AnwZ (Brfg) 42/17
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AnwZ (Brfg) 42/17 vom
20. November 2017 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2017:201117BANWZ.BRFG.42.17.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwälte Dr. Braeuer und Dr. Lauer am 20. November 2017 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 7. Juni 2017 verkündete Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger war von 1987 bis 1989 sowie von 1992 bis 2001 als Rechtsanwalt zugelassen. Im Jahr 2001 wurde seine Zulassung wegen Vermögensverfalls widerrufen. Am 17. September 2009 wurde der Kläger von der Beklagten wieder als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 14. März 2016 widerrief die Beklagte erneut die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 und vom 20. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5). Für verwaltungsbehördliche Rücknahme- oder Widerrufsverfügungen in berufs- oder gewerberechtlichen Zulassungsverfahren gibt das materielle Recht regelmäßig den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die gerichtliche Überprüfung vor. Dies folgt vor allem daraus, dass das materielle Recht in den genannten Fällen ein - wenn auch nicht stets ausdrücklich geregeltes - eigenständiges Wiederzulassungsverfahren vorsieht, in dem alle nachträglichen Umstände Berücksichtigung finden (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 15 mwN). Das anwaltliche Berufsrecht weist in materieller Hinsicht keine Besonderheiten auf, die es gebieten würden, bei der gerichtlichen Entscheidung über den Zulassungswiderruf einen zweifelsfreien nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes zu berücksichtigen. Nach den materiell-rechtlichen Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Zulassungswiderrufs der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Ebenso wie in zahlreichen anderen Berufsordnungen ist der Bundesrechtsanwaltsordnung eine Trennung zwischen dem Widerruf der Zulassung (§ 14 Abs. 2 BRAO) und der (Wieder-)Zulassung (§§ 6, 7 BRAO) immanent. Daher besteht eine mit dem sonstigen Berufszulassungsrecht oder dem Gewerberecht im Kern übereinstimmende Sachlage. Der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens bewirkt auch hier eine - im gerichtlichen Verfahren zu beachtende - Zäsur, durch die eine Berücksichtigung danach eintretender Umstände einem späteren Wiedererteilungsverfahren zugewiesen wird (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 14 f. mwN).
Die Begründung des Zulassungsantrags gibt keine Veranlassung zu einer erneuten Überprüfung der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Senats. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Hinausschiebung des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen oder gar unzumutbaren Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl (Senat, Beschlüsse vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 17 und vom 20. Mai 2015, aaO). Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit, das heißt ohne Sperrfrist, einen entsprechenden Antrag stellen (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 18). Dieser setzt nicht voraus, dass der Anfechtungsprozess abgeschlossen ist. Sind die Voraussetzungen für die Wiederzulassung erfüllt, ist die Rechtsanwaltskammer vielmehr unabhängig davon zur Wiederzulassung verpflichtet und kann gegebenenfalls der Rechtsanwalt gegen einen ablehnenden Bescheid gerichtlich vorgehen und dieses Verfahren mit dem Anfechtungsprozess verbunden werden. Auf diese Weise kann bei zweifelsfreiem Wegfall des Widerrufsgrundes eine lückenlose Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sichergestellt werden (Senat, Beschluss vom 20. Mai 2015, aaO).
Die Rechtsprechung des Senats zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkt widerspricht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Nach letzterer ist entscheidend, ob nach dem materiellen Recht ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts - hier: auf Aufhebung des Widerrufsbescheids vom 14. März 2016 - besteht (vgl. BVerwGE 51, 15, 24; BVerwG, NVwZ 1991, 360; Eyermann/Schmidt, VwGO 14. Aufl., § 113 Rn. 45 f. mwN). Bestandteil des für den Widerruf einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft maßgeblichen materiellen Rechts sind nicht nur die Voraussetzungen eines solchen Widerrufs gemäß § 14 Abs. 2 BRAO, sondern - wie ausgeführt - auch die im Zulassungsrecht angelegte Trennung zwischen dem Widerruf der Zulassung (§ 14 Abs. 2 BRAO) und der (Wieder-)Zulassung (§§ 6, 7 BRAO). Aus dem Umstand, dass das materielle Recht ein eigenständiges Wiederzulassungsverfahren vorsieht, in dem alle nachträglichen Umstände Berücksichtigung finden, folgt daher für die Anfechtung eines Zulassungswiderrufs, dass allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist (Senat, Beschluss vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 57/16, juris Rn. 7).
b) Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass die mangelnde Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 12. März 2016 durch die Beklagte unerheblich ist. Das rechtliche Gehör des Klägers ist hierdurch nicht verletzt worden.
Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 14. März 2016 in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 882b ZPO) zehn den Kläger betreffende Eintragungen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4 und vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5; jeweils mwN). Ein solches Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten hat der Kläger - trotz entsprechender ausführlicher Hinweise der Beklagten (Schreiben vom 21. Januar 2016, S. 2) nicht vorgelegt. Die in seinem Schriftsatz vom 12. März 2016 enthaltenen und nicht weiter belegten Angaben sind unsubstantiiert und vage. Dem Kläger musste angesichts der detaillierten Hinweise der Beklagten vor Augen stehen, dass seine Ausführungen bei weitem nicht ausreichen würden, um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Vor diesem Hintergrund wäre die Beklagte auch bei Kenntnisnahme des Schreibens nicht gehalten gewesen, den Kläger - erneut - auf das Erfordernis weiteren Vortrags hinzuweisen und ihm hierzu Gelegenheit zu geben.
2. Die Rechtssache weist aus den vorstehend (zu 1a) genannten Gründen keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Schließlich liegen auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat weder gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen noch den Sachverhalt unvollständig aufgearbeitet.
Soweit der Kläger im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof und mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die positive Entwicklung seines Einkommens und Ratenzahlungsvereinbarungen mit Gläubigern hingewiesen hat, genügt dies - wie ausgeführt - nicht zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls, solange der Kläger nicht ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegt. Dies ist bis heute nicht geschehen. Zudem handelt es sich bei den vom Kläger vorgetragenen Tatsachen, soweit sie hinreichend konkret dargelegt sind, ausweislich der vorgelegten Belege um Entwicklungen und Umstände, die erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 14. März 2016 eingetreten sind. Sie waren vom Anwaltsgerichtshof bereits aus diesem Grunde nicht zu berücksichtigen.
Weiterer Hinweise seitens des Anwaltsgerichtshofs, welcher Sachvortrag und welche Dokumente zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls erforderlich sind, bedurfte der Kläger angesichts der entsprechenden ausführlichen Hinweise der Beklagten nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Bünger Remmert Braeuer Lauer Vorinstanz: AGH Berlin, Entscheidung vom 07.06.2017 - II AGH 5/16 -