17 W (pat) 38/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 38/17
_______________________
(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2016 103 543.2 (hier: Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr) …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel ECLI:DE:BPatG:2019:250419B17Wpat38.17.0 beschlossen:
1. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt. 2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 23. Mai 2017 durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06T des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss ist dem Vertreter der Anmelderin am 29. Mai 2017 zugestellt worden.
Dagegen hat die Anmelderin in elektronischer Form Beschwerde eingelegt. Diese ist am 29. Juni 2017 eingegangen. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro auf das Konto des Deutschen Patentund Markenamts bei der Bundeskasse Halle überwiesen werde.
Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2018 hat die Anmelderin beantragt, die Zahlung der Beschwerdegebühr zu klären, gleichzeitig hat sie vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 123 PatG zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
Ein interner Kontenabgleich im Rahmen der routinemäßigen Aktenkontrolle habe zu dem Ergebnis geführt, dass die Beschwerdegebühr möglicherweise nicht wirksam entrichtet worden sei.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr werde vorsorglich gestellt. Die versäumte Handlung, nämlich die Zahlung der Beschwerdegebühr, werde nachgeholt.
Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung trägt der Vertreter der Anmelderin vor, dass auf Weisung der Mandantin vom 29. Juni 2017 am selben Tag per DPMAdirekt eine Beschwerde eingelegt worden sei. Als Zahlungsart für die Beschwerdegebühr sei die Überweisung auf das Konto des Deutschen Patent- und Markenamts bei der Bundeskasse Halle angegeben worden. Die Überweisung sollte auf Weisung des zuständigen Patentanwalts als Eilüberweisung noch am selben Tag ausgeführt werden, weil das Erstellen eines automatischen Abbuchungsauftrags aufgrund eines Fehlers der DPMAdirekt-Software am 29. Juni 2017 nicht möglich gewesen sei.
Der Verdacht, dass die Beschwerdegebühr nicht entrichtet sein könnte, habe sich bei dem oben erwähnten internen Kontoabgleich am 30. April 2018 ergeben.
Die vorliegende Beschwerde sei durch eine hochqualifizierte Patentanwaltsfachangestellte betreut worden, die mehrere Jahre Berufserfahrung habe. Diese arbeite stets sehr gewissenhaft und zuverlässig und wurde stets routinemäßig überprüft. Mit der DPMAdirekt-Software sei sie seit Jahren vertraut. Es sei daher davon auszugehen, dass sie diese Software fehlerfrei bedienen könne.
Die Gebühren würden üblicherweise in DPMAdirekt im Rahmen von Abbuchungsaufträgen entrichtet. Störungen der DPMAdirekt-Software seien zwar selten, sie träten jedoch in unregelmäßigen Abständen auf.
Vorliegend sei die Patentanwaltsfachangestellte durch den betreuenden Patentanwalt angewiesen worden, die Beschwerde einzulegen und die Beschwerdegebühr zu entrichten. Aufgrund einer aufgetretenen Fehlfunktion der DPMAdirektSoftware habe das Feld mit dem elektronischen Abbuchungsauftrag im elektronischen Formular nicht angewählt werden können. Deshalb habe die Patentanwaltsfachangestellte als Zahlungsart die Überweisung angewählt, um den DPMAdirekt-Vorgang abzuschließen und die Beschwerde fristgerecht einzureichen. Der Antrag sei vor Einreichung durch den zuständigen Patentanwalt geprüft worden, welcher angesichts der gewählten Zahlungsart die Durchführung einer Blitzüberweisung angeordnet habe, was in eiligen Fällen möglich und üblich sei.
Regelkonform hätte die Überweisung an die Buchhaltung zur sofortigen Entrichtung der Beschwerdegebühr unverzüglich weitergeleitet werden müssen. Aus bisher unerklärlichen und nicht nachvollziehbaren Gründen habe die Patentanwaltsfachangestellte jedoch den Ausdruck des Beschwerdeantrags in die Akte abgelegt und nicht an die Buchhaltung zur sofortigen Entrichtung der Beschwerdegebühr weitergeleitet. Ein Grund für dieses regelwidrige Versehen könne darin liegen, dass die Gebühren unter DPMAdirekt gewöhnlich und im Regelfall durch automatische Abbuchungsaufträge entrichtet würden. Dieses Versehen könnte durch die Eilbedürftigkeit des Vorgangs sowie die an diesem Tag offenbar fehlerhafte Funktion der DPMAdirekt-Software und die damit verbundene Stresssituation begünstigt worden sein. Zudem seien der Kanzlei die Weisungen der Mandantin zur Einreichung der Beschwerde am letzten Tag der Frist, nämlich erst am 29. Juni 2017 zugegangen. Dem Anmelder sei daher kein Verschulden zuzurechnen.
Eine Anfrage an das Deutsche Patent- und Markenamt, ob am 29. Juni 2017 ein Zahlungseingang über 200 Euro hinsichtlich der vorliegenden Anmeldung festgestellt werden könne, hat zu einem negativen Ergebnis geführt. Der Senat hat die Anmelderin darauf hingewiesen, dass eine Entrichtung der Beschwerdegebühr nicht festgestellt werden könne und dass nach vorläufiger Ansicht eine Stattgabe des Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht in Aussicht gestellt werden könne, da diese Frist wohl nicht ohne Verschulden versäumt worden sei.
Die Anmelderin hat sich auf diesen Zwischenbescheid nicht geäußert.
Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr (§ 123 PatG) ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Nach § 2 Abs. 1 PatKostG in Verbindung mit Nr. 401 300 der Anlage zum PatKostG ist für die Beschwerde im einseitigen Verfahren eine Gebühr von 200 Euro zu zahlen. Die Gebühr ist nach § 6 Abs. 1 PatKostG innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 73 Abs. 1 S. 1 PatG zu entrichten. Erfolgt die Zahlung des vollen Betrags nicht fristgemäß, gilt die den Gebührentatbestand begründende Verfahrenshandlung als nicht vorgenommen, vorliegend also die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).
Da der Beschluss der Prüfungsstelle der Beschwerdeführerin am 29. Mai 2017 zugestellt worden ist, war die Beschwerdegebühr bis zum 29. Juni 2017 zu entrichten. Dies ist nicht geschehen. Damit ist die gesetzliche Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG eingetreten.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr (§ 123 PatG) ist zulässig, aber nicht begründet.
a) Allerdings ist der Wiedereinsetzungsantrag nicht unbedingt, sondern lediglich „vorsorglich“ eingelegt worden. Ein vorsorglich gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung ist gegenstandslos (Schulte, PatG, 10. Aufl., § 123 Rdnr. 16). Wenn zweifelhaft ist, ob eine Frist tatsächlich versäumt wurde, kann jedoch eine Wiedereinsetzung auch hilfsweise beantragt werden (vgl. Benkard, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdnr. 47 a). Angesichts der Gesamtumstände kann im vorliegenden Fall die Formulierung „vorsorglich“ in „hilfsweise“ umgedeutet werden, denn der Antragsteller will den Antrag auf Wiedereinsetzung erkennbar nur für den Fall stellen, dass die fristgemäße Gebührenzahlung nicht erfolgt sein sollte.
b) Die Wiedereinsetzung ist form- und fristgerecht beantragt worden. Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist jedoch nicht ohne ein der Beschwerdeführerin zurechenbares Verschulden des Anwalts (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO) versäumt worden.
Verschulden bedeutet (u. a.) Fahrlässigkeit (§ 278 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Anforderungen an diese Sorgfalt werden wesentlich durch den Sinn und Zweck des Instituts der Wiedereinsetzung bestimmt. Einerseits ist das Maß der Sorgfalt bei einem Anwalt wohl höher anzusetzen als bei einem Einzelanmelder, andererseits dürfen die Anforderungen an die Sorgfalt nicht überspannt werden (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 68, 71, 73, 75).
Dies bedeutet, dass ein Handeln am letzten Tag einer Frist zulässig ist, denn Fristen dürfen bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden. Allerdings obliegt gerade bei wichtigen Verfahrenshandlungen, wie der Einlegung eines Rechtsmittels, nach allgemeiner Ansicht dem Anwalt im Interesse des Rechtssuchenden die Pflicht, sicherzustellen, dass die Handlung wirksam ist. Einer besonderen Sorgfalt bedarf es dann, wenn ein der Wirksamkeit der Handlung entgegenstehender Mangel später nicht mehr beseitigt werden kann.
Wird also eine Frist bis zum letzten Tag ausgeschöpft, dann ist von dem anwaltlichen Vertreter eine erhöhte Sorgfalt zu verlangen, um sicherzustellen, dass die Gebührenzahlung rechtzeitig erledigt wird und damit auch rechtzeitig beim Empfänger eingeht (vgl. BGH IV ZB 11/91 – Rdnr. 6; III ZB 55/10 – Rdnr. 13, 14; XI ZB 14/17 – Rdnr. 9; VI ZB 1/76 – Rdnr. 6). Ein Anwalt darf zwar grundsätzlich geschulte und zuverlässige Mitarbeiter mit der Erledigung von Aufgaben betreuen und darf sich auch bei einer konkreten Einzelanweisung auf deren Erledigung verlassen (BGH V ZR 62/93 – Rdnr. 9), jedoch besteht eine besondere Sorgfaltspflicht, wenn der Ablauf der Frist noch am selben Tag bevorsteht (BPatGE 28, 94; BGH XI ZB 10/94 – Rdnr. 8, 9).
Diese Sorgfaltspflicht ist im vorliegenden Fall verletzt worden.
Der Vertreter der Anmelderin trägt nicht vor, was er selbst getan hat, um die rechtzeitige Gebührenzahlung zu gewährleisten. Eine Einzelanweisung an eine zuverlässige Fachkraft reicht zwar in Normalfällen aus und dann kann der Anwalt auch auf die Erledigung dieses Einzelauftrags vertrauen. Bei einem unmittelbar bevorstehenden Fristablauf ist der Anwalt jedoch zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Dies gilt vorliegend umso mehr, als Störungen von DPMAdirekt schon öfter auftraten, der Anwalt von dem aktuellen Ausfall der üblicherweise benutzten Zahlart (DPMAdirekt) wusste und eigens noch eine Blitzüberweisung angeordnet hat. Damit wäre der Vertreter der Anmelderin verpflichtet gewesen, angesichts der angespannten Lage, die sich durch den letzten Tag der Frist, die gestresste Mitarbeiterin und den technischen Ausfall von DPMAdirekt ergeben hat, den fristgerechten Ablauf und insbesondere die fristgerechte Zahlung selbst zu überwachen und zu kontrollieren. Die aufzuwendende Sorgfalt durch den Rechtsanwalt ist bei Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag wegen der damit verbundenen Gefahr erhöht (BGH III ZB 55/10 – Rdnr. 13, XI ZB 14/17 – Rdnr. 9). Für einen Patentanwalt gilt dies entsprechend (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 93)
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr kommt deshalb nicht in Betracht.
3. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 169 m. w. N.).
Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Dr. Forkel Ko