AnwZ_(Brfg) 4/23
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 4/23 BESCHLUSS vom
14. April 2023 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache ECLI:DE:BGH:2023:140423BANWZ.BRFG.4.23.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 14. April 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, die Richterinnen Grüneberg und Ettl sowie die Rechtsanwältin Merk und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land NordrheinWestfalen vom 18. November 2022 wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Die Klägerin ist seit dem 30. Dezember 2005 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 12. Mai 2022 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Die Klägerin beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 44/19, juris Rn. 3 mwN). Daran fehlt es.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (Senat, Beschluss vom 3. November 2021 - AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11).
Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Maßnahmen, die zwar inhaltlich zum Schutz der Mandanteninteressen geeignet sind, deren Einhaltung aber nicht wirksam kontrolliert werden oder die jederzeit - unkontrolliert - beendet werden können, sind zum Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht tauglich (Senat, Beschluss vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 3/19, juris Rn. 12). Der Hinweis der Klägerin darauf, dass sie nur noch Terminvertretungen annehme, um nicht in Berührung mit Fremdgeld zu kommen, führt daher nicht zu einer anderen Beurteilung.
Soweit die Klägerin mehrere Schicksalsschläge im privaten Bereich darstellt und ausführt, wegen dieser persönlichen Umstände und einer bisherigen zuverlässigen Arbeitsweise sei eine Gefährdung der Rechtsuchenden ausgeschlossen, hat dies ebenfalls keinen Erfolg.
Die Ursachen des Vermögensverfalls sind nach ständiger Senatsrechtsprechung für die Entscheidung über den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung unerheblich. Auch kommt es nach der Zielsetzung und dem Inhalt des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt den Vermögensverfall verschuldet hat oder nicht (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 51/19, juris Rn. 11). Die Interessen der Rechtsuchenden sind in beiden Fällen in gleichem Maße gefährdet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 51/19, aaO Rn. 14 und vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 3/19, juris Rn. 10).
2. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Soweit die Klägerin vorbringt, dass der Anwaltsgerichtshof in Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes die persönlichen Umstände der Klägerin hätte ermitteln und werten müssen, begründet dies keinen Verfahrensfehler.
Die Aufklärungspflicht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1 VwGO verlangt es nicht, dass ein Gericht Ermittlungen zu Tatsachen anstellt, die nach seinem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich sind (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2022 - AnwZ (Brfg) 42/21, juris Rn. 17 mwN). Da es für die Entscheidung nicht auf die Ursachen des Vermögensverfalls ankommt, mussten die persönlichen Umstände der Klägerin nicht näher ermittelt werden.
III. 11 Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Schoppmeyer Merk Grüneberg Schmittmann Ettl Vorinstanz: AGH Hamm, Entscheidung vom 18.11.2022 - 1 AGH 22/22 -