XII ZR 46/22
BUNDESGERICHTSHOF XII ZR 46/22 BESCHLUSS vom 3. Mai 2023 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2023:030523BXIIZR46.22.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2023 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird die Revision gegen den Beschluss des 32. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Mai 2022 unter Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen, soweit die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 11. Oktober 2021 hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von 15.232 € nebst hierauf entfallender Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juli 2021 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Revision des Beklagten wird der vorgenannte Beschluss im Kostenpunkt und im Umfang der zugelassenen Revision aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: 46.648 €
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt als Verpächterin Räumung und Herausgabe einer an den Beklagten verpachteten Gaststätte mit Biergarten sowie Zahlung von rückständiger Pacht.
Aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19Pandemie musste der Beklagte ab November 2020 seine Gaststätte und den Biergarten schließen. Ab dem 18. Mai 2021 war der Betrieb des Biergartens und ab dem 25. Mai 2021 der Betrieb der Innengastronomie unter Hygieneauflagen wieder möglich.
In der Zeit von Januar bis Oktober 2021 erbrachte der Beklagte die vertraglich vereinbarten Pachtzahlungen in Höhe von monatlich 3.808 € nicht. Deshalb kündigte die Klägerin aufgrund der Zahlungsrückstände das Pachtverhältnis mit Schreiben vom 16. Juni 2021 und vom 23. September 2021 außerordentlich.
Nachdem der Beklagte im Oktober 2021 staatliche Corona-Hilfen erhalten hatte, beglich er am 13. Oktober 2021 die Pachtrückstände in vollem Umfang.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks sowie zur Zahlung von 15.232 € nebst Zinsen verurteilt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2022 hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Nichtzulassungsbeschwerde.
In der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung hat die Klägerin (einseitig) die Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Zahlungsklage erklärt.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Sie hat hinsichtlich der Zahlungsklage und der hieraus zugesprochenen Zinsen Erfolg. Die in diesem Umfang zuzulassende Revision des Beklagten führt insoweit gemäß §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegt.
1. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 15.232 € nebst Prozesszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9. Juli 2021 zurückgewiesen hat. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Beschluss insoweit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten unberücksichtigt gelassen hat.
a) Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, weil das Berufungsgericht den von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 23. März 2022, er habe die rückständige Pacht für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2021 vollständig gezahlt, übergangen hat. Das übergangene Vorbringen des Beklagten war wegen der Erfüllungswirkung der Zahlung (§ 362 Abs. 1 BGB) entscheidungserheblich. Damit beruht die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Gehörsverstoß.
b) Die Gehörsverletzung betrifft einen abgrenzbaren Teil der angefochtenen Entscheidung und rechtfertigt daher die Zulassung der Revision nur in diesem Umfang.
aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist zulässig und damit wirksam, wenn der von der Zulassung erfasste Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Dabei muss es sich nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln und der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (st. Rspr.; vgl. BGHZ 233, 16 = NJW-RR 2022, 740 Rn. 17 mwN und BGHZ 230, 161 = NJW-RR 2022, 61 Rn. 15 mwN).
bb) Danach ist eine Zulassung der Revision nur mit Blick auf die von der Gehörsrüge angesprochene Zahlung des Beklagten auf die klageweise geltend gemachte Forderung nebst der insoweit zuerkannten Zinsen hieraus möglich und geboten. Der von der Gehörsverletzung betroffene Teil des Streitstoffs ist einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vom übrigen Prozessstoff unabhängigen Beurteilung zugänglich. Ein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs kann bei einer Zurückverweisung der Sache nicht auftreten.
2. Auf die Revision des Beklagten ist der Beschluss des Berufungsgerichts gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Umfang der Zulassung aufzuheben und der Rechtsstreit in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die angefochtene Entscheidung insoweit auf dem Gehörsverstoß beruht.
3. Im Übrigen bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insoweit wird von einer weiteren Begründung abgesehen, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Guhling Botur Klinkhammer Krüger Günter Vorinstanzen: LG München II, Entscheidung vom 11.10.2021 - 2 O 2125/21 OLG München, Entscheidung vom 04.05.2022 - 32 U 7551/21 -