VIII ZR 129/24
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZR 129/24 BESCHLUSS vom 17. Juni 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:170625BVIIIZR129.24.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, den Richter Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand, Dr. Matussek und Dr. Böhm beschlossen:
Der Kläger wird, nachdem er die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am 27. Juni 2024 verkündete Urteil des 19. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Die von der Streithelferin zu 2 geführte Beschwerde der Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger zu 2/3 und der Streithelferin zu 2 zu 1/3 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 hat der Kläger zu tragen. Die Streithelferin zu 2 hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gegenstandswert: 77.507,87 € (Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers: 77.507,87 €; Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1: 7.300 €).
Gründe:
I.
Der Kläger erwarb im Mai 2019 von der Beklagten zu 1 ein von der Streithelferin zu 2 hergestelltes Wohnmobil K. 65.000 €. Das Basisfahrzeug, ein F.
zum Kaufpreis von , das über einen 2,3 Liter-Dieselmotor verfügt, ist von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 hergestellt worden.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - die Beklagte zu 1 zuletzt auf Zahlung eines Minderungsbetrags, mindestens jedoch in Höhe von 16.250 €, nebst Zinsen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere über diesen Betrag hinausgehende Schäden in Anspruch genommen. Ferner hat er von der Beklagten zu 2 unter anderem die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 71.007,87 € nebst Zinsen abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sowie die Feststellung der Pflicht zum Ersatz von weiteren Schäden begehrt.
Er hat geltend gemacht, in dem Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zu 1 verurteilt, an den Kläger einen Minderungsbetrag in Höhe von 6.500 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger weiteren Schadensersatz für alle Schäden zu zahlen, die aus dem Vorhandensein eines unzulässigen Thermofensters resultieren und über den reinen Minderwert des Fahrzeugs hinausgehen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
Gegen diese Entscheidung haben der Kläger und die Streithelferin zu 2 - für die Beklagte zu 1 - Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Kläger hat seine - allein gegen die Beklagte zu 2 gerichtete - Beschwerde mittlerweile zurückgenommen.
II.
1. Der Kläger ist, nachdem er seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig zu erklären (§ 555 Abs. 5 Nr. 2, § 516 Abs. 3 ZPO).
2. Die von der Streithelferin zu 2 für die Beklagte zu 1 geführte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
a) Der Wert der Beschwer bemisst sich nach der Beschwer der Beklagten zu 1. Das Rechtsmittel eines einfachen Streithelfers - wie hier der Streithelferin zu 2 - ist stets ein Rechtsmittel der Hauptpartei, ohne dass er dabei selbst in eine Parteirolle gelangt; vielmehr liegt in seiner Rechtsmitteleinlegung nur die Erklärung, das Rechtsmittel der von ihm bei seinem Beitritt bezeichneten Partei unterstützen zu wollen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88, NJW 1990, 190 unter 1 b; vom 26. März 1997 - IV ZR 137/96, VersR 1997, 1088 unter 1 a; vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12, NJW-RR 2014, 1053 Rn. 8; Beschluss vom 23. August 2016 - VIII ZB 96/15, WuM 2016, 688 Rn. 15; jeweils mwN). Für die Beurteilung, ob die erforderliche Beschwer gegeben ist, ist deshalb allein auf die Person der unterstützten Partei und deren Interesse an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2024 - II ZR 223/22, ZInsO 2024, 2412 Rn. 5 f. mwN).
Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht - gegebenenfalls auch im Wege der Schätzung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - VIII ZR 30/22, juris Rn. 6; vom 17. Dezember 2024 - VIII ZR 307/23, juris Rn. 9; jeweils mwN) - selbst zu befinden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Dezember 2023 - VIII ZR 22/23, WuM 2024, 478 Rn. 10; vom 13. August 2024 - VIII ZR 139/23, ZfSch 2024, 680 Rn. 6; vom 17. Dezember 2024 - VIII ZR 307/23, aaO; jeweils mwN). Als Grundlage hierfür dienen nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat oder die jedenfalls in Verbindung mit der Berufungsentscheidung offenkundig sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. November 2022 - VIII ZR 26/22, WuM 2023, 228 Rn. 6; vom 17. Dezember 2024 - VIII ZR 307/23, aaO; jeweils mwN). Für ein von einem Streithelfer geführtes Rechtsmittel der Partei gilt nichts Anderes (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 - X ZR 8/96, NJW 1999, 2046 unter I; vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 25; Beschluss vom 24. Mai 2012 - VII ZR 24/11, NJW 2012, 1957 Rn. 6).
b) Ausgehend hiervon beträgt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer der Beklagten zu 1 (höchstens) 7.300 € und nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint, 54.187,51 €.
aa) Die Beklagte zu 1 ist zur Zahlung von 6.500 € verurteilt worden und ist in dieser Höhe durch das Berufungsurteil beschwert. Soweit die Beklagte zu 1 darüber hinaus zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist, bleiben diese als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bei der Wertermittlung außer Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2023 - VIII ZR 22/23, WuM 2024, 478 Rn. 12).
bb) Darüber hinaus wendet sich die Streithelferin zu 2 gegen die von dem Berufungsgericht getroffene Feststellung, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger weiteren Ersatz für alle Schäden zu zahlen, die aus dem Vorhandensein eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung resultieren und über den - mit 6.500 € bemessenen - Minderwert des Fahrzeugs hinausgehen. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt diesbezüglich höchstens 800 € (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - VIII ZR 369/19, juris Rn. 15 ff.; vom 27. März 2023 - VIa ZR 102/22, juris Rn. 6; jeweils mwN).
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Wert einer positiven Feststellungsklage im Regelfall in der Weise zu bemessen, dass von dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage im Hinblick darauf, dass der Kläger mit einem Feststellungsausspruch keinen vollstreckbaren Titel erhält, ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. August 2018 - VIII ZB 1/18, juris Rn. 21; vom 26. September 2023 - VI ZR 269/21, NJW 2023, 3584 Rn. 11; jeweils mwN). Geht es um die Feststellung zum Ersatz künftigen Schadens, bemisst sich das konkrete wirtschaftliche Interesse der Partei nicht allein nach der Höhe des drohenden Schadens, sondern auch danach, wie hoch oder wie gering das Risiko eines Schadenseintritts und einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 1990 - VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991, 509 unter II 3 b; vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08, NJW 2009, 920 Rn. 6; jeweils mwN; vom 26. September 2023 - VI ZR 269/21, aaO Rn. 10). Denn die Bedeutung eines solchen Feststellungsanspruchs ist zwangsläufig größer, wenn der Schaden in absehbarer Zeit erkennbar droht als dann, wenn es sich nur um eine entfernt liegende, mehr theoretische, aber nicht völlig auszuschließende Möglichkeit handelt. Die Gefahr der Verwirklichung der festgestellten Schadensersatzpflicht kann im Einzelfall so unwahrscheinlich sein, dass der Feststellung jede selbständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt oder nur der Ansatz eines "Erinnerungswerts" gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 1990 - VIII ZB 27/90, aaO mwN; BayObLG, Beschluss vom 10. März 2025 - 101 AR 5/25 e, juris Rn. 32; OLG Brandenburg, ZfSch 2020, 25 Rn. 19).
(2) Der Wert der danach zu bestimmenden Beschwer der Beklagten zu 1 beträgt im vorliegenden Fall jedenfalls nicht mehr als 800 € und nicht - wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint - 47.687,51 € (65.000 € [Kaufpreis] 5.390,61 € [Nutzungsentschädigung] - 20 % [Feststellungsabschlag]). Der Kläger hat zwar - worauf die Nichtzulassungsbeschwerde im Ausgangspunkt zutreffend verweist - geltend gemacht, im vorliegenden Fall könne die Stilllegung des Fahrzeugs drohen und in diesem Fall sei ein Minderwert von mindestens 90 % gerechtfertigt. Dass in absehbarer Zeit tatsächlich die Stilllegung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und der Eintritt hieraus resultierender Schäden zu erwarten sind, haben die von der Streithelferin zu 2 geführte Nichtzulassungsbeschwerde und die Streithelferin zu 1 innerhalb der Begründungsfrist jedoch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass das KraftfahrtBundesamt bereits im Jahr 2016 die italienische Zulassungsbehörde von ersten Verdachtsfällen betreffend unzulässige Abschalteinrichtungen bei F. motoren unterrichtete, diese aber nach eigenen Untersuchungen keinen Anlass zum Einschreiten sah. Aus diesen Gründen ist die Beschwer der Beklagten zu 1 mit Blick auf den nur sehr vagen Vortrag des Klägers zu etwaigen weiteren Schäden unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % mit nicht mehr als 800 € zu bewerten (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - VI ZR 281/20, juris Rn. 7; vom 1. Juli 2021 - III ZR 253/20, juris Rn. 5); zumal der Kläger sein Feststellungsinteresse in der Berufungsbegründung - worauf die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist und anders als die Streithelferin zu 1 meint - lediglich damit begründet hat, dass ihm über den bezifferten Betrag hinaus weitere Schäden, wie etwa eine nachzuentrichtende Kraftfahrzeugsteuer, entstehen könnten.
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, da die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ab.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2, § 555 Abs. 5 Nr. 2, § 516 Abs. 3 ZPO. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 aufgrund der Zurücknahme nur eine Gerichtsgebühr anfällt (vgl. Nr. 1243 KV GKG), während im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger zwei Gerichtsgebühren zu berechnen sind (vgl. Nr. 1242 KV GKG; siehe auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZR 154/16, juris Rn. 11). Der Beklagten zu 1 waren die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht (anteilig) aufzuerlegen, da die Beklagte zu 1 als die von der Streithelferin zu 2 unterstützte Hauptpartei im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren untätig geblieben ist (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 1967 - II ZR 30/67, BGHZ 49, 183, 195 ff.; vom 15. Juni 2021 - XI ZR 568/19, BGHZ 230, 161 Rn. 49).
Dr. Bünger Dr. Matussek Dr. Schmidt Dr. Böhm Wiegand Vorinstanzen: LG Itzehoe, Entscheidung vom 19.12.2023 - 7 O 43/22 OLG Schleswig, Entscheidung vom 27.06.2024 - 19 U 51/24 -