5 Ni 22/17
BUNDESPATENTGERICHT Ni 22/17 (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 9. Juli 2019 …
In der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BPatG:2019:090719U5Ni22.17.0 betreffend das deutsche Patent 10 2012 008 262 hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2019 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel, Dr.-Ing. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Brunn für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2012 008 262 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2012 008 262 (Streitpatent), das am 25. April 2012 angemeldet worden ist. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung: „Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil“ und umfasst 10 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Patentanspruch 1, auf den sich die Ansprüche 2 bis 10 direkt oder indirekt zurückbeziehen, lautet in der erteilten Fassung nach der Streitpatentschrift (DE 10 2012 008 262 B4):
Wegen der Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen. Mit ihrer Klage vom 29. August 2017 macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur fehlenden Patentfähigkeit stützt sich die Klägerin auf folgende Dokumente: E1 US 3 744 262 A E2 US 5 620 715 A E3 DE 10 2005 033 014 A1 E4 US 3 945 872 B1 E5 DE 197 08 716 A1 E6 EP 0 365 951 A2 E7 EP 0 947 307 B1 E8 DE 1 289 293 B E9 US 4 357 381 A E10 US 5 927 399 A E11 DE 40 33 672 A1 E12 DE 690 06 530 T2 Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 10 2012 008 262 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise nach Maßgabe des mit Schriftsatz vom 15.03.2019 eingereichten Hilfsantrags.
Die Klägerin tritt auch der Fassung der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag entgegen.
Mit der Fassung nach dem Hilfsantrag verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit dem zusätzlichen Merkmal im Oberbegriff von Patentanspruch 1,
„wobei die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung als eine Einstellung auf das Formteil durch den Bediener erlaubende, bewegliche Düsen ausgebildet sind,“
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung nicht erweitert. Gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sei er neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er dem Fachmann am Anmeldetag nicht nahegelegen habe. Das Streitpatent sei daher zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung bestandsfähig.
Der Senat hat die Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 12. Februar 2019 auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.
Entscheidungsgründe A.
Die Klage ist zulässig und begründet, da das Streitpatent in der erteilten Fassung mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären ist. Die streitpatentgemäße Vorrichtung mag zwar neu sein, beruht jedoch vor dem Hintergrund des geltend gemachten Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie dem Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents nahegelegt war. Das Streitpatent kann auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag keinen Bestand haben, denn auch dieser Gegenstand ist nicht patentfähig.
I.
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil. Das mit derartigen Vorrichtungen angewandte Verfahren wird als Thermoformen oder als (Vakuum-) Tiefziehen von Kunststoffen bezeichnet. Dabei spielt bei dem Verfahren der Temperaturhaushalt für das Bauteil eine wichtige Rolle, da sowohl eine optimale Erwärmung des plattenförmigen Ziehteils als auch eine schnelle, jedoch verzugsfreie Abkühlung des gezogenen Teils von großer Bedeutung sind.
Derartige Vorrichtungen weisen gemäß Ausführungen im Streitpatent Einrichtungen zur pneumatischen Kühlung der verformten Platte oder des verformten Folienabschnittes auf (Absatz [0002] der Streitpatentschrift DE 10 2012 008 262 B4). Wichtig sei dabei, eine insbesondere auch im Sommer bei erhöhten Temperaturen zu gewährleistende, ausreichende Kühlung der bei bekannten Vorrichtungen üblicherweise verwendeten Ventilatoren sicherzustellen. Da die Kühlung der Formteile durch Wärmeleitung auf der Seite, die am wassergekühlten Formwerkzeug anliege, sehr effektiv sei und eine rasche Kühlung bewirke, könne es auf der vom Werkzeug abgewandten Seite durch die von den Ventilatoren erzeugte Konvektionskühlung zu einer insgesamt asymmetrischen Kühlung und somit leicht zu einer Deformation der Formteile kommen.
Als gegenüber dem Stand der Technik zu benennende Aufgabe kann die Zielsetzung angesehen werden, eine verbesserte pneumatische Kühlung der von der Formwerkzeugoberfläche entfernten Ziehteiloberfläche vorzusehen, die möglichst wirkungsvoll und kostengünstig gestaltet ist.
2. Als maßgeblichen Fachmann hat der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik mit Fachhochschul-Abschluss oder entsprechender Qualifikation definiert, der mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Thermoformmaschinen aufweist oder in der Fertigung mit der Herstellung entsprechender Formteile betraut ist. Dieser Fachmann kennt dabei auch die allgemeinen Anforderungen an die Kühlung der Bauteile während des Herstellungsprozesses bzw. an die Kühleinrichtungen der Vorrichtung und setzt sich mit den damit verbundenen Problemen auseinander, um möglichst verzugsfreie Produkte hoher Qualität bei gleichzeitig hoher Produktivität herstellen zu können.
II. Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)
1. Zur Lösung der Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nach Merkmalen gegliedert Folgendes vor:
1. Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte (1) oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil,
1.1 aufweisend eine Formstation (2) mit
1.1.1 einer Heizeinrichtung (3) zur Erwärmung einer Platte (1) oder eines Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff,
1.1.2 einem oberen und unteren Spannrahmen (4, 5) zum Klemmen der erwärmten Platte (1) oder des Folienbahnabschnittes,
1.1.3 einem höhenbeweglichen Formtisch (6) zur Aufnahme einer Tiefziehform (7) und
1.1.4 Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes,
1.1.5 Führungselemente (9) für Luftströme,
1.1.5.1 die die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der Seite der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes, die von der Tiefziehform (7) abgewandt ist, mit Kühlluft versorgen,
1.1.5.2 in einer Sammelstelle (10) mit einem Zuluftrohr (12) münden,
1.1.5.2.1 in dem mindestens eine Strömungsmaschine (11) zur Förderung der Kühlluft angeordnet ist, und
1.1.5.3 die Führungselemente (9) sind jeweils mit Einrichtungen (16) zur Variation von Luftmengen an den einzelnen Kühlstellen in Abhängigkeit von der Ausprägung des Formteils ausgerüstet.
2. Der Senat legt Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zugrunde: Die Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes betrifft das Tiefziehen von thermoplastischem Kunststoff, bei dem (zumindest) eine Tiefziehform (7; Merkmal 1.1.3) eingesetzt wird. Ausgebildet wird lediglich eine Formstation (2) dieser Vorrichtung (Merkmal 1.1), die jedoch ebenfalls Vorrichtungselemente zur Kühlung des Formteils mit beinhaltet. Gemäß Merkmal 1.1.4 weist die Formstation Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der verformten und damit tiefgezogenen Platte (1) bzw. des Folienbahnabschnitts auf. Diese „Einrichtungen (8)“ umfassen allerdings nicht die gesamte Kühlvorrichtung, sondern beziehen sich lediglich auf die „Ausblasbereiche“ der Kühlluftzuführung (s. einzige Figur i.V.m. der dazugehörigen Beschreibung: „Die Einrichtungen zur pneumatischen Kühlung 8“…leiten „die Kühlluft zum Formteil“… und „sind beispielsweise als bewegliche Düsen ausgebildet, die eine Einstellung auf das Formteil durch den Bediener erlauben“, Absatz [0007]).
Einzige Figur des Streitpatents Stromaufwärts des Kühlluftstroms dieser Einrichtungen (8) sind Zuführleitungen als „Führungselemente (9) für Luftströme“ (Merkmal 1.1.5) bezeichnet, die weiter stromaufwärts in einer „Sammelstelle (10) münden“ (Merkmal 1.1.5.2). Damit stellen diese Führungselemente (9) beliebige (Rohr-) Leitungsabschnitte zwischen den „Einrichtungen zur pneumatischen Kühlung (8)“ bzw. Düsen und der Sammelstelle (10) dar. Von der Sammelstelle geht – wiederum stromaufwärts – ein Zuluftrohr (12) ab (Figur, Merkmal 1.1.5.2), in dem mindestens eine Strömungsmaschine (11) zur Förderung der Kühlluft angeordnet ist (Merkmal 1.1.5.2.1). Obwohl in der Beschreibung ausgeführt ist, dass „…diese zentrale Strömungsmaschine 11 … erfindungsgemäß die Vielzahl der lokal angeordneten Ventilatoren des Standes der Technik“ ersetzen soll ([0008]), können gemäß der Formulierung des Anspruchs in diesem Zuluftrohr auch mehrere Strömungsmaschinen untergebracht sein. Diese „…bei Bedarf…auch mehrere Strömungsmaschinen…“ (dto.) sind jedoch dann jeweils in diesem Zuluftrohr (12) untergebracht. Die Formulierung, wonach die Strömungsmaschine in dem Zuluftrohr angeordnet ist, erfordert es, dass (wesentliche) Teile der Strömungsmaschine innerhalb eines Zuluftrohres positioniert sind. Dies ist erfüllt, wenn das Lüfter- bzw. Laufrad der Strömungsmaschine (mit oder ohne Gehäuse) in dem Zuluftrohr untergebracht ist, der Antrieb (Motor) kann jedoch außerhalb angeordnet sein.
Die „Sammelstelle“ ist gemäß der einzigen Figur als eine Art Zwischenspeicher dargestellt, der zwischen den Rohrleitungselementen Führungselemente (9) und dem Zuluftrohr (12) liegt. In der Beschreibung des Streitpatents wird hierzu lediglich noch erläuternd ausgeführt, dass die Sammelstelle beispielsweise auch „in Höhe des Fußbodens des Produktionsraumes angeordnet“ sein kann, um „dort über die Mündung (20) kühlere Luft als im Oberbau der Vorrichtung“ anzusaugen ([0008]). Der Begriff „Sammelstelle“ stellt zwar auch begrifflich – in Übereinstimmung mit der zeichnerischen Darstellung – eine Art Zwischenspeicher dar. Allerdings wird im Streitpatent – sowohl in der Anspruchsfassung wie auch in der Beschreibung – das gesamte pneumatische Kühlsystem stromaufwärts bzw. „rückwirkend“ betrachtet, d.h. vom Strömungsauslass (Ausblasdüse, „Einrichtung (8) zur pneumatischen Kühlung“) bis zum Einlass (genannt „Mündung 20“), so dass insofern die mehreren „Führungselemente (9) der Luftströme“ in die Sammelstelle (10) „münden“ (Merkmal 1.1.5.2). Deshalb ist – stromaufwärts betrachtet – die Sammelstelle als Sammelrohr für diese mehreren Rohrelemente (9) aufzufassen. Aus technischer Sicht ist ein funktionaler, in Strömungsrichtung zu betrachtender Zwischenspeicher bei einer kontinuierlich arbeitenden Strömungsmaschine auch nicht notwendig, wie es demgegenüber beispielsweise bei einem Kolbenkompressor (Verdrängermaschine) der Fall wäre. Insofern legt der Senat den Begriff „Sammelstelle“ in der Weise aus, dass eine stromaufwärts betrachtete Zusammenführung der Führungselemente für Luftströme in ein (gemeinsames) Rohrteil münden und eine „Zwischenspeicherfunktion“ in Strömungsrichtung nicht erfüllt sein muss.
Gemäß Merkmal 1.1.5.3 weisen die Führungselemente (9) für Luftströme jeweils Einrichtungen zur Variation von Luftmengen an einzelnen Kühlstellen auf, die somit die Luftmengen der an den jeweiligen Ausblaselementen (Düsen, Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung) austretenden Kühlluft individuell begrenzen. Mit den spezifischen „Kühlstellen“ sind jeweils die Bereiche des Formteils gemeint, die aufgrund der jeweils dort positionierten Düsen entsprechend gekühlt werden.
3. Patentfähigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gilt zwar als neu, da aus keiner Entgegenhaltung sämtliche Anspruchsmerkmale hervorgehen, er erweist sich jedoch als nicht patentfähig, da die beanspruchte Lehre für den angesprochenen Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war. Deshalb ist der auf fehlende Patentfähigkeit gerichtete Nichtigkeitsangriff nach §§ 22 Abs. 1 iVm 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG begründet.
Die E3 (DE 10 2005 033 014 A1) stellt einen geeigneten Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns dar, eine verbesserte pneumatische Kühlung der von der Formwerkzeugoberfläche entfernten Ziehteiloberfläche vorzusehen, die möglichst wirkungsvoll und kostengünstig gestaltet ist. Sie offenbart eine Vorrich- tung, die neben den Merkmalen des Oberbegriffs des Streitpatents noch weitere übereinstimmende Merkmale aufweist und zudem die Kühleinrichtung einer entsprechenden Vorrichtung für das Formteil so verbessert, dass eine gleichmäßigere und raschere Abkühlung durch Blasluft erfolgt bei geringem Aufwand (Zusammenfassung der E3). Damit weisen die E3 und das Streitpatent im Wesentlichen auch gleichgerichtete Zielsetzungen auf. Die E3 offenbart eine „Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil…“ und beschreibt zudem ein „…Verfahren zum Kühlen des Formteils“ (Bezeichnung der E3; Merkmal 1). Die Vorrichtung umfasst eine Formstation (1), die eine Heizeinrichtung (5) zur Erwärmung einer Platte oder eines Folienbahnabschnittes, einen oberen (2) und unteren (3) Spannrahmen zum Figur 2 der E3: Querschnitt durch eine exemplarische Formstation Klemmen des erwärmten Teils sowie einen höhenbeweglichen Formtisch (7) zur Aufnahme einer Tiefziehform (8) aufweist (s. Figuren und dazugehörige Beschreibung in Absatz [0013]; Merkmale 1.1 bis 1.1.3). Ausströmdüsen bzw. entsprechende Ausblasbereiche im Sinne der im Streitpatent genannten „Einrichtungen zur pneumatischen Kühlung“ der von dem Formwerkzeug abgewandten ZiehteilOberfläche der verformten Platte oder des verformten Folienabschnittes sind in der E3 ebenfalls beschrieben (Blasdüsen (24), die vorzugsweise als Breitschlitzdüsen, [0016]) und gezeigt (neben Figur 2 auch Figur 4; Merkmal 1.1.4).
Die als Führungselemente für Luftströme bezeichneten Luftführungsleitungen nach Merkmal 1.1.5 sind implizit ebenfalls in der E3 offenbart. Denn nach den Ausführungen in Absatz [0016] der E3 sind mehrere Breitschlitzdüsen mit einer Druckquelle oder einem externen Gebläse (strömungstechnisch) verbunden, so dass der Fachmann für diese strömungstechnische Verbindung Rohrleitungen, also streitpatentgemäße Luftführungsleitungen bzw. Führungselemente für Luftströme einfach mitliest. Entgegen den Ausführungen der Beklagten – die gemäß Absatz [0016] lediglich (zahlenmäßig) eine Breitschlitzdüse, ein Hohlprofil und ein Gebläse offenbart sieht – ist dort ausdrücklich formuliert, dass das Kühlen des tiefgezogenen Formteils alternativ „…aus einer oder mehreren Blasdüsen (24)…“ erfolgen könne, „…die zudem vorzugsweise als Breitschlitzdüse ausgebildet sind…“. Zwar ist der Begriff „Breitschlitzdüse“ im Singular formuliert, es ist jedoch inhaltlich klar – durch die Ausbildung der Düsen jeweils als Breitschlitzdüse – dass die mehreren Blasdüsen als jeweilige Breitschlitzdüsen ausgebildet sind und nicht die mehrere Blasdüsen alternativ durch eine Breitschlitzdüse „ersetzt“ werden, wie die Beklagte argumentiert hat. Dies ergibt sich auch aus den Absätzen [0017] bis [0019] sowie aus den Figuren 2 und 4, in denen jeweils Blasdüsen (24) im Plural formuliert werden und auch gezeigt sind. Gemäß Absatz [0017] ist in der Figur 2 ausdrücklich der „…Einbau einer als Breitschlitzdüse ausgebildeten Blasdüse (24)…“ offenbart, wobei in der Figur 2 zudem 2 Düsen mit dem Bezugszeichen (24) dargestellt sind. Dies ist auch in Absatz [0018] mit Bezug auf diese Figur 2 nochmals explizit ausgeführt: „... bei Einbau der in Fig. 2 strichpunktiert angedeuteten zweiten Blasdüse 24 auf der angrenzenden Seite des Formteils 9, an der die erste Blasdüse 24 wirkt“. Damit sind zweifelsfrei mehrere Blasdüsen bzw. Breitschlitzdüsen offenbart. Gemäß Absatz [0019] sind zudem auch ausdrücklich vier Blas- bzw. Breitschlitzdüsen genannt, die „…auf allen vier Seiten des Formteils…“ positioniert sind und beispielsweise als je zwei nebeneinanderliegende Blasdüsen abwechselnd zu- und abgeschaltet und damit wechselseitig betrieben werden können.
Eine Sammelstelle im strömungstechnischen Sinne gemäß dem Streitpatent ist in E3 zwar nicht unmittelbar und eindeutig beschrieben oder gezeigt (Merkmal 1.1.5.2). Jedoch ist im Absatz [0016] der E3 formuliert, dass im Falle der (wie im Ausführungsbeispiel) als Breitschlitzdüsen ausgebildeten Blasdüsen diese „…aus einem Hohlprofil hergestellt und mit einer Druckluftquelle oder einem externen Gebläse verbunden“ werden. Damit ist ebenfalls beschrieben, dass die mehreren (Breitschlitz-) Blasdüsen alternativ mit einem (einzigen) externen Gebläse verbunden sind. Eine jeweilige Verbindung jeder Düse zu einem „eigenen“ Gebläse (oder entsprechender Druckluftquelle) ist weder aus der Formulierung abzuleiten noch macht dies technisch einen Sinn. Das eine externe Gebläse ist demzufolge dann auch einer im Sinne des Streitpatents entsprechenden „Sammelstelle“ in Strömungsrichtung vorgelagert und über eine Rohrleitung mit dieser verbunden (Merkmal 1.1.5.2), von der dann jeweils (parallele) Luftleitungen (Rohrabschnitte, „Führungselemente (9) für Luftströme“) zu den Hohlprofilen der Breitschlitzdüsen oder zu anderen Blasdüsenvarianten abgehen (Merkmal 1.1.5). Eine reine Reihenschaltung ist jedenfalls dann (prinzipiell) nicht möglich, wenn – wie vorliegend in dem Ausführungsbeispiel der E3 – einzelne Breitschlitzdüsen zu- und abgeschaltet werden. In diesen parallelen Luftleitungen – zwischen der Sammelstelle und den Blasdüsen – müssen dann auch Einrichtungen zumindest zum Zu- und Abschalten der Luftströmung (Ventile) eingerichtet sein (vgl. [0019]). Damit sind bei der bekannten Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil die Merkmale 1. bis 1.1.5.2 bekannt.
Nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sind in der E3 allenfalls die Merkmale 1.1.5.2.1 und 1.1.5.3 wenngleich die E3 auch ein „externes Gebläse“ benennt, das mit den mehreren Breitschlitzdüsen verbunden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann ein derartiges Gebläse anders als in einem Zuluftrohr angeordnet sieht, welches in die „Sammelstelle“ mündet (Merkmal 1.1.5.2.1) und somit dieses Merkmal nicht ebenfalls mitliest. Denn in der Regel baut der Fachmann ein solches Gebläse mit Gebläse- bzw. Laufrad in ein Zuluftrohr ein, so dass ein lediglich vor ein solches Zuluftrohr vorgeschaltetes oder ein nur teilweise in das Zuluftrohr eingreifendes Radiallaufrad an sich zwar auch „theoretische“ Ein- bzw. Anbauvarianten sind, die ein Fachmann jedoch eher nicht in Erwägung zieht.
In die von der Hauptleitung (Sammelstelle) abzweigenden Zuleitungen (Führungselemente (9) für Luftströme) für die (Breitschlitz-) Blasdüsen (Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung) sind – wie vorstehend beschrieben – Einrichtungen zumindest zum Zu- und Abschalten der Kühlluft vorgesehen. Diese Ventile bzw. Luftklappen nicht nur als ein- und ausschaltbare Luftventile bzw. –klappen vorzusehen, sondern sie als Steuerventile bzw. in Form von Steuerklappen auszugestalten und mit Ihnen auch die Volumenströme variieren zu können (Merkmal 1.1.5.3), stellt für den Fachmann eine einfache technische Maßnahme dar, die zu seinem allgemeinen Fachwissen gehört. Zudem hat er aber auch Veranlassung, den Kühlluftstrom in seiner Stärke bzw. seinem Volumenstrom zu variieren. Der Kühlluftstrom wird gemäß der E3 in Abhängigkeit der Geometrie des Formteils einseitig, über zwei rechtwinklig nebeneinander liegende Seiten diagonal oder auch diagonal im Wechsel durch Zu- und Abschalten der Breitschlitzdüsen über die dem Formwerkzeug entgegengesetzte Seite gesteuert geblasen (Absätze [0017] bis [0019]), so dass der Fachmann erst recht Veranlassung hat, den Volumenstrom selbst zu steuern. Darüber hinaus sind die Breitschlitzdüsen selbst über Antriebe verschwenkbar gestaltet ([0024]), um zielgerichtet das Formteil beaufschlagen zu können. Umso mehr sieht der Fachmann deshalb vor, auch den Volumenstrom zu variieren, zumal er Steuerungselemente zum Zu- und Abschalten bereits in den entsprechenden Leitungsabschnitten der Vorrichtung der E3 realisiert sieht. Damit liegt auch diese Maßnahme zumindest im Griffbereich des Fachmanns, sofern dieser die Zu- und Abschaltung der Breitschlitzdüsen gemäß der Offenbarung der E3 nicht gleichzeitig als Volumensteuerungselemente gleich mitliest.
- 15 Im Übrigen umfassen die Maßnahmen der Merkmale 1.1.5.2.1 und 1.1.5.3 grundlegendes und einfaches Fachwissen, hierzu sei als Beleg für den Stand der Technik die Druckschrift E2 (US 5 620 715 A) genannt. Bei der dort offenbarten Vorrichtung zum thermoplastischen Verformen von Kunststoff zu einem Formteil mit einer Vielzahl von übereinstimmenden Merkmalen des Anspruchs 1 sind diese Figur 1 der E2 mit einem Gebläse (fan 96) in dem Zuluftrohr sowie Luftklappen (damper 104, 106) zur Steuerung des Luftvolumens in den Zuleitungen zu den Düsen Maßnahmen der im Wesentlichen lediglich rotatorisch auf einem Drehtisch (Rundtisch) anstatt in translatorischer Richtung positionierten Kühlstation in entsprechender Weise gezeigt (Figur 1). Dort ist ein Gebläse (fan 96) in einem Zuluftrohr positioniert (Merkmal 1.1.5.2.1), das die Luft von extern (über Dach, „above the building roof“ 92) ansaugt. Die Kühlluft wird anschließend im Bereich der Sammelstelle in die zwei Kühlluftleitungen (upper, lower plenum duct 100, 102) aufgespalten, wobei der Volumenstrom über die Klappen (damper 104, 106) begrenzt wird. Derartige Maßnahmen gemäß den Merkmalen 1.1.5.2.1 und 1.1.5.3 sind somit im Stand der Technik für den Fachmann bekannt und stellen allgemeines Fachwissen dar.
Damit hat die Vorrichtung nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung für einen Fachmann durch die E3 nahegelegen, der Anspruch 1 ist somit nicht patentfähig. Die seitens der Klägerin angegriffene Zulässigkeit des erteilten Patentanspruchs 1 in Bezug auf eine fehlende Ursprungsoffenbarung kann insofern dahingestellt bleiben.
III. Zur Fassung nach dem Hilfsantrag
1. Gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags bestehen keine Bedenken. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehen seiner Zulassung patentrechtliche Gründe nicht entgegen; er ist auch rechtzeitig eingereicht worden.
2. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist gegenüber der Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ein zusätzliches Merkmal 1.1.4.1 auf:
1. Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte (1) oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil,
1.1 aufweisend eine Formstation (2) mit 1.1.1 einer Heizeinrichtung (3) zur Erwärmung einer Platte (1) oder eines Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff, 1.1.2 einem oberen und unteren Spannrahmen (4, 5) zum Klemmen der erwärmten Platte (1) oder des Folienbahnabschnittes,
1.1.3 einem höhenbeweglichen Formtisch (6) zur Aufnahme einer Tiefziehform (7) und
1.1.4 Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes,
1.1.4.1 wobei die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung als eine Einstellung auf das Formteil durch den Bediener erlaubende, bewegliche Düsen ausgebildet sind,
1.1.5 Führungselemente (9) für Luftströme,
1.1.5.1 die die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der Seite der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes, die von der Tiefziehform (7) abgewandt ist, mit Kühlluft versorgen,
1.1.5.2 in einer Sammelstelle (10) mit einem Zuluftrohr (12) münden,
1.1.5.2.1 in dem mindestens eine Strömungsmaschine (11) zur Förderung der Kühlluft angeordnet ist, und
1.1.5.3 die Führungselemente (9) sind jeweils mit Einrichtungen (16) zur Variation von Luftmengen an den einzelnen Kühlstellen in Abhängigkeit von der Ausprägung des Formteils ausgerüstet.
Mit diesem beschränkenden Merkmal sind die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung „als bewegliche Düsen ausgebildet, die eine Einstellung auf das Formteil durch den Bediener erlauben“ (Absatz [0007]). Wie die Einstellung allerdings erfolgt – ob manuell an den Düsen oder durch (Vor-) Programmierung über die Steuerung – ist durch das Merkmal nicht bestimmt. Darüber hinaus ist die „Einstellung“ der Düsen auf das Formteil auch zeitlich nicht definiert; eine Positionierung der Düsen kann sowohl vor als auch während des Betriebes erfolgen.
3. Auch in der Fassung nach dem Hilfsantrag ist Anspruch 1 nicht patentfähig, da die Vorrichtung nach Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist, beruht die Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil mit dem im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Merkmalen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Da der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag auch alle Merkmale aufweist, die in dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag aufgeführt sind, ist das mangelnde Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit diesbezüglich übereinstimmend zu beurteilen. Auf die vorstehenden Ausführungen unter II. 3. wird verwiesen. Aber auch das im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ergänzte Merkmal 1.1.4.1 ist bereits aus der E3 bekannt.
Mit Bezug auf das hinzugekommene Merkmal 1.1.4.1 offenbart die Druckschrift E3 in Absatz [0024], dass als „Weiterbildung der Erfindung“ alternativ „…die Blasdüsen (24) während eines Kühlvorganges über geeignete Antriebe zu verschwenken“ seien, „um ebenfalls die Richtung und Wirkung des Luftstromes zu verändern“. In diesem Fall würde in der Steuerung der Vorrichtung dies hinterlegt und programmiert sein, so dass „…bei der Umstellung der Vorrichtung auf ein anderes Formteil…“ die Kühlung über die Blasdüsen „teilespezifisch“ erfolgen könne.
Damit werden die Blasdüsen durch den Bediener verschwenkt, wenn dieser die Steuerung auf ein neues Produkt einstellt, um mit einem spezifischen Formwerkzeug ein entsprechendes Formteil herzustellen. Denn mit diesen damit verbundenen „Einstellungen“ werden die „verschwenkbaren“ und somit spezifisch beweglichen Blasdüsen auf das Formteil eingerichtet bzw. „eingestellt“ und verschwenken zudem während des Kühlbetriebs. Somit ist das Merkmal 1.1.4.1 aus der E3 bekannt.
Nicht überzeugen kann das Vorbringen der Beklagten, wenn sie von dem Merkmal 1.1.4.1 umfasst sieht, dass der Bediener manuell oder gar während des Betriebs der Kühleinrichtung „eingreifen“ können muss. Das „Einstellen“ der Blasdüsen kann gleichermaßen durch manuelles Verstellen oder durch ein Verstellen über die Steuerung, beispielsweise durch Schrittmotoren erfolgen, so dass im letzteren Fall auch ein separates „manuelles“ Eingreifen durch händisches Verstellen an den Blasdüsen selbst nicht möglich ist. Auch verlangt das Merkmal zudem nicht, dass jederzeit dieses Eingreifen während des Kühlbetriebes möglich sein muss. Der Bediener kann bei der Vorrichtung der E3 gemäß dem Wortlaut und dem Sinngehalt des Merkmals 1.1.4.1 durch bewegliche Düsen den Kühlluftstrom spezifisch auf das Formteil einstellen. Da das Merkmal aus der E3 damit bekannt ist, beschränkt dieses Merkmal auch nicht die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag in Bezug auf die aus der E3 bekannte Vorrichtung, so dass der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag für einen Fachmann zum Zeitpunkt des Anmeldetages nahegelegt war.
Im Übrigen kann der Fachmann auch bei einer vorprogrammierten Einstellung über eine entsprechende Steuerung oder Regelung in der Regel durch Eingreifen oder Veränderung der Einstellparameter auch während eines Kühlprozesses auf die Einstellungen der Blasdüsen einwirken und diese Einstellungen variieren, dies liest der Fachmann vorliegend bei der E3 mit. Darüber hinaus wäre zudem eine erfinderische Tätigkeit durch ein rein manuelles Einstellen der Blasdüsen gegenüber einer programmierten Einstellung nicht gegeben, da ein derartiger „handwerklicher Rückschritt“ keinen erfinderischen Beitrag erbringt. Hierzu sei auf die Entscheidung Dichtungsring verwiesen (BPatG 4 Ni 13/11, insbes. 1. LS).
3. Die Beklagte hat eine eigenständige erfinderische Tätigkeit hinsichtlich einer der Unteransprüche nicht geltend gemacht; eine solche ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG gegeben.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 110 Abs. 3 PatG).
Die Berufung wird nach § 110 Abs. 2 PatG durch Einreichung der Berufungsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe eingelegt.
Voit Martens Rippel Dr. Dorfschmidt Brunn prö