XI ZR 281/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 281/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 28. Juni 2022 Weber Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:280622UXIZR281.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 7. Juni 2022 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg, Dr. Matthias und Dr. Schild von Spannenberg sowie die Richterin Dr. Allgayer für Recht erkannt:
Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt. Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. April 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Streitwert: bis 25.000 €
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin. 2 Die Klägerin erwarb im Mai 2015 einen Ford Kuga zum Kaufpreis von
24.480 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 2.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 12. Mai 2015 einen Darlehensvertrag über 22.480 €. Das Darlehen sollte in 47 Monatsraten zu je
258,45 € und einer Schlussrate von 12.400 € zurückgezahlt werden. Seite 3 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Warnhinweis bei Nichtzahlung: Auf ausgebliebene Zahlungen berechnet die Bank Verzugszinsen, welche für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen. Dieser Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt." Mit Schreiben vom 20. Februar 2019 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrags auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 16. Mai 2019 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung der von ihr geleisteten Darlehensraten Zug um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs. Im Juni 2019 löste die Klägerin das Darlehen mit Zahlung der Schlussrate vollständig ab.
Mit der Klage hat die Klägerin zuletzt (1.) die Zahlung von 24.680 € nebst Zinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den Zahlungsantrag zu 1 zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren insoweit weiter.
Entscheidungsgründe: 5 Die Revision ist unbegründet.
I. 6 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: 7 Die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die der Klägerin zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Im Hinblick auf die erteilte Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Die der Klägerin erteilten weiteren Pflichtangaben unter anderem über den Verzugszins seien ebenfalls nicht zu beanstanden.
II. 8 Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. 9 Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß
§ 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 (in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
Der von der Klägerin mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihr an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber der vorleistungspflichtigen Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder die Klägerin den Nachweis erbracht hat, dass sie das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug bei der Klägerin abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Klägerin die Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Dies ist indes nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Revision steht der Beklagten das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 (XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von der Klägerin nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den Rückgewähranspruch der Klägerin bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für die Klägerin besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen, was sie in ihrem Zahlungsantrag berücksichtigt hat. Dies setzt allerdings des Weiteren voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Das ist hier nicht der Fall.
Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass die Klägerin gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).
IV.
Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).
Ellenberger Grüneberg Schild von Spannenberg Allgayer Matthias Vorinstanzen: LG Köln, Entscheidung vom 12.10.2020 - 22 O 131/20 OLG Köln, Entscheidung vom 06.04.2021 - 13 U 240/20 -