfolgenden Verweis auf Druckschrift D10, wo ein Zeitraum von 0,5 bis 5 Sekunden für die Ionenvorbereitung bzw. -speicherung (vgl. D10, Seite 1167, Mitte der linken Spalte) und eine Zeitdauer von 1 Sekunde für die Datenerfassung (vgl. D10, Seite 1168, Mitte der linken Spalte) genannt sind.
Jedoch findet sich weder in den Druckschriften D9 und D10 noch im weiteren entgegengehaltenen Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1 bis D8 und D11 ein Hinweis bezüglich des letzten Merkmals von Anspruch 1, wonach Schritt (a) des dritten Zyklus in Antwort auf die in Schritt (c) des ersten Zyklus verarbeiteten Daten gesteuert wird, indem in einem Entscheidungsprozess (1581) die verarbeiteten Daten des ersten Zyklus (1541) verwendet werden, um den Schritt (a) des dritten Zyklus (1503) dadurch zu beeinflussen, dass im dritten Zyklus die Ionenerzeugung verzögert und/oder die Speicherung der Ionen verlängert ist.
Denn statt einer solchen Steuerung der den übernächsten Messzyklus betreffenden Ionenvorbereitung lehrt Druckschrift D9 den Fachmann, die Datenverarbeitung unabhängig von der Datenerfassung durchzuführen, bspw. zu einem späteren Zeitpunkt offline in einem Batchprozess, vgl. deren Seite 1175, rechte Spalte. Druckschrift D9 führt den Fachmann somit weg von der anspruchsgemäßen Lösung hin zu einem möglichst durchsatzstarken Messverfahren ohne eine Steuerung der Ionenvorbereitung mit Hilfe der Datenverarbeitung.
Auch die Druckschriften D10 und D11 können dem Fachmann keine diesbezügliche Anregung geben. Sie beschreiben zwar den Einsatz von Ionenfallen in FTICR-Massenspektrometern, doch findet sich auch dort kein Hinweis bezüglich einer Steuerung der Ionenvorbereitung entsprechend dem letzten Merkmal des Anspruchs 1.
Die weiteren Druckschriften D1 bis D8 liegen weiter ab und haben daher in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt. So betreffen die Druckschriften D1,
D2 und D5 bis D8 verschiedene Arten von Massenspektrometern, insbesondere FT-ICR-Massenspektrometern, und die Druckschrift D3 die Ausbildung von Ionenfallen, doch findet sich auch in diesen Druckschriften kein Hinweis bezüglich einer Steuerung der Ionenvorbereitung entsprechend dem letzten Merkmal des Anspruchs 1.
Druckschrift D4 befasst sich in allgemeiner Form mit der Steigerung des Durchsatzes chemischer Analysen und empfiehlt in diesem Zusammenhang die gleichzeitige Analyse verschiedener Bestandteile der zu untersuchenden Proben, vgl. deren Seite 741. Das Merkmal des Anspruchs 1, betreffend die Steuerung von Schritt (a) des dritten Zyklus ist jedoch auch durch Druckschrift D4 weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Eine Anregung bezüglich des letzten Merkmals von Anspruch 1 kann dem Fachmann demnach keine der Druckschriften D1 bis D11 geben.
Das Verfahren nach Anspruch 1 ist daher neu gegenüber den Druckschriften D1 bis D11, und es wird dem Fachmann durch diesen Stand der Technik auch nicht nahegelegt, so dass es patentfähig ist.
5. Dem Anspruch 1 können sich die Unteransprüche 2 bis 6 anschließen, da sie das Verfahren nach Anspruch 1 vorteilhaft weiterbilden. Zudem ist in der geltenden Beschreibung mit Zeichnung das Verfahren gemäß den Ansprüchen ausreichend erläutert.
6. Bei dieser Sachlage war das Patent im beantragten Umfang zu erteilen.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der Anmelderin – vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Beschwer – das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form. Zur Entgegennahme elektronischer Dokumente ist die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofs bestimmt. Die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofs ist über die auf der Internetseite www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar. Die Einreichung erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Elektronische Dokumente sind mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen.
Dr. Strößner Dr. Friedrich Dr. Himmelmann Dr. Kapels prö