19 W (pat) 8/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 8/19 Verkündet am 11. November 2019
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2005 034 354 …
ECLI:DE:BPatG:2019:111119B19Wpat8.19.0 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2016 aufgehoben und das Patent 10 2005 034 354 im erteilten Umfang aufrechterhalten.
2. Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 22. Juli 2005 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 8. Mai 2014 das Patent 10 2005 034 354 mit der Bezeichnung „Airbagabdeckung“ erteilt worden (Streitpatent). Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 28. August 2014 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 12. Mai 2015, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 26. Mai 2015, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des Patents sei nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nummer 1 PatG) und das Patent gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nummer 4 PatG).
Sie verweist auf folgende Schriften:
E1 DE 195 16 230 A1 E2 DE 199 44 371 A1 E3 DE 102 31 131 A1 E4 US 5 979 931 A E5 DE 199 37 373 A1 E6 US 5 443 777 A E7 FR 2 721 876 A1 E8 DE 198 19 573 A1 E9 DE 102 29 962 A1 E10 US 2004/0164531 A1 E11 DE 103 61 581 A1 E12 DE 39 22 756 A1 E13 US 5 082 310 A E14 EP 0 639 481 A1 E15 DE 196 48 138 A1 E16 DE 196 54 246 A1 E17 DE 197 32 767 C2 E18 DE 199 39 034 A1 E19 US 37 540 E E20 EP 1 393 994 A1 E21 DE 102 41 715 A1 E22 DE 10 2004 047 634 A1 Die Patentinhaberin widerspricht und verteidigt das Patent im Einspruchsverfahren in der erteilten, hilfsweise in beschränkten Fassungen.
Mit am Ende der Anhörung vom 15. Dezember 2016 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Patentinhaberin vom 27. Januar 2017 und der Einsprechenden vom 13. Februar 2017.
Die Einsprechende macht neben den bereits im Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung genannten Widerrufsgründen geltend, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nummer 2 PatG).
Die Patentinhaberin beantragt:
den Beschluss der Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2016 aufzuheben und das Patent 10 2005 034 354 im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten,
hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag I vom 9. Dezember 2016,
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt,
sowie die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Die Einsprechende beantragt:
den Beschluss der Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2016 aufzuheben und das Patent 10 2005 034 354 in vollem Umfang zu widerrufen sowie die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
In der erteilten Fassung lautet der Anspruch 1:
„Airbagabdeckung (1) für ein Kraftfahrzeug mit: einem Formteil (2) mit einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie (7), einer Sichtbedeckung (3) aus Leder oder einem lederähnlichen Material, und einer Schicht (4) aus einem Material, das weicher ist als das Material des Formteils (2), die zwischen dem Formteil (2) und der Sichtbedeckung (3) angeordnet ist, wobei die Sichtbedeckung (3) einen Schwächungsbereich (5) aufweist, der einen flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag umfasst, der parallel zu der von der Sichtbedeckung aufgespannten Ebene liegt und zumindest teilweise der Schwächungslinie (7) des Formteils (1) folgt, wobei ein großflächiger, stetiger Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich vorgesehen ist.“
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 13 und der Fassung der Ansprüche gemäß Hilfsantrag I vom 9. Dezember 2016 wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden sind statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerde der Patentinhaberin hat in vollem Umfang Erfolg. Die Beschwerde der Einsprechenden hat hingegen keinen Erfolg.
2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er fristgerecht eingegangen sowie ausreichend substantiiert.
3. Das Streitpatent betrifft eine Airbagabdeckung für ein Kraftfahrzeug.
In der Streitpatentschrift (Absätze 0003, 0004, 0007 und 0009) ist ausgeführt, dass ein Airbag in einem Kraftfahrzeug regelmäßig unter einem mit einer Sichtbedeckung belegten Formteil angeordnet werde, wobei das Formteil so ausgestaltet sei, dass beim Auslösen des Airbags Teile des Formteils entlang vorab definierter Klapp- oder Aufreißlinien so verschwenken, dass die Entfaltung des Airbags nicht oder nur gering behindert werde. Bei der Ausgestaltung der Sichtbedeckung des Formteils müsse ebenfalls darauf geachtet werden, dass die für die Sichtbedeckung verwendeten Materialien eine Verschwenkung der vorstehend genannten Teile des Formteils und die Entfaltung des Airbags nicht störend beeinflussen.
Daher sei früher entweder eine Aufreißnaht in die aus Leder oder lederähnlichem Material gefertigten Sichtbedeckungen oder, falls aus Gründen der Optik erwünscht, eine Aufreißlinie nicht sichtbar in der Form eines Hinterschnitts mit über die Länge der Aufreißlinie variabler Tiefe in das Leder eingebracht worden. Die Werkzeuge zur Einbringung eines derartigen Hinterschnitts seien jedoch äußerst kostenintensiv. Darüber hinaus gestaltete sich die Werkzeugführung insbesondere im Hinblick auf die Einstellung variabler Schnitttiefen als besonders aufwändig.
Zudem würden aus Gründen einer verbesserten Haptik im Bereich von Airbagabdeckungen die als Sichtbedeckung verwendeten Leder oder lederähnlichen Materialien mit wenigstens einer Schicht unterfüttert, die eine größere Weichheit aufweist als das vergleichsweise steife Formteil. Derartige Materialien seien beispielsweise Abstandsgewirke, Schaumstoffe, Vliesse oder dergleichen. Diese würden, wie vorstehend bereits erwähnt, mit einem Leder oder lederähnlichen Material bedeckt, welches im Bereich der gewünschten Aufreißlinie einen Hinterschnitt mit über die Länge der Aufreißlinie variabler Tiefe aufweise. Intensive durch Klimawechsel hervorgebrachte Materialbeanspruchungen hätten sich jedoch in der Praxis auch bei einer derartigen Ausgestaltung als optisch nicht hinreichend zufriedenstellend erwiesen.
Es sei daher eine Aufgabe der Erfindung, eine Airbagabdeckung zur Verfügung zu stellen, welche die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile überwinde.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Anspruch 1 in der erteilten Fassung eine Airbagabdeckung für ein Kraftfahrzeug mit folgenden Merkmalen vor:
Airbagabdeckung (1) für ein Kraftfahrzeug mit:
a einem Formteil (2) a1 mit einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie (7), b einer Sichtbedeckung (3) b1 aus Leder oder einem lederähnlichen Material, und c einer Schicht (4)
c1 aus einem Material, das weicher ist als das Material des Formteils (2),
c2 die zwischen dem Formteil (2) und der Sichtbedeckung (3) angeordnet ist,
b2 wobei die Sichtbedeckung (3) einen Schwächungsbereich (5) aufweist,
b21 der einen flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag umfasst,
b22 der parallel zu der von der Sichtbedeckung aufgespannten Ebene liegt b23 und zumindest teilweise der Schwächungslinie (7) des Formteils (1) folgt,
b24 wobei ein großflächiger, stetiger Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich vorgesehen ist.
4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau bzw. einen Absolventen eines vergleichbaren Bachelor-Studienganges mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Entwurfs von Airbagmodulen, insbesondere des Entwurfs von Abdeckungen für diese, zu Grunde.
5. Mehrere Angaben im Anspruch 1 bedürfen der näheren Betrachtung:
a) Ein Formteil mit einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie (Merkmale a, a1) ist ein Bauteil, dessen Festigkeit entlang einer Linie geschwächt ist, beispielsweise durch einen Einschnitt. Die Schwächungslinie bildet eine Klappoder Aufreißlinie aus, entlang derer Teile des Formteils beim Auslösen des Airbags aufreißen bzw. verschwenken (Streitpatentschrift Absatz 0003 und Anspruch 8).
b) Eine Sichtbedeckung, die einen Schwächungsbereich aufweist (Merkmale b, b2), ist durch Materialabtrag geschwächt, nämlich in einem flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag (Merkmal b21) und in einem Übergangsbereich von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich (Teil des Merkmals b24).
Der Schwächungsbereich kann in die dem Formteil zugewandten Seite der Sichtbedeckung (Absatz 0024) oder in die Sichtseite der Sichtbedeckung eingebracht werden. Der Schwächungsbereich unterstützt die Risseinleitung und Rissausbreitung in der Airbagabdeckung beim Auslösen des Airbags und damit die sichere und ungehinderte Entfaltung des Airbags (Absatz 0020).
c) Der flächige Bereich mit maximalem Materialabtrag soll parallel zu der von der Sichtbedeckung aufgespannten Ebene liegen (Merkmal b22).
Ein flächiger Bereich mit maximalen Materialabtrag, der parallel zu einer Ebene liegt (Teil des Merkmals b22), liegt für den Fachmann dann vor, wenn in dem Bereich mit maximalem Materialabtrag die Oberfläche der Sichtbedeckung eine Ebene beschreibt (Absatz 0029).
Das gesamte Streitpatent lässt jedoch offen, was unter einer von der Sichtbedeckung aufgespannte Ebene (Rest des Merkmals b22) bzw. unter einer vorzugsweise von der Sichtseite der Sichtbedeckung aufgespannte Ebene (Absatz 0029) verstanden werden soll. Die Sichtbedeckung mag zwar in dem Bereich mit maximalem Materialabtrag eben sein, der Anspruch 1 ist jedoch nicht darauf beschränkt, dass dies auch für die übrigen Oberflächen der Sichtbedeckung gelten muss. Der Fachmann wird daher unter der von Sichtbedeckung aufgespannten Ebene diejenige Ebene verstehen, die eine der Oberflächen der Sichtbedeckung in der Umgebung eines Punktes am besten annähert (Tangentialebene).
Eine Airbagabdeckung, welche die Anweisung im Merkmal b22 erfüllt, ist in keiner der Figuren 1, 7 und 8 der Streitpatentschrift dargestellt, denn in den dort abgebildeten Querschnitten ist der Bereich des maximalen Materialabtrags nicht als Gerade erkennbar.
d) Unter einem stetigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich (Teil des Merkmals b24) versteht das Streitpatent jede Form des Übergangs, die ohne Ecken oder Grate und Stufen ausgestaltet ist. Die Sichtbedeckung beschreibt dabei im Querschnitt eine Kurve, die im Bereich der Übergänge von geschwächtem zu nicht geschwächtem Bereich monoton steigend oder monoton fallend ist (Absatz 0012). Zudem ist in der Streitpatentschrift angegeben, dass durch den in der Schrift DE 195 16 230 C2 (= E1) beschriebenen Materialabtrag in der Sichtbedeckung eine Geometrie mit kurvenförmigem Übergang vom nicht geschwächten zum geschwächten Bereich zur Verfügung gestellt wird (Absatz 0005, letzter Satz). Der in der Schrift E1 beschriebene Materialabtrag ist somit ein Beispiel für einen stetigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich.
Die in Absatz 0028 der Streitpatentschrift beschriebene Airbagabdeckung, bei der die in die Sichtbedeckung eingebrachte Schwächung vorzugsweise mit solchen Übergängen ausgestaltet ist, die weder mit bloßem Auge zu erkennen, noch beim Überstreichen mit der Hand ertastbar sind, betrifft lediglich eine bevorzugte Ausgestaltung, welche nicht einschränkend bei der Auslegung der Angabe „stetiger Übergang“ mitgelesen werden kann und welche im Übrigen auf Grund der unbestimmten Angaben „weder mit bloßem Auge zu erkennen … noch beim Überstreichen mit der Hand ertastbar“ auch nicht zur Bestimmung der Angabe „stetiger Übergang“ geeignet wäre.
e) Die Anweisung, einen großflächigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich vorzusehen (Rest des Merkmals b24), ist nicht patentbeschränkend. Denn der gesamten Streitpatentschrift ist Nichts dazu zu entnehmen, welche Größe die Fläche haben muss, um als großflächig im Sinne des Streitpatents zu gelten. Insbesondere enthält die Patentschrift weder Angaben dazu, welche Mindestausdehnung die Fläche haben muss, noch wie groß sie im Verhältnis zu irgendeiner anderen Fläche bestimmter Größe sein muss.
6. Die Beschwerde der Pateninhaberin hat Erfolg, da gegen die erteilte Fassung des Patents keine Widerrufsgründe vorliegen.
6.1 Die Gegenstände der erteilten Ansprüche gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Absatz 1 Nummer 4 PatG).
6.1.1 Der erteilte Anspruch 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die Anweisungen in den Merkmalen 1, a, b, b1, c, c1, c2 und b2 des erteilten Anspruchs 1 gehen in zulässiger Weise auf den ursprünglichen Anspruch 1 zurück. Die Angaben „partielle Schwächung (5)“, „geschwächter Bereich (5)“ und „Schwächungsbereich (5)“ werden in den Anmeldeunterlagen synonym verwendet. Es ist zulässig, dass die ursprüngliche Kennzeichnung als „eine das Formteil (2) überdeckende Sichtbedeckung (3)“ im Merkmal 2 des erteilten Anspruch 1 in „Sichtbedeckung“ gekürzt wurde, denn diese versteht der Fachmann als Sichtbedeckung solcher Teile des Fahrzeuginnenraums, unter denen Airbagmodule zum Schutz der Insassen im Falle eines Aufpralls des Fahrzeugs auf ein Hindernis angebracht sind (Beschreibung vom Anmeldetag, Seite 1, Absatz 2), also als eine das Formteil überdeckende Sichtbedeckung.
Das Merkmal a1 des erteilten Anspruchs 1, wonach das Formteil (2) mit einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie (7) ausgestattet ist, geht in zulässiger Weise auf die ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, Zeilen 1 bis 4 zurück, denn beim Auslösen des Airbags sollen Teile des Formteils entlang vorab definierter Klapp- oder Aufreißlinien so verschwenken, dass die Entfaltung des Airbags nicht oder nur gering behindert wird. Die Schwächungslinie im Formteil definiert daher eine Airbagklappe.
Es ist – entgegen der Auffassung der Einsprechenden – des Weiteren zulässig, dass der erteilte Anspruch 1 keine Anweisung zur Schwächung der „weichen“ Schicht (4) umfasst. Denn die Ansprüche 20 und 23 vom Anmeldetag beschreiben ein Verfahren zur Herstellung der Airbagabdeckung, wobei vor dem Zusammenfügen der einzelnen Schichten (2 bis 4) ein Schwächungsbereich (7) in das Formteil (2) und/oder wenigstens eine Schicht (4) aus weicherem Material und/oder wenigstens eine Folie (6) eingebracht wird. Daher offenbaren die ursprünglich eingereichten Unterlagen sowohl eine Airbagabdeckung mit einer geschwächten als auch eine mit einer ungeschwächten Schicht (4) aus einem Material, das weicher ist als das Material des Formteils (2).
Die Merkmale b21, b22 und b24 des erteilten Anspruchs 1, wonach der Schwächungsbereich (5) einen flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag umfasst, der parallel zu der von der Sichtbedeckung aufgespannten Ebene liegt,
wobei ein großflächiger, stetiger Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich vorgesehen ist, gehen in zulässiger Weise auf die ursprüngliche Beschreibung, Seiten 10 und 11 übergreifender Absatz zurück. Danach ist eine stetige Ausgestaltung des Übergangsbereichs vom nicht geschwächten Bereich zum geschwächten Bereich auch dann verwirklicht, wenn insbesondere bei der Ausgestaltung besonders breiter Schwächungsbereiche in der Sichtbedeckung ein kurviger Verlauf nur in dessen Randbereichen vorliegt.
Das Merkmal b23 des erteilten Anspruchs 1 geht in zulässiger Weise auf die ursprüngliche Beschreibung, Seite 8, Absatz 3, Zeilen 5 bis 8 zurück, denn dort ist der Erfindungsgedanke beschrieben, dass der Schwächungsbereich in der Sichtbedeckung nur über Teillängen (also zumindest teilweise) der Aufreißlinie innerhalb des Formteils folgt.
6.1.2 Auch die erteilten Unteransprüche 2 bis 13 gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die erteilten Ansprüche 2 bis 5 und 7 bis 10 gehen in zulässiger Weise auf die Ansprüche 2 bis 4, 6, 8 bis 10 und 13 vom Anmeldetag zurück.
Der erteilte Anspruch 6 geht in zulässiger Weise auf den Anspruch 7 vom Anmeldetag zurück, welcher die Lehre vermittelt, dass der Schwächungsbereich (5) eine maximale Restwandstärke von 0,1 bis 0,6 mm, vorzugsweise von 0,2 bis 0,5 mm, aufweist. Dies muss dann jedoch auch für den flächigen Bereich des maximalen Materialabtrags gelten, der ein Teilbereich des Schwächungsbereiches (5) ist.
Der erteilte Anspruch 11 geht in zulässiger Weise auf den Anspruch 14 und die Beschreibung, Seite 9, Zeilen 15 bis 18, vom Anmeldetag zurück.
Der erteilte Anspruch 12 geht in zulässiger Weise auf die Beschreibung, Seite 16, Zeilen 5 bis 9, vom Anmeldetag zurück.
Der erteilte Anspruch 13 geht in zulässiger Weise auf den Anspruch 17 vom Anmeldetag zurück, denn für den Fachmann hat eine Funktion, deren Kurve der ersten Ableitung einen sinusförmigen Verlauf aufweist, selbst einen sinusförmigen Kurvenverlauf.
6.2 Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nummer 2 PatG).
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden kann der Fachmann einen großflächigen, stetigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich ausführen (Merkmal b24). Denn nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Absatz 0005, letzter Satz) wird durch den in der Schrift DE 195 16 230 C2 (= E1) beschriebenen Materialabtrag in der Sichtbedeckung eine Geometrie mit kurvenförmigem Übergang vom nicht geschwächten zum geschwächten Bereich, d. h. ein stetiger Übergang, zur Verfügung gestellt und der Senat hat keine Zweifel, dass der Fachmann, den in der Schrift E1 beschriebenen Materialabtrag mit der dort beschriebenen Vorrichtung ausführen kann.
6.3 Der Gegenstand des Patents ist nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nummer 1 PatG).
6.3.1 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gilt als neu (§ 3 PatG).
a) Die Schrift DE 195 16 230 C2 (= E1) beschreibt zwei Ausführungsbeispiele einer Airbagabdeckung (Spalte 4, Zeile 1 bis Spalte 6, Zeile 5) zur Erläuterung und zum besseren Verständnis einer allgemeinen Lehre.
aa) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach dem ersten in der Schrift E1 beschriebenen Ausführungsbeispiel neu.
Die Figur 1 der Schrift E1 zeigt eine Airbagabdeckung mit einem Formteil 5 aus Kunststoff und einer aufkaschierten Lederbedeckung 4, wobei auf der Unterseite des Formteils, d. h. auf der zum Airbag hin gerichteten Seite des Formteils, Sollbruchstellen 2 in Form von Nuten und auf der Oberseite des Formteils zusätzliche Ziernuten 3 eingeformt sind. Die Lederbedeckung ist auf ihrer Unterseite, d. h. auf der dem Formteil zugewandten Seite, im Bereich der Sollbruchstellen des Formteils in ihrer Dicke verringert. Diese Bereiche 1 der Lederbedeckung mit Materialdickenreduzierungen sind in die Ziernuten des Formteils eingedrückt (Spalte 4, Zeilen 23 bis 42).
Figur 1 (Ausschnitt) der Schrift E1 Zur Erzeugung dieser partiellen Materialdickenreduzierungen wird die Lederbedeckung 4 auf eine Erhebungen aufweisende Schablone 9 (Figur 4) aufgelegt und die Lederbedeckung zusammen mit der Schablone in eine fachübliche Lederspaltmaschine eingeführt (Figur 2). Das Bandmesser 8 der Lederspaltmaschine schneidet im Bereich der Erhebungen der Schablone die Lederbedeckung auf einer Seite teilweise ab (Spalte 5, Zeilen 2 bis 4 und Zeilen 20 bis 23).
Figur 2 und Figur 4 (Ausschnitt) aus der Schrift E1 Das erste Ausführungsbeispiel in der Schrift E1 offenbart dem Fachmann in Worten des erteilten Anspruchs 1 eine:
Airbagabdeckung für ein Kraftfahrzeug (Spalte 4, Zeilen 21, 22, 25 und 26: Airbag-Abdeckung … Innenraum eines Kraftfahrzeugs)
mit: a einem Formteil 5
(Spalte 4, Zeile 20: Formteil 5 aus Kunststoff) a1 mit einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie 2,
(Spalte 4, Zeilen 22 bis 24: Das Formteil 5 entspricht den Airbag-Abdeckungen gemäß dem Stand der Technik. Sie weist auf der Unterseite Sollbruchstellen 2 in Form von Nuten auf; Spalte 4, Zeilen 46 bis 49: Dabei kann bei Auslösung des Airbags das Formteil 5 an den Sollbruchstellen 2 reißen und das Formteil 5 verschwenkt um hier lediglich angedeutete Drehachsen 11.) b einer Sichtbedeckung 4 b1 aus Leder oder einem lederähnlichen Material, und (Spalte 4, Zeile 7: Sichtbedeckung aus Leder; Spalte 4, Zeilen 27 und 28: Lederbedeckung 4; Spalte 2, Zeilen 46 bis 49: Insbesondere können flexible Schichten aus Leder, aus einem Lederaustauschmittel wie Kunstleder, Alcantara oder Lorica … bestehen.) b2 wobei die Sichtbedeckung 4 einen Schwächungsbereich 1 aufweist, (Spalte 4, Zeilen 31 bis 37: Auf der Unterseite, d. h. der dem Formteil 3 zugewandten Seite, ist die Lederbedeckung 4 im Bereich der Sollbruchstellen 2 des Formteils 5 in ihrer Dicke verringert. Somit sind über den Sollbruchstellen 2 des Formteils 5 partielle Materialdickenreduzierungen 1 in der Lederbedeckung 4 geschaffen.) b21 der einen flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag umfasst, (Die Bearbeitung der Sichtbedeckung 4 mittels der in Figur 2 dargestellten Lederspaltmaschine und der in Figur 4 dargestellten Schablone 9 mit „beispielhaft kegelstumpfförmig im Querschnitt“ ausgebildeten Erhebungen 10 (Spalte 5, Zeilen 31 bis 40) führt zu einem flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag.)
b22 der parallel zu der von der Sichtbedeckung 4 aufgespannten Ebene liegt (Der flächige Bereich der Lederbedeckung mit maximalem Materialabtrag wird in die Ziernuten 3 des Formteils 5 eingedrückt; Spalte 4, Zeilen 39 bis 42: In diese Ziernuten 3 wiederum sind die verdünnten Bereiche der Materialdickenreduzierungen 1 der Lederbedeckung 4 eingedrückt. In der Querschnittsdarstellung der Figur 1 ist ersichtlich, dass die Oberfläche des in den Boden der Ziernut 3 eingedrückten Bereichs 1 der Lederbedeckung parallel zu der Oberfläche der Lederbedeckung 4 außerhalb der Ziernuten verläuft.
Figur 1 (Ausschnitt) aus der Schrift E1 Der Fachmann geht davon aus, dass sich der in Figur 1 ersichtliche Querschnitt der Airbagabdeckung senkrecht zur Zeichenebene fortsetzt, also ein flächiger Bereich 1 der Lederbedeckung mit maximalem Materialabtrag parallel zu einer von der Sichtbedeckung 4 aufgespannten Ebene liegt.) b23 und zumindest teilweise der Schwächungslinie 2 des Formteils 5 folgt, (Spalte 4, Zeilen 31 bis 37: Auf der Unterseite, d. h. der dem Formteil 3 zugewandten Seite, ist die Lederbedeckung 4 im Bereich der Sollbruchstellen 2 des Formteils 5 in ihrer Dicke verringert. Somit sind über den Sollbruchstellen 2 des Formteils 5 partielle Materialdickenreduzierungen 1 in der Lederbedeckung 4 geschaffen.) b24 wobei ein großflächiger, stetiger Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich vorgesehen ist.
(Die Figur 1 zeigt im Querschnitt eine Form des Übergangs von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich der Sichtbedeckung die als Kurve ohne Ecken oder Grate und Stufen ausgestaltet ist. Die Oberfläche der Sichtbedeckung beschreibt damit einen stetigen Übergang. Die Vorgabe des Übergangs als großflächig ist nicht patentbeschränkend, siehe hierzu oben 5.e).)
Da die Lederbedeckung 4 auf der Oberseite des Formteils 5 aufkaschiert ist (Spalte 4, Zeilen 27 bis 29), offenbart das erste Ausführungsbeispiel aus der Schrift E1 nicht die Anweisung in den Merkmalen c, c1 und c2, wonach eine Schicht aus einem Material, das weicher ist als das Material des Formteils, zwischen dem Formteil und der Sichtbedeckung angeordnet ist.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin sind die Merkmale c, c1 und c2 die einzigen Unterscheidungsmerkmale des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber Stand der Technik nach der Schrift E1. Es trifft zwar zu, dass bei in der Schrift E1 beschriebenen Materialabtrag das Bandmesser 8 der Lederspaltmaschine unter einem spitzen Winkel in die Oberfläche der Lederbedeckung 4 eintaucht (Figur 2), und deshalb der Übergang von dem Bereich ohne Materialabtrag zu dem geschwächten Bereich unvermeidbar eine geringfügige Kante umfasst. Es mag auch sein, dass die Ausprägung dieser Kante von verschiedenen Faktoren abhängt, etwa von der Höhe der Erhebungen 10 auf der Schablone, dem Neigungswinkel der Flanken der Erhebungen 10, von Ledereigenschaften, wie Biegefähigkeit und Dehnungsverhalten. Das Entstehen der Kante ist jedoch auf Grund der in der Schrift E1 beschriebenen Anordnung von Sichtbedeckung und Bandmesser und deren Relativbewegung zueinander in der Lederspaltmaschine fertigungstechnisch unvermeidbar. Die Auffassung der Patentinhaberin, dass der in der Schrift E1 beschriebenen Materialabtrag nur dann einen stetigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich bereitstelle, falls der Fachmann darauf achte, dass der Übergang weder mit bloßem Auge zu erkennen, noch beim Überstreichen mit der Hand zu ertasten sei, bezieht sich auf eine bevorzugte Ausgestaltung des Streitpatents, die den erteilten Anspruch 1 nicht be- schränkt. Der Fachmann sieht vielmehr den in der Figur 1 der Schrift E1 ersichtlichen kurvenförmigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich als stetige Form des Übergangs ohne Ecken oder Grate und Stufen an.
bb) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist auch gegenüber dem Stand der Technik nach dem zweiten, in Figur 5 der Schrift E1 dargestellten Ausführungsbeispiel neu.
Nach diesem Ausführungsbeispiel ist die mit einer partiellen Materialdickenreduzierung 1 ausgebildete Sichtbedeckung 4 mit Kunststoff hinterspritzt. Der hinterspritzte Kunststoff bildet dabei das Formteil 5, in dem wiederum Sollbruchstellen 2 eingeformt sind. Durch die Hinterspritzung der Sichtbedeckung 4 mit Kunststoff füllt der Kunststoff auch die durch die partiellen Materialdickenreduzierungen 1 gebildeten Nuten in der Sichtbedeckung 4 aus (Spalte 5, Zeilen 44 bis 58).
Das zweite Ausführungsbeispiel offenbart keinerlei Schicht, die zwischen dem Formteil und der Sichtbedeckung angeordnet ist (Merkmale c und c2) und somit auch nicht, dass eine solche Schicht aus einem Material besteht, das weicher ist als das Material des Formteils (Merkmal c1).
cc) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist schließlich auch gegenüber dem Stand der Technik nach der allgemeinen Lehre aus der Schrift E1 neu.
Die Schrift E1 vermittelt in ihrer Beschreibung und in den Patentansprüchen eine Lehre, die allgemeiner ist als die beiden konkreten Ausführungsbeispiele.
So enthält der allgemeine Beschreibungsteil, Spalte 3, Zeilen 15 bis 18, den Hinweis, dass es auch möglich sei, wie z. B. bei einem Beifahrer-Airbag, das Formteil aus einem oder mehreren Metallteilen herzustellen, die umschäumt sind.
Entgegen der Auffassung der Patentabteilung im angegriffenen Beschluss stellt ein solches Metallteil – ohne seine Umschäumung – jedoch kein Formteil im Sinne des erteilten Anspruchs 1 dar. Denn der Anspruch 1 kennzeichnet das Formteil mit der Anweisung im Merkmal a1 durch das Vorhandensein einer eine Airbagklappe definierenden Schwächungslinie. Der Schrift E1 ist nicht zu entnehmen, dass das – nicht umschäumte – Metallteil eine solche Schwächungslinie aufweist und Teile des Metallteils beim Auslösen des Airbags aufreißen bzw. verschwenken. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns ist in der Schrift E1 vielmehr erkennbar, dass erst das umschäumte Metallteil die Eigenschaften eines Formteils im Sinne des Streitpatents aufweist (vgl. Spalte 3, Zeilen 15 bis 18).
b) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach den anderen im Verfahren genannten Schriften neu, die sämtlich weiter ab liegen.
6.3.2 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 4 PatG).
a) Die Schrift DE 195 16 230 C2 (= E1) ist ein geeigneter Ausgangspunkt für den Fachmann, der vor der oben genannten Aufgabe steht.
Ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift E1 hat der Fachmann jedoch keine Veranlassung, zwischen dem Formteil und der Sichtbedeckung eine Schicht aus einem Material anzuordnen, das weicher ist als das Material des Formteils (Merkmale c, c1 und c2).
Es mag zwar sein, dass es vor dem Zeitrang des Streitpatents fachüblich war, zur Verbesserung der Haptik einer Airbagabdeckungen eine Schicht aus einem weichen Material zwischen einem Formteil und einer Sichtbedeckung aus Leder oder einem lederähnlichen Material anzuordnen. So offenbaren sowohl die Schriften DE 102 31 131 A1 (= E3), DE 199 37 373 A1 (= E5) als auch DE 102 41 715 A1 (= E21) die Anordnung einer Schicht aus Schaumstoff oder Abstandsgewirke unterhalb der Sichtbedeckung. Alle diese Schriften beschreiben in diesen Zusammenhang jedoch Sichtbedeckungen aus Leder oder einem lederähnlichem Material mit linienförmigen Schwächungsbereichen, vgl.
– in der Schrift E3 Absatz 0033: erste Schicht 1 aus Leder; Absatz 0014: Zur Verbesserung der Haptik … Abstandsgewirke, Schaumstoff; Absatz 0042: die erste Schicht gezielt entlang der geforderten Reißlinie beispielsweise durch Anritzen geschwächt;
– in der Schrift E5 Spalte 3, Zeilen 12 bis 19: Folie … aus … Leder … auf ihrer Innenseite auch mit einem Schaum; Spalte 3, Zeilen 1 und 2: So kann die Schwächung als eine Einkerbung in der Folie ausgebildet sein;
– in der Schrift E21 Absatz 0018: Oberflächenschicht aus Natur- oder Kunstleder; Absatz 0019: auf der dem Träger … zugewandten Seite mit einem Abstandsgewirke versehen … flexible Haptik, angepasst an die Wünsche des Benutzers; Absatz 0035: mittels eines Kaltmessers 24 eine Schwächung, beispielsweise entlang einer durchgehenden Linie.
Aus diesen Schriften waren dem Fachmann auch die Nachteile einer solchen Anordnung bekannt:
Bei einer Hinterpolsterung der Sichtbedeckung mit Schaumstoff kann sich die Sichtbedeckung durch seine Schrumpfungsneigung etwa bei Klimawechselbeanspruchungen von der Oberfläche des Formteils ablösen bzw. eine wellige oder ungleichmäßige Oberflächenstruktur ausbilden. Denn eine weiche Schicht aus Schaumstoff kann kaum Zugbelastungen aufnehmen und sich aufgrund seiner porigen Struktur bei Zugbeanspruchungen unkontrolliert ausdehnen (vgl. E16, Spalte 2, Zeilen 7 bis 17 und 31 bis 42).
Bei einer Hinterpolsterung der Sichtbedeckung mit einem Material, das Faden- bzw. Faserstrukturen enthält, wie einem Abstandsgewirke, lässt sich zwar sowohl die angestrebte weiche Haptik als auch die erforderliche Haftung der Sichtbedeckung realisieren, da eine Materialschicht mit Faden- bzw. Faserstrukturen neben Druck auch Zugbelastungen aufnehmen kann (vgl. E16, Spalte 2, Zeilen 43 bis 53). Eine Zwischenschicht, die sowohl Druck als auch Zugbelastungen aufnehmen kann, beeinflusst jedoch die Kerbwirkung der Schwächungsbereiche in der Sichtbedeckung beim Auslösen des Airbags und verändert somit die Risseinleitung und die Rissausbreitung in der Airbagabdeckung.
Diese Nachteile treten stärker in Erscheinung, falls der Schwächungsbereich der Sichtbedeckung einen flächigen Bereich mit maximalem Materialabtrag (Merkmal b21) und einen großflächigen, stetigen Übergangsbereich von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich aufweist (Merkmal b24).
Der Senat kann daher ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift E1 keine Veranlassung des Fachmanns erkennen, zwischen dem Formteil und der Sichtbedeckung aus Leder oder einem lederähnlichen Material eine Schicht aus einem Material anzuordnen, das weicher ist als das Material des Formteils (Merkmale c, c1 und c2).
b) Auch ausgehend vom Stand der Technik nach den anderen im Verfahren genannten Schriften und bei Zusammenschau aller entgegengehalten Schriften beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Insbesondere führt auch die von der Einsprechenden geltend gemachte Zusammenschau einer der Schriften US 5 443 777 A (= E6) oder FR 2 721 876 A1 (= E7) mit einer oder allen der Schriften DE 199 44 371 A1 (= E2), DE 196 54 246 A1 (= E16) oder DE 102 41 715 A1 (= E21) nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1.
Weder die Schrift E6 noch die Schrift E7 betreffen eine Airbagabdeckung mit einer Sichtbedeckung aus Leder oder lederähnlichem Material.
Die Schrift E6 beschreibt eine gegossene thermoplastische Kunststoffschicht als Sichtbedeckung (Abstract: thermoplastic material is cast to form the outer skin; Spalte 7, Zeilen 1 bis 14: thermoplastic material … a polyvinyl chloride or an acrylonitrile-butadiene-styrene resin.). Die geringere Wandstärke der Sichtbedeckung im Schwächungsbereich wird dort durch eine geringere Wärmezufuhr in einem entsprechenden räumlichen Bereich der Gussform erzeugt (Spalte 6, Zeile 27 bis 40). Da eine thermoplastische Kunststoffschicht andere Materialeigenschaften und Eigenschaften hinsichtlich der Handhabung, Formung und Wirkung von Schwächungsbereichen aufweist als eine Schicht aus Leder oder einem lederähnlichen Material, hatte der Fachmann keine Veranlassung, den in Figur 7 der Schrift E6 ersichtlichen Schwächungsbereich 68 auf eine Sichtbedeckung aus Leder oder lederähnlichen Material zu übertragen. Auch eine Zusammenschau mit den Schriften E2, E16 und/oder E21 liefert hierfür keine Hinweise oder Anregungen.
Die Schrift E7 offenbart eine Airbagabdeckung mit einer Sichtbedeckung, die einen Bereich 14 mit reduzierter Querschnittsfläche aufweist (Seite 3, Zeilen 10 bis 14: La peau d'aspect 8 comporte une zone de section réduite 14 en regard de la zone de section réduite 11 du volet. Cette zone de section réduite 14 de la peau délimite également une ligne de rupture préférentielle de la peau lors du gonflage du sac.). Der Senat konnte in der Beschreibung der Schrift E7 weder einen Hinweis auf eine Sichtbedeckung aus Leder oder einem lederähnlichem Material noch auf einen stetigen Übergang von dem Bereich mit maximalem Materialabtrag zum nicht geschwächten Bereich finden. Die Anweisung im Merkmal b24 lässt sich mangels Angaben zur Herstellung der reduzierten Querschnittsfläche 14 auch nicht zweifelsfrei aus der einzigen Figur der Schrift E7 entnehmen. Auch eine Zusammenschau mit den Schriften E2, E16 und/oder E21 führt den Fachmann nicht in nahe liegender Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1.
Ausschnitte der Figuren 7 aus der Schrift E6 und der Figur aus der Schrift E7
7. Der Beschwerde der Einsprechenden war daher stattzugeben und die Beschwerde der Einsprechenden war zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmid Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt prö