3 StR 126/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 126/24 BESCHLUSS vom 7. August 2024 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:070824B3STR126.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) bb) und 2. auf dessen Antrag am 7. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 14. Dezember 2023 a) geändert aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Handeltreiben mit Cannabis sowie in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, und des Handeltreibens mit Cannabis in vier Fällen schuldig ist,
bb) im Einziehungsausspruch dahin, dass die über 40.875 € hinausgehende Einziehung des Wertes von Taterträgen entfällt,
b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1., 3., 5. bis 8., 11. und 13. der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 44.175 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschloss sich der Angeklagte im Herbst 2021 dazu, sich durch den wiederholten und gewinnbringenden Verkauf von Betäubungsmitteln eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, um so die Kosten seines täglichen Lebensbedarfs und seines Eigenkonsums decken zu können.
Im Zuge dessen erwarb er am 23. Februar 2022 200 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 27,6 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) sowie Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 13,7 Gramm Amphetaminbase und veräußerte die Rauschmittel in der Folge (Fall II. 1. der Urteilsgründe [fortan: Fall 1]). Am 10. März 2022 bestellte er bei seinem Dealer 50 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 38,7 Gramm Kokainhydrochlorid, das er nach dem Erhalt verkaufte (Fall 2). Ende März 2022 bezog er 200 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 27,6 Gramm THC sowie 100 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 13,7 Gramm Amphetaminbase und veräußerte den Handelsbestand in der Folge (Fall 3). Mitte des Jahres 2022 verkaufte er zuvor erworbene 100 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 13,7 Gramm Amphetaminbase (Fall 4).
In dem Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August 2022 - insoweit handelt es sich bei der aus den Feststellungen ersichtlichen Jahreszahl 2023 offenkundig um einen Schreibfehler - setzte der Angeklagte bei vier Gelegenheiten getrennt bezogene Handelsbestände von jeweils 500 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von jeweils 69 Gramm THC ab (Fälle 5 bis 8). Ende April oder Anfang Mai 2022 veräußerte er zuvor erworbene 25 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 19,35 Gramm Kokainhydrochlorid (Fall 9). Im August 2022 verkaufte er einen gesondert bezogenen Handelsbestand von 20 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 15,48 Gramm Kokainhydrochlorid (Fall 10).
Am 15. November 2022 bestellte der Angeklagte bei seinem Dealer 110 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 85,14 Gramm Kokainhydrochlorid und 500 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 69 Gramm THC. Nach der Übergabe behielt er 10 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 7,71 Gramm Kokainhydrochlorid für den Eigenkonsum. Den übrigen Bestand veräußerte er (Fall 11). Ende November 2022 erwarb er ein Kilogramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 137 Gramm Amphetaminbase und Ecstasy-Tabletten, die 28 Gramm MDMA-Hydrochlorid enthielten; die Betäubungsmittel verkaufte er in der Folge ebenfalls (Fall 12).
Am 22. Februar 2023 lagerte der Angeklagte in seiner Wohnung 4,42 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 3,83 Gramm Kokainhydrochlorid für den Eigenkonsum und 97,37 Gramm Marihuana mit 16 Gramm THC zum Weiterverkauf. Er bewahrte hierbei in unmittelbarer Nähe zu den Verkaufsutensilien ein Einhand-Klappmesser auf, das der Absicherung des unweit entfernten Handelsbestandes diente (Fall 13).
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt in den Fällen 1, 3, 5 bis 8, 11 und 13 sowohl zur Änderung des Schuldspruchs als auch zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und in der Folge des Gesamtstrafausspruchs.
a) Hinsichtlich der benannten Fälle hat der Schuldspruch keinen Bestand, weil der strafbewehrte Umgang mit Marihuana seit dem 1. April 2024 dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109) unterfällt (§ 1 Nr. 4 KCanG), das hier nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO als das gegenüber dem zur Tatzeit geltenden Betäubungsmittelgesetz mildere Recht anzuwenden ist:
aa) Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, juris Rn. 5 mwN) für den Angeklagten günstiger als das Tatzeitrecht.
(1) In Fall 13 hat die Strafkammer unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 31 BtMG einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen. Da Marihuana den Gegenstand der Handelsmenge bildete,
kommt nunmehr - neben dem tateinheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln in Bezug auf das Kokain (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) - eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG) mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen zwischen drei Monaten und fünf Jahren in Betracht. Eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ist ab einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC gegeben (s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, juris Rn. 8 f.). Dabei ist es grundsätzlich eine vom Tatgericht zu entscheidende Wertungsfrage, ob ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis vorliegt (s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, juris Rn. 10).
Die Strafkammer hat allerdings neben einer Vielzahl strafmildernd berücksichtigter Umstände dem Gesichtspunkt der durch den Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe besonderes Gewicht beigemessen. Vor diesem Hintergrund ist - unbeschadet des Wegfalls des unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrundes, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handelt (s. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 9. Juli 2024 - 3 StR 220/24, juris Rn. 8 mwN) - auszuschließen, dass das Landgericht keinen minder schweren Fall gemäß § 34 Abs. 4 Alternative 2 KCanG unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes des § 35 KCanG angenommen hätte. Dieser Ausnahmestrafrahmen stellt sich gegenüber dem Tatzeitrecht als für den Angeklagten günstiger im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB dar.
(2) In den Fällen 5 bis 8 erweisen sich die Strafvorschriften des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG aufgrund entsprechender Erwägungen als milderes Gesetz. In Anbetracht des Gewichts, das die Strafkammer der Aufklärungshilfe zuerkannt hat, kommt allein in Betracht, dass sie entweder - unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes des § 35 KCanG - von der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 Satz 2 KCanG abgesehen und damit den Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG zur Anwendung gebracht oder zumindest von der Milderungsmöglichkeit der § 35 Satz 1 KCanG, § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hätte. In beiden Fällen stellen sich die dann eröffneten Strafrahmen als günstiger gegenüber demjenigen des § 29a Abs. 2 BtMG dar, den die Strafkammer zugrunde gelegt hat.
(3) In den Fällen 1, 3 und 11 tritt jeweils eine tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zu derjenigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie - im Fall 11 - Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu. Denn die Herausnahme des tatgegenständlichen Marihuanas aus dem Betäubungsmittelgesetz und seine gesonderte Erfassung durch das Konsumcannabisgesetz lässt aufgrund des damit verbundenen geringeren Unrechts- und Schuldgehalts dieses Gesetzesverstoßes hier Raum für eine mildere Bestrafung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2024 - 3 StR 214/24, juris Rn. 7; vom 29. Mai 2024 - 3 StR 142/24, juris Rn. 7; zur Bedeutung des Günstigkeitsvergleichs auch für den Schuldspruch s. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2024 - 3 StR 167/24, juris Rn. 5; vom 3. Mai 2022 - 6 StR 150/22, NStZ-RR 2022, 200).
bb) Hinsichtlich der Fälle 1, 3, 5 bis 8, 11 und 13 ist der Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
b) Die für diese Fälle verhängten Einzelstrafen sind aufzuheben, weil angesichts der nach neuem Recht milderen Strafandrohung beziehungsweise des geringeren Schuld- und Unrechtsgehalts der Marihuana betreffenden Taten nicht auszuschließen ist, dass die Strafkammer auf geringere Strafen erkannt hätte. Das vom Generalbundesanwalt angeregte Vorgehen nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO kommt bei der zugleich notwendigen Schuldspruchänderung nicht in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05 u.a., BVerfGE 118, 212, 242 ff.). Die Aufhebung der genannten Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Die jeweils zugehörigen Feststellungen sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.
3. Der Einziehungsausspruch unterliegt der Änderung der Höhe nach. Der Wert der vom Angeklagten aus den gegenständlichen Taten erzielten Erträge bemisst sich nach den getroffenen Feststellungen auf insgesamt 40.875 €. Bei der gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB angeordneten Einziehung ist dem Landgericht ein in den Urteilsgründen offengelegter Rechenfehler unterlaufen. Daher ist der Einziehungsbetrag analog § 354 Abs. 1 StPO zu reduzieren.
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Berg Anstötz RiBGH Dr. Kreicker sowie Ri’inBGH Welnhofer-Zeitler befinden sich im Urlaub und sind deshalb gehindert zu unterschreiben.
Berg Erbguth Vorinstanz: Landgericht Koblenz, 14.12.2023 - 6 KLs 2090 Js 55181/22