1 Ni 11/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 11/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
28. Juli 2016 …
In der Patentnichtigkeitssache
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BPatG 253 08.05
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betreffend das europäische Patent 1 927 506 (DE 50 2007 005 655)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2016 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Dipl.-Ing. Schlenk, Dr.-Ing. Krüger, Richterin Grote-Bittner und Richter Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder für Recht erkannt:
I. Das Patent EP 1 927 506 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Mit ihrer Klage begehren die Klägerinnen die Nichtigerklärung des europäischen Patents 1 927 506 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2007 005 655 registrierten Patents, dessen Erteilung unter anderem mit dem Bestimmungsland Deutschland am 17. November 2010 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent, das am 14. August 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 10 2006 056 497 angemeldet worden ist, trägt die Bezeichnung „Fahrzeugrahmen mit Querträgern zur Ladungssicherung und Querträger hierfür“.
Das Streitpatent umfasst die selbständigen Ansprüche 1 und 14, sowie die unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13. Der erteilte Anspruch 1 lautet:
Fahrzeugrahmen, mit Längs- und Querträgern (4,5), wobei Querträger (5) vorgesehen sind, welche nach oben offene Ausnehmungen aufweisen, und wobei Sicherungselemente (8) vorgesehen sind, welche zur Ladungssicherung dienen, wobei über die Länge des Querträgers (5) eine Vielzahl von Ausnehmungen vorgesehen ist, derart, dass die Sicherungselemente (8) an die Ladung (9) grenzend von oben in eine Ausnehmung eines Querträgers (5) einsteckbar sind, und wobei ein Ladeboden (6) zur Aufnahme von Ladung (9) vorgesehen ist, welcher auf gleicher Höhe oder höher angeordnet ist als die Querträger (5) dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrzeugrahmen (1) selbst zur Aufnahme der Sicherungselemente (8) ausgestaltet ist, wobei die Sicherungselemente (8) pfostenartig ausgestaltet sind, in ihrer aufrechten Sicherungsstellung in den Ausnehmungen des Querträgers (5) angeordnet sind,
und wahlweise vor, hinter und / oder seitlich neben der Ladung (9) anbringbar sind.
Hinsichtlich des Wortlauts der auf den erteilten Patentanspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 927 506 B1 Bezug genommen.
Der abhängige Nebenanspruch 14 lautet:
Querträger (5) für einen Fahrzeugrahmen (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche.
Der Beklagte verteidigt sein Patent hilfsweise mit folgendem Anspruch 1 bei unveränderten Ansprüchen 2 bis 14 (Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):
Fahrzeugrahmen, mit Längs- und Querträgern (4,5), wobei Querträger (5) vorgesehen sind, welche nach oben offene Ausnehmungen aufweisen, und wobei Sicherungselemente (8) vorgesehen sind, welche zur Ladungssicherung dienen, wobei über die Länge des Querträgers (5) eine Vielzahl von Ausnehmungen vorgesehen ist, derart, dass die Sicherungselemente (8) an die Ladung (9) grenzend von oben in eine Ausnehmung eines Querträgers (5) einsteckbar sind, und wobei ein Ladeboden (6) zur Aufnahme von Ladung (9) vorgesehen ist, welcher auf gleicher Höhe oder höher angeordnet ist als die Querträger (5) dadurch gekennzeichnet,
dass der Fahrzeugrahmen (1) ein Rahmen im Sinne eines Fahrgestells ist und selbst zur Aufnahme der Sicherungselemente (8) ausgestaltet ist, wobei die Sicherungselemente (8) pfostenartig ausgestaltet sind, in ihrer aufrechten Sicherungsstellung in den Ausnehmungen des Querträgers (5) angeordnet sind, und wahlweise vor, hinter und/oder seitlich neben der Ladung (9) anbringbar sind.
Die Klägerinnen greifen das Streitpatent in vollem Umfang an und machen die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit geltend.
Sie stützen sich hierbei auf die von ihr vorgelegten Druckschriften:
D1 DE 20 2004 004 481 U1 D2 Zertifikat 313/11068YF 1107306756 der DEKRA Automobil GmbH vom
10. Februar 2004 D3 Anlagenkonvolut Bieber Vario 1 und 2 Schienensysteme entsprechend D2 D4 Handskizzen SCB Vario Entwurf 04. Oktober 2005, Cargobull Service Partner GmbH D5 Gutachten zur Erlangung der Betriebserlaubnis gem. § 21 StVZO vom TÜV Nord, 07. November 2005 mit Anlagen D6 Gebrauchsmuster DE 20 2004 009 044 U1 D7 BGI 649, Ladungssicherung auf Fahrzeugen, 3. Aufl., 2002 Ein Handbuch für Unternehmer, Einsatzplaner, Fahr- und Ladepersonal sowie, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2016: D8 Wikipedia-Auszug zur Definition eines Fahrgestells, Ausdruck vom
27. Juli 2016.
Der Senat hat den Parteien am 24. März 2016 einen qualifizierten Hinweis erteilt.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und genüge nicht den Anforderungen an eine erfinderische Tätigkeit. Ferner seien die Unteransprüche 2 und 3 nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass sie von einem Fachmann ausgeführt werden könnten. Der patentgemäße Gegenstand sei gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 nicht neu, da alle erfindungswesentlichen Merkmale aus dieser Druckschrift bekannt seien. Jedenfalls beruhe das Streitpatent gegenüber der Druckschrift D1 i. V. m. fachmännischem Wissen (vgl. D5) nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Unteransprüche 2 und 3, die einen als U-Profil ausgestalteten Querträger mit einer Vielzahl von Ausnehmungen betreffen, seien nicht ausführbar, da in der Streitpatentschrift nicht offenbart sei, wie ein derartiger U-Profil-förmiger Querträger aussehen soll. Eine sinnvolle Ergänzung könne auch der angesprochene Fachmann aufgrund seines Fachwissens nicht vornehmen. Den Hilfsantrag des Beklagten halten sie für unzulässig, da er eine unzulässige Erweiterung enthalte.
Die Klägerinnen beantragen,
das europäische Patent 1 927 506 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise sinngemäß, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im Anspruch 1 die Fassung des Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, erhält.
Er tritt den Ausführungen der Klägerinnen entgegen. Er meint, dass der Gegenstand des Streitpatents patentfähig sei. Sämtliche sowohl von den Klägerinnen eingeführten Entgegenhaltungen wie auch in der Streitpatentschrift genannten Druckschriften beinhalteten nicht einen patentgemäßen Fahrzeugrahmen, der Ausnehmungen zum Einstecken der Sicherungselemente aufweist. Damit gehe der gesamte vorgelegte Stand der Technik nicht über die altbekannte Vorgehensweise hinaus, einen Fahrzeugrahmen mit Längs- und Querträgern herzustellen und zusätzlich Schienen oder ähnliche Elemente als Teile eines Sicherungssystems anzubringen. In Bezug auf die Entgegenhaltungen D2 und D4 bestreitet er mit Nichtwissen, dass es sich um öffentliche Dokumente handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1, Nr. 2 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a), b) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht werden, ist zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Denn der Gegenstand des Streitpatents hat weder in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag verteidigt wird, noch in der Fassung des Hilfsantrags Bestand, da ihm jedenfalls der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit entgegensteht. Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung, ob dem Streitpatent auch der weiter geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Ausführbarkeit entgegensteht, bzw. der Hilfsantrag unzulässig erweitert ist.
I.
Das Streitpatent betrifft gemäß der Patentschrift einen Fahrzeugrahmen mit Querträgern zur Ladungssicherung und Querträger hierfür. In der Beschreibung wird einleitend ausgeführt, dass aus der Praxis Fahrzeugrahmen von Lkws und von Fahrzeuganhängern bekannt seien, bei denen zur Ladungssicherung umfangreiches Zubehör in Form von entfernbaren Schottwänden, Spanngurten oder dergleichen verwendet werden kann. Dieses Zubehör reduziere aufgrund seines Eigengewichts die vom Fahrzeug transportierbare Nutzlast, was wirtschaftlich nachteilig sei (vgl. Abs. [0002] des Streitpatents).
Gegenüber dem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen gattungsgemäßen Fahrzeugrahmen dahingehend zu verbessern, dass dieser mit möglichst geringem zusätzlichem Materialaufwand und mit dementsprechend möglichst geringem Gewicht die Sicherung von mit dem Fahrzeug transportierter Ladung unterschiedlicher Abmessungen zuverlässig ermöglicht (vgl. Abs. [0014] des Streitpatents).
Die Lösung des aufgeführten technischen Problems soll mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag erfolgen.
Der erteilte Patentanspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern:
O1 Fahrzeugrahmen, mit Längs- und Querträgern (4,5), O2 wobei Querträger (5) vorgesehen sind, welche nach oben offene Ausnehmungen aufweisen, O3 und wobei Sicherungselemente (8) vorgesehen sind, welche zur Ladungssicherung dienen, O4 wobei über die Länge des Querträgers (5) eine Vielzahl von Ausnehmungen vorgesehen ist, O5 derart, dass die Sicherungselemente (8) an die Ladung (9)
grenzend von oben in eine Ausnehmung eines Querträgers (5) einsteckbar sind, O6 und wobei ein Ladeboden (6) zur Aufnahme von Ladung (9) vorgesehen ist, welcher auf gleicher Höhe oder höher angeordnet ist als die Querträger (5),
dadurch gekennzeichnet, K1 dass der Fahrzeugrahmen (1) selbst zur Aufnahme der Sicherungselemente (8) ausgestaltet ist, K2 wobei die Sicherungselemente (8) pfostenartig ausgestaltet sind, K3 in ihrer aufrechten Sicherungsstellung in den Ausnehmungen des Querträgers (5) angeordnet sind, K4 und wahlweise vor, hinter, und / oder seitlich neben der Ladung (9) anbringbar sind.
Gemäß dem einzigen Hilfsantrag entfällt das Merkmal K1 nach Hauptanspruch und stattdessen erhält das neue Merkmal K1Hi folgenden Wortlaut:
K1Hi dass der Fahrzeugrahmen (1) ein Rahmen im Sinne eines Fahrgestells ist und selbst zur Aufnahme der Sicherungselemente (8) ausgestaltet ist,
Der abhängig formulierte Nebenanspruch 14 nach Haupt- und Hilfsantrag lautet:
Querträger (5) für einen Fahrzeugrahmen (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche.
Seinem sachlichen Inhalt nach wendet sich das Patent an einen Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluss, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Ladesicherungssystemen für Fahrzeuge verfügt.
Dieser maßgebliche Fachmann kennt aufgrund seines Fachwissens dem geltenden Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag des Streitpatents ähnliche Fahrzeugrahmen mit Längs- und Querträgern und Vorrichtungen zur Ladungssicherung.
So ist aus dem Stand der Technik, bspw. aus der DE 88 00 572 U1 eine auf einem Fahrzeug lösbar montierbare Transportunterlage bekannt, die ihrerseits Sicherungselemente zur Ladungssicherung aufnehmen kann. Weiterhin ist es bekannt, dass als Teil des Ladebodens, also zusätzlich zum Fahrzeugrahmen bzw. Fahrzeugchassis, Längsprofile vorhanden sind, die Sicherungselemente aufnehmen können, oder dass als Teil des Ladebodens, also zusätzlich zum Fahrzeugchassis, Querprofile vorhanden sind, welche niedrige, liegend angeordnete stangenförmige Sicherungselemente zur Ladungssicherung aufnehmen können (vgl. Streitpatent, Abs.[0003], [0004], [0005]).
Wenn jedoch mit einem Fahrzeug Stückgut unterschiedlicher Abmessungen geladen und zu mehreren Annahmestellen transportiert werden soll, müssen weitere Anforderungen erfüllt werden: So muss abgesehen von den ohnehin unterschiedlichen Abmessungen solcher Stückgut-Ladungen nach einer ersten und jeder weiteren Teil-Entladung der jeweils verbleibende Rest der Ladung zur nächsten Annahmestelle weiter transportiert werden, und wenn die nun jeweils kleiner gewordene Ladung eine andere Kontur aufweist, diese dementsprechend auch wieder neu, an die geänderten Abmessungen angepasst, gesichert werden. Aus diesem Grund muss ein vielfältiges Zubehör an Teilen zur Ladungssicherung mitgeführt werden.
Deshalb schlägt das Streitpatent vor (Abs. [0016] ff.), das Fahrzeugchassis bzw. den Laderaumbodenrahmen selbst zur Aufnahme von Sicherungselementen auszugestalten. Hierzu sind in den ohnehin erforderlichen Querträgern Ausnehmungen vorgesehen, in welche Sicherungselemente eingesteckt werden können, die zur Ladungssicherung dienen. Da bei einem Fahrzeugchassis bzw. Laderaumbodenrahmen mehrere Querträger und Längsträger vorhanden sind und gemäß dem Streitpatent in jedem Längs- und Querträger eine Vielzahl von Ausnehmungen vorgesehen ist, ergibt sich eine matrix- bzw. rasterartige Anordnung einer Vielzahl von Stellen, an denen jeweils ein Sicherungselement angeordnet werden kann, so dass Ladungen mit unterschiedlichsten Abmessungen optimal gesichert werden können. Bei Änderungen an den Abmessungen der Ladung werden die Sicherungselemente einfach umgesteckt, da die Träger nach oben offene Ausnehmungen aufweisen, so dass die Sicherungselemente von oben in die Träger eingesteckt werden können. Auf diese Weise kann der übrige Fahrzeugboden bis dicht an die Querträger (vgl. PS, Abs. [0017], Z. 5) herangezogen werden, so dass die Anzahl von Spalten oder Löchern im Ladeboden des Fahrzeuges möglichst gering gehalten werden kann.
Der in den Ansprüchen des Streitpatents verwendete Begriff „Fahrzeugrahmen“ ist auszulegen. Die Ermittlung des Sinngehalts unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen hat sich am maßgeblichen Verständnis des technischen Sinn- und Gesamtzusammenhangs der Patentschrift durch den angesprochenen Fachmann zu orientieren, vgl. Art. 69 Abs. 1 EPÜ.
Dem Wortlaut nach ist zunächst einmal ein „Fahrzeugrahmen“ ein für ein Fahrzeug geeigneter Rahmen. Dabei kommt als Fahrzeug dem Anspruchswortlaut nach (wegen der zu sichernden Ladung, vgl. Merkmal O3 der Merkmalsgliederung) insbesondere ein Lastkraftwagen (LKW), bzw. gemäß den Ausführungen des Patentinhabers in der mündlichen Verhandlung mit Bezug auf die Fig. 1 des Streitpatents mit zugehöriger Beschreibung auch ein Anhänger, Sattelauflieger o. ä. in Betracht.
Nach dem Verständnis des Fachmanns kann ein LKW mehrere Rahmen haben (vgl. Stand der Technik im Streitpatent, Abs. [0003] bis [0012]). Einerseits einen Rahmen im Sinne eines „Fahrgestells/Chassis“, der als tragendes Teil Achsen, Antriebsstrang und Aufbauten miteinander verbindet und zusammenhält. Der in Merkmal O1 beschriebene Fahrzeugrahmen mit Längs- und Querträgern (auch „Leiterrahmen“ genannt) war eine zum Prioritätszeitpunkt verbreitete Rahmenbauart bei LKW. Andererseits einen Rahmen, der bspw. als Bodenrahmen den Ladeboden zusammenhält und in der Regel über dem Fahrzeugchassis und den Rädern verbaut ist, so dass eine ebene Ladefläche entsteht. An bzw. in einem solchen Bodenrahmen lassen sich auch Längs- und Querträger finden, zwischen denen bzw. auf denen die Bodenplatten des Laderaums verbaut sind. Speziell bei Anhängern, bspw. Sattelaufliegern, kann auch nur eine in ein Chassis integrierte Ladefläche vorhanden sein, vgl. Streitpatentschrift Fig. 1, um durch das Entfallen eines zusätzlichen Ladebodenrahmens eine maximale freie Höhe für die Ladung zu erreichen. Deshalb ist, als weitere Maßnahme, oft auch der Boden zwischen den Achsen oder zwischen Hinterachse und Königszapfen abgesenkt und damit keine über die gesamte Länge des Aufliegers ebene Ladefläche vorhanden.
Dabei darf aufgrund der oben dargestellten möglichen Auslegungen der Streitgegenstand und somit der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht aufgrund der Beschreibung des Standes der Technik enger verstanden werden, als es der Anspruch 1 formuliert. Der Anspruch 1 aber enthält keine Angabe, die es erlauben würde, einen Ladebodenrahmen auszuschließen, so dass sich der Begriff „Fahrzeugrahmen“ vielmehr sowohl auf einen Fahrzeugrahmen im Sinne eines tragenden Fahrgestells (oft als Chassis bezeichnet) als auch auf einen Fahrzeugrahmen im Sinne eines Ladebodenrahmens lesen lässt.
Welche dieser Auslegungen für den patentgemäßen Fahrzeugrahmen zugrunde zu legen ist, kann letztlich aber dahinstehen, denn die vorveröffentlichte Schrift D7, Abb. 64 zeigt einen Fahrzeugrahmen, der gleichzeitig ein Fahrgestell und einen Ladebodenrahmen darstellt, mit Längs und Querträgern, die entsprechend der Lehre des Streitpatents nach oben offene Ausnehmungen, z. B. für die Aufnahme von Sicherungselementen (Steckbolzen), zur Ladungssicherung aufweisen. Die D7 vermittelt somit dem Fachmann die Lehre, Bauteile und Vorrichtungen zur Ladungssicherung, „fast übereinstimmend mit der Idealvorstellung“ (vgl. Bildtext) je nach Fahrzeug sowohl am Fahrzeugrahmen, wie auch am Ladebodenrahmen anzuschlagen (zu befestigen), um mit möglichst geringem Aufwand und Mehrge- wicht eine zuverlässige Sicherung der Ladung mit unterschiedlichen Abmessungen zu erhalten.
Damit ist das Streitpatent - sowohl in seiner mit dem Hauptantrag verteidigten erteilten Fassung, als auch in der mit Hilfsantrag verteidigten Fassung - in allen Anspruchsauslegungen nicht patentfähig (wird unter II. näher ausgeführt).
II.
1. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass der beanspruchte Gegenstand gemäß Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag neu (Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ) und auch gewerblich anwendbar ist. Er ist aber durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahe gelegt (Art. 56 EPÜ), da die zum Prioritätszeitpunkt bekannten Lösungen dem Fachmann Veranlassung gaben, den mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten.
a.) Für die Beurteilung, ob eine beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang (BGH GRUR 2007, 1055, Tz. 28 - Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607, Tz. 18 - Fettsäurezusammensetzung; BGH GRUR 2010, 602, Tz. 27 – Gelenkanordnung). Dabei können für die Beantwortung der Frage, ob die beanspruchte technische Lehre für den angesprochenen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung bzw. im Prioritätszeitpunkt nahelag, nicht nur der sogenannte „nächstliegende" Stand der Technik, sondern verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein, wobei bereits die Wahl dieses Ausgangspunkts der Rechtfertigung bedarf. Diese liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGH GRUR 2009, 382 Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BPatG GRUR 2004, 317 – Programmartmitteilung).
b.) Die D7 zeigt in Abb. 64 einen Fahrzeugrahmen, hier als Auflieger für einen Sattelschlepper ausgebildet, vergleichbar Fig. 1 des Streitpatents. Dieser Fahrzeugrahmen weist außenseitig angebrachte Längsträger und auf der Ladefläche erkennbare Querträger, beide mit oben offenen Ausnehmungen auf (Merkmale O1 und O2). Weiterhin sind zur Ladungssicherung dienende, an die Ladung grenzende rungenförmige Sicherungselemente in den Ausnehmungen, die in den Querträgern angebracht sind, von oben eingesteckt. Da über die Länge jedes Querträgers erkennbar mehrere Ausnehmungen vorhanden sind, ist für den Fachmann auch eine Vielzahl von Ausnehmungen offenbart (Merkmale O3, O4 und O5). Weiterhin wird ein Ladeboden dargestellt, welcher auf gleicher Höhe ist wie die Querträger. Damit ist auch das Merkmal O6 bekannt. Darüberhinaus ist dieser in Abb. 64 dargestellte, mit Aufnahmen für die Sicherungselemente an den Längs- und Querträgern versehene Fahrzeugrahmen eines Sattelaufliegers mit pfostenartigen Sicherungselementen zur Ladungssicherung versehen, die in ihrer aufrechten Sicherungsstellung (Arbeitsstellung) hier seitlich neben der aus Balken oder Vierkantprofilen bestehenden Ladung dargestellt werden. Diese Darstellung wird auch durch den kurzen Textabschnitt oberhalb der Abb. 64 gestützt, der eine Ladungssicherung durch „kräftige Steckbolzen“ mit Hinweis auf Abb. 64 als „Idealvorstellung“ lehrt.
Damit sind auch die Merkmale K1 bis K4 für den Fachmann zumindest nahegelegt.
c.) Da, wie oben ausgeführt, der Begriff „Fahrzeugrahmen“ sowohl „Ladebodenrahmen“ umfasst, die in der Regel über dem Fahrgestell/Chassis und den Rädern verbaut sind, wie auch Rahmen im Sinne eines „Fahrgestells/Chassis“, und in der D7, Abb. 64, ein derartiger Rahmen mit Ausnehmungen für Ladungssicherungselemente aufgezeigt wird, der sowohl als Ladebodenrahmen dient, wie auch als Chassis für den dortigen Auflieger, ist für den geltenden Anspruch 1 nach Hauptantrag demgegenüber keine erfinderische Tätigkeit mehr erkennbar.
Der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
d.) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag ist ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig, da auch das zum Anspruch 1 des Hauptantrags unterschiedliche Merkmal K1Hi, „dass der Fahrzeugrahmen (1) ein Rahmen im Sinne eines Fahrgestells ist und selbst zur Aufnahme der Sicherungselemente (8) ausgestaltet ist“, aus der Abb. 64 der D7 bekannt ist. Der seitlich erkennbare Längsträger mit den Ausnehmungen verbindet nämlich das Vorderteil des Aufliegers mit dem hinteren Teil entsprechend den Längsträgern 4 den in den Fig. 1 und 2 der Streitpatentschrift gezeigten erfindungsgemäßen Ausbildungen.
2. Mit dem jeweiligen Anspruch 1 fallen auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 des erteilten Patents und des Hilfsantrags. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass er eine eigenständige Patentfähigkeit der untergeordneten Ansprüche nicht geltend mache. Es fehlt damit den einzelnen Unteransprüchen ein erfinderischer Inhalt.
3. Der nebengeordnete Patentanspruch 14 ist ebenfalls nicht patentfähig. Denn er betrifft einen Querträger eines Fahrzeugrahmens nach einem der vorgenannten Ansprüche, die - wie ausgeführt - nicht patentfähig sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
IV.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Schmidt Grote-Bittner Schlenk Dr. Krüger Ausfelder Ko